Voraussichtlich sah man bei diesem Wettbewerb Motorräder der Firma Hurter und Dietrich neben den leichten Kraftwagen von Gobron-Brillé, Gebrüder Renault, Richard Brasier, Decauville, Darracq, Ader, Bayard, Clément, Chenard & Walcker, ferner die Wagen von Gillet-Forest, Harward & Watson, Pipe, Wolseley, die schweren Mars-Wagen, neben denen von Fiat, Mercedes, Charrow-Girardot-Voigt, Hotchkisz, Panhard-Levassor, Dion-Bouton, Gardner-Serpollet, Turcat-Méry, Hirscher & Lobano und andere mehr… kurz, die Erzeugnisse aus allen Ländern. Die ausgesetzten Preise waren sehr groß, denn sie betrugen nicht weniger als fünfzigtausend Dollars. Es unterlag also keinem Zweifel, daß das Wettrennen sehr lebhaft bestritten werden würde. Eifrig hatten die Automobilfabrikanten dem Aufrufe des Automobilklubs entsprochen und ihre vollendetsten »Typen« hergeschickt. Einander zu messen, standen etwa vierzig verschieden konstruierte Fahrzeuge bereit, darunter solche für den Betrieb mit Wasserdampf, Petroleum, Spiritus und Elektrizität, doch lauter Modelle, die schon Proben auf hervorragende Leistungsfähigkeit bestanden hatten.

Nach der Berechnung, die sich auf die höchste, überhaupt erreichbare Geschwindigkeit – jener Zeit betrug diese hundertsechzig Kilometer – gründete, konnte das bevorstehende internationale Wettrennen über die Strecke von zweihundert Kilometern keine drei Stunden in Anspruch nehmen. Um jede Gefahr auszuschließen, hatten die Behörden von Wisconsin vorsorglicherweise jeden Verkehr zwischen Prairie-und Milwaukee für den 30. Mai vollständig untersagt.

Unfälle waren also nicht zu befürchten, höchstens solche, die die Teilnehmer bei ihrem überhasteten Dahinrollen treffen konnten. Das ging diese aber nur allein an, wie man gern sagt. Für andere Wagen und für Fußgänger war dagegen, dank den getroffenen Vorsichtsmaßregeln, nichts zu befürchten.

Natürlich strömten am Tage der Entscheidung ungeheure Menschenmengen, und das nicht aus Wisconsin allein, an verschiedenen Stellen zusammen. Tausende kamen noch aus den angrenzenden Staaten, aus Illinois wie aus Michigan, aus Jowa, Indiana und selbst aus dem Staate New York herbei.

Natürlich befanden sich unter den Sportliebhabern viele Ausländer, Franzosen, Deutsche, Engländer, Österreicher, Belgier und andere, und erklärlicherweise wünschten alle den Chauffeurs gerade ihrer Heimat den besten Erfolg.

Da dieser Match in den Vereinigten Staaten, dem wunderbaren Lande der tollsten Wettlustigen, ausgefochten wurde, versteht es sich wohl von selbst, daß es darüber zum Abschluß zahlreicher – oft höchst sonderbarer – und beträchtlicher Wetten kam, die bei besonderen Wettagenturen angemeldet waren. In der letzten Woche des Mai waren die Wettbeträge in der Neuen Welt so unmäßig angeschwollen, daß sie sich schon auf Hunderttausende Dollars beliefen.

 

Die einen hielten es für das übernatürliche Gefährt eines höllischen Chauffeurs. (S. 46.)

Die einen hielten es für das übernatürliche Gefährt eines höllischen Chauffeurs. (S. 46.)

 

Das Zeichen zur Abfahrt sollte um acht Uhr morgens durch einen Chronometer gegeben werden. Zur Vermeidung etwaigen Zusammendrängens und der damit leicht verknüpften Unfälle, sollten sich die Automobile auf der am Rande von zahllosen Zuschauern besetzten Straße in Abständen von je drei Minuten folgen und der erste Preis dem Wagen zufallen, der für die Strecke zwischen Prairie-du-Chien und Milwaukee die kürzeste Zeit brauchen würde.

