Wenn es so ist, Laertes—ob ich gleich eben so wenig begreiffe daß es ist, als wie es anders seyn kan—wollt ihr euch von mir weisen lassen?

Laertes.
Ja, nur nicht daß ich ruhig bleiben soll.

König. Was ich vorhabe, wird dir zu deiner eignen Gemüths-Ruhe verhelfen; Wenn er nun wieder gekommen ist, weil ihm die Reise nicht anständig war, und er nicht gesinnt ist, sie von neuem zu unternehmen; so habe ich so eben etwas ausgedacht, das ihn unfehlbar zu seinem Fall befördern soll, ohne daß sein Tod den mindesten Vorwurf nach sich ziehen, noch seine Mutter selbst den Kunstgriff merken, sondern ihn dem blossen Zufall beymessen soll.

Laertes. Ich will mich weisen lassen, und desto lieber, wenn ihr es so einrichten könnet, daß ich das Werkzeug bin.

König. Das ist auch meine Meynung: Es ist seitdem ihr auf Reisen seyd, und zwar in Hamlets Gegenwart, oft von einer gewissen Geschiklichkeit gesprochen worden, worinn ihr ausserordentlich groß seyn sollt: Alle eure übrigen Gaben zusammengenommen, erwekten nicht so viel Eifersucht in ihm als diese einzige, die in meinen Augen die geringste unter allen ist.

Laertes.
Was kan das seyn, Gnädigster Herr?

König. Eine blosse Feder auf dem Hute der Jugend, aber doch nöthig; denn die Jugend hat in der leichten und nachlässigen Liverey die sie trägt, nicht weniger Anstand als das gesezte Alter in seinen Pelzen und langen Ceremonien-Kleidern—Es sind ungefehr zween Monate, daß ein junger Cavalier aus der Normandie hier war; die Normänner werden für gute Reiter gehalten; wie ich selbst gesehen habe, da ich ehmals gegen die Franzosen diente; aber bey diesem jungen Menschen dachte man, daß es nicht natürlich zugehe; er schien mit seinem Pferd zusammengewachsen, und wie ein Centaur, halb Mensch und halb Pferd zu seyn, so bewundernswürdig hatte er sich zum Meister desselben gemacht. Er übertraf alles, was man sich davon einbilden kan.

Laertes.
Es war ein Normann?

König.
Ein Normann.

Laertes.
So soll's mein Leben gelten, wenn es nicht Lamond war.

König.
Der war's.

Laertes. Ich kenne ihn wohl; er ist in der That der Ausbund und die Zierde der ganzen Nation.

König. Dieser erzehlte uns von euch, und legte euch eine so bewunderns- würdige Geschiklichkeit in der Vertheidigungs-Kunst, besonders mit dem Rappier, bey, daß er behauptete, es würde ein Wunder seyn, wenn sich jemand finden sollte, der es mit euch aufnehmen dürfte. Er schwur die besten Fechter seiner Nation hätten weder Behendigkeit, Auge noch Kunst, so bald sie es mit euch zu thun hätten—Mein Herr, diese Erzählung vergiftete den Hamlet mit solchem Neid, daß er den ganzen Tag nichts anders that als wünschen und beten, daß ihr bald zurük kommen möchtet, um mit ihm zu fechten. Nun aus diesem—

Laertes.
Was wollt ihr aus diesem machen, Gnädigster Herr?

König. Laertes, war euch euer Vater lieb? Oder seyd ihr nur ein Gemählde von einem Traurenden, ein Gesicht ohne Herz?

Laertes.
Warum diese Fragen?

König. Nicht als ob ich denke, ihr liebtet euern Vater nicht, sondern weil ich weiß, daß die Liebe, wie alles andre, der Gewalt der Zeit unterworfen ist, daß sie in ihrer Flamme selbst eine Art von Dacht oder Wike hat, wovon sie endlich geschwächt und verdunkelt wird, und kurz, daß sie, wenn sie zu ihrer Stärke angewachsen ist, an ihrer eignen Vollblütigkeit sterben muß. Was wir thun wollen, sollten wir sogleich thun, wann wir es wollen; denn dieses Wollen ist veränderlich, und hat so viele Abfälle und Hindernisse als es Zungen, Hände und Umstände giebt, welche uns, wenn die Gelegenheit einmal versäumt ist, die Ausführung vielleicht so schwer machen, daß wir auch den Willen verliehren, so vielen Schwierigkeiten troz zu bieten. Doch, um das Geschwür aufzustechen—Hamlet kommt zurük; was wäret ihr fähig zu unternehmen, um mehr durch Thaten als Worte zu zeigen, daß ihr euers Vaters Sohn seyd?

Laertes.
Ihm die Gurgel in der Kirche abzuschneiden.

