Kein Mensch vermag die Wut meines Mannes zu beschreiben. Nicht bloß war er darüber in Verzweiflung, daß ich ihn getäuscht hatte, sondern daß es durch den geschehen sei, den er mir im vollsten Vertauen zum Wächter gesetzt hatte. In seiner Wut befiel ihn jener tödliche Krampf, der ihn so oft leblos niederstreckte.

Er kam wieder zu sich, und statt Ausbrüche neuer Wut, die wir erwarteten, erhob er sich, setzte sich matt in einen Sessel und weinte laut und heftig. Da er unser Erstaunen sah, sagte er schluchzend, indem er noch ohne Fassung war: ja, ihr Schändlichen, ihr seht etwas, das mir selbst ein Wunder dünkt. Seit meiner Kindheit habe ich keine Tränen vergossen, soviel Elend ich auch sah und erlebte. Wißt denn schon seit lange hat mich die ruhige Ergebenheit dieses Weibes, ihre Geduld, mit der sie meine Grausamkeit ertrug, tief bewegt. Ich empfand, wie unglücklich sie sein mußte, und warf einen reuenden Blick in mein Leben. Ich nahm mir fest vor, besser zu werden, und sie fortan gut und freundlich zu behandeln; sie sollte künftig nur Güte in mir finden und sich mit mir versöhnen. Diesem Menschen, den ich liebte, dachte ich eine Summe zu schenken, daß er nicht mehr Diener zu sein brauche, sondern mein Freund würde. Gemeinsam wollten wir in Liebe und Ruhe leben, ich wollte mich von jenen hassenden Priestern zurückziehen, denn ich schämte mich vor dieser Catharina, die mir wie eine Heilige gegenüberstand. Und nun? Ich sehe, sie ist schlechter als ich, sie verdient nur meine Verachtung.

Jetzt stellte sich Robert ihm gegenüber, gab sich zu erkennen, nannte seinen Namen, erzählte sein Unglück, und wollte ihm deutlich machen, daß er selbst mir früher angehört habe, und daß unsre Verbindung vom Priester geweiht und eine rechtmäßige Ehe gewesen sei, die widerrechtlich sei aufgehoben worden. Als Denisel erfuhr, seit wie lange er schon sei getäuscht worden, und mit welchen Künsten sein größter Feind sich ihm genähert und seine Freundschaft erworben habe, geriet er von neuem in Wut und Raserei. Er stürzte, indem er einen Dolch faßte, auf Robert, um ihn zu ermorden; dieser aber stieß ihn mit solcher Gewalt zurück, daß der Alte rücklings über stürzte, wiederum in seine Krämpfe fiel und sich nicht erhob. Er war gestorben.

Robert fand zuerst Sprache und Besinnung wieder. Was wir in diesen Augenblicken erlebt hatten, war so erschütternd, so allgewaltig in unser Leben gedrungen, daß wir fühlten, eine neue Bahn liege vor uns, wenn wir uns nicht zugrunde richten sollten. Robert war in Reue und Trostlosigkeit zerflossen. Die herzzerreißendste Anklage seiner selbst floß von seinen Lippen, wie er mich, die er zu lieben und zu verehren gemeint, in den Abgrund gezogen habe, und wie er jetzt sehe und innigst fühle, daß die Liebe selbst das Böse sei; wie er jetzt verstehe, daß im ersten Keime derselben, in der frühesten und unschuldigsten Regung, die ihn wie mit himmlischer Heiligkeit überschüttet habe, schon das Laster geschlummert. Das Leben selbst, so fuhr er fort, sei Sünde, und das Gift in diesem regiere. Er bereue auch jetzt alle seine Irrtümer gegen die Kirche, er widerrufe jene Lehren, die er und Philipp ihren Vertrauten geprediget hätten, und einzelne schlechte Priester könnten niemals die hohe Würde des Standes erniedrigen.

Er war ganz vernichtet, erflehte in Tränengüssen meine Verzeihung, daß er mich zur Sünde verleitet habe, und ging, sich mit der Kirche zu versöhnen. Seitdem, so hat man mir erzählt, lebt er unter strengen Büßungen in einem Walde als Einsiedler.

Es machte kein Aufsehen, daß Denisel gestorben war; er war Greis, es war bekannt, daß die fallende Sucht ihn schon oft dem Tode nahe gebracht hatte. Auch mein Vater verließ bald die Zeitlichkeit, und ich war mir nun, im Besitz eines mäßigen Vermögens, selber überlassen; denn vieles, das wir früher besessen hatten, war durch Denisel und meinen Vater an Klöster und Kirchen vergabt worden. –

Nun wißt Ihr alles, mein vertrauter Freund, und ich hoffe, Ihr helft mir dieses Leben erheitern, welches ich mir erwählt habe, nachdem so viele Stürme mein Gemüt erschütterten.

Liebe Catharina, sagte der junge Mann, Euer Bekenntnis hat Euer ganzes Wesen mir näher gebracht, und doch wieder seid Ihr mir fremder und entfernter als gestern. Ich meine nur, da Ihr schon früher nachgabt, um einen andern zu beglücken, solltet Ihr um so leichter meinen Bitten nachgeben.

Lieber Friedrich, antwortete sie, ich habe in allen diesen Jahren nicht aufgehört, mich als Roberts wahre, vom Priester angetraute Gattin anzusehen. Ich wäre, wenn es seine Reue und Zerknirschung zugelassen hätte, wohl mit ihm, da ich nun frei war, nach England gereist. Ich liebe ihn noch, sein Bild wohnt in meinem Herzen, ich darf ihm die Treue nicht brechen. Ihr verwundert Euch vielleicht, wenn ich Euch sage, daß ich selbst jene Umwandlung seines Wesens so wenig verstand, wie billigte. Gewiß hatten wir uns schwer versündiget, und viele Augenblicke der Scham und Reue hatten mich zu dem Vorsatz geführt, besser zu werden. Meine unsterbliche Seele bedurfte es, aus dem Zustande der Erniedrigung wieder erhoben zu werden. Aber nicht durch Untreue gegen mich und das Edelste, was ich geschaut und erlebt hatte, durfte die Besserung anheben. Sein Bild, jenes Frühlingsgefühl, welches den Winter meines Herzens damals durch Duft, Glanz und Blüte vertrieben hatte, war mir noch heilig, muß es mir in Ewigkeit bleiben. Ich kann nicht jenen Glauben aufgeben, alle jene Ansichten, die ich damals durch Robert und Philipp gewann; denn sie läuterten und erhoben alle meine Seelenkräfte.