Die durch Auslosung bestimmten ersten zehn Wagen waren zwischen acht und halb neun Uhr abgefahren. Erlitten sie keinen Unfall, so mußten sie gegen elf Uhr am Ziele eingetroffen sein. Die übrigen hatten ihnen je nach der für sie gezogenen Nummer zu folgen. In Zwischenräumen von je einer halben Meile (804 Meter) wachten Polizeimannschaften über die Sicherheit der Landstraße. Umsäumten diese schon überall zahlreiche Neugierige, so standen deren noch weit mehr an der Abfahrtsstelle, ebenso wie in Madison, dem mittelsten Punkte der Rennstrecke; die größten Haufen von Zuschauern hatten sich aber in Milwaukee, dem Ziele des Matches, zusammengedrängt.

Zwei Stunden waren verflossen. Durch telephonische Mitteilungen erfuhren die Interessierten von fünf zu fünf Minuten den jedesmaligen Stand des Wettstreites und die Ordnung, in der die Wagen einander folgten. Halbwegs zwischen Madison und Milwaukee befand sich ein Wagen der Gebrüder Renault, mit Michelinschen Pneumatiks, an der Spitze, dicht hinter ihm ein solcher von Harward-Watson, und nach diesem ein Automobil von Dion-Bouton. Einzelne Zwischenfälle waren schon vorgekommen, indem manche Motoren fast versagten, oder die Wagen überhaupt stehen blieben. Wahrscheinlich sollten nur ein Dutzend Chauffeurs das Ziel erreichen. Waren auch schon einige Verletzte zu zählen, so hatten diese doch nicht besonders ernstlich Schaden genommen. Doch hätte es auch gelegentlich ein Menschenleben gekostet, so sind solche »Kleinigkeiten« in dem merkwürdigen Lande Amerika nicht von großer Bedeutung.

Natürlich war es vor allem in der Nähe von Milwaukee, wo die Spannung der Zuschauer und die Leidenschaften ihren Höhepunkt erreichten. Am westlichen Ufer des Michigansees erhob sich der das Ziel bezeichnende Distanzpfahl, der mit den Flaggen aller in Betracht kommenden Länder geschmückt war.

Gegen zehn Uhr zeigte es sich schon deutlich, daß der erste Preis – zwanzigtausend Dollars – nur von drei Automobilen und einem Motorrade bestritten werden würde, nämlich von zwei amerikanischen, einem französischen und einem englischen Fahrzeuge, die einen sehr beträchtlichen Vorsprung hatten, während ihre Mitbewerber infolge kleiner Unfälle weit zurückgeblieben waren. Man kann sich deshalb leicht vorstellen, mit welch wütender Leidenschaftlichkeit, entfesselt durch die Eigenliebe, durch den Nationalstolz der Yankees, die letzten Wetten abgeschlossen wurden. Die Agenten vermochten dem Andrang kaum noch Stand zu halten. Die Beträge wuchsen mit unheimlicher Schnelligkeit weiter und weiter an, die Vertreter der hauptsächlichsten Marken, die nachweislich die Spitze hielten, waren nahe daran, handgemein zu werden, und wenn der Revolver und das Bowiemesser auch keine Rolle spielten, so fehlte daran doch nicht viel.

»Eins gegen drei auf Haward-Watson!

– Eins gegen zwei auf Dion-Bouton!

– Eins gegen eins auf Gebrüder Renault!«

Derartige Rufe ertönten, man kann sagen, längs der ganzen Rennstrecke, je nachdem die telephonischen Meldungen bekannt wurden.

Da ereignete sich gegen neunundeinhalb Uhr folgendes: Zwei Meilen vor dem Flecken Prairie-du-Chien ließ sich auf der Straße ein entsetzliches Geräusch hören, das von einem scharfen Pfeifen, ähnlich dem einer Schiffssirene, begleitet war.