Wenn es euch beliebig ist, mir eine gesunde Antwort zu geben, so will ich mich des Auftrags entledigen, den mir eure Mutter aufgegeben hat; wo nicht, so werdet ihr mir verzeihen, wenn ich gehe, und mein Geschäft für geendigt halte.
Hamlet.
Herr, das kan ich nicht—
Güldenstern.
Was, Gnädiger Herr?
Hamlet. Euch eine gesunde Antwort geben; mein Wiz ist gar nicht wohl auf Aber, Herr, so gut als ich eine Antwort geben kan, steht sie euch zu Diensten; oder vielmehr wie ihr sagt, meiner Mutter—also nur ohne fernern Umschweif zur Sache!—Meine Mutter, sagt ihr—
Rosenkranz.
Nun dann, das sagt sie; euer Betragen hat sie in das äusserste
Befremden und Erstaunen gesezt.
Hamlet.
O erstaunlicher Sohn, der seine Mutter so in Erstaunen sezen kan!
Aber stolpert nicht etwann eine Folge hinter dieser Erstaunung her?
Rosenkranz. Sie wünscht, eh ihr zu Bette geht, in ihrem Cabinet mit euch zu sprechen.
Hamlet. Wir werden gehorchen, und wenn sie zehnmal unsre Mutter wäre. Habt ihr noch weiter was mit uns zu handeln?
Rosenkranz.
Gnädiger Herr, ihr liebtet mich einst—
Hamlet.
Das thu ich noch—
Rosenkranz. Nun, dann, liebster Prinz, um unsrer alten Freundschaft willen, was ist die Ursache dieses euers seltsamen Humor's? Seyd versichert, ihr sezt eure eigne Freyheit in Gefahr, wenn ihr euch länger weigert, eure Beschwerden einem Freunde zu vertrauen.
Hamlet.
Mein Herr, ich möchte gern Befördrung.
Rosenkranz.
Wie kan das seyn, da ihr das Königliche Wort für eure Thronfolge in
Dännemark habt?
Hamlet. Schon gut, aber, (weil das Gras wächßt)—Das Sprüchwort ist ein wenig schmuzig. (Einer mit einer Flöte tritt auf.) O, die Flöten; laßt mich eine sehen—Wir gehen mit einander, mein Herr—Wie, warum geht ihr so um mich herum, mir den Wind abzugewinnen, als ob ihr mich in ein Garn treiben wolltet?
Güldenstern. O mein Gnädiger Prinz, wenn mich meine Pflicht zu kühn macht, so zwingt mich meine Liebe so gar unhöflich zu seyn.
Hamlet. Das versteh' ich nicht allzuwol. Wollt ihr auf dieser Flöte spielen?
Güldenstern.
Ich kan nicht, Gnädiger Herr.
Hamlet.
Ich bitte euch.
Güldenstern.
Glaubt mir, auf mein Wort, ich kan nicht.
Hamlet.
Ich bitte recht sehr.
Güldenstern.
Ich kenne keinen Griff, Gnädiger Herr.
Hamlet. Es ist eine so leichte Sache als Lügen; regiert die Windlöcher mit euern Fingern und dem Daumen, blaßt mit euerm Mund darein, und es wird die beredteste Musik von der Welt von sich geben. Seht ihr, hier sind die Griff-Löcher.
Güldenstern. Aber das ist eben der Fehler, daß ich sie nicht zu greiffen weiß, damit eine Harmonie heraus komme; ich verstehe die Kunst nicht.
