Laertes, laßt mich euern Schmerz theilen, oder ihr versagt mir mein Recht: Geht wenn ihr zweifelt, leset eure verständigsten Freunde aus, sie sollen Richter zwischen mir und euch seyn: Finden sie daß wir auf irgend eine Art, geradezu oder verdekter Weise, in diese Sache eingeflochten sind—so soll unser Königreich, unsre Krone, unser Leben, und alles was wir unser nennen, euch zur Genugthüung verfallen seyn. Ist es aber nicht, so leihet uns eure Geduld, und wir wollen gemeinschaftlich mit einander arbeiten, eure Rache zu befriedigen.

Laertes. Laßt es so seyn. Die Art seines Todes, seine heimliche Bestattung, ohne Ehren-Zeichen, ohne einiges Gepränge, das seinem Stand gebührt hatte, alle Umstände ruffen so laut, als ob sie von der Erde bis in Himmel gehört werden wollten, daß ich sie in Untersuchung ziehen solle.

König.
Das thut: und wo ihr die Beleidigung findet, dahin lasset die
Straffe fallen. Ich bitte euch, folget mir.

(Sie gehen ab.)

Achte Scene.
(Horatio mit einem Bedienten tritt auf.)

Horatio.
Wer sind diese Leute, die mit mir sprechen wollen?

Bedienter.
Matrosen, mein Herr; sie sagen, sie haben Briefe für euch.

Horatio.
Laß sie hereinkommen—Ich kan nicht begreiffen, aus welchem Theil
der Welt ich Briefe bekommen sollte, wenn sie nicht vom Prinzen
Hamlet sind. (Einige Matrosen treten auf.)

Matrosen.
Gott helfe euch, Herr.

Horatio.
Dir auch.

Matrosen.
Das wird er auch, wenn er will, Herr—Hier ist ein Brief an euch,
Herr—wenn ihr euch Horatio nennt, wie man mir gesagt hat; er kommt
von dem Abgesandten, der nach England geschikt wurde.

Horatio (überließt den Brief.) Horatio, wenn du dieses überlesen haben wirst, so verschaffe diesen Leuten Gelegenheit vor den König zu kommen; sie haben Briefe an ihn. Eh wir noch zween Tage auf dem Meere waren, verfolgte uns ein See- Räuber von sehr stattlichem Ansehen. Da wir uns von ihm übersegelt sahen, entschlossen wir uns zur Gegenwehr, und währendem Handgemeng sprang ich zu ihnen an Bord—Augenbliklich liessen sie unser Schiff fahren, und so blieb ich ihr Gefangner. Sie haben mir begegnet, wie Diebe die zu leben wissen; das macht, sie wußten warum, und sie sollen mir's nicht umsonst gethan haben. Mache, daß der König seinen Brief überkommt, und suche mich dann so eilfertig auf, als ob du vor dem Tode lieffest. Ich habe dir Worte ins Ohr zu sagen, die dich taub machen werden; und doch sind sie viel zu leicht für ihren Inhalt. Diese guten Bursche werden dich zu mir bringen. Rosenkranz und Güldenstern sezen ihren Lauf nach England fort. Ich habe dir viel von ihnen zu erzählen. Lebe wohl. "Dein Hamlet." Kommt, ich will für die Bestellung eurer Briefe sorgen; und desto eilfertiger, damit ihr mich ohne Verzug zu demjenigen führen könnet, der euch geschikt hat.

(Sie gehen ab.)

Neunte Scene.
(Der König und Laertes treten auf.)

König. Nunmehr muß dann euer Gewissen selbst meine Freysprechung sigeln, und ihr müsset überzeugt seyn, daß ich euer Freund bin, da ihr gesehen habt, daß eben derjenige, von dessen Hand euer edler Vater fiel, mir selbst nach dem Leben getrachtet hat.

Laertes. Die Beweise reden. Aber erlaubet mir zu fragen, warum ihr gegen Übelthaten von so ungeheurer Beschaffenheit nicht gerichtlich procedirt habet; da doch eure eigne Sicherheit, Klugheit, und alles in der Welt euch rathen mußte, den Thäter zur Rechenschaft zu ziehen?

König. Zwoo besondre Ursachen haben mich davon abgehalten, die in euren Augen vielleicht weniger Stärke haben als in den meinigen. Die Königin seine Mutter lebt, so zu sagen, fast von seinen Bliken, und ich selbst (es mag nun eine Tugend oder eine Schwachheit seyn:) liebe sie so zärtlich, daß ich ihren Wünschen nichts versagen kan. Der andre Grund ist die allgemeine Zuneigung, welche das Volk zu ihm trägt, und die so weit geht, daß sie seine Fehler selbst übergülden und seine Verbrechen zu Tugenden machen würden: so daß meine Pfeile, zu schwach befiedert für einen so starken Wind, auf mich selbst zurük gefallen, und nicht dahin gekommen wären, wohin ich gezielt hätte.

Laertes. Und so muß ich einen edlen Vater verlohren haben, und eine Schwester zu Grund gerichtet sehen, deren Vortreflichkeit unser ganzes Zeitalter herausfoderte, ihres gleichen zu zeigen—Aber meine Rache soll nicht ausbleiben.

König. Laßt euch das nichts von euerm Schlafe nehmen. Ihr müßt mich nicht für einen so phlegmatischen milchlebrichten Mann halten, der sich den Bart mit Gewalt ausrauffen läßt, und es für Kurzweil aufnimmt. Ihr sollt bald mehr hören. Ich liebte euern Vater, und liebe mich selbst, und dieses, hoff ich, wird euch nicht zweifeln lassen—Was giebts? Was Neues? (Ein Bote.)

Bote.
Briefe, Gnädigster Herr, vom Prinzen Hamlet. Diesen an Eu.
Majestät, und diesen, an die Königin.

König.
Von Hamlet? Wer brachte sie?

Bote.
Matrosen, sagt man; ich sah sie nicht; die Briefe wurden mir von
Claudio gegeben, der sie von ihnen empfieng.

König.
Laertes, ihr sollt sie hören—Verlaßt uns, ihr—

(Der Bote geht ab.)

"Durchlauchtiger und Großmächtiger! Dieses soll euch benachrichtigen, daß ich nakend in euer Königreich ausgesezt worden bin. Auf Morgen werd' ich mir die Erlaubniß ausbitten, eure Königliche Augen zu sehen; wo ich dann (in Hoffnung Verzeihung deßwegen zu erhalten) erzählen werde, was die Gelegenheit zu dieser schleunigen Wiederkunft gegeben hat." Was soll dieses bedeuten? Sind die andern auch zurükgekommen? Ist es ein Kunstgriff—oder ist gar nichts an der Sache?

Laertes.
Kennt ihr die Hand?

König.
Es ist Hamlets Handschrift—Nakend, und hier sagt er in einem
Postscript, allein—Könnt ihr mir sagen, was ich davon denken soll?

Laertes. Ich begreiffe nichts davon, Gnädigster Herr; aber laßt ihn kommen; mein Herz lebt wieder auf von dem Gedanken, daß ich es erleben werde, ihm in seine Zähne zu sagen, das thatest du—

König.