In der finsteren Nacht sei sein Auge von einem hellen Schein an der Wand, seinem Lager gegenüber, angezogen worden, und da er recht zugesehen, so sei er gewahr geworden, daß sein Bild der Madonna, das, noch unvollendet, an der Wand gehangen, von dem mildesten Lichte strahle, und ein ganz vollkommenes und wirklich lebendiges Bild geworden sei. Die Göttlichkeit in diesem Bilde habe ihn so überwältigt, daß er in helle Tränen ausgebrochen sei. Es habe ihn mit den Augen auf eine unbeschreiblich rührende Weise angesehen, und habe in jedem Augenblick geschienen, als wolle es sich bewegen; und es habe ihn gedünkt, als bewege es sich auch wirklich. Was das Wunderbarste gewesen, so sei es ihm vorgekommen, als wäre dies Bild nun gerade das, was er immer gesucht, obwohl er immer nur eine dunkle und verwirrte Ahndung davon gehabt. Wie er wieder eingeschlafen sei, wisse er sich durchaus nicht zu erinnern. Am andern Morgen sei er wie neugeboren aufgestanden; die Erscheinung sei seinem Gemüt und seinen Sinnen auf ewig fest eingeprägt geblieben, und nun sei es ihm gelungen, die Mutter Gottes immer so, wie sie seiner Seele vorgeschwebt habe, abzubilden, und er habe immer selbst vor seinen Bildern eine gewisse Ehrfurcht gefühlt. – Das erzählte mir mein Freund, mein teurer Raffael, und es ist mir dieses Wunder so wichtig und merkwürdig gewesen, daß ich es für mich, zu meiner Ergötzung niedergeschrieben habe.« –

So ist der Inhalt des unschätzbaren Blattes, welches in meine Hände fiel. Wird man nun deutlich vor Augen sehen, was der göttliche Raffael unter den merkwürdigen Worten versteht, wenn er sagt:

»Ich halte mich an ein gewisses Bild im Geiste, welches in meine Seele kommt.«

Wird man, durch dieses offenbare Wunder der himmlischen Allmacht belehrt, verstehen, daß seine unschuldige Seele in diesen einfachen Worten einen sehr tiefen und großen Sinn aussprach? Wird man nun nicht endlich begreifen, daß all das profane Geschwätz über Begeisterung des Künstlers, wahre Versündigung sei, – und überführt sein, daß es dabei doch geradezu auf nichts anderes, als den unmittelbaren göttlichen Beistand ankomme?

Aber ich füge nichts mehr hinzu, um jeden, über diesen so wichtigen Gegenstand der ernsten Betrachtung, seinem eigenen Nachdenken zu überlassen.

 

Sehnsucht nach Italien

 

Durch einen seltsamen Zufall hat sich folgendes kleine Blatt bis jetzt bei mir aufbewahrt, das ich schon in meiner frühen Jugend niederschrieb, als ich vor dem Wunsche, endlich einmal Italien, das gelobte Land der Kunst, zu sehen, keine Ruhe finden konnte.

Bei Tage und in der Nacht denkt meine Seele nur an die schönen, hellen Gegenden, die mir in allen Träumen erscheinen, und mich rufen. Wird mein Wunsch, meine Sehnsucht immer vergebens sein? So mancher reist hin und kommt zurück, und weiß dann nicht, wo er gewesen ist, und was er gesehen hat, denn keiner liebt so innig das Land mit seiner einheimischen Kunst.

Warum liegt es so fern von mir, daß es mein Fuß nicht in einigen Tagereisen erreichen kann? Daß ich dann vor den unsterblichen Werken der großen Künstler niederknie und ihnen alle meine Bewunderung und Liebe bekenne? Daß ihre Geister es hören, und mich als den getreusten Schüler bewillkommen? –

Wenn zufällig von meinen Freunden die Landkarte aufgeschlagen wird, muß ich sie immer mit Rührung betrachten; ich durchwandre mit meinem Geiste Städte, Flecken und Dörfer, – ach! und fühle nur zu bald, daß alles nur Einbildung sei.

Wünsch ich mir doch kein glänzendes Glück dieser Erde; aber soll es mir auch nicht einmal vergönnt sein, dir, o heilige Kunst, ganz zu leben?

 

Soll ich in mir selbst verschmachten

Und in Liebe ganz vergehn?

