Denn es ist nichts das einem todten Körper eher den Garaus macht als Wasser. Hier ist ein Schedel, der nun bereits drey und zwanzig Jahre im Boden liegt.
Hamlet.
Wessen war er?
Todtengräber. Es war ein vertrakter Bursche, dem er gehörte; wer denkt ihr daß es war?
Hamlet.
Ich weiß es nicht.
Todtengräber.
Daß die Pestilenz den Schurken! Er goß mir einmal eine Flasche mit
Rheinwein über den Kopf. Dieser nemliche Schedel, Herr, war Yoriks
Schedel, des Königlichen Hofnarrens.
Hamlet.
Dieser?
Todtengräber.
Dieser nemliche.
Hamlet. Ach der arme Yorik. Ich kannte ihn, Horatio, es war der kurzweiligste Kerl von der Welt; von einer unvergleichlichen Einbildungs-Kraft: Er hat mich viel hundertmal auf seinem Rüken getragen: Und nun, was für ein grausenhafter Anblik! Mein Magen kehrt sich davon um. Hier hiengen diese Lippen, die ich wer weiß wie oft küßte. Wo sind nun deine Scherze? Deine Sprünge? Deine Liedchen? Wo sind die schnakischen Einfälle, welche die Tafel mit brüllendem Gelächter zu erschüttern pflegten? Ist dir nicht ein einziger übrig geblieben, um über dein eignes Grinsen zu spotten? Nun geh mir einer in Mylady's Schlaf-Zimmer, und sag ihr; und wenn sie sich einen Daumen dik übermahle, so müß' es doch zulezt (dazu) mit ihr kommen—Ich bitte dich, Horatio, antworte mir nur auf Eine Frage—
Horatio.
Was ist es, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Denkst du, Alexander habe auch so im Boden ausgesehen?
Horatio.
Eben so.
Hamlet.
Und so gerochen? Fy!
(Er riecht an dem Schedel.)
Horatio.
Ja, Gnädiger Herr.
Hamlet.
Zu was für einer unedeln Bestimmung können wir endlich herabsinken,
Horatio! Können wir nicht in unsrer Einbildung Alexanders edlem
Staube folgen, bis wir ihn an einem Ort finden, wo er ein Spund-
Loch stoppt?
Horatio.
Eine solche Betrachtung wäre gar zu spizfündig.
Hamlet. Nein, gar nicht, im geringsten nicht: Die Betrachtung ist ganz natürlich: Alexander starb, Alexander wurde begraben, Alexander wurde zu Staub; der Staub ist Erde; aus der Erde machen wir Laim; und konnte mit diesem Laim, worein er verwandelt wurde, nicht eine Bier-Tonne gestoppt werden? Und so kan der Welt-Bezwinger Cäsar eine Spalte in einer Mauer gegen den Wind gestoppt haben. Aber sachte! Sachte eine Weile—da kommt der König—
Zweyte Scene.
(Der König, die Königin, Laertes, und ein Sarg mit einem Trauer-
Gefolge von Hofleuten, Priestern, u.s.w.)
Hamlet. Die Königin—ein Gefolge von Hofleuten—Was ist das, was sie begleiten? und warum mit so wenig Ceremonien? Das zeigt, daß die Leiche, so sie begleiten von jemand ist, der gewaltthätige Hand an sich selbst gelegt hat—Es muß eine Person von Stande gewesen seyn— wir wollen uns ein wenig entfernt halten und acht geben.
Laertes.
Die übrigen Ceremonien?
Hamlet.
Das ist Laertes, ein sehr edler junger Mann: gieb acht—
Laertes.
Die übrigen Ceremonien?
Priester. Ihre Obsequien sind so weit ausgedehnt worden, als wir ermächtigst sind; ihr Tod war zweifelhaft; und hätte der Königliche Befehl die Ordnung nicht übermocht, so sollte sie in einem ungeweihten Boden bis zum Schall der lezten Trompete ihr Lager gehabt haben; statt mildherziger Fürbitten sollten Scherben, und Kieselsteine auf sie geworfen worden seyn; nun wird sie mit jungfräulichen Ehrenzeichen, unter Gesang und Gloken-Geläut bestattet.
Laertes.
Und ist das alles was gethan werden soll?
Priester. Es ist alles was gethan werden kan; es würde Entheiligung seyn, ihr ein (requiem) zu singen und ihr die lezte Ehre die nur Seelen die im Frieden abgeschieden sind, gebührt, zu erstatten.
Laertes. Legt sie in die Erde; und aus ihrem schönen und unbeflekten Fleisch mögen Violen hervorkeimen! Ich sage dir, hartherziger Priester, meine Schwester wird ein Engel des himmlischen Thrones seyn, wenn du heulend im Abgrund liegst.
Hamlet.
Wie? die schöne Ophelia?
Königin. Das lezte lebe wohl, angenehme Schöne! Ich hoffte, du solltest meines Hamlets Weib werden; ich dachte einst dein Braut-Bette zu deken, holdes Mädchen, nicht dein Grab mit Blumen zu bestreuen.
Laertes. O dreyfaches Weh falle zehnfältig dreymal über das verfluchte Haupt, dessen gottlose That dich deiner schönen Vernunft beraubte. Haltet noch ein, bis ich sie noch einmal in meine Arme geschlossen habe.
(Er springt in das Grab.)
Nun werft euern Staub über den Lebenden und Todten, bis ihr aus dieser Ebne ein Gebürge gemacht habt, das den alten Pelion und den Himmelberührenden Olimpus übergipfle.
