Und wenn sich ein Regiment von Teufeln da oben eingenistet hätte… jetzt hat es den Anschein, als ob sie ihre Höllenküche vollendet hätten und einstweilen nach einem anderen Zufluchtsorte in den Alleghanies ausgezogen wären.

– Na, ich hoffe doch, rief Herr Smith, daß sie sich nicht aus dem Staube gemacht haben werden, ohne erkennbare Spuren – vielleicht ein paar Schwanzendchen oder Hörnerspitzen – zurückgelassen zu haben!«

Den nächsten Tag, den 29., stand unser Wagen beim Morgengrauen schon zur Weiterfahrt bereit. Herr Smith nahm seinen und ich meinen Platz wieder ein. Vom Kutscher angetrieben, trabten die Pferde schnellen Schrittes dahin. Am Ende dieses zweiten Reisetages sollten wir also in der Farm von Wildon, zwischen den ersten Ausläufern der Blauen Berge Halt machen.

Die Umgebung hier zeigte noch völlig den früher geschilderten Charakter. Auch hier wechselten Waldungen und Sümpfe – die zweiten nur kleiner als die vor Pleasant-Garden, weil sich der Erdboden mit der Annäherung an den Gebirgsstock allmählich hob – in gleicher Regelmäßigkeit miteinander ab. Das Land war auch weniger bevölkert. Nur selten sah man winzige Dörfer, die unter mächtigem Buchengeäst verborgen lagen, oder vereinzelte Gehöfte, die von zahlreichen Rios aus den Bergschluchten, lauter Zuflüssen des Satawba, bewässert wurden. Die Tier-und die Pflanzenwelt waren die gleichen, wie am Tage vorher, auch gab es hier genug Wild, jeden Jäger vollauf zu befriedigen.

»Ich wäre wahrlich versucht, die Flinte in die Hand zu nehmen und nach Nisko zu pfeifen, sagte Herr Smith. Das ist ja das erste Mal, daß ich hier vorüberkomme, ohne die Rebhühner und die Hafen mit Schrot und Blei zu begrüßen!… Die braven Tiere werden mich gar nicht wiedererkennen!… Doch nein, solange es uns nicht an Proviant fehlt, haben wir ja etwas anderes im Kopfe… die Jagd auf Geheimnisse!

– Und möchten wir von der, setzte ich hinzu, nicht als Schneider zurückkommen!«

Im Laufe des Vormittags kamen wir über eine endlos erscheinende Ebene, wo Zypressen und Fächerpalmen nur noch kleine Gruppen bildeten. Über Sehweite hinaus erhoben sich, ohne Ordnung verstreut, kleine Erdhaufen, worin eine ganze Welt von Nagetieren lebte. Hier tummelten sich, zu ganzen Völkern vereinigt, viele tausend Eichhörnchen von der Art, die in Amerika unter dem Namen »Wiesenhunde« bekannt ist. So hat man die Tiere aber nicht genannt, weil sie äußerlich in irgend einer Hinsicht dem Geschlechte der Hunde ähnelten, sondern nur, weil sie oft etwa wie Möpse kläffen. Als wir in raschem Trabe durch diese Gegend fuhren, mußten wir uns wirklich vor dem unaufhörlichen Gebell die Ohren zustopfen.

In den Vereinigten Staaten ist es überhaupt nicht selten, daß man auf volkreiche Ansiedlungen von Vierfüßlern trifft. Unter anderen erwähnen die Naturforscher eine solche, die ihren Namen Dog-Ville (Hundestadt) mit vollem Rechte führt und die reichlich eine Million vierfüßiger Bewohner haben soll.

Diese Eichhörnchen, die sich von Wurzeln, Blättern und auch von Heuschrecken, nach denen sie sehr lüstern sind, ernähren, sind übrigens – also abgesehen von dem Lärm, den sie verursachen – ganz harmlose Tiere.

Das Wetter hatte sich gut gehalten und dabei wehte eine erquickende, frische Brise. Man darf überhaupt nicht glauben, daß hier unter dem fünfunddreißigsten Breitengrade in Nord-und Südkarolina ein besonders warmes Klima herrsche. Die Winter sind daselbst oft recht streng, so daß viele Orangenbäume durch den Frost zugrunde gehen, und es ist keine Seltenheit, das Bett des Satawba mit Eischollen erfüllt zu sehen.

Am Nachmittage bekamen wir die Kette der Blauen Berge, die noch sechs (amerikanische) Meilen von uns entfernt waren, auf lange Strecken hin zu Gesicht. Ihr Kamm hob sich deutlich von dem fast klarblauen Himmel ab, über den nur einzelne leichte Wolken hinzogen. An ihrem unteren Teile so dicht bewaldet, daß die Äste der Koniferen sich untereinander verwirrten, trug sie auch weiter oben auf den schwärzlichen Felsmassen noch einige Bäume von recht seltsamem Aussehen. Da und dort strebten verschiedene spitze Gipfel von merkwürdiger Gestalt empor, auf der rechten Seite alle überragt von dem 2044 Meter hohen Black-Dome, dessen mächtiges Haupt zuweilen in den Strahlen der Sonne erglänzte.

»Haben Sie diesen Dom schon jemals bestiegen, Herr Smith, fragte ich?

– Nein, antwortete dieser, man sagt auch allgemein, daß das sehr schwierig sei. Übrigens haben einige Touristen den Gipfel wirklich erklommen, sie berichten aber, daß man von da aus auch nichts von dem Innern des Great-Eyry erblicken könne.

– Das ist ganz richtig, erklärte der Führer Harry Horn, ich habe mich selbst davon überzeugt.

– Vielleicht war da das Wetter gerade nicht günstig, bemerkte ich.

– O nein, Herr Strock, im Gegenteil: sehr klar. Die Wände des Great-Eyry sind aber zu hoch und verhindern jeden Einblick.

– Wohlan, rief Herr Smith, ich würde gar nicht böse sein, den Fuß auf eine Stelle zu setzen, die noch kein Mensch betreten hat!«

Der Great-Eyry schien heute vollkommen ruhig zu sein, wenigstens stiegen weder Dämpfe noch Flammen daraus empor.

 

Unsere Besteigung ging unter Vortrab der beiden Führer vor sich. (S. 37.)

Unsere Besteigung ging unter Vortrab der beiden Führer vor sich. (S. 37.)

 

Gegen fünf Uhr hielt unser Wagen vor der Farm von Wildon. Die hier beschäftigten Leute beeilten sich, den Gutsherrn zu begrüßen.

Hier sollten wir nun die letzte Nacht zubringen.

Sofort wurden die Pferde abgeschirrt und nach einem Stalle geführt, wo sie reichliches Futter vorfanden; den Wagen schob man in einen Schuppen.

Der Kutscher sollte in Wildon unsere Rückkehr erwarten. Herr Smith zweifelte keinen Augenblick daran, daß unser Unternehmen mit Erfolg gekrönt sein würde, wenn wir wieder nach Morganton zurückkämen.

Der Gutsverwalter von Wildon versicherte uns auch, daß seit einiger Zeit am Great-Eyry nichts Auffallendes wahrzunehmen gewesen wäre.

Das Abendessen nahmen wir an gemeinsamem Tische mit den Leuten der Farm ein, und unser Schlaf wurde in der ganzen Nacht auf keine Weise gestört.

Am nächsten Tage sollte die Besteigung des Berges mit dem Morgenrot ihren Anfang nehmen. Die Höhe des Great-Eyry beträgt nur achtzehnhundert Fuß (549 Meter); sie ist also nicht bedeutend und bleibt hinter der mittleren Höhe der Alleghanies zurück. Wir konnten also voraussetzen, daß uns keine übermäßige Anstrengung bevorstünde. Einige Stunden mußten ja genügen, den oberen Rand des Bergstockes zu erreichen.