Solche Abdrücke sind der größte Schatz und ein Fundament, das der in seinen Mitteln beschränkte Liebhaber zu künftigem großen mannigfaltigen Vorteil bei sich niederlegen kann.
Die vier ersten Bände meiner Schriften bei Göschen waren angekommen und das Prachtexemplar sogleich in die Hände Angelikas gegeben, die daran ihre Muttersprache aufs neue zu beloben Ursach' zu finden glaubte.
Ich aber durfte den Betrachtungen nicht nachhängen, die sich mir bei dem Rückblick auf meine früheren Tätigkeiten lebhaft aufdrängen. Ich wußte nicht, wie weit der eingeschlagene Weg mich führen würde, ich konnte nicht einsehen, inwiefern jenes frühere Bestreben gelingen und wiefern der Erfolg dieses Sehnens und Wandelns die aufgewendete Mühe belohnen würde.
Aber es blieb mir auch weder Zeit noch Raum, rückwärts zu schauen und zu denken. Die über organische Natur, deren Bilden und Umbilden mir gleichsam eingeimpften Ideen erlaubten keinen Stillstand, und indem mir Nachdenkendem eine Folge nach der andern sich entwickelte, so bedurfte ich zu eigner Ausbildung täglich und stündlich irgendeiner Art von Mitteilung. Ich versuchte es mit Moritz und trug ihm, soviel ich vermochte, die Metamorphose der Pflanzen vor; und er, ein seltsames Gefäß, das, immer leer und inhaltsbedürftig, nach Gegenständen lechzte, die er sich aneignen könnte, griff redlich mit ein, dergestalt wenigstens, daß ich meine Vorträge fortzusetzen Mut behielt.
Hier aber kam uns ein merkwürdiges Buch, ich will nicht fragen, ob zustatten, aber doch zu bedeutender Anregung: Herders Werk, das, unter einem lakonischen Titel, über Gott und göttliche Dinge die verschiedenen Ansichten in Gesprächsform vorzutragen bemüht war. Mich versetzte diese Mitteilung in jene Zeiten, wo ich an der Seite des trefflichen Freundes über diese Angelegenheiten mich mündlich zu unterhalten oft veranlaßt war. Wundersam jedoch kontrastierte dieser in den höchsten frommen Betrachtungen versierende Band mit der Verehrung, zu der uns das Fest eines besondern Heiligen aufrief.
Am 21. September ward das Andenken des heiligen Franziskus gefeiert und sein Blut in langgedehnter Prozession von Mönchen und Gläubigen in der Stadt umhergetragen. Aufmerksam ward ich bei dem Vorbeiziehen so vieler Mönche, deren einfache Kleidung das Auge nur auf die Betrachtung des Kopfes hinzog. Es war mir auffallend, daß eigentlich Haar und Bart dazu gehören, um sich von dem männlichen Individuum einen Begriff zu machen. Erst mit Aufmerksamkeit, dann mit Erstaunen musterte ich die vor mir vorüberziehende Reihe und war wirklich entzückt, zu sehen, daß ein Gesicht, von Haar und Bart in einen Rahmen eingefaßt, sich ganz anders ausnahm, als das bartlose Volk umher. Und ich konnte nun wohl finden, daß dergleichen Gesichter, in Gemälden dargestellt, einen ganz unnennbaren Reiz auf den Beschauer ausüben mußten.
Hofrat Reiffenstein, welcher sein Amt, Fremde zu führen und zu unterhalten, gehörig ausstudiert hatte, konnte freilich im Laufe seines Geschäfts nur allzubald gewahr werden, daß Personen, welche wenig mehr nach Rom bringen als Lust zu sehen und sich zu zerstreuen, mitunter an der grimmigsten Langweile zu leiden haben, indem ihnen die gewohnte Ausfüllung müßiger Stunden in einem fremden Lande durchaus zu fehlen pflegt. Auch war dem praktischen Menschenkenner gar wohl bekannt, wie sehr ein bloßes Beschauen ermüde, und wie nötig es sei, seine Freunde durch irgendeine Selbsttätigkeit zu unterhalten und zu beruhigen. Zwei Gegenstände hatte er sich deshalb ausersehn, worauf er ihre Geschäftigkeit zu richten pflegte: die Wachsmalerei und die Pastenfabrikation. Jene Kunst, eine Wachsseife zum Bindemittel der Farben anzuwenden, war erst vor kurzem wieder in den Gang gekommen, und da es in der Kunstwelt hauptsächlich darum zu tun ist, die Künstler auf irgendeine Weise zu beschäftigen, so gibt eine neue Art, das Gewohnte zu tun, immer wieder frische Aufmerksamkeit und lebhaften Anlaß, etwas, was man auf die alte Weise zu unternehmen nicht Lust hätte, in einer neuen zu versuchen.
Das kühne Unternehmen, für die Kaiserin Katharine die Raffaelschen Logen in einer Kopie zu verwirklichen und die Wiederholung sämtlicher Architektur mit der Fülle ihrer Zieraten in Petersburg möglich zu machen, ward durch diese neue Technik begünstigt, ja, wäre vielleicht ohne dieselbe nicht auszuführen gewesen. Man ließ dieselben Felder, Wandteile, Sockel, Pilaster, Kapitäler, Gesimse aus den stärksten Bohlen und Klötzen eines dauerhaften Kastanienholzes verfertigen, überzog sie mit Leinwand, welche grundiert sodann der Enkaustik zur sichern Unterlage diente. Dieses Werk, womit sich besonders Unterberger nach Anleitung Reiffensteins mehrere Jahre beschäftigt hatte, mit großer Gewissenhaftigkeit ausgeführt, war schon abgegangen, als ich ankam, und es konnte mir nur, was von jenem großen Unternehmen übrigblieb, bekannt und anschaulich werden.
Nun aber war durch eine solche Ausführung die Enkaustik zu hohen Ehren gelangt; Fremde von einigem Talent sollten praktisch damit bekannt werden; zugerichtete Farbengarnituren waren um leichten Preis zu haben; man kochte die Seife selbst, genug, man hatte immer etwas zu tun und zu kramen, wo sich nur ein müßiger loser Augenblick zeigte. Auch mittlere Künstler wurden als Lehrende und Nachhelfende beschäftigt, und ich habe wohl einigemal Fremde gesehen, welche ihre römischen enkaustischen Arbeiten höchst behaglich als selbstverfertigt einpackten und mit zurück ins Vaterland nahmen.
Die andere Beschäftigung, Pasten zu fabrizieren, war mehr für Männer geeignet. Ein großes altes Küchengewölbe im Reiffensteinischen Quartier gab dazu die beste Gelegenheit. Hier hatte man mehr als nötigen Raum zu einem solchen Geschäft. Die refraktäre, in Feuer unschmelzbare Masse wurde aufs zarteste pulverisiert und durchgesiebt, der daraus geknetete Teig in Pasten eingedruckt, sorgfältig getrocknet und sodann, mit einem eisernen Ring umgeben, in die Glut gebracht, ferner die geschmolzene Glasmasse darauf gedruckt, wodurch doch immer ein kleines Kunstwerk zum Vorschein kam, das einen jeden freuen mußte, der es seinen eignen Fingern zu verdanken hatte.
Hofrat Reiffenstein, welcher mich zwar willig und geschäftig in diese Tätigkeiten eingeführt hatte, merkte gar bald, daß mir eine fortgesetzte Beschäftigung der Art nicht zusagte, daß mein eigentlicher Trieb war, durch Nachbildung von Natur—und Kunstgegenständen Hand und Augen möglichst zu steigern. Auch war die große Hitze kaum vorübergegangen, als er mich schon in Gesellschaft von einigen Künstlern nach Frascati führte, wo man in einem wohleingerichteten Privathause Unterkommen und das nächste Bedürfnis fand und nun, den ganzen Tag im Freien, sich abends gern um einen großen Ahorntisch versammelte. Georg Schütz, ein Frankfurter, geschickt, ohne eminentes Talent, eher einem gewissen anständigen Behagen als anhaltender künstlerischer Tätigkeit ergeben, weswegen ihn die Römer auch il Barone nannten, begleitete mich auf meinen Wanderungen und ward mir vielfach nützlich. Wenn man bedenkt, daß Jahrhunderte hier im höchsten Sinne architektonisch gewartet, daß auf übriggebliebenen mächtigen Substruktionen die künstlerischen Gedanken vorzüglicher Geister sich hervorgehoben und den Augen dargestellt, so wird man begreifen, wie sich Geist und Aug' entzücken müssen, wenn man unter jeder Beleuchtung diese vielfachen horizontalen und tausend vertikalen Linien unterbrochen und geschmückt wie eine stumme Musik mit den Augen auffaßt, und wie alles, was klein und beschränkt in uns ist, nicht ohne Schmerz erregt und ausgetrieben wird. Besonders ist die Fülle der Mondscheinbilder über alle Begriffe, wo das einzeln Unterhaltende, vielleicht störend zu Nennende durchaus zurücktritt und nur die großen Massen von Licht und Schatten ungeheuer anmutige, symmetrisch harmonische Riesenkörper dem Auge entgegentragen. Dagegen fehlte es denn auch abends nicht an unterrichtender, oft aber auch neckischer Unterhaltung.
So darf man nicht verschweigen, daß junge Künstler, die Eigenheiten des wackern Reiffensteins, die man Schwachheiten zu nennen pflegt, kennend und bemerkend, darüber sich oft im stillen scherzhaft und spottend unterhielten. Nun war eines Abends der Apoll von Belvedere als eine unversiegbare Quelle künstlerischer Unterhaltung wieder zum Gespräch gelangt, und bei der Bemerkung, daß die Ohren an diesem trefflichen Kopfe doch nicht sonderlich gearbeitet seien, kam die Rede ganz natürlich auf die Würde und Schönheit dieses Organs, die Schwierigkeit, ein schönes in der Natur zu finden und es künstlerisch ebenmäßig nachzubilden. Da nun Schütz wegen seiner hübschen Ohren bekannt war, ersuchte ich ihn, mir bei der Lampe zu sitzen, bis ich das vorzüglich gut gebildete, es war ohne Frage das rechte, sorgfältig abgezeichnet hätte. Nun kam er mit seiner starren Modellstellung gerade dem Rat Reiffenstein gegenüber zu sitzen, von welchem er die Augen nicht abwenden konnte noch durfte. Jener fing nun an, seine wiederholt angepriesenen Lehren vorzutragen: man müßte sich nämlich nicht gleich unmittelbar an das Beste wenden, sondern erst bei den Carraccis anfangen, und zwar in der Farnesischen Galerie, dann zum Raffael übergehen und zuletzt den Apoll von Belvedere so oft zeichnen, bis man ihn auswendig kenne, da denn nicht viel Weiteres zu wünschen und zu hoffen sein würde.
Der gute Schütz ward von einem solchen innerlichen Anfall von Lachen ergriffen, den er äußerlich kaum zu bergen wußte, welche Pein sich immer vermehrte, je länger ich ihn in ruhiger Stellung zu halten trachtete. So kann sich der Lehrer, der Wohltäter immer wegen seines individuellen, unbillig aufgenommenen Zustandes einer spöttischen Undankbarkeit erwarten.
Eine herrliche, obgleich nicht unerwartete Aussicht ward uns aus den Fenstern der Villa des Fürsten Aldobrandini, der, gerade auf dem Lande gegenwärtig, uns freundlich einlud und uns in Gesellschaft seiner geistlichen und weltlichen Hausgenossen an einer gut besetzten Tafel festlich bewirtete.
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