Mit Blumen rings umstekt;
Sie gehn mit ihm ins Grab, benezt
Mit treuer Liebe Thau.
König.
Wie steht's um euch, junges Fräulein?
Ophelia.
Wohl, Gott sey bey euch! Die Leute sagen, die Eule sey vorher eine
Bekers-Tochter gewesen. Herr Gott! wir wissen was wir sind, aber
wir wissen nicht, was wir werden können. Gott segne euch das
Mittag-Essen!
König.
Traurigkeit über ihren Vater—
Ophelia. Ich bitte euch, nichts mehr von dieser Materie; wenn sie euch fragen, was es bedeuten sollte, so sagt ihnen das:
(Auf Morgen ist Sant Valentins Tag, und früh vor Sonnenschein
Ich, Mädchen, komm ans Fenster zu dir, und will dein Valentin seyn.
Da stuhnd er auf, und zog sich an, und ließ sie in sein Haus;
Sie gieng als Mädchen ein zu ihm, doch nicht als Mädchen aus.)
König.
Holdselige Ophelia!
Ophelia.
In der That, und ohne einen Eid, das soll das lezte seyn:
Bey Kilian und Sanct Charitas,
Das garstige Geschlecht!
Sie thun's sobald der Anlaß kommt;
Beym Hahn, es ist nicht recht.
Sie sprach: Bevor ihr mich ertappt,
Verspracht ihr mir die Eh;
Bey jener Sonn', ich hätt's gethan,
Was gabst du dich umsonst?
König.
Wie lang ist sie schon in diesem Zustande?
Ophelia. Ich hoffe, alles soll gut gehen. Wir müssen Geduld haben; und doch kan ich nicht anders als weinen, wenn ich denke, daß sie ihn in den kalten Boden hineinlegen sollen; mein Bruder soll es erfahren, und hiemit dank' ich euch für euern guten Rath. Kommt, wo ist meine Kutsche?—Gute Nacht, meine Damen; gute Nacht, schöne Damen; gute Nacht, gute Nacht.
(Sie geht ab.)
König (zu Horatio.)
Folgt ihr, und laßt genau auf sie Acht geben, ich bitte euch—
(Horatio geht ab.)
Das ist der Gift eines tiefen Grams, eine Folge von ihres Vaters Tod. O Gertrude, Gertrude, wenn Unglük kommt, so kommt es nicht einzeln, wie Kundschafter, sondern Schaaren-weis. Erst der gewaltsame Tod ihres Vaters—Dann die Entfernung euers Sohns, die er sich durch jene Mordthat gerechtest zugezogen—Das Volk von ungesunden Muthmassungen über den Tod des guten Polonius, die von einem Ohr ins andre geflüstert werden, aufgebracht und zur Empörung bereit—Es war unvorsichtig von uns gehandelt, daß wir ihn heimlich bestatten liessen—Die arme Ophelia ihres schönen Verstandes beraubt—und was noch das schlimmste ist, so ist ihr Bruder in geheim aus Frankreich zurükgekommen, hält sich verborgen, zieht Erkundigung ein, und wird Ohrenbläser genug finden, die ihn mit giftigen Reden über die Ursache von seines Vaters Tod ansteken werden—O meine liebste Gertrude, das ist mehr als nöthig ist, mich das Schlimmste besorgen zu machen.
(Man hört ein Getöse hinter der Scene.)
Königin.
Himmel, was für ein Getöse ist das?
Sechste Scene.
(Ein Hof-Bedienter zu den Vorigen.)
König. Wo sind meine Schweizer? Laßt sie die Thüre bewachen—Was willst du?
Hofbedienter Rettet euch, Gnädigster Herr. Der über seine Ufer schwellende Ocean frißt nicht mit reissenderm Ungestüm die Furten und Sandbänke weg, als der junge Laertes, an der Spize eines aufrührischen Hauffens eure Wachen zu Boden wirft; das Lumpenvolk nennt ihn Lord, und nicht anders als ob die Welt erst izt anfienge, und Geseze, Gebrauch und alles was die Bande der Gesellschaft befestiget, auf einmal vergessen wären, ruffen sie: Machen wir den Laertes zu unserm König! Kappen, Hände und Zungen geben ihren Beyfall bis in die Wolken; alles schreyt: "Laertes soll unser König seyn, Laertes König."
Königin. (Man hört das Getümmel näher)
Wie sie schreyen! Mit welcher Wuth von Freude! O, das sind nur
Rechen-Pfenninge, ihr falschen Dänischen Hunde—
(Laertes tritt auf, mit einer Partey vor der Thüre.)
König.
Die Thüren sind erbrochen.
Laertes.
Wo ist dieser König?—Ihr Herren! Bleibt ihr alle draussen stehen.
Alle.
Nein, wir wollen auch hinein.
Laertes.
Ich bitte euch, laßt mich gewähren.
Alle.
Wir wollen, wir wollen.
(Sie gehen ab.)
Laertes. Ich danke euch; bewachet die Thüre. O du schändlicher König, schaffe mir meinen Vater her.
Königin.
Ruhiger, guter Laertes.
Laertes. Der Tropfe Bluts, der ruhig in mir ist, ruft mich zum Bastart aus; nennt meinen Vater einen Hahnreyh; und brennt die Hure hier, hier mitten zwischen die keusche und unbeflekte Augbraunen meiner ehrlichen Mutter.