König. In der That sollte kein Plaz einen Mörder schüzen, noch der Rache Grenzen sezen; aber mein guter Laertes, wollt ihr das thun? Schließt euch in euer Zimmer ein. Hamlet soll bey seiner Wiederkunft hören, daß ihr nach Hause gekommen seyd: Wir wollen ihm Leute zuschiken, welche ein so grosses Lob von eurer Geschiklichkeit im Fechten machen, und so viel und so lange davon reden sollen, biß er es auf eine Wette ankommen lassen wird. Da er selbst edelmüthig, zuversichtlich, und von allen Kunstgriffen fern ist, wird er nicht daran denken, die Rappiere genau zu besehen, so daß ihr leicht durch ein bißchen Taschenspielerey einen Degen ohne Knopf mit euerm Rappier verwechseln, und durch einen geschikten Stoß euern Vater rächen könnt.

Laertes. Ich will es thun, und zu diesem Gebrauch meinen Degen mit einem Saft beschmieren, den ich von einem Marktschreyer gekauft habe; der so tödtlich ist, daß wenn man ein Messer nur darein taucht, keine Salbe, und wenn sie aus den heilsamsten Kräutern die unter dem Mond sind, gezogen wäre, denjenigen vom Tod erretten kan, der nur damit gerizt wird; mit diesem Gift will ich die Spize meines Degens nezen, damit auch die leichteste Wunde, die ich ihm beybringe, Tod sey.

König. Wir wollen diese Sache besser überlegen; Zeit und Umstände müssen abgewogen werden; und auf den Fall, daß uns dieser Anschlag in der Ausführung mißlingen sollte, müssen wir einen andern zum Rükenhalter haben. Sachte—Laßt sehen—Es soll eine feyrliche Wette über eure Geschiklichkeit angestellt werden—Nun hab' ichs— wenn ihr euch unterm Kampf erhizt habt, und er zu trinken begehrt, will ich einen Becher für ihn bereit halten; wovon er nur schlürfen darf, um unsre Absicht zu erfüllen, wofern er euerm Rappier entgeht.

Zehnte Scene.
(Die Königin zu den Vorigen.)

König.
Was giebt's, meine liebste Königin?

Königin. Ein Unglük tritt dem andern auf die Fersen, so schnell folgen sie auf einander: Eure Schwester ist ertrunken, Laertes.

Laertes.
Ertrunken? Oh, wo?

Königin. Es ist eine gewisse Weide, am Abhang eines Wald-Stroms gewachsen, die ihr behaartes Laub in dem gläsernen Strom besieht. Hieher kam sie mit phantastischen Kränzen von Hahnen-Füssen, Nesseln, Gänse- Blümchen und diesen langen rothen Blumen, denen unsre ehrlichen Schäfer einen natürlichen Namen geben, unsre kalten Mädchens aber nennen sie Todten-Finger; wie sie nun an diesem Baum hinankletterte, um ihre Grasblumen-Kränze an die herabhängende Zweige zu hängen, glitschte der Boden mit ihr, und sie fiel mit ihren Kränzen in der Hand ins Wasser; ihre weitausgebreiteten Kleider hielten sie eine Zeit lang wie eine Wasser-Nymphe empor; und so lange das währte, sang sie abgebrochene Stüke aus alten Balladen, als eine die keine Empfindung ihres Unglüks hatte, oder als ob sie in diesem Element gebohren wäre; aber länger konnte es nicht seyn, als bis ihre Kleider so viel Wasser geschlukt hatten, daß sie durch ihre Schwere die arme Unglükliche von ihrem Schwanen-Gesang in einen nassen Tod hinabzogen.

Laertes.
O Gott! So ist sie ertrunken!

Königin.
Es ist allzuwahr.

Laertes.
—Lebet wohl, mein Gebieter—meine weibische Thränen erstiken eine
Rede von Feuer, welche eben auflodern wollte—

(Er geht ab.)

König. Kommt mit mir, Gertrude—Wie viel hatte ich zu thun, seine Wuth zu besänftigen! Nun besorg ich, dieser Umstand wird sie von neuem anflammen—Wir wollen ihm folgen.

(Sie gehen ab.)

Fünfter Aufzug.

Erste Scene.
(Ein Kirch-Hof.)
(Zween Todtengräber mit Grabscheitern und Spaten treten auf.)

1. Todtengräber. Kan sie denn in ein Christliches Begräbniß gelegt werden, wenn sie eigenmächtig ihre (Salvation) gesucht hat?

2. Todtengräber. Ich sage dir's ja, sie kan; mach also ihr Grab unverzüglich; die Obrigkeit hat es durch einen Commissarius und Geschworne untersuchen lassen, und gefunden, daß sie wie andre Christen begraben werden soll.

1. Todtengräber. Das kan nicht seyn, sie müßte sich denn zu ihrer Selbstvertheidigung ertränkt haben?

2.