Sich vorher zu fragen, ob mir das lieb sein werde oder nicht, das ist ihm gar nicht in den Sinn gekommen. Das gesellschaftliche Leben aller Länder und Völker wird von einem Paragraphen beherrscht, welcher lautet: Vornehme Leute stören nie! Wenn du das noch nicht weißt, so merke es dir!“

„Das habe ich nicht nötig, denn als oberster Scheik der Haddedihn vom großen Stamm der Schammar gehöre ich selbst ja auch zu den vornehmsten Personen vom Aufgang bis zum Niedergang der Sonne, so daß kein englischer Lord sich einbilden darf, höher zu stehen als ich, der ich ein freier und unumschränkter Beherrscher freier Männer bin. Ich gehöre also selbst zu denjenigen Personen, welche niemals stören. Wem Allah die hohe und unschätzbare Gabe verliehen hat, eine so große Menge tapferer Beduinen zu beherrschen, der kann sich getrost an die Seite der Kaiser, Könige und sonstigen allerhöchsten Regenten stellen, und ich bin der Überzeugung – – –“

Hier unterbrach ich ihn mit irgend einer Bemerkung, denn wenn er auf dieses Thema geriet, so mußte man ihm den Faden der Rede schnell zerschneiden, sonst spann er ihn bis in die Unendlichkeit hinein. Er ging zwar über meinen Einwurf rasch hinweg und griff den Faden wieder auf, aber glücklicherweise kehrte Lindsay jetzt zurück, wodurch Halef zu seinem Leidwesen gezwungen wurde, vom Thema seiner unzählbaren Vorzüglichkeiten abzulassen. Da der Lord, einen Mantel abgerechnet, den er am Arm hängen hatte, gerade so wieder kam, wie er gegangen war, so fragte ich ihn nach seinem Gepäck.

„Gepäck?“ antwortete er. „Habe keins.“

„Wirklich keins?“

„Yes. Bin früher so dumm gewesen, mich mit einer Menge von Sachen abzuschleppen, und habe mich trotzdem für einen tüchtigen Globetrotter gehalten. Habe aber von dir gesehen, wie man es machen muß. Mache es nun ebenso: Anzug auf dem Leib, Mantel, Waffen, Geld, weiter nichts.“

„Aber wie steht es mit dem Pferde?“

„Habe keins.“

„So müssen wir hier eins kaufen.“

„No!“

„Nicht? Warum? Basra hat Pferdeausfuhr nach Indien. Es gibt also hier eine ganz gute Gelegenheit, dem Mangel abzuhelfen.“

„Mag keins von hier; will persische Rasse; diese einmal versuchen. Werde also erst kaufen, wenn wir drüben sind.“

„Das geht aber nicht. Du kannst doch nicht neben uns herlaufen. Und selbst wenn du dir diese Absonderlichkeit leisten wolltest, würdest du es nicht aushalten. Der Weg über das Gebirge hinüber ist weit und sehr beschwerlich.“

„Welches Gebirge?“

„Ich meine da hier hinüber die Berge von Chusistan.“

„Chusistan? Haben nichts mit Chusistan zu tun!“

„Wiefern?“

„Werden überhaupt nicht reiten!“

„Wer sagt das?“

„Ich. Werden fahren.“

„Fahren? Womit? Hier gibt es keine Postchaisen.“

„Schlechter Witz! Werden per Schiff fahren.“

„Ah – – – so?!“

„Yes. Liegt ja ein Dampfer draußen. Geht gegen Abend ab, nach Bombay. Wird uns in Buschehr absetzen.“

„Wer sagt das?“ fragte ich wieder.

„Ich –“, antwortete er. „Habe bereits drei Plätze bezahlt. Mit Kapitän gesprochen. Alles abgemacht!“

„Wer hat dich dazu beauftragt?“

„Beauftragt?“ fragte er, mit dem Kopf hoch emporfahrend, die Stirn in Falten ziehend und mich aus zusammengezogenen Augen erstaunt ansehend. „Denke nicht, daß es einer besonderen Beauftragung bedurfte, sondern glaubte, es so ganz richtig zu machen! Wolltet ihr denn nicht per Schiff nach Buschehr hinunter?“

„Nein.“

„Well, hätte das wissen sollen!“

„Du konntest es erfahren, indem du uns fragtest!“

„Yes, ist richtig; aber unter Reisegefährten rechnet man nicht so genau. Da die Plätze bezahlt sind, werden wir fahren.“

„Ist das wirklich so bestimmt, wie du meinst?“

„Yes.“

„Wenn ich nun nicht darauf eingehe?“

„Ist gar nicht möglich. Würde eine Beleidigung für mich sein. Was sagt Halef dazu?“

„Ich tue das, was mein Effendi tut“, antwortete der kleine Hadschi.

„Well, so fahren wir. Werde doch nicht unnötig bezahlt haben sollen!“

Da er mich bei diesen Worten fragend ansah, gab ich den Bescheid:

„Gut, gehen wir also per Dampfer nach Buschehr. Der Weg von dort nach Schiras ist ja auch ganz interessant. Wenn du mit dem Wirt sprechen willst, Halef, jetzt ist es Zeit.“

„Ja, ich gehe jetzt hin“, nickte er, „und werde mich so verhalten, daß ich deine Zufriedenheit erlange, Sihdi. Du weißt, eine Dummheit sage ich nicht!“

Ja, das wußte ich freilich.