Die fromme Tante von Johanna Quirl tat desgleichen und schickte ihre Nichte sogleich zu ihrem Vater nach Lalenburg zurück.
Der Ordenskanzler ließ sich aber das alles nicht anfechten. Seiner Unschuld und guten Absichten bewußt, wandelte er seinen Weg freudig fort und tröstete sich damit, daß Undank der Welt Lohn sei und die Handlungen großer Männer gewöhnlich von den Zeitgenossen verkannt werden. Solange er übrigens in der Gnade des Fürsten stand, war er für Hof und Stadt ein höchst achtungswürdiger Mann, dem jeder schmeichelnd entgegenkam, dessen Worte Göttersprüche waren.
Se. Durchlaucht der Fürst setzte so großes Vertrauen in den Ordenskanzler, daß er denselben sogar mit in die Gesandtschaft ernannte, welche bestimmt war, die Prinzessin von Mäusenheim, künftige Gemahlin des Herrschers von Luchsenstein, vom Hofe ihres Vaters abzuholen. Weil die übrigen Gesandten meistens uralte Herren waren, hatte Hans Dampf viel Gnade bei der Prinzessin. Jugend ist zuweilen große Tugend. Die Prinzessin war übrigens mit ihrer Gnade nicht allzu wohlfeil, denn sie hatte mancherlei wunderliche Launen, wie sie einer schönen Prinzessin wohl anständig sind. Da sie nun sehr geneigt war, alle Tage eine neue Laune zu haben, weil eine beständig gleiche Laune keine Laune mehr ist, so fiel es ihren Umgebungen oft ziemlich schwer, die rechte zu erkennen. Sie war sehr reizbar und nervenschwach, darum liebte sie besonders alles Sanfte und Zarte, vielleicht deswegen auch vor allen Dingen ihre Katzen. Sie hatte beständig die schönsten und freundlichsten dieser lieben Tiere in ihrem Gefolge, Katzen von allerlei Größe, von allerlei Farbe. Jede ihrer Hofdamen hatte zwei bis drei Katzen zu verpflegen.
Da nun der Fürst mit gleicher Huld den Hunden wie die Fürstin den Katzen zugetan war, besorgte man, des bekannten Sprichworts von Hunden und Katzen wegen, die künftige Ehe dürfte nicht zu den allerseligsten unterm Monde gehören. Trotzdem, wie auch ganz billig, wurden auf die hohe Vermählung unzählige schmeichelhafte Gedichte verfertigt, Reden gehalten, Sinnbilder gemalt, alle voller Weissagungen eines goldenen Zeitalters, da sich die Kraft mit der Anmut, Weisheit mit der Schönheit einige, wie das nun immer so der Fall zu sein pflegt. Viele gute Dinge in der Welt sind überhaupt eigentlich nichts als bloße Redensarten.
Das Ansehen des Ordenskanzlers bei der Prinzessin von Mäusenheim, deren Beilager mit Nikodemus auf einem Grenzschlosse vollzogen ward, erhob das Ansehen des edlen Hans Dampf mehr als je. Was er daher zu sagen oder zu schreiben beliebte, ward begierig von allen Hörern, Sagenhörern, Lesern und Nichtlesern aufgefaßt und wiederholt, sogar in Zeitungen nachgedruckt. Weil Hans Dampf nun die herrliche Gabe hatte, ungemein redselig und wortreich zu sein, so war es im Grunde immer der Geist oder das Wort Hans Dampfs, welches die öffentliche Meinung leitete. In der Residenz las man mit Entzücken seine Beschreibung von den Reizen der künftigen Landesmutter, von ihrer zärtlichen Liebe für die Katzen, und daß man bei ihrem feierlichen Einzuge in die Residenz außer der Illumination vorzüglich auf Präsentation von schönen Katzen denken müsse. Das ließ man sich gesagt sein. Jeder wollte nun die schönsten dieser Tiere haben, weiße, getigerte, schwarze, braune, graue, dreifarbige, um sich bei der Fürstin zu empfehlen. Man verschrieb Katzen von nahe und fern, und ungeachtet deren ankamen, gab es doch eine wahre Katzenteuerung zehn Meilen weit in der Runde.
In allen Gassen
Der Einzug des jungen Ehepaars in die Residenz war ungemein prachtvoll; Triumphbogen an Triumphbogen verfinsterten beinahe alle Straßen. Nicht nur waren in jedem Bogen sehr geschmackvolle Gemälde von Katzen zur Augenweide der Fürstin angebracht, sondern einige der Triumphpforten bestanden aus einer sinnreichen Verkettung allerliebster kleiner ausgestopfter Katzen, die einander zu jagen schienen. Aus allen Fenstern ließ man Katzen sehen, die sich jedoch meistens übel gebärdeten und schrien, ohne Zweifel aus unnötiger Furcht, herabzufallen. Dies allgemeine Miauen der Katzen ward für diese Tierart gewissermaßen ansteckend und so stark, daß die kleinen Kinder davor heftig erschraken und ihr Geschrei in die herrschende Tonart mischten. Die fürstlichen Jagd-, Wind- und Hofhunde, welche vor dem Wagen herliefen, wie auch alle übrigen bürgerlichen Hunde, die sich aus Neugier wie andere Zuschauer von ungefähr auf den Straßen befanden, sahen und hörten mit gerechtem Erstaunen an allen Fenstern die zahllose Menge ihrer natürlichen Erbfeindinnen und gerieten in große Bewegung. Einige sprangen bellend rechts und links, andere vor Wut heulend gegen die Mauern der Häuser auf, andere kläfften aus Nachahmung oder Sympathie den übrigen nach.
Man hatte bei dieser vorlauten Konversation der Hunde und Katzen die größte Mühe, sein eigenes, menschliches Wort zu verstehen. Einige Zuschauer, um die ehrfurchtsvolle Stille wiederherzustellen, riefen: »Hunde weg!« Andere schrien dagegen: »Katzen weg!« Und im Eifer aller erhob sich ein Gebrüll von Tönen der verschiedensten Art, daß beinahe die Rosse scheu wurden. Man mußte sie wirklich halten, besonders da unter dem Hauptehrenbogen in der Mitte der Stadt der Magistrat, wie man zu sagen pflegt, en corps oder leiblicherweise erschien, und der Amtsbürgermeister das Entzücken des Landes in einer vortrefflichen, von ihm selbst verfaßten Rede auszusprechen hatte. Auch stellte er sich dem fürstlichen Paare, das im Prunkwagen beisammensaß, gegenüber und hob die Rede an. Allein des Geschreies, Bellens, Miauens, Rufens war um ihn her so viel, daß er wohl merkte, ohne höchste Anstrengung seiner Sprachwerkzeuge wäre es hier um die Pracht seiner Rede, um die überraschendsten Gegensätze, Blumen und Vergleichungen getan. Zum Glück war er ein baumstarker Herr, dem es nicht an Stimme abging, da er im Rate seit zwanzig Jahren gestimmt hatte. Er überschrie auch wirklich das ungeheure Getöse sehr glücklich und ward dabei kirschbraun im Gesicht.
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