Auf den Zehen näherte man sich der Tür des Saals, warf die Mäntel ab, legte die Larven vor und bereitete sich in tiefster Stille.

Währenddessen saß im Saal die kleine Gemeinde auserwählter Christen und Christinnen in gottseliger Andacht beisammen und hörte den erbaulichen Vortrag eines ihrer Vorsteher über die Freuden und Seligkeiten des himmlischen Jerusalems an, wo das Lämmlein mit der Siegesfahne thronte. Die guten alten Mütterchen mit gefalteten Händen, die frommen Betbrüder mit auf den Achseln niederhängenden Köpfen saßen längs den Wänden herum und ließen nur zuweilen einen stillen Seufzer der Sehnsucht nach dem überirdischen Zion ertönen. Hingegen die jüngern Frauen und Jungfrauen fühlten sich erst mächtiger ergriffen, als der Redner die Schönheit der Engel schilderte, das Schweben der Cherubim um den Thron der Herrlichkeit und das feierliche Halleluja und den Gesang der Sphären.

In diesem Augenblick begannen die Musikanten vor der Tür des Saals einen lustigen Walzer, erst gar leise und sanft, dann immer steigender und lauter. Die gottesfürchtige Versammlung glaubte im Anfang wirklich den Gesang der Sphären zu vernehmen; selbst der Vorsteher ward in seiner Rede feuriger und glänzte in stillem Entzücken. Die jüngern Christinnen, mit ihrem Geiste im himmlischen Zion, zuckten mit den Füßen nach dem Walzertakt, wie sich denn auch das frömmste Mädchen dessen nicht beim Anhören der schlechtesten Tanzmusik enthalten kann. Als nun aber die Waldhörner dazwischenbrausten und die Spährentöne gar zu irdisch klangen, verstummte der Redner, und die Gemeinde der Auserwählten begriff weder, woher diese weltliche Eitelkeit, noch wohin sie führen werde.

Plötzlich flogen die Türen des Betsaals auf, sechs bis acht leichtfüßige Masken herein, die Musikanten geigend und blasend ihnen nach. Während sich diese stellten, hüpften jene mit fröhlichen Verneigungen durch den Saal, und die ganze Versammlung der andächtigen Lämmleinsverehrer saß wie zu Bildsäulen versteinert beim Anblick dieses unerwarteten Schauspiels da. Hans Dampf und seine Gefährten, die nun einmal zum Tanzen kamen, achteten weder auf die Überraschung der Anwesenden, noch daß fast alle ein Gebetbuch in der Hand hielten. Am wenigsten fiel ihnen das Geschäft und die heilige Bestimmung dieser frommen Zusammenkunft bei. Einzig war ihnen unangenehm, nur zwei bis drei junge Frauenzimmer, sonst nichts als sehr ehrwürdige Matronen zu erblicken. Hans Dampf nahm Johannen; die anderen jungen Damen wurden aufgefordert, und weil nun aus der Not eine Tugend gemacht werden mußte, bequemten sich die übrigen Tänzer auch zu den alten Mütterchen. Daß sich die Frauenzimmer ein wenig sträubten, fand man ganz natürlich; aber man zog sie mit sich hin; die Tanzmusik ging rasch fort, und so kam man ins Walzen gern oder ungern. Dies alles geschah in solcher Schnelligkeit, daß keines zur klaren Besinnung kam. Der übrige Teil der frommen Versammlung konnte im Erstaunen weder Bewegung noch Sprache finden.

Nur eine von den betagten Tänzerinnen, die sich durchaus nicht in den wirbelnden Schwung des Walzers fügen wollte und die ganze Erscheinung für eine förmliche Versuchung von Seiten Beelzebubs ansah, störte den begonnenen Gang der Dinge auf eine geräuschvolle und entscheidende Weise. Es war die verwitwete Oberhofköchin, eine gottesfürchtige, breite, handfeste Dame. Sie hatte von den Tänzern gerade den lustigsten Springinsfeld bekommen, der, so sehr sie auch arbeitete, seiner loszuwerden, wie eine Klette an ihr hing, sie mit sich herumzerrte und um sie her hüpfte. Wütend drang sie endlich gegen ihn ein, und mit einem Stoß lag er zur Erde gestreckt, doch nicht ohne ihm im Fallen Gesellschaft zu leisten. Ihr lästerliches Geschrei erweckte nun auch die übrigen Frommen zum Aufruhr gegen die Entweiher des heiligen Ortes. Herren und Frauen griffen zu den Gebetbüchern und rückten in zwei Kolonnen gegen die Tänzer und gegen die Musikanten. Die Tänzer, erstaunt, sich ebenso unartig als undankbar behandelt zu sehen, ließen ihre Damen fahren und fingen an Erklärung und Entschuldigung zu geben und zu fordern. Nicht also ging es im Orchester. Denn da ein an den Ecken massiv mit Silber beschlagenes Gesangbuch als Wurfgeschütz in den Bauch der Baßgeige gefahren war, säumte der erboste Musikus nicht, den Tod seiner brummenden Freundin zu rächen, und fuhr mit dem Fiedelbogen unbarmherzig gegen die erbitterten Angreifer aus. Auch die übrigen Tonkünstler sahen sich gezwungen, aus Notwehr ihre Violinen, Bratschen, Waldhörner in Waffen zu verwandeln.

Nur mit großer Mühe konnten die Bedächtigeren beider Parteien das Handgemenge enden. Die Tänzer erklärten, wie ihre Absichten so wohlgemeint gewesen, baten wegen ihres Irrtums um Verzeihung, und Hans Dampf, der am Ende von allem Unfug der Urheber gewesen, mußte sich gefallen lassen, sämtlichen verursachten Schaden zu tragen. Man war noch großmütig genug, ihm die Entrichtung von Schmerzensgeldern zu erlassen, ungeachtet keiner ohne Schmerzen und blaue Flecke davongegangen war.

 

Hans Dampf

 

Folgenden Tages gab die Geschichte großen Lärm in der Stadt. Dazu kam noch das verdrießliche Schicksal des Gafen von Krähenburg in der Familie der Quaste. Denn auch hier war es zu Erklärungen und alle Schuld auf den Hans Dampf gekommen. Alle Welt schimpfte. Nur Fürst Nikodemus lachte aus vollem Halse. Der Graf hingegen fluchte und wetterte gegen den ungeschickten Unterhändler und wollte nichts mehr von ihm hören, ließ ihm auch sein Haus auf immer verbieten.