Todtengräber. Dein Einfall gefällt mir nicht übel, in der That; der Galgen schikt sich wol: Aber wie schikt er sich wol? Er schikt sich wol für diejenigen die Übels thun; nun thust du übel zu sagen, der Galgen sey stärker gebaut als die Kirche; (ergel), mag sich der Galgen wol für dich schiken. Zur Sache, komm.

2. Todtengräber. Wer stärker baue als Maurer und Zimmermann?

1. Todtengräber. Ja, wenn du mir das sagen kanst, so will ich dich gelten lassen.

2. Todtengräber. Beym Element, nun kan ich dir's sagen.

1. Todtengräber. Nun, so sage—

2. Todtengräber. Nein, Sakerlot, ich kan nicht. (Hamlet und Horatio treten in einiger Entfernung von den Todtengräbern auf.)

1. Todtengräber. Gieb's lieber auf, dein Esel wird doch nicht schneller gehen, du magst ihn schlagen wie du willt; und wenn dich einer einmal wieder fragt, so sage, der Todtengräber. Denn die Häuser, die er macht, dauren bis zum jüngsten Tag: Geh einmal zum rothen Roß, und hol mir ein Glas Brandtwein.

(Der 2te Todtengräber geht ab.)

(Der erste Todtengräber gräbt und singt ein Liedchen dazu.)

Hamlet.
Hat dieser Bursche kein Gefühl von seinem Geschäfte, daß er zum
Grabmachen singen kan?

Horatio.
Die Gewohnheit hat ihn so verhärtet, daß er bey einer solchen
Arbeit gutes Muths seyn kan.

Hamlet. (Indem der Todtengräber immer singend einen Schedel aufgräbt.)

Dieser Schedel hatte einst eine Zunge, und konnte singen—wie ihn der Schurke in den Boden hinein schlägt, als ob es Cains des ersten Mörders Kinnbaken wäre! und doch war der Schedel mit dem dieser Esel izt so übermüthig zu Werke geht, vielleicht der Hirnkasten eines Staatsmanns, eines von diesen Herren, die unserm Herrn Gott selbst einen Nebel vormachen möchten; nicht so?

Horatio.
Es ist möglich, Gnädiger Herr—

Hamlet. Oder eines Höflings, der sagen konnte: Guten Morgen, mein liebster Lord; wie befindet sich Euer Herrlichkeit? Es kan Milord der und der gewesen seyn, der Milord dessen seinem Pferd eine Lobrede halten konnte, wenn er's ihm gerne abgebettelt hätte; nicht so?

Horatio.
Ja, Gnädiger Herr.

Hamlet. Nicht anders; und nun ist Milady Wurm von allen ihren Anbetern verlassen, und muß sich von eines Todtengräbers Spate aus dem Boden herausschlagen lassen. Hier ist eine hübsche Revolution, wenn wir den Verstand hätten sie zu sehen—Hier ist ein andrer: Kan das nicht der Schedel eines Rechtsgelehrten gewesen seyn? Wo sind nun seine Quidditäten und Qualitäten? Seine (Casus?) Seine Tituls? Seine Ränke? Warum leidet er, daß ihn dieser grobe Geselle mit seiner kothigen Schaufel aus seiner Retirade herausklopfen darf, ohne eine Action gegen ihn anzustellen?—* Ich muß mit diesem Burschen reden. Wessen Grab ist das, Bursche?

{ed.-* Hamlet sezt im Original diese kühlen Betrachtungen noch länger fort, indem er sich vorstellt, daß es der Schädel eines reichen Landsässen gewesen sey; man hat es aber unmöglich gefunden, diese Stelle, deren gröster Nachdruk in etlichen Wortspielen besteht, zu übersezen; und man würde diese ganze Scene eben sogern ausgelassen haben, wenn man dem Leser nicht eine Idee von der berüchtigten Todtengräber-Scene hätte geben wollen.}

Todtengräber.
Meines, Herr—

(er fängt wieder an zu singen.)

Hamlet.
Ich denk' es ist dein, denn du lügst darinn.

Todtengräber.
Und ihr lügt daraus, Herr, und also ist es nicht euers—

(Hier folgen noch etliche elende Reden, wovon das sinnreiche in dem
Wortspiel mit lie, welches Liegen und Lügen bedeutet, liegt.)

Hamlet.
Ich frage, wie der Mann heißt, für den du das Grab machst?

Todtengräber.
Ich mach es für keinen Mann, Herr.

Hamlet.
Für was für eine Frau dann?

Todtengräber.
Auch für keine Frau.

Hamlet.
Wer soll dann darinn begraben werden?

Todtengräber.
Eine die in ihrem Leben ein Weibsbild war, aber, Gott tröst ihre
Seele! nun ist sie todt.

Hamlet. Was für ein determinierter Schurke das ist! In was für einer Sprache müssen wir mit ihm reden, daß er uns nicht mit Zweydeutigkeiten stumm mache? Bey Gott, Horatio, ich habe diese drey Jahre her beobachtet, daß die Welt so spizfündig worden ist, daß der Bauer seinen plumpen Wiz eben so hoch springen und so seltsame Gambaden machen läßt, als der wizigste von unsern Hofschranzen—Wie lange bist du schon ein Todtengräber?

Todtengräber. Unter allen Tagen im Jahr kam ich an dem Tag dazu, da unser verstorbner König Hamlet über den Fortinbras Meister wurde.

Hamlet.
Wie lang ist das?

Todtengräber. Könnt ihr das nicht sagen? Das kan ein jeder Narr sagen: Es war auf den nemlichen Tag, da der junge Hamlet auf die Welt kam, der närrisch wurde, und nach England geschikt worden ist.

Hamlet.
Was, zum Henker! und warum wurde er nach England geschikt?

Todtengräber. Warum? weil er närrisch worden ist; er soll dort seine fünf Sinnen wieder kriegen; oder wenn er sie nicht wieder kriegt, so hat es dort nicht viel zu bedeuten.

Hamlet.
Warum das?

Todtengräber. Man wird es nicht an ihm gewahr werden; denn dort sind die Leute eben so närrisch als er.

Hamlet.
Wie wurde er dann närrisch?

Todtengräber.
Auf eine gar seltsame Art, sagt man.

Hamlet.
Wie so, seltsam?

Todtengräber.
Sapperment, er wurde eben ein Narr, weil er seinen Verstand verlohr.

Hamlet.
Aus was für einem Grund?

Todtengräber. Wie, hier, in Dännemark. Ich bin hier Todtengräber gewesen, von meinen jungen Jahren an bis izt, diese dreissig Jahre.

Hamlet.
Wie lange kan wol ein Mensch in der Erde liegen, bis er verfault?

Todtengräber.
Wenn er nicht schon faul ist, eh er stirbt (wie wir denn heut zu
Tag manche Leichen haben, die kaum so lange halten, bis sie unterm
Boden sind) so kan er euch acht bis neun Jahre dauren; ein Loh-
Gerber dauert euch seine neun Jahre.

Hamlet.
Warum ein Loh-Gerber länger als andre Leute?

Todtengräber. Warum, Herr? weil seine Haut von seiner Profession so gegerbt ist, daß sie das Wasser länger aushält.