König. Was ist die Ursache, Laertes, daß deine Empörung sich dieses Riesenmässige Ansehen giebt? Laßt ihn gehen, Gertrude; besorget nichts für eure Person; es ist etwas so Göttliches um einen König hergezäunt, daß Verrätherey zu dem was sie gerne wollte, durch die Vergitterung nur hineinguken kan; ohne die Kraft zu haben ihren Willen ins Werk zu sezen. Sagt mir, Laertes, warum seyd ihr so aufgebracht? Laßt ihn gehen, Gertrude—Redet, Mann!
Laertes.
Wo ist mein Vater?
König.
Todt ist er.
Königin.
Aber nicht durch seine Schuld.
König.
Laßt ihn fragen, bis er genug hat.
Laertes. Warum ist er todt? Wie gieng es zu, daß er todt ist? Ich werde mich nicht durch Ausflüchte abweisen lassen! Zur Hölle, Lehens- Pflicht! Zum schwärzesten Teufel, du Eyd, den ich schwur! Gewissen und Religion selbst in den tiefsten Brunnen! Ich troze der Verdammniß; auf dem Punkt wo ich stehe, sind beyde Welten nichts in meinen Augen; laß kommen was kommt; ich will Rache haben, Rache für meinen Vater, volle überfliessende Rache!
König.
Wer soll euch denn aufhalten?
Laertes. Nicht die ganze Welt; und was mein Vermögen betrift, so will ich so damit haushalten, daß ich mit wenigem weit kommen will.
König. Mein lieber Laertes, wenn ihr von dem Schiksal euers Vaters gewisse Nachricht einziehen wollt, ist es bey euch beschlossen, daß ihr beydes Freund und Feind, ohne Unterschied, eurer Rache aufopfern wollt?
Laertes.
Niemand als seine Feinde.
König.
Wollt ihr wissen wer sie sind?
Laertes. Seinen Freunden will ich mit ofnen Armen entgegen eilen, und sie gleich dem Pelican mit meinem eignen Blut erhalten.
König. Nun, das heißt wie ein gutes Kind und wie ein Edelmann gesprochen. Daß ich an euers Vaters Tod unschuldig bin, und daß ich aufs empfindlichste dadurch betrübt worden, das soll euerm Verstand so klar werden, als der Tag euerm Auge ist.
(Man hört hinter der Scene ein Geschrey: Laßt sie hinein.)
Laertes.
Nun, was giebt's, was für ein Lerm ist das?
Siebende Scene. (Ophelia, auf eine phantastische Art mit Stroh und Blumen geschmükt, tritt auf.)
Laertes. O Hize, trokne mein Gehirn auf! Thränen, siebenmal gesalzen, brennet die Empfindung und Sehens-Kraft meiner Augen aus! Beym Himmel, diese Verfinsterung deiner Vernunft soll mir so vollwichtig bezahlt werden, bis die Wagschale an den Balken stößt—O Rose des Mayen! Holdes Mädchen, liebe Schwester, angenehmste Ophelia!— Himmel! ists möglich daß der Verstand eines jungen Mädchens so sterblich seyn soll, als das Leben eines alten Mannes? Die Natur ist in Liebe verfallen, und sendet dem geliebten Gegenstand das Kostbarste was sie hat zum Andenken nach.
Ophelia (singend.)
Sie senkten ihn in kalten Grund hinab,
Und manche Thräne blieb auf seinem Grab.
Fahr wohl, mein Täubchen!
Laertes. Hättest du deinen Verstand, und strengtest ihn an, mich zur Rache zu bereden, er könnte nicht halb so viel rühren—
Ophelia. Ihr müßt singen—Hinab, hinab—Ihr wißt ja das Lied?—Es war der ungetreue Hausmeister, der seines Herrn Tochter entführte—Hier ist Rosmarin, es ist zum Angedenken; ich bitte dich, Liebe, denk' an mich; und hier sind Vergiß nicht mein—Hier ist Fenchel für euch, und Agley—Hier ist Raute für euch,
(sie theilt im Reden ihre Blumen aus.)
und hier ist welche für mich. Wir könnten sie Gnaden-Kraut oder Sonntags-Kraut nennen; ihr dürft eure Raute wol mit einigem Unterschied tragen. Hier ist eine Maaß-Liebe; ich wollte euch gern einige Veylchen geben, aber sie verwelkten alle, da mein Vater starb: Sie sagen, er hab' ein schönes Ende genommen:
(singend:)
(Denn der Hanserl ist doch mein einziges Leben.)
Laertes.
Wer könnte bey einem solchen Anblik geduldig bleiben!
Ophelia. Und kommt er dann nicht wieder zurük?
Und kommt er dann nicht wieder zurük?
Nein, nein, er ist todt, geh in dein Tod-Bett!
Er kommt nicht wieder zurük.
Sein Bart war so weiß als Schnee
Ganz Silber-farb sein Haupt;
Er ist weg, er ist weg, und wir seufzen umsonst;
Friede sey mit seiner Seele!
Und mit allen Christen-Seelen—Gott behüte euch.
(Sie geht ab.)
Laertes.
Seht ihr das, ihr Götter?
König.
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