Hamlet. So? seht ihr nun, was für ein armseliges Ding ihr aus mir machen wollt; ihr möchtet gern auf mir spielen; ihr möchtet dafür angesehen seyn, als ob ihr meine Griffe kennet; ihr möchtet mir gern mein Geheimniß aus dem Herzen herausziehen; ihr wollt daß ich euch von der untersten Note an bis zur höchsten angeben soll; das wollt ihr; und es ist so viel Musik, ein so reizender Gesang in diesem kleinen Stüke Holz, und doch könnt ihr sie nicht herausbringen? Wie, bildet ihr euch ein, daß ich leichter zu spielen bin als eine Pfeiffe? Nennt mich welches Instrument ihr wollt, aber wenn ihr schon auf mir herumpfuschen könnt, so könnt ihr doch nicht auf mir spielen—Grüß euch Gott, mein Herr—
Polonius (zu den Vorigen). Gnädiger Herr, die Königin möchte gern mit euch sprechen, und das sogleich.
Hamlet.
Seht ihr dort jene Wolke, die beynahe wie ein Camel aussieht?
Polonius.
Bey Sct. Veit, in der That, vollkommen wie ein Camel.
Hamlet.
Mich däucht, sie gleicht eher einer Amsel.
Polonius.
Sie ist schwarz wie eine Amsel.
Hamlet.
Oder einem Wallfisch?
Polonius.
Sie hat viele Ähnlichkeit mit einem Wallfisch, das ist wahr.
Hamlet.
Nun, so will ich gleich zu meiner Mutter kommen—
(vor sich.)
—Die Kerls werden mich noch toll machen—Ich will kommen, augenbliklich.
Polonius.
Ich will es so sagen.
Hamlet.
Augenbliklich ist bald gesagt. Laßt mich allein, gute Freunde.
(Sie gehen ab.)
Es ist nun Mitternacht, die Zeit wo Zauberer und Unholden hinter dem Vorhang der Finsterniß ihre abscheulichen Künste treiben; die Zeit, wo Kirchhöfe ihre Todten auslassen, und die Hölle selbst verpestete Seuchen in die Oberwelt aufdünstet. Nun könnt ich heisses Blut trinken, Dinge thun, von deren Anblik der bessere Tag zurükschauern würde. Stille! Nun zu meiner Mutter—O mein Herz, verliehre deine Natur nicht! Laß nicht, o! nimmermehr! die Seele des Nero in diesen entschlossenen Busen fahren; ich will grausam seyn, nicht unnatürlich; ich will Dolche mit ihr reden, aber keinen gebrauchen. Hierinn sollen meine Zunge und mein Herz nicht zusammen stimmen. So unbarmherzig immer meine Worte mit ihr verfahren werden, so fern sey es doch auf ewig von meiner Seele, sie ins Werk zu sezen.
(Er geht ab.)
Achte Scene.
(Der König, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)
König. Er gefällt mir gar nicht, und es würde auch nicht sicher für uns seyn, diese Tollheit so ungebunden fortschwärmen zu lassen. Macht euch also reisefertig; ich will euch unverzüglich eure Instruction aufsezen, und er soll mit euch nach England. Die Umstände gestatten nicht, uns den Gefahren bloß zu stellen, welche stündlich aus seinen Mondsüchtigen Launen entstehen können.
Güldenstern.
Wir wollen uns anschiken; es ist eine höchst gerechte und heilige
Furcht, für so vieler tausend Personen Sicherheit besorgt zu seyn,
die in Eu. Majestät leben.
Rosenkranz. Es ist die Privat-Pflicht eines jeden Menschen, alle Kräfte seines Verstands dazu anzustrengen, sich selbst vor Schaden zu bewahren: Aber vielmehr ist es eine Pflicht deßjenigen Geists, der die Seele des ganzen Staats-Körpers ist, und von dessen Wohl das Leben so vieler andern abhängt. Der Tod eines Königs ist nicht der Tod eines einzigen, sondern zieht, wie ein Strudel alles was ihm nahe kommt, in sich. Er ist wie ein Rad, das von dem Gipfel des höchsten Bergs herunter gewälzt, unter seinen ungeheuren Speichen tausend kleinere Dinge die daran hangen zertrümmert. Ein König seufzt nie allein; wenn er leidet, leiden alle.
König.
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