Rüstet euch, ich bitte euch, aufs eilfertigste zu dieser Reise; wir müssen dieser Gefahr Fesseln anlegen, die bisher so frey herum gegangen ist.

Beyde.
Wir wollen unser äusserstes thun.

(Sie gehen ab.)

(Polonius tritt auf.)

Polonius. Gnädigster Herr, er ist im Begriff, in seiner Frau Mutter Cabinet zu gehen; ich will mich hinter die Tapeten versteken, um zu hören, wie sie ihm den Text lesen wird. Denn wie Euer Majestät sagte, (und es war weislich gesagt) es ist nicht überflüssig, daß noch jemand andrer als eine Mutter, (die das mütterliche Herz immer partheyisch zu machen pflegt) mit anhöre, was er zu seiner Verantwortung sagen wird. Lebet wohl, mein Gebieter, ich will euch wieder aufwarten, eh ihr zu Bette geht, und euch erzählen, was ich gehört haben werde.

(Er geht ab.)

König.
Ich danke euch, mein ehrlicher Polonius.

(allein.)

O! Mein Verbrechen ist stinkend; es riecht zum Himmel hinauf; es ist mit dem ältesten Fluche beladen; ein Bruder-Mord—Beten kan ich nicht—wie könnt' ich, da ich, in innerlichem Streit zwischen meiner Neigung und meinem Vorsaz demjenigen gleich bin, der zwey Geschäfte vor sich liegen hat, und unterm Zweifel, welches er zuerst thun soll, beyde versäumt.—Wie, wenn diese verbrecherische Hand diker als sie ist, mit Bruder-Blut überzogen wäre? Hat der allgütige Himmel nicht Regen genug, sie schneeweiß zu waschen? Wozu dient Barmherzigkeit, als dem Verschuldeten Gnade zu erweisen? Hat nicht das Gebet diese doppelte Kraft, uns Unterstüzung zu verschaffen, eh wir fallen, oder Vergebung, wenn wir gefallen sind? So will ich dann aufschauen—Mein Verbrechen ist hinweg. Aber, o! was für eine Formul von Gebet kan ich gebrauchen?—"Vergieb mir meinen schändlichen Mord!"—Das kan nicht seyn, da ich noch immer im Besiz der Vortheile bin, um derentwillen ich diesen Mord begieng— meiner Krone, und meiner Königin? Wie kan ein Verbrecher Vergebung hoffen, so lang er sich den Gewinn seiner Übelthat vorbehält? Ja, nach dem verkehrten Lauf dieser Welt kan es seyn, kan des Verbrechens übergüldete Hand das Auge der Gerechtigkeit zuschliessen; hier, wo oft der Lohn der Ungerechtigkeit selbst das Gesez auskauft; aber so ist es nicht dort oben: Dort gelten keine Ausflüchte; dort liegt die That in ihrer natürlichen Blösse da, und wir sind gezwungen, ihr Zeugniß wieder uns, im Angesicht unsrer Sünden, zu bekräftigen. Wie dann? Was bleibt übrig?—Versuchen, was Reue vermag: Was vermag sie nicht?—Aber was vermag blosse unfruchtbare Reue?—O unseliger Zustand! O, im Schlamme versunkene Seele! die du desto tiefer versinkst, je mehr du dich losarbeiten willst. Helft mir, ihr Engel! helfet! Zur Erde, ihr ungeschmeidigen Kniee! Und du, Herz mit Fibern von Stahl, enthärte dich, und werde so weich wie die Sehnen eines neugebohrnen Kinds!— Es kan noch alles gut werden.

(Er begiebt sich in den hintersten Theil der Scene und kniet nieder.)

Neunte Scene.
(Hamlet tritt auf.)

Hamlet. Izt könnt' ich's am füglichsten thun, izt da er betet, und izt will ich's thun—so fährt er doch gen Himmel—Und das sollte meine Rache seyn? Das würde fein lauten!—Ein Bösewicht ermordet meinen Vater, und davor schik ich sein einziger Sohn, diesen nemlichen Bösewicht gen Himmel—O, das wäre Belohnung nicht Rache! Er überfiel meinen Vater unversehens, bey vollem Magen, mit allen seinen in voller Blüthe stehenden Sünden—und wie es nun um ihn steht, weiß allein der Himmel—Unsern Begriffen nach übel genug. Wär ich also gerochen, wenn ich ihm in dem Augenblik wegnähme, da sich seine Seele ihrer Schulden entladen hat, da sie zu diesem Übergang geschikt ist?—Hinein, mein Schwerdt; du bist zu einem schreklichern Dienst bestimmt! Wenn er betrunken ist und schläft, oder im Ausbruch des Zorns, oder mitten in den blutschänderischen Freuden seines Bettes, wenn er spielt, flucht, oder sonst etwas thut, das keine Hoffnung der Seligkeit übrig läßt, dann gieb ihm einen Stoß, daß er seine Beine gen Himmel streke, indem seine schwarze Seele zur Hölle fährt—Meine Mutter wartet auf mich—eine Arzney, die zu nichts dient, als eine unheilbare Krankheit zu verlängern.

