Warten Sie einige Minuten!“

„Gut! Aber denken Sie, daß ich wie ein Schulbube hier an der Tür stehen bleiben soll, bis Sie fertig sind?“

„Dort steht ein Stuhl. Bitte, setzen Sie sich!“

„Der Stuhl ist nicht leer.“

„Legen Sie das, was Ihnen im Weg ist, herab auf den Fußboden. Ich kann Sie augenblicklich nicht bedienen.“

Innerlich knirschend nahm der Leutnant das alte Gerümpel, welches auf dem Stuhl lag, weg und setzte sich.

Der Jude ließ ihn sehr lange warten. Endlich legte er die Feder weg und sagte, wie von einer großen Anstrengung aufatmend:

„So, nun bin ich bereit. Ah, warten Sie!“

Er öffnete ein Pult, kramte in den darin befindlichen Schreibereien und brachte dann ein Papier zum Vorschein.

„Ich weiß, weshalb Sie gekommen sind. Hier ist Ihr Ehrenschein, den Sie einlösen wollen.“

Der Leutnant stand vom Stuhl auf, drehte, einigermaßen verlegen, den Schnurrbart und sagte:

„Das ist allerdings der Zweck meines Besuches; doch muß ich Sie fragen, ob die Zahlung in barem Geld geschehen muß?“

„Natürlich! Sie haben die Summe bar empfangen.“

„Aber nicht von Ihnen.“

„Aber ich habe den Schein ebenso bar bezahlen müssen.“

„Ich kann Ihnen nur Papiere geben.“

„Hm! Sind sie gut?“

„Ich hoffe es. Wenigstens habe ich sie als gute empfangen.“

„Zeigen Sie!“

Der Offizier zögerte noch, die Wertobjekte vorzulegen. Er sagte:

„Es sind Chilenen.“

„Chilenen? O weh! Ich spekuliere nicht an der Börse.“

„Ist auch nicht notwendig.“

„Oh, solche Papiere nimmt nur ein Spekulant.“

„Sie können sie ja sofort verwerten!“

„Tun Sie das doch, und bringen Sie mir das Bargeld, welches Sie dafür erhalten. Sie sind der Besitzer der Papiere. Warum soll denn grad ich sie für Sie verwerten?“

„Ich denke, es ist gleich, wer sie verkauft, Sie oder ich.“

„So! Ich werde einmal nach dem Kurs sehen.“

Er nahm die Börsenzeitung des heutigen Tages her, schlug die betreffende Seite auf, sah nach und meinte dann:

„Nicht übel. Wie wollen Sie die Papiere verkaufen?“

„Pari.“

„Sie stehen hundertzwölf. Sie büßen dabei ein.“

„Sie sehen also, daß ich Ihnen einen Verdienst gönne.“

„Ja, das können Sie auch. Sie sind reich. Unsereiner aber hat sich anzustrengen, wenn man ehrlich durchkommen will. Also gut, ich nehme die Papiere zu Hundert.“

Dem Leutnant wurde das Herz leicht; er trat an den Tisch heran, zog seine Chilenen hervor und begann aufzuzählen. Der Jude folgte seinen Bewegungen mit dem Blick einer Katze, welche mit der Maus ihr grausames Spiel treibt!

„So“, sagte Scharfenberg. „Bitte, zählen Sie nach!“

Salomon Levi zählte die Scheine, nickte befriedigt und sagte:

„Es stimmt. Wenn der Herr Leutnant vielleicht einmal einen Vorschuß brauchen, so bin ich gern bereit, ihn zu geben.“

„Wirklich?“

„Ja.“

„Wenn ich Sie nun beim Wort halte.“

„Ich breche mein Wort nie.“

„Wie nun, wenn ich gleich jetzt einer Summe bedürfte?“

„Ganz gern! Wieviel wollen Sie haben?“

„Einige tausend Gulden.“

„Ich gebe sie Ihnen. Das Geld liegt ja da.“

„O bitte! Ich möchte nicht dieselben Scheine haben, die ich Ihnen jetzt gegeben habe.“

„Warum nicht?“

„Ich antworte Ihnen das, was Sie selbst sagten: Ich spiele nicht an der Börse; ich spekuliere nicht!“

„Aber in diesem Fall wäre ich ja weiter nichts als Ihr Geldwechsler. Sie bezahlen mich mit Obligationen, und ich borge Ihnen mein bares Geld!“

„Wenn Sie es so nehmen, so kann ich nichts dagegen sagen.“

„Aber Sie wissen jedenfalls, daß ein Wechsler nicht umsonst arbeitet, Herr von Scharfenberg.“

„Ich bin bereit, Ihnen zu prozentieren.“

„Wollen sehen!“

Er nahm die Obligationen zusammen, ließ, wie zufällig, den Blick darauf fallen, machte eine Bewegung des Schrecks und rief, indem er die Papiere schnell wieder hinlegte:

„Gott meiner Väter, was sehe ich!“

Der Leutnant wurde unruhig.

„Nun, worüber erschrecken Sie denn?“ fragte er.

„Die Chilenen stehen freilich auf hundertzwölf, aber die von der letzten Emission. Sehen Sie, die Ihrigen sind heute auf fünfzehn gefallen. Morgen werden sie gar nichts mehr wert sein. Ich kann sie nicht als Zahlung nehmen.“

„Donnerwetter!“ entfuhr es dem Leutnant. „Ich habe sie für Hundert und auch noch mehr nehmen müssen!“

„Tragen Sie sie gleich wieder hin!“

„Das wollte ich; aber ich kann sie nicht loswerden.“

„Warum nicht?“

„Die Herren, von denen ich sie habe, sind verreist.“

„Wer sind die Leute?“

„Ein Rentier Schönlein –“

„Schönlein?“ fiel der Jude ein. „Den kenne ich; der ist gut, sehr gut. Er besitzt ein großes Vermögen.“

„Aber er ist auf einige Monate verreist. Und einen zweiten Teil der Obligationen habe ich von Freimann und Compagnie.“

„Auch gut, außerordentlich gut sogar.“

„Herr Freimann ist auch verreist. Ich traf seinen Buchhalter, welcher nicht zu disponieren vermochte.“

„So warten Sie, bis die Herren zurückgekehrt sind.“

„Kann ich denn?“

„Warum nicht?“

„Ich brauche ja Geld!“

„Sie scherzen. Die Scharfenbergs sind reiche Leute.“

„Gewiß. Aber Sie wissen bereits, daß ich jetzt kein Kapital zur Verfügung habe.