Warum ist sie in diese Stadt gekommen – hä –? Die Welt war ja groß genug für ihre Triumphe! Dies Provinznest brauchte sie sich nicht zu erobern. Aber ich weiß! – Ihrem armen Teufel von Vater zu zeigen, wie weit man's in dieser Welt bringen kann, wenn man die Kindespflicht mit Füßen tritt, das ist ihre Absicht. Trotz und Dünkel sprechen aus ihr – weiter nichts!

PFARRER. Lieber Herr Oberstlieutenant, da möchte ich Sie doch fragen: – was spricht aus Ihnen? Etwa das Vaterherz? Nun, darauf werden Sie wohl selber keinen Anspruch machen, denn – – oder vielleicht das gute Recht? Ich glaube vielmehr, Ihr gutes Recht wär' es gewesen, sich ganz einfach an dem Glück Ihres Kindes zu freuen. – Oder vielleicht die gekränkte Sitte? ... Ich weiß nicht – Ihre Tochter hat so viel durch eigene Kraft erreicht, daß die gekränkte Sitte sich am Ende damit zufrieden geben könnte ... Aber mir scheint, aus Ihnen sprechen Trotz und Dünkel, weiter nichts!

SCHWARTZE auffahrend. Herr Pfarrer!

PFARRER freundlich. Ach, schreien Sie mich nicht an ... das ist ja ganz überflüssig. Wenn ich was zu sagen habe, so muß ich's doch sagen, nicht wahr? ... Und da möcht ich fast glauben, es paßt Ihnen nicht, daß sie wider Ihren Willen so hoch gestiegen ist. Ihr Stolz möchte was zu verzeihen haben, und es ärgert Sie, daß es hier nichts zu verzeihen gibt. Und nun frag ich Sie: Wünschen Sie ernsthaft, daß sie lieber als eine Gefallene, eine Verworfene den Weg in ihren Heimatsort zurückgefunden hätte, und wollen Sie es wagen, diesen Wunsch vor Gottes Thron zu verantworten? Schweigen. Nein, mein lieber, alter, verehrter Freund. Sie haben oft im Scherze gesagt, ich sei Ihr gutes Gewissen, lassen Sie es mich einmal ernsthaft sein. Folgen Sie mir! – Heute noch.

FRANZISKA. Hätt'st du das nur gesehn, wie sie –

 

Pfarrer nickt ihr, sie solle still sein.

 

SCHWARTZE. Hat sie nur den leisesten Versuch gemacht, sich ihren alten Eltern zu nähern? Hat sie mit einem einzigen Liebeszeichen an ihr Vaterhaus gedacht? Wer bürgt mir dafür, daß meine ausgestreckte Hand nicht mit Hohn zurückgewiesen wird?

PFARRER. Nun, dafür könnt' ich wohl bürgen.

SCHWARTZE. Sie? Na, ich denke, Sie hätten zuallererst eine Probe von ihrem unbändigen Trotz erhalten.

PFARRER betreten. Daran hätten Sie mich nicht erinnern sollen.

 

Zehnte Scene

Die Vorigen. Marie mit dem Blumenkorbe. Therese.

 

MARIE. Papa, Papa, hör nur, was Therese – Ach, ich störe wohl?

SCHWARTZE sich sammelnd. Was gibt es?

MARIE. Ich hatte heut wieder anonyme Blumen bekommen, und als ich Therese damit zur Gärtnerei zurückschickte, erfuhr sie, daß es kein Herr, sondern eine Dame gewesen ist, die sie bestellt hat ... Und da sie doch nicht mehr verkauft werden konnten, hat sie sie wieder mitgebracht.

 

Die andern wechseln Blicke.

 

PFARRER. Nun sagen Sie mal, Therese, hat man Ihnen diese Dame beschrieben?

THERESE. Sie ist groß gewesen – mit große, dunkle Augen – und soll sehr was Feines und Fremdländisches an sich gehabt haben.

PFARRER führt Marie mit dem Blumenkorbe heran und legt Schwartze die Hand auf den Arm.