(Er geht ab.)

(Der König steht auf, und tritt vorwärts.)

König. Meine Worte fliegen auf, meine Gedanken bleiben zurük; und Worte ohne Gedanken langen nie im Himmel an.

(Er geht ab.)

Zehnte Scene.
(Verwandelt sich in das Cabinet der Königin.)
(Die Königin und Polonius treten auf.)

Polonius. Er wird sogleich da seyn; seht, daß ihr rund mit ihm zu Werke geht; sagt ihm, die Streiche die er gespielt habe seyen zu grob, zum Ausstehen; der König sey sehr ungehalten darüber, und wenn ihr nicht seine Fürsprecherin gewesen wäret, so hätte es Folgen haben können—Ich will mich hier verbergen; ich bitte euch, sagt ihm die Meynung fein scharf.

Hamlet (hinter der Scene.)
Mutter! Mutter!—

Königin. Seyd deßwegen ohne Sorge; verlaßt euch auf mich—Entfernt euch, ich hör' ihn kommen.

(Polonius verbirgt sich hinter die Tapeten.)

(Hamlet tritt auf.)

Hamlet.
Nun, Mutter, was ist die Sache?

Königin.
Hamlet, du hast deinen Vater sehr beleidiget.

Hamlet.
Mutter, ihr habt (meinen) Vater sehr beleidiget.

Königin.
Kommt, kommt, ihr gebt mir eine verkehrte Antwort.

Hamlet.
Sie schikt sich auf eine boshafte Anrede.

Königin.
Wie, was soll das seyn, Hamlet?

Hamlet.
Was wollt ihr dann?

Königin.
Kennst du mich nicht mehr?

Hamlet.
Nein, beym Himmel, das nicht; ihr seyd die Königin, euers Gemahls
Bruders Weib, aber ich wollte, ihr wäret es nicht!—Ihr seyd meine
Mutter.

Königin. Gut, wenn du aus diesem Ton anfängst, so will ich dir jemand antworten lassen, der reden kan—

Hamlet. Kommt, kommt, und sezt euch nieder; ihr sollt mir nicht von der Stelle: Ich laß euch nicht gehen, bis ich euch einen Spiegel vorgehalten habe, worinn ihr euch bis auf den Grund eurer Seele sehen sollt.

Königin.
Was hast du im Sinn? Du wirst mich doch nicht ermorden wollen?
Hülfe! ho!

Polonius (hinter der Tapete.)
Wie? He, Hülfe!

Hamlet.
Was giebt's da? Eine Maus? Todt um einen Ducaten, todt.

(Er ersticht den Polonius.)

Polonius.
O, ich bin ein Mann des Todes.

Königin.
Weh mir! Was hast du gethan?

Hamlet.
In der That, ich weiß es nicht: Ist es der König?

Königin.
O, was für eine rasche und blutige That ist das!

Hamlet.
Eine blutige That; beynahe so schlimm, meine gute Mutter, als einen
König ermorden und seinen Bruder heyrathen.

Königin.
Einen König ermorden?

Hamlet.
Ja, Gnädige Frau, das war mein Wort.

(Zu Polonius.)

Du unglüklicher, unbesonnener, unzeitig-geschäftiger Thor, fahr du wohl! Ich hielt dich für einen Grössern als du bist; habe nun, was du dir zugezogen hast; du erfährst nun, daß es gefährlich ist, sich gar zu viel zu thun zu machen—

(Zur Königin.)

Macht nicht so viel Hände-Ringens, still, sezt euch nieder, und laßt mich euer Herz in die Presse nehmen; denn das will ich thun, wenn es anders von lasterhafter Gewohnheit nicht so eisenhart worden ist, daß es alles Gefühl verlohren hat.

Königin. Was hab ich gethan, das dich vermessen genug macht, mich so rauh anzulassen?

Hamlet. Eine That, welche die keusche Röthe der Unschuld selbst verdächtig macht, und die Tugend eine Heuchlerin nennt; die Rose von der schönen Stirne einer rechtmäßigen Liebe wegreißt und eine Eyter- Beule an ihre Stelle sezt; eine That, die den Ehgelübden nicht mehr Glauben übrig läßt, als die Schwüre falscher Würfel-Spieler haben— O! so eine That, die den ehrwürdigsten Verträgen die Seele ausreißt, und die holde Religion in leeren Wörter-Schall verwandelt. Des Himmels Angesicht sieht, seit dem diese That geschehen ist, mit trübem Auge auf diesen Erdball herab; so düster und traurig, wie beym Anbruch des Welt-Gerichts.

Königin.
Weh mir, was für eine That?

