Heimat

Sudermann, Hermann

Heimat

 

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Hermann Sudermann

Heimat

Schauspiel in vier Akten

 

 

Personen.

Schwartze, Oberstlieutenant a. D.

 

Magda

Marie, , seine Kinder aus erster Ehe

 

Auguste, geb. von Wendlowski, seine zweite Frau

 

Franziska von Wendlowski, deren Schwester

 

Max von Wendlowski, Lieutenant, beider Neffe

 

Heffterdingk, Pfarrer zu St. Marien

 

Dr. von Keller, Regierungsrat

 

Professor Beckmann, pensionierter Oberlehrer

 

von Klebs, Generalmajor a. D.

 

Frau von Klebs

 

Frau Landgerichtsdirektor Ellrich

 

Frau Schumann

 

Therese, Dienstmädchen bei Schwartze

 

Ort der Handlung: Eine Provinzialhauptstadt.

Zeit: Die Gegenwart.

 

 

Erster Akt

 

Scenerie: Wohnzimmer im Hause des Oberstlieutenant Schwartze. – Bürgerlich altmodische Ausstattung: Im Hintergrunde links eine mit weißen Gardinen verhängte Glasschiebetür, durch die man ins Speisezimmer blickt, daneben die Korridortür, hinter der die Treppe sichtbar ist, die zum oberen Stockwerk emporführt. – In der rechten abgeschrägten Ecke ein weißverhangenes Fenster, von einer Epheulaube umgeben. Links Thür zum Zimmer des Oberstlieutenants, Stahlstiche biblischen und patriotischen Inhalts in schmalen, rostigen Goldrahmen, Photographien, militärische Gruppen darstellend, und Schmetterlingskästen an den Wänden. Rechts über dem Sofa zwischen andern Bildern das Porträt der ersten Frau Schwartzes – jung, reizvoll, in der Tracht der sechziger Jahre. Hinter dem Sofa ein altmodisches Zylinderbureau, vor dem Fenster ein Tischchen mit Nähzeug und Handnähmaschine. Zwischen den Thüren des Hintergrundes eine altmodische Standuhr. In der linken Ecke eine Säule mit Makartbouquet, davor ein Tischchen mit einem kleinen Aquarium. – Links vorne ein Ecksofa mit einem Pfeifenschränkchen dahinter, dann Ofen mit einem ausgestopften Vogel darauf, hinter dem Ofen ein Bücherschrank mit der

Büste des alten Kaisers Wilhelm.

 

Erste Scene

Marie. Therese.

 

THERESE geheimnisvoll zur Thür hereinrufend. Gnädiges Fräuleinchen.

MARIE an der Nähmaschine beschäftigt. Was gibt's?

THERESE. Halten die alten Herrschaften noch Mittagsruh?

MARIE. Ist Besuch da?

THERESE. Nein – es ist wieder – kucken Sie mal da! Trägt ein prächtiges Blumenarrangement herein.

MARIE erschreckend. O Gott! Thun Sie's rasch in mein Zimmer, damit Papa nichts – Aber es ist Ihnen doch gestern, als das erste kam, verboten worden, dergleichen anzunehmen?

THERESE. Ich hab auch den Gärtnerburschen fortschicken wollen, aber ich war grad auf die Leiter geklettert von wegen die Fahne, und da hat er's hingestellt und – weg war er ... Ach, es ist doch eine gottgesegnete Pracht, und wenn ich mir eine Meinung erlauben dürfte, so hat der Herr Lieutenant –

MARIE. Sie dürfen sich aber keine Meinung erlauben.

THERESE. Ach so! ... Ja, was ich fragen wollte: Hängt die Fahne so gut?

MARIE hinausschauend – nickt.

THERESE. Und die ganze Stadt ist voll von so 'ne Fahnen und Tannenjirlanden ... Und die teuersten Teppiche hängen man so aus die Fenster ... Doller wie bei Königs Geburtstag ... Und alles wegen das dumme Musikfest ...