»Wen,« sprach er, »wen lernt das Kind zuerst unter allen Lebenden kennen, wen zuerst lieben? Es ist die Mutter. Und die Mutter ist es, deren Zärtlichkeit es auch zuerst durch sein Stammeln auf die rührendste Weise belohnt. Der süße Muttername ist der erste Klang, welcher den zarten, ungeübten Lippen des Kindes entschwebt! Und so begann auch ich bei unserer talentvollen, liebenswürdigen Fidele. – Nun, Fidele, komm her, sei artig und sage den hohen Anwesenden den Namen deiner Mutter.«

Bei diesen Worten nahm er den Hund schmeichelnd in den Arm, hielt ihm die Schnauze, kniff und stieß ihn von hinten, bis er zu brummen anfing und dann mit tiefer Baßstimme »Mama!« hören ließ.

Alle Anwesenden brachen in ein lautes und fast unauslöschliches Gelächter aus, womit sie ihrem Beifall oder den Empfindungen ihres Erstaunens Luft machten. Des Hofrats gelehrter Ernst und Fideles Baßstimme dazu gaben diesem pädagogischen Akt etwas sehr Feierliches. Aufgemuntert durch diese Fröhlichkeit, ließ der Hofrat den Leibhund sein Kunststück noch mehrere Male hintereinander machen, bis sich das Lachen der Gesellschaft in ein lautes Schreien verwandelte und der Fürst um Gottes willen bat, Fidele solle aufhören.

Se. Durchlaucht waren so entzückt, daß Höchst Sie den Hund an ihr Herz drückten und küßten, ja sich in der Freude bald so weit vergessen hätten, sogar den Hofrat zu umarmen. Dieser empfing die Glückwünsche des Hofes mit vieler bescheidenen Selbstgefälligkeit. Der Fürst gab seinem Hunde Zuckerbrot und munterte ihn auf, in seinem Fleiße fortzufahren. Den Hofrat beschenkte er mit einer goldenen Schnupftabaksdose, worauf sich das Bild des Landesvaters befand. Hans Dampf, von Dankbarkeit begeistert, rief: »O, ich stehe dafür, der Hund soll bald auch zu Ew. Durchlaucht Papa sagen können!«

»Dann bekommt Er neue Gehaltszulage!« erwiderte der Fürst und entließ den Hofrat in den gnädigsten Ausdrücken.

Mit dem Papa wollte es Hans Dampfen nun aber nicht so bald gelingen. Nach einigen Wochen, da sich Nikodemus wieder erkundigte, bemerkte ihm der Hofrat, Fidele werde unstreitig bald Junge werfen, und in solchem Zustande müsse man das arme Tier mit allen Geistesanstrengungen verschonen. Dies leuchtete dem Fürsten ein, und Hans Dampf gewann damit Zeit und ruhiges Leben, wenn er ruhiges Leben verlangt hätte.

Aber er war in der Residenz schon überall bekannt, vertraut und in hundert kleine und große Angelegenheiten verfädelt, sprach überall mit, keck, kühn, zuversichtlich und wie es ihm beifiel, wußte alles, entschied alles, veranstaltete alles. Sein Ansehen beim Fürsten stieg täglich und aus dem Grunde bei allen Höflingen und Residenzbewohnern. Man hieß ihn schlechtweg nur den Liebling. Der Stadtrat von Lalenburg ordnete auch regelmäßig alle vier Wochen Deputationen an ihn ab, um sich nach dem Wohlsein des erhabenen Mitbürgers zu erkundigen, nannte ihm zu Ehren die enge Gasse, worin sein väterliches Haus stand, die Dampfgasse und hing sogar in Ermangelung seines Bildnisses oder seiner Büste im Ratssaale seinen Schattenriß auf.

Selbst die geheimen Kabinettsräte des Fürsten machten sich an ihn, um durch ihn auf Se. Durchlaucht einzuwirken, besonders da es um eine neue allgemeine Landessteuer zu tun war, welche Nikodemus zur Fortsetzung seines löblichen Aufwandes eintreiben wollte. Da die geheimen Räte sehr gegen die Ausschreibung der Steuer arbeiteten, weil das Volk schon genug von Abgaben aller Art gedrückt war, wandten sie sich auch an Hans Dampf und baten ihn im Namen des schwer gedrückten Landes, den Fürsten zu bewegen, von seinen Forderungen abzustehen.

»Nichts leichter als das, meine Herren!« sagte der Hofrat mit der ihm eigenen Zuversichtlichkeit und begab sich zum Fürsten.

»Aber, hör' Er einmal«, sagte Nikodemus zu ihm, »ich muß doch Geld haben. Schaff' Er nur Geld, so brauche ich keine Auflagen zu machen.«

»Nichts leichter als das!« erwiderte der Hofrat: »Wieviel befehlen Ew. Durchlaucht?«

»Je mehr, je besser.«

»Vortrefflich. Ew. Durchlaucht müssen nur einen kleinen Bandhandel anfangen, der trägt ungeheure Summen Goldes ein.«

»Einen Bandhandel? Hör' Er einmal, Er ist nicht ein Hans Dampf, sondern ein Hans Narr; ich bin kein Bändeljude.«

»Ew. Durchlaucht geruhen nur die halbe Elle Band zu hundert Nikodemusdor zu verkaufen, so –«

»Wer zahlt mir das?«

»Wenn Ew. Durchlaucht einen neuen Ritterorden stifteten, zum Beispiel zu Ehren des Jägerheiligen – so etwa einen St. Nimrodsorden; wenn jeder Nimrodsritter das Recht empfängt, ein grünes Bändchen im Knopfloch zu tragen, woran von Gold das Bild kreuzweis gelegter Jagdflinten, umfangen von einem Waldhorn, hängt statt des Ordenskreuzes; wenn jeder den Ritterschlag mit dem Weidmesser empfängt, der hundert Nikodemusdor zahlt und für den großen Orden tausend Nikodemusdor Einschreibgebühren – wenn man dabei allerlei Ordensfeierlichkeiten anbringt – ich weiß noch aus Universitätsjahren, welche Wirkung das macht –«

»Hör' Er einmal«, unterbrach ihn plötzlich der Fürst. »Er ist wahrhaftig kein Hans Narr. Wir wollen das Ding überlegen. Bestelle Er in der Fabrik sogleich Band und laß' Er die Kreuzdinger von den Goldschmieden dazu machen. Ich will Ihn bei diesem Nimrodswesen zum Ordenskanzler anstellen.«

In der Tat hätte keine Auflage den fürstlichen Kassen soviel Geld eingebracht als dieser Bandhandel, wie ihn der Lalenburger etwas unschicklich nannte.