Er heißt Wunderlich und wohnt Neumarkt Nummer zwölf in der ersten Etage.“

„Aber er kennt mich doch nicht.“

„Ich gebe Ihnen einige Zeilen mit.“

„Und Sie glauben wirklich, daß er mir dienen wird?“

„Ja.“

„Gut! Sie sollen diese Papiere für fünfhundert Gulden haben.“

„Schön. Das andere, den Rest bringen Sie mir also morgen um diese Zeit.“

„Schon heute, wenn ich Geld erhalte.“

„Desto besser! Aber bedenken Sie, daß ich nicht einen einzigen Augenblick länger warten werde! Ich will Ihnen jetzt den Brief an Wunderlich schreiben.“

„Sind Sie so bekannt mit ihm, daß er Ihre Empfehlung berücksichtigen wird?“

„Ja. Sie werden sich freilich zu einigen Opfern verstehen müssen. Aber bedenken Sie, daß er der letzte und einzige ist, an den Sie sich wenden können!“

Salomon Levi schrieