Ihre Wut muss behandelt werden, Mr. Koumantaros. Ist Ihnen eigentlich bewusst, was für einen Ton Sie an sich haben?“
„Mein Ton?“ Seine Finger umklammerten den Stahlrahmen. „Sie drängen sich in mein Haus und werfen mir meinen Ton vor? Für wen halten Sie sich!“ Seine wilde Rage raubte ihr für einen Moment die Sprache. „Sie glauben, Sie haben auf alles eine Antwort, geben sich so selbstherrlich und rechthaberisch. Aber wären Sie auch noch so, wenn man Ihnen den Boden unter den Füßen weggezogen hätte? Wären Sie dann auch so gefühllos?“
Er konnte nicht wissen, dass ihr der Boden unter den Füßen weggezogen worden war. Niemand ging unbeschadet durchs Leben. Persönliche Tragödien hatten sie abgehärtet und widerstandsfähiger gemacht, die zurückgebliebenen Narben waren Teil von ihr geworden. Dennoch war Elizabeth im Moment dankbar, dass Kristian die Gefühle, die über ihr Gesicht huschten, nicht sehen konnte. Dabei lag ihre persönliche Tragödie sieben Jahre zurück, auch wenn es ihr schien, als sei es erst gestern gewesen.
„Ich bin nicht so gefühllos, wie Sie denken“, sagte sie kühl, den Tumult in ihrem Innern eisern im Zaum haltend. „Aber ich bin hergeschickt worden, um Ihnen zu helfen. Ich werde also alles tun, um Ihre Heilung voranzutreiben.“
„Warum sollte ich wieder gesund werden wollen?“ Mit wütender Miene neigte er den Kopf zur Seite. „Und kommen Sie mir nicht mit dem üblichen Schwachsinn … dass ich die wahre Liebe finden und eine Familie gründen werde.“
Ihre Lippen verzogen sich zu einem harten Lächeln. Nein, Liebe war für sie kein Argument, die konnte sich nämlich schnell als Trugschluss erweisen. „Auf solche Mittel greife ich nicht zurück. So gut müssten Sie mich inzwischen kennen.“
„Dann nennen Sie mir einen Grund, warum ich gesund werden sollte. Wozu der ganze Aufwand?“
Ja, wozu? Ihr Herz begann schneller zu schlagen, aus Verärgerung und Mitgefühl. „Weil Sie leben, deshalb.“ Sie musste all die ärgerlichen Dinge zurückhalten, die sie noch sagen wollte. Er war ihr Patient, sie war hier, um für seine medizinische Pflege zu sorgen, nicht, um ihm einen moralischen Vortrag zu halten. Das Leben war ein Geschenk, kein verbrieftes Recht, und das Geschenk hielt er in Händen und ignorierte es. „Leben Sie, Mr. Koumantaros. Genießen Sie das Leben in vollen Zügen. Und wenn Sie es nicht für sich selbst tun wollen, dann tun Sie es für jene, die an dem Tag der Lawine nicht entkommen sind. Tun Sie es für Cosima und Andreas. Sie sind es ihnen schuldig.“
3. KAPITEL
Cosima und Andreas. Es wunderte Kristian, dass die englische Schwester Hatchet die Namen der beiden kannte. Ja, es stimmte. Es waren Cosima und Andreas, die ihn ständig verfolgten.
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