Die Atmosphäre war zum Ersticken heiß; ich hatte das Gefühl, als koche ich in einem Topf siedenden Wassers, und doch wuchsen Hitze und Trockenheit mit solcher Rapidität, daß ich innerlich zu brennen vermeinte. Fast wollten mir die Sinne schwinden; aber es galt nicht bloß mein Leben, sondern noch vielmehr dasjenige meiner kostbaren Bürde.

Es war mir in diesem entsetzlichen Augenblicke zumute, als habe ich das herrlichste Gut der ganzen, weiten Schöpfung, den größten Schatz des Himmels und der Erde dem flammenden Orkus entführt und müsse nun meinen herrlichen Raub schützen und bergen vor den nachsprühenden Blitzen und Gluten der Unterwelt. Trotzdem ich kaum noch eines Gedankens mächtig war, durchzuckte mich doch die Erkenntnis der ersten, allgewaltigen Liebe, und Rettung, Rettung mußte ich finden für sie, und sollte ich selbst zehnmal, nein, tausendmal dabei zugrunde gehen!

„Swallow, voran, voran, Swall –!“

Ich konnte nicht weiter sprechen, und das brave Tier raste ja auch mit fast unmöglicher Geschwindigkeit dahin. Soviel sah ich, diesseits des Flusses war kein Ausweg. Die Flammen beleuchteten die Felswände ja hell genug, um sehen zu können, daß dieselben nicht zu erklimmen seien; deshalb ins Wasser, – hinüber auf die andere Seite!

Ein leiser Schenkeldruck – ein Sprung des gehorsamen Mustangs, und hochauf schlugen die Wellen über uns zusammen. Ich fühlte neue Kraft, neues Leben durch die Adern pulsieren, aber das Pferd war unter mir verschwunden. Doch das war jetzt gleich; nur hinüber – immer hinüber! Ich schwamm wie noch nie in meinem Leben – mit einer Angst, so fruchtbar – so fruchtbar, nicht für mich, sondern für sie – sie – sie – Da schnaufte es hinter mir – „Swallow, du treuer, wackerer, bist du's – Hier ist das Ufer – wieder aufs Pferd – fort – fort.“

So ging es weiter. Fast wahnsinnig vor Aufregung und Überanstrengung ritt, sprang, lief und kletterte ich, ohne mehr zu wissen, was ich tat; aber endlich – endlich war's erreicht, und ich sank mit meiner Bürde nieder.

Nach einigen Augenblicken der dringendsten Erholung trug ich sie mehrere hundert Schritte weiter in die sichere Nacht hinein. Der Himmel glänzte blutig rot, und der Brodem des entfesselten Elementes kulminierte in dichten, schwarzen, von purpurnen Lichtern durchbrochenen Ballen über dem Herd der Verwüstung. Aber ich hatte keine Zeit zu diesen Betrachtungen, denn vor mir lag, das Messer noch krampfhaft festhaltend, das Mädchen, so bleich, so kalt und starr, daß ich sie tot glaubte, ertrunken im Wasser, während ich sie den Flammen entreißen wollte.

Das leichte Gewand war durchnäßt und legte sich eng an die wunderbar schöne Gestalt; auf dem bewegungslosen Angesicht spielten die düsteren Reflexe der über den Rand der Ebene emporsprühenden Feuerstrahlen; der Mund, welcher am Tag so herzlich gelacht, war geschlossen, das Auge, dessen großer voller Blick mir so tief in die Seele gedrungen, lag verborgen unter den gesunkenen Lidern; die reine, klangvolle Stimme – doch nein und abermals nein, sie konnte, sie durfte nicht gestorben sein. Ich nahm sie in die Arme, strich ihr das lange, reiche, aufgelöste Haar aus der Stirn, rieb ihr die zarten Schläfen, legte, um der regungslosen Brust Atem zu geben, meinen Mund auf ihre Lippen, rief sie bei den zärtlichsten Namen, die ich jemals gehört und – da ging ein Zittern durch ihren Körper, erst leise, dann immer bemerkbarer; ich fühlte das Klopfen ihres Herzens, trank den Hauch ihres Atems, sah die langen, seidenen Wimpern sich öffnen – sie lebte, sie erwachte, sie war dem Tod entgangen.

Ich drückte sie an das Herz und küßte vor seliger, unendlicher Freude die sich mehr und mehr erwärmenden Lippen. Da mit einem Mal öffnete sie weit, weit das Auge und starrte mir mit unbeschreiblichem Ausdruck in das Angesicht; dann belebte sich der wiederkehrende Blick, und mit einem lauten Schrei des Entsetzens wand sie sich los und sprang empor.

„Wo bin ich? Wer seid Ihr? Was ist mit mir geschehen?“ rief sie.

„Ihr seid gerettet, Miß, aus der Glut da unten.“

Beim Klang meiner Stimme und dem Anblick des noch immer hochlodernden Brandes kehrte ihr die Besinnung zurück.

„Herr, ich verachte Euch!“

Ich konnte nicht sofort eine Antwort finden, so unerwartet kamen mir diese Worte, und nur nach einigem Zögern erwiderte ich:

„Ich verstehe Euch nicht!“

„Das begreife ich. Wer keine Ehre hat, wird Rücksicht nie verständlich finden. Und es ist nicht bloß das, sondern Ihr seid auch feig!“

„Das verstehe ich noch weniger.“

„Ist's etwa nicht feig, eine wehrlose Dame –“

Sie stockte, tiefes Rot bedeckte ihr Gesicht bis zum Nacken herab, und mit einer Miene der Entrüstung, vor welcher ich fast zurückweichen konnte, trat sie hart an mich heran und rief:

„Wäret Ihr ein Mann, so würde ich Genugtuung von Euch verlangen, blutige Genugtuung; aber Ihr fürchtet die Streiche wie ein Schulknabe, und so mögt Ihr gehen. Aber nehmt Euch in acht, mir einmal vor den Lauf meiner Büchse zu kommen, denn dann halte ich Euch für das, für was Euch Forster erklärt hat – einen Coyoten – mein Gott, Forster – und ich stehe hier!“

Jetzt erst kam ihr die vollständige Erinnerung, und mit einem kreischenden Wehruf stürzte sie fort, dem Felsenabhang zu.

Mit einigen raschen Sprüngen hatte ich sie erreicht und faßte sie bei beiden Händen.

„Bleibt, Miß, bei allem, was Euch heilig ist. Ihr seid verloren, wenn Ihr Euch in dieses Feuermeer wagt!“

„Laßt mich, Elender. Ihr habt die Gefahr gekannt, Ihr konntet sie retten, alle, und habt es nicht getan. Laßt fahren, oder Ihr schmeckt Euren eignen Stahl!“

Noch immer war das Messer in ihrer Hand geblieben. Sie merkte es erst jetzt, da ich sie bei derselben gefaßt hielt, und wandte alle Kraft auf, um sich loszumachen. Wollte ich ihr die Hand nicht brechen, so mußte ich nachgeben. Die Rechte frei bekommend, entriß sie auch die Linke meinem Griff, und ich fühlte einen kleinen Gegenstand zwischen meinen Fingern. Sie merkte den Verlust nicht und eilte längs des Bergrands von dannen.

Schon wollte ich ihr folgen, da ertönte aus einiger Entfernung leichter Hufschlag. Ich blieb stehen und lauschte.

„Swallow!“

Ein lautes, freudiges Wiehern antwortete, und im nächsten Augenblick stand das treue Pferd, das Köpfchen liebkosend an meiner Schulter reibend, vor mir.

„Swallow, mein lieber, lieber Swallow“, rief ich, das Tier vor Freude umarmend, „auch du bist gerettet? Du kommst zurück, trotzdem ich dich verlassen habe im Augenblick der Gefahr, und die, an der ich fast übermenschliches Vermögen getan habe, sie nennt mich feig und ehrlos, droht mir mit der Waffe und flieht mich wie einen schmutzigen Yambarico. Und doch wollen wir diesen Ring, den ich ihr gegen meinen Willen abgestreift habe, aufbewahren, Swallow. Wir müssen sie wiederfinden, und dann wird sich's vielleicht herausstellen, ob dein Herr nichts weiter ist, als ein verächtlicher – Coyote.“ – – –

„Uff!“ rief mein Begleiter. „Mein weißer Bruder hat recht. Hier ist der rote Mann geritten. Laß uns sehen, was er hier gewollt hat.“

„Winnetou, der große Häuptling“, erwiderte ich, „ist weise und hat das Auge des großen Geistes. Er sieht sehr wohl, was sein böser Bruder hier gewollt hat; aber er versucht, mich auf die Probe zu stellen.“

Über das scharfgezeichnete Angesicht des Indianers glitt ein flüchtiges Lächeln, als er, noch immer auf die Spur gebückt, antwortete:

„Und was denkt der weiße Freund von dieser Fährte?“

„Der Mann, welcher hier geritten ist, hat seine Gefährten gesucht. Auf jedem Hügel hat er sein Pferd angehalten, um sich nach ihnen umzusehen, und wir müssen also vorsichtig sein, wenn wir nicht unsere Skalps verlieren wollen.“

Winnetou – denn dieser, von welchem ich Swallow erhalten hatte, war es – richtete sich empor und maß mich mit einem langen, verwunderten Blick.

„Mein bleicher Bruder kennt mich.