Hamlet. Die so laut brüllt, daß sie bis in die Indien donnert—Seht hieher, seht auf dieses Gemählde, und auf dieses, die Abbildungen zwoer Brüder: seht, was für eine Würde saß auf dieser Stirne—Hyperions Loken—die Stirne des Jupiters selbst—ein Auge, wie des Kriegs- Gottes, zu schreken oder Befehle zu herrschen; eine Stellung, wie des Herolds der Götter, der sich eben auf einen himmelküssenden Hügel herabgeschwungen hat; eine Gestalt, auf welche jeder Gott sein Siegel gesezt zu haben schien um der Welt zu urkunden, daß das ein Mann sey. Das war euer Gemahl—Seht nun hieher; hier ist euer Gemahl, er, der wie der Mihlthau eine gesunde Ähre, seinen Bruder vergiftete. Habt ihr Augen? Konntet ihr die gute Weyde auf diesem schönen Berge verlassen, um euch in diesem Morast zu wälzen? Ha! habt ihr Augen? Ihr könnt es nicht Liebe heissen; denn, in euerm Alter, ist das Blut zahm, und läßt sich von der Vernunft leiten; und welche Vernunft würde von (diesem) zu (diesem) übergehen? Sinnlichkeit habt ihr, das ist gewiß; sonst könntet ihr keine Vorstellung haben; aber diese Sinnen sind vom Schlage getroffen: Wahnwiz könnte sich nicht so sehr verirrt haben; so toll wird niemand, daß ihm nicht noch immer so viel Unterscheidungs-Kraft übrig bleibe, eine solche Verschiedenheit wahrzunehmen—Was für ein Teufel hat euch denn die Augen verbunden, wie ihr diese Wahl machtet? Augen ohne Gefühl, Gefühl ohne Augen, Ohren ohne Hände oder Augen, oder nur ein kranker Rest eines einzigen unverblendeten Sinn's hätte sich nicht so verfehlen können—O Schaam! wo ist deine Röthe? Rebellische Hölle, wenn du in den Gebeinen einer Matrone einen solchen Aufruhr machst, so laß immer die Keuschheit der Jugend Wachs seyn, und in ihrem eignen Feuer wegschmelzen. Ruft keine Schande aus, wenn der ungestüme Trieb der Jugend-Hize in Ausschweiffung auflodert, da der Frost selbst eben so ungezähmt brennt, und Vernunft die Kupplerin schnöder Lüste wird.

Königin. O Hamlet, halte ein! Du drehst meine Augen in meine innerste Seele, und da seh ich so schwarze, so häßliche Fleken, daß sie nimmermehr ihre Farbe verliehren werden.

Hamlet.
Gewiß nicht, so lang ihr fähig seyd in dem stinkenden Schweiß eines
blutschändrischen Bettes zu leben, der Liebe in einem unflätigen
Schwein-Stalle zu pflegen—

Königin. O höre auf; diese Reden dringen wie Dolche in meine Ohren—Nichts mehr, lieber Hamlet.

Hamlet. Ein Mörder, und ein schlechter Kerl oben drauf!—Ein Sclave, der nicht der zwanzigste Theil eines Zehentheils von euerm ersten Herrn ist, der Pikelhäring unter den Königen, ein feiger Schurke und Gaudieb, der die Krone von einem Küssen wegstahl, und sie in seinen Schnapsak stekte—

Königin.
Genug, genug—

(Der Geist läßt sich sehen.)

Hamlet.
Ein zusammengeflikter Lumpen-König—Himmel!

(Er starrt mit Entsezen auf.)

umschwebet mich mit euern Flügeln, ihr himmlischen Wächter!—Was will deine ehrwürdige Erscheinung?

Königin.
O weh! er ist wahnsinnig—

Hamlet. Kommt ihr nicht, euern trägen Sohn zu beschelten, der die Zeit in unthätigem Gram verliehrend, das grosse Werk, das ihr ihm anbefohlen habt, liegen läßt?

Geist. Vergiß es nicht: Dieser Besuch hat sonst keine Absicht, als deinen fast stumpfen Vorsaz zu wezen. Aber, siehe! Erstaunen ergreift deine Mutter! O tritt zwischen sie und ihre kämpfende Seele: In den schwächsten Körpern wirkt die Einbildung am stärksten. Rede mit ihr, Hamlet.

Hamlet.
Wie steht es um euch, Gnädige Frau?

Königin. O weh! wie steht es um dich? daß du deine Augen so auf einen Ort ohne Gegenstand heftest, und mit der unkörperlichen Luft Gespräche führst? Deine Geister schauen wild aus deinen Augen heraus, und gleich schläfernden Soldaten bey einem plözlichen Alarm, starren deine Haare, wie beseelt, empor, und stehen unbeweglich auf ihren Enden—O mein lieber Sohn, sprize kalte Geduld auf das Feuer deiner Leidenschaft—Was schauest du so an?

Hamlet. Ihn! Ihn selbst!—Seht ihr den düstern Schein, den er von sich giebt? Seine Gestalt und seine Sache zusammengenommen, könnten Steine in Bewegung und Leidenschaft sezen—O sieh mich nicht an, oder dieser traurige Blik verwandelt meinen frömmern Vorsaz in Wuth— und macht hier Blut für Thränen fliessen.

Königin.
Mit wem redet ihr?

Hamlet.
Seht ihr denn nichts hier?

(Er zeigt mit dem Finger auf den Geist.)

Königin.
Nicht das geringste; und doch seh ich alles was ist.

Hamlet.
Hört ihr auch nichts?

Königin.
Nein, nichts als uns beyde.

Hamlet.