Hordubal (German Edition)
Inhalt
Hordubal
Erstes Buch I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
XVI
XVII
XVIII
XIX
XX
XXI
XXII
XXIII
XXIV
Zweites Buch I
II
III
IV
V
VI
Drittes Buch
Karel Čapek
Hordubal
Aus dem Tschechischen von
Otto Pick
Die Originalausgabe erschien 1933 unter dem Titel »Hordubal« beim Verlag Ceskoslovensky Spisovatel, Prag
Die deutsche Erstausgabe erschien 1933 bei Bruno Cassirer, Berlin
Erstes Buch
I
Es ist der zweite vom Fenster, der in dem zerknüllten Anzug: wer würde so was für einen Amerikaner halten? Was fällt Ihnen ein, Amerikaner fahren doch nicht im Personenzug: im Schnellzug fahren sie, und auch das scheint ihnen noch zu wenig, ja, in Amerika, dort gibt es ganz andere Züge, viel längere Waggons und so ein weißer waiter bietet dort Eiswasser und Ice-creams an, verstanden? Hallo, boy, gröhlt so'n Amerikaner, schaff Bier her, eine Runde Bier, für jeden im Wagen ein Glas, und wenn's meinethalb fünf Dollars kostet, damn! Ja, Leute, in Amerika, das ist ein Leben, was soll ich viel erzählen!
Der zweite vom Fenster döst mit offenem Mund, schwitzend vor Ermüdung, und sein Kopf baumelt wie leblos hin und her. Ach Gott, ach Gott, das sind nun schon elf, dreizehn, vierzehn, fünfzehn Tage; fünfzehn Tage und Nächte auf dem Koffer versitzen, auf dem Fußboden schlafen oder auf einer Bank, schweißklebrig und starr wie ein Klotz, betäubt vom Lärm der Maschinen; schon der fünfzehnte Tag; wenn ich wenigstens die Beine ausstrecken könnte, Heu unterm Kopf, und schlafen, schlafen, schlafen ...
Die dicke Jüdin beim Fenster drückt sich angewidert in die Ecke. Das hat gerade noch gefehlt; schläft noch obendrein ein und wälzt sich auf mich wie ein Sack; weiß man denn, was für einer das ist – sieht aus, als hätte er sich in den Kleidern auf der Erde oder sonstwo herumgewälzt; du scheinst mir ein sonderbarer Patron zu sein, gleich möchte ich mich wegsetzen, ach Gott, wäre die Fahrt schon zu Ende! Und der zweite vom Fenster neigt sich, fällt vornüber und erwacht durch den Ruck.
»So eine Hitze«, knüpft der Alte mit dem Krämergesicht vorsichtig ein Gespräch an. »Wohin fahren Sie?«
»Nach Krivá«, stottert der Mensch.
»Nach Krivá«, wiederholt der Krämer kennerhaft und wohlwollend. »Und von weither, von weither?«
Der zweite vom Fenster antwortet nicht, fährt mit der schmutzigen Pranke über die feuchte Stirn, Schwäche und Schwindelgefühl machen ihn fast ohnmächtig. Der Krämer schnauft beleidigt und wendet sich zum Fenster ab. Der zweite wagt nicht, durchs Fenster zu schauen, versteckt die Augen auf dem bespuckten Fußboden, erwartet, daß man ihn noch einmal fragen wird. Und dann wird er's ihnen sagen. Von weither. Bis aus Amerika, bitte schön. Aber gehn Sie, bis aus Amerika? Und da fahren Sie so weit auf Besuch? Nein, ich fahre wieder nach Hause. Nach Krivá. Dort hab' ich meine Frau und ein Mädel, Hafia heißt sie. Hafia. Drei Jahre war sie alt, als ich wegfuhr. Also aus Amerika! Und wie lange waren Sie dort? Acht Jahre. Acht Jahre sind es schon. Und die ganze Zeit hab' ich einen Job am gleichen Ort gehabt. Als miner. In Johnstown. Dort war ein Landsmann von mir, Michal Bobok hat er geheißen. Der Michal Bobok aus Jalamasch. Den hat's erschlagen, vor fünf Jahren. Und dann hatte ich nicht mehr mit wem zu reden – bitte schön, wie sollte ich mich mit ihnen verständigen? Ja, der Bobok, der hatte ihre Sprache gelernt, aber das ist so, wenn man ein Weib hat, denkt man daran, wie man ihr eins ums andre erzählen wird, und das geht nicht in so einer fremden Sprache. Polana heißt sie. Und wie konnten Sie dort arbeiten, wenn Sie sich nicht verständigen konnten? Nun, wie: sie sagten mir bloß »Hallo, Hordubal« und zeigten mir meinen job. Bis sieben Dollar im Tag hab' ich gekriegt, bitte schön. Seven. Aber teuer ist es in Amerika, ihr Herren. Da reichen nicht einmal zwei Dollar für den Lebensunterhalt.
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