Hamlet, (der sich zu erkennen giebt.)
Wer ist der, dessen Schmerz sich so emphatisch ausdrukt? Dessen
Trauer-Töne die irrenden Sterne beschwören und sie zwingen, von
Erstaunen gefesselt, stille zu stehn und zu horchen? Der bin ich,
Hamlet, der Dähne.
(Er springt in das Grab.)
Laertes.
Der Teufel hole deine Seele!
(Er ringt mit ihm.)
Hamlet. Du betest nicht schön. Ich bitte dich, deine Finger von meiner Gurgel weg!—Wenn ich gleich nicht splenetisch und jähzornig bin, so hab ich doch etwas gefährliches in mir, wovor du dich hüten magst, wenn du klug bist. Deine Hand zurük.
König.
Reißt sie von einander—
Königin.
Hamlet, Hamlet—
Horatio.
Mein gnädigster Prinz, halltet euch zurük—
(Die Umstehenden machen sie von einander loß.)
Hamlet.
Was, ich will über diese Materie mit ihm fechten, bis meine
Auglider nicht länger niken können.
Königin.
O mein Sohn! was für eine Materie?
Hamlet.
Ich liebte Ophelien; vierzigtausend Brüder könnten mit aller ihrer
Liebe zusammen genommen die Summe der meinigen nicht aufbringen.
Was willt du für sie thun?
König.
O er ist rasend, Laertes—
Königin.
Um Gottes willen, habt Geduld mit ihm.
Hamlet. Komm, zeig mir, was du thun willt. Willt du weinen? Willt du fechten? Willt du fasten? Dich selbst zerfezen? Willt du Wein- Essig trinken, ein Crocodil verschlingen? Ich will es thun—Kamst du nur hieher, zu weinen? Vor meinen Augen in ihr Grab zu springen? Laß dich lebendig mit ihr begraben; ich will es auch; und wenn du von Bergen schwazest, so laß sie Millionen Jaucharten auf uns werfen, bis die auf uns liegende Erde, den Ossa zu einem Maulwurfs-Hauffen macht! Wahrhaftig! Wenn du großsprechen willt, so kan ich das Maul so voll nehmen wie du.
Königin.
Er spricht in tollem Muth, und so wird der Paroxismus eine Weile
auf ihn würken; aber auf einmal wird, so geduldig als die weibliche
Daube, eh ihre goldbehaarten Jungen ausgekrochen sind, sein
Stillschweigen brütend sizen.
Hamlet. Hört ihr, Herr—was ist die Ursache, daß ihr mir so begegnet? Ich liebte euch allezeit: Aber es hat nichts zu sagen. Laßt den Hercules selbst thun was er kan, die Kaze muß mauen und der Hund seinen Lauf haben—
(Er geht ab.)
König.
Ich bitte euch, guter Horatio, habet acht auf ihn.
(Horatio geht ab.) (zu Laertes.)
Stärket eure Geduld durch unsre lezte Abrede. Wir wollen uns nicht länger säumen, die Hand an die Ausführung zu legen—Liebe Gertrude, gebet eurem Sohn einige Hüter zu—Dieses Grab soll ein würdiges Denkmal bekommen—Und nun wollen wir unsrer Ruhe eine Stunde schenken.
(Sie gehen ab.)
Dritte Scene.
(Verwandelt sich in eine Halle im Palast.)
(Hamlet und Horatio treten auf.)
(Hamlet erzehlt seinem Vertrauten,auf was Weise er den Inhalt der königlichen Commission, womitRosenkranz und Güldenstern beladen waren, entdekt und vereitelthabe. Da diese ganze Scene nur zur Benachrichtigung der Zuhörerdient, so wären zwey Worte hinlänglich gewesen, ihnen zu sagen wassie ohnehin leicht erraten könnten. Hamlet hatte Ursache einMißtrauen in die Absichten des Königs bey seiner Versendung nachEngland zu sezen. Er schlich sich also während daß die beydenGesandten schliefen, in ihre Cajute, fingerte ihr Pakett weg, zogsich damit in sein eigenes Zimmer zurük, erbrach das königlicheSigel und fand einen gemeßnen Befehl an den Englischen König,vermöge dessen dem Hamlet sobald er angelangt seyn würde, der Kopfabgeschlagen werden sollte—Er stekte dieses Papier zu sich, undsezte sich hin, eine andre Commission zu schreiben, worinn derKönig aufs ernstlichste beschwohren wurde, so lieb ihm dieFreundschaft Dännemarks (von welchem England damals abhängig war)sey, die Überbringer dieses Schreibens unverzüglich aus dem Wegeräumen zu lassen. Zu gutem Glüke hatte er seines Vater Signet inder Tasche; und zu noch grösserm Glük war es dem grossen dähnischenSigel vollkommen gleich; er faltete also dieses Schreiben eben sowie das erste, unterschrieb und sigelte es, und legte es sogeschikt an die Stelle des andern, daß Rosenkranz und Güldensterndie Verwechslung nicht gewahr wurden, und also bey ihrer Ankunft inEngland wie Bellerophon, ihr eigenes Todesurtheil überlieferten.Horatio findet hiebey bedenklich, daß dieser mißlungene Ausgang desKöniglichen Bubenstüks nicht lange verborgen bleiben könne. Hamletberuhigst sich hierüber daß doch die Zwischen- Zeit sein sey, undnicht mehr als ein Augenblik erfordert werde, dem Leben einesMenschen ein Ende zu machen.
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