Wird das Schicksal mein nicht achten,

Dieses Sinnen, dieses Trachten

Stets mit Mißvergnügen sehn?

 

Bin ich denn so ganz verloren,

Den Verstoßnen zugeweiht?

O beglückt, wer auserkoren,

Für die Künste nur geboren,

Ihnen Herz und Leben weiht!

 

Ach, mein Glück liegt wohl noch ferne,

Kommt noch lange mir nicht nah!

Freilich zweifelt' ich so gerne, –

Doch noch oft drehn sich die Sterne, –

Endlich, endlich ist es da!

Dann ohne Säumen,

Nach langen Träumen,

Nach tiefer Ruh,

Durch Wies' und Wälder,

Durch blühnde Felder

Der Heimat zu!

Mir dann entgegen

Fliegen mit Segen

Genien, bekränzt,

Strahlenumglänzt!

Sie führen den Müden

Dem süßen Frieden,

Den Freuden, der Ruh,

Der Kunstheimat zu!

 

 

Der merkwürdige Tod des zu seiner Zeit weitberühmten alten Malers Francesco Francia, des ersten aus der Lombardischen Schule

 

So wie die Epoche des Wiederauflebens der Wissenschaften und der Gelehrsamkeit die vielumfassendsten, als Menschen merkwürdigsten, und am Geiste kräftigsten gelehrten Männer hervorbrachte; so ward auch die Periode, da die Kunst der Malerei aus ihrer lange ruhenden Asche, wie ein Phönix, hervorging, durch die erhabensten und edelsten Männer in der Kunst bezeichnet. Sie ist als das wahre Heldenalter der Kunst anzusehen, und man möchte (wie Ossian) seufzen, daß die Kraft und Größe dieser Heldenzeit nun von der Erde entflohen ist. Viele standen an vielen Orten auf, und erhoben sich ganz durch eigene Stärke: ihr Leben und ihre Arbeiten hatten Gewicht, und waren der Mühe wert, in ausführlichen Chroniken, wie wir sie noch von den Händen damaliger Verehrer der Kunst besitzen, der Nachwelt aufbewahrt zu werden; und ihr Geist war so ehrwürdig, als es uns noch ihre bärtigen Häupter sind, die wir in den schätzbaren Sammlungen ihrer Bildnisse mit Ehrfurcht betrachten. Es geschahen unter ihnen ungewöhnliche, und vielen jetzt unglaubliche Dinge, weil der Enthusiasmus, der itzt nur in wenigen einzelnen Herzen, wie ein schwaches Lämpchen flimmert, in jener goldenen Zeit alle Welt entflammte. Die entartete Nachkommenschaft bezweifelt oder belacht so manche bewährte Geschichte aus diesen Zeiten als Märchen, weil der göttliche Funken ganz aus ihrer Seele gewichen ist.

Eine der merkwürdigsten Geschichten dieser Art, die ich nie ohne Staunen habe lesen können, und bei der mein Herz doch nie in Versuchung zu zweifeln geführt ward, ist die Geschichte von dem Tode des uralten Malers Francesco Francia, welcher der Ahnherr und Stammvater der Schule war, die sich in Bologna und der Lombardei bildete.

Dieser Francesco war von geringen Handwerksleuten geboren, hatte sich aber durch seinen unermüdeten Fleiß und seinen immer hinaufstrebenden Geist, zu dem höchsten Gipfel des Ruhmes aufgeschwungen. In seiner Jugend war er zuerst bei einem Goldarbeiter, und er bildete so künstliche Sachen in Gold und Silber, daß sie jeden, der sie sah, in Erstaunen setzten. Auch grub er lange Zeit die Stempel zu allen Denkmünzen, und alle Fürsten und Herzoge der Lombardei setzten eine Ehre darin, sich von seinem Griffel auf ihren Münzen abbilden zu lassen. Denn es war damals noch die Zeit, da alle Vornehmen des Landes und alle Mitbürger den vaterländischen Künstler durch ihren ewigen, lautschallenden Beifall stolz zu machen vermochten. Unendlich viele fürstliche Personen kamen durch Bologna, und versäumten nicht, ihr Bildnis von Francesco zeichnen, und nachher in Metall schneiden und prägen zu lassen.

Aber Francescos ewig beweglicher, feuriger Geist strebte nach einem neuen Felde der Arbeit, und je mehr seine heiße Ehrbegier gesättigt ward, desto ungeduldiger ward er, sich eine ganz neue, noch unbetretene Bahn zum Ruhme aufzuschließen. Schon vierzig Jahre alt, trat er in die Schranken einer neuen Kunst; er übte sich mit unbezwinglicher Geduld im Pinsel, und richtete sein ganzes Nachdenken auf das Studium der Komposition im großen, und des Effektes der Farben. Und es war außerordentlich, wie schnell es ihm gelang, Werke hervorzubringen, die ganz Bologna in Verwunderung setzten. Er ward in der Tat ein vorzüglicher Maler; denn wenn er auch mehrere Mitstreiter hatte, und selbst der göttliche Raffael zu der Zeit in Rom arbeitete, so konnte man immer mit Recht auch seine Werke zu den vornehmsten rechnen. Denn allerdings ist die Schönheit in der Kunst nicht etwas so Armes und Dürftiges, daß Eines Menschen Leben sie erschöpfen könnte; und ihr Preis ist kein Los, das nur allein auf Einen Auserwählten fällt: ihr Licht zerspaltet sich vielmehr in tausend Strahlen, deren Widerschein auf mannigfache Weise von den großen Künstlern, die der Himmel auf die Welt gesetzt hat, in unser entzücktes Auge zurückgeworfen wird.

Francesco lebte gerade unter der ersten Generation der edlen italienischen Künstler, welche um so größere und allgemeinere Achtung genossen, da sie auf den Trümmern der Barbarei ein ganz neues, glänzendes Reich stifteten; und in der Lombardei war gerade er der Stifter, und gleichsam der erste Fürst dieser neugegründeten Herrschaft. Seine geschickte Hand vollendete eine unzählbare Menge von herrlichen Gemälden, die nicht nur durch die ganze Lombardei (in welcher keine Stadt von sich nachsagen lassen wollte, daß sie nicht wenigstens eine Probe seiner Arbeit besäße), sondern auch in die andern Gegenden von Italien gingen, und allen Augen, die so glücklich waren sie zu betrachten, seinen Ruhm laut verkündigten. Die italienischen Fürsten und Herzoge waren eifersüchtig, Bilder von ihm zu besitzen; und von allen Seiten strömten ihm Lobsprüche zu. Reisende verpflanzten seinen Namen allerorten, wo sie hingelangten, und der schmeichelhafte Widerhall ihrer Reden tönte in sein Ohr zurück. Bologneser, die Rom besuchten, priesen ihren vaterländischen Künstler dem Raffael, und dieser, der auch einiges von seinem Pinsel gesehen und bewundert hatte, bezeugte ihm in Briefen, mit der ihm eigentümlichen sanften Leutseligkeit, seine Achtung und Zuneigung. Die Schriftsteller der Zeit konnten sich nicht enthalten, sein Lob in alle ihre Werke einzuflechten; sie richten die Augen der Nachwelt auf ihn, und erzählen mit wichtiger Miene, daß er wie ein Gott verehrt sei. Einer von ihnen2 sogar ist kühn genug, zu schreiben, daß Raffael, auf den Anblick seiner Madonnen, die Trockenheit, die ihm noch von der Schule von Perugia angeklebt, verlassen, und einen größeren Stil angenommen habe.

Was konnten diese wiederholten Schläge anders für eine Wirkung auf das Gemüt unsers Francesco haben, als daß sein lebhafter Geist sich zu dem edelsten Künstlerstolze emporhob und an einen himmlischen Genius in seinem Inneren zu glauben anfing. Wo findet man jetzt diesen erhabenen Stolz? Ver- gebens sucht man ihn unter den Künstlern unsrer Zeiten, welche wohl auf sich eitel, aber nicht stolz auf ihre Kunst sind.

Raffael war der einzige, den er von allen ihm gleichzeitigen Malern allenfalls für seinen Nebenbuhler gelten ließ. Er war indes nie so glücklich gewesen, ein Bild von seiner Hand zu sehen, denn er war in seinem Leben nie weit von Bologna gekommen. Doch hatte er, nach vielen Beschreibungen, sich in der Idee von der Manier des Raffaels ein festes Bild gemacht, und sich, besonders auch durch dessen bescheidenen und sehr gefälligen Ton gegen ihn in seinen Briefen, fest überzeugt, daß er selber ihm in den meisten Stücken gleichkomme, und es in manchen wohl noch weiter gebracht habe.