Und wie steht es denn mit meinem Ehrenschein?“
„Er ist zu Ihrer Verfügung. Sie sind ja gekommen, ihn einzulösen.“
„Sie nehmen aber die Obligationen nicht an!“
„Sie sind wertlos.“
„Aber anderes Geld habe ich nicht!“
Da blickte der Jude mit dem Ausdruck des Unglaubens zu ihm hinüber und sagte:
„Der Herr Leutnant ist ein spaßhafter Kavalier. Die Frist ist abgelaufen. Die Schuld muß bezahlt werden.“
„Ich habe nur diese Papiere.“
„Kein Geld?“
„Nein.“
Er hätte nicht einmal diese Papiere gehabt. Er hatte ja gestern Abend gegen sie und seinen Barverlust sein Leben eingesetzt und diesen Einsatz verloren. Heute nun waren ihm die Chilenen zugestellt worden, und zwar mit folgenden Zeilen:
„Herr Leutnant.
Sie haben den beifolgenden Obligationen gestern einen Wert angedichtet, den sie keineswegs haben. Obgleich nun nach dem offiziellen Paragraphen des Gesetzbuches Spielschulden nicht einklagbar sind, gebietet doch das Gesetz der Ehre, sie zu bezahlen. Sie setzten die Scheine je zehn Stück zu angeblich tausend Gulden. Ich habe sie von den anderen Gewinnern dafür erstanden und sende sie Ihnen in der Überzeugung zurück, daß Sie mir binnen vierundzwanzig Stunden den vollen Betrag bar zugehen lassen.
Oberleutnant von Hagenau.“
Infolge dieses Briefes war ihm himmelangst geworden. Er kannte Hagenau. Er wußte, wie streng dieser auf Ehre hielt. Er war überzeugt, bei ihm kein Erbarmen zu finden, wenn es ihm nicht möglich sei, das Geld binnen der angegebenen Frist zu beschaffen. Das anfängliche Verhalten des Juden hatte ihn mit Hoffnung erfüllt! Desto bitterer und größer war nun die darauffolgende Enttäuschung. Er fühlte eine förmliche Angst vor dem, was nun kommen werde.
„Also nicht?“ fragte Salomon Levi.
„Nein.“
„Nun, da werde ich dafür sorgen, daß ich bezahlt werde!“
„Darf ich fragen, was Sie tun werden?“
„Ich werde diesen Ehrenschein Ihrem Oberst präsentieren!“
„Beim Teufel! Das werden Sie unterlassen!“
„Beim Teufel! Das werde ich tun!“
„Sie ruinieren mich!“
„Und Sie mich, wenn ich es unterlasse. Jeder aber ist sich selbst der Nächste.“
„Ich hoffe, daß Sie Verstand annehmen!“
„Oh, ich bin sehr bei Verstand! Ich weiß aber nicht, ob es sehr verständig ist, so wie Sie zu handeln!“
„Donnerwetter!“
„Fluchen Sie nicht, Herr Leutnant! Es hilft Ihnen zu nichts. Ich habe Ihnen bereits wiederholt Frist gegeben; nun aber brauche ich mein Geld; ich muß es haben!“
„Sie brauchen es nicht!“
„Meinen Sie! Können Sie in meine Bücher sehen? Ich werde gedrängt; ich muß zahlen. Die Frist, welche ich Ihnen in Rollenburg gab, ist abgelaufen. Wenn Sie nicht zahlen können, gehe ich zum Oberst.“
Der Jude sprach in einem so entschiedenen Ton, daß Scharfenberg erkannte, daß es sein Ernst sei. Er fragte kleinlaut:
„Wollen Sie nicht wenigstens bis morgen warten?“
„Nein.“
„Wenn ich nun Ihnen eine Abschlagszahlung leiste?“
„Womit wollen Sie zahlen?“
„Ich werde diese Obligationen verkaufen. Ich nehme dafür, was man mir bietet.“
„Das ist zuwenig!“
„Aber doch etwas!“
„Wer soll Sie Ihnen abkaufen!“
„Vielleicht Sie!“
„Ich? Wie kommen Sie mir vor! Das fällt mir gar nicht ein!“
„Aber bedenken Sie, daß es mir vielleicht gelingen wird, dann das Fehlende aufzutreiben!“
„Vielleicht! Ich brauche mein Geld!“
„Ich will Ihnen ja alle Vorteile bieten. Sagten Sie nicht, daß diese Papiere auf fünfzehn gefallen seien?“
„Ja.“
„Nun, wenn Sie mir noch einen Tag Frist geben, lasse ich sie Ihnen für zehn Gulden das Stück.“
„Was kann mir dies nützen! Morgen gelten sie vielleicht gar nichts mehr.“
„So ist immer die Möglichkeit vorhanden, daß sie steigen! Es liegt doch keineswegs in Ihrem Vorteil, einen Schuldner, dem später große Kapitalien zur Verfügung stehen werden, zu verderben. Überlegen Sie sich das!“
Salomon Levi wußte recht wohl, was er wollte. Er gab sich den Anschein, als ob die letzten Worte des Offiziers Eindruck auf ihn gemacht hätten. Er ging überlegend einige Male in der Stube auf und ab; dann blieb er vor Scharfenberg stehen, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte:
„Sie mögen da nicht ganz unrecht haben. Ich will also auf Ihren Vorschlag so weit eingehen, wie ich kann. Also hören Sie: Ich gebe Ihnen noch einen Tag Zeit, wenn Sie mir diese Obligationen für rund fünfhundert Gulden lassen!“
„Das ist wenig, sehr wenig!“
„Und doch zu viel, denn sie haben keinen Wert.“
„Geben Sie wenigstens sechshundert!“
„Nein. Aber etwas anderes will ich Ihnen geben.“
„Was?“
„Einen guten Rat.“
„Nun, wenn er wirklich gut ist, so wird er dankend angenommen.“
„Er ist gut, sehr gut. Sie brauchen Geld. Ich kann es Ihnen nicht schaffen, und ich kann Ihnen auch nicht länger stunden, weil ich selbst es auch brauche. Aber ich will Ihnen einen Mann nennen, von dem Sie bekommen werden, was Sie brauchen.“
„Wer ist dieser Mann?“
„Er ist auch Rentier wie Herr Schönlein.
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