Neigt eure Ohren zu mir. Das Versteck des Schatzes ist …‹

In diesem Augenblick ging eine schreckliche Veränderung in seinem Gesicht vor; seine Augen starrten wild, sein Kiefer sackte herab, und er schrie mit einer Stimme, die ich nie vergessen werde: ›Laßt ihn nicht rein! Um Gottes Willen, laßt ihn nicht rein!‹ Wir fuhren herum und schauten zu dem Fenster, auf dem sein starrer Blick lag. Ein Gesicht blickte aus der Dunkelheit zu uns herein. Wir sahen eine Nase, die sich weiß gegen das Glas preßte, Bart, Haare und wilde, grausame Augen, in denen der Ausdruck geballter Feindseligkeit lag. Mein Bruder und ich stürzten ans Fenster, aber der Mann war bereits verschwunden. Als wir zu meinem Vater zurückkehrten, war ihm der Kopf auf die Brust gesunken, und sein Herz hatte aufgehört zu schlagen.

Noch am selben Abend durchsuchten wir den Garten, fanden jedoch keine Spur von dem Eindringling außer einem Fußabdruck in einem Blumenbeet unter dem Fenster. Ohne diesen Anhaltspunkt hätten wir die wilde, grimmige Fratze wohl für eine Ausgeburt unserer Phantasie gehalten. Bald schon erhielten wir jedoch einen weiteren und handgreiflicheren Beweis dafür, daß um uns her dunkle Mächte am Werk waren. Am nächsten Morgen stand das Fenster zum Zimmer meines Vaters offen, all seine Schränke und Truhen waren durchwühlt, und auf seiner Brust war ein Fetzen Papier befestigt worden, auf den die Worte ›Das Zeichen der Vier‹ gekrakelt waren. Was diese Worte bedeuten und wer unser heimlicher Besucher gewesen sein mag, wissen wir bis heute nicht. Soweit wir feststellen konnten, war nichts, was meinem Vater gehörte, entwendet worden, obwohl das Unterste zuoberst gekehrt war. Natürlich brachten mein Bruder und ich diesen merkwürdigen Vorfall in Verbindung mit der Furcht, von der mein Vater zu seinen Lebzeiten besessen gewesen war; dennoch ist uns das Ganze zutiefst rätselhaft geblieben.«

Der kleine Mann unterbrach seine Geschichte, um die Huka wieder in Brand zu stecken, dann paffte er eine Zeitlang in Gedanken versunken vor sich hin. Wir alle hatten seiner außergewöhnlichen Erzählung gebannt gelauscht. Bei dem kurzen Bericht vom Tod ihres Vaters war Miss Morstan leichenblaß geworden, und ich hatte einen Moment lang gefürchtet, sie würde in Ohnmacht fallen. Sie hatte sich jedoch bald wieder gefangen, nachdem sie ein Glas Wasser getrunken hatte, das ich ihr stillschweigend aus einer venezianischen Karaffe auf dem Beistelltisch neben uns eingeschenkt hatte. Sherlock Holmes saß mit abwesendem Ausdruck in seinen Stuhl zurückgelehnt, seine Lider waren tief über die glitzernden Augen gesenkt. Als ich ihn so dasitzen sah, mußte ich unwillkürlich daran denken, wie bitterlich er sich erst heute noch über die Banalität des Lebens beklagt hatte. Hier jedenfalls fand sich ein Problem, das ihm ein Höchstmaß an Scharfsinn abverlangen würde. Mr. Thaddeus Sholto blickte uns der Reihe nach an, er war offensichtlich stolz auf den Eindruck, den seine Geschichte uns gemacht hatte, und fuhr dann zwischen Zügen aus seiner überdimensionierten Pfeife folgendermaßen fort:

»Wie Sie sich sicher vorstellen können, hatte der Schatz, von dem mein Vater gesprochen hatte, meinen Bruder und mich in große Aufregung versetzt. Während Wochen und Monaten gruben und buddelten wir an allen Ecken und Enden des Gartens danach, ohne ihn zu finden. Es war zum Verrücktwerden, daß mein Vater ausgerechnet in dem Augenblick gestorben war, als ihm der Ort des Versteckes auf der Zunge lag. An der Schönheit des Perlendiadems, das er herausgenommen hatte, konnten wir ermessen, was für Herrlichkeiten da entschwunden waren. Wegen eben dieses Diadems kam. es mehrmals zu kleineren Auseinandersetzungen zwischen meinem Bruder und mir. Die Perlen waren offensichtlich sehr wertvoll, und er war nicht gewillt, sich davon zu trennen, denn unter uns gesagt schlägt mein Bruder in dieser Beziehung meinem Vater nach. Er befürchtete auch, wenn wir das Diadem hergäben, würden wir ins Gerede und schließlich in Kalamitäten kommen. Ich brachte ihn aber wenigstens so weit, daß er mir erlaubte, nach Miss Morstans Adresse zu forschen und ihr in regelmäßigen Abständen eine einzelne Perle zu schicken, so daß sie zumindest nie Not leiden müßte.«

»Es war nett von Ihnen, daran zu denken«, sagte unsere Gefährtin ernst, »das war wirklich sehr gütig von Ihnen.«

Der kleine Mann machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Wir waren Ihre Treuhänder«, sagte er, »so jedenfalls habe ich die Sache gesehen, wenn auch Bruder Bartholomew darin nicht ganz mit mir übereinstimmte. Wir selber haben Geld in Hülle und Fülle. Was brauche ich mehr? Zudem würde es von äußerst schlechtem Geschmack zeugen, eine junge Dame so schäbig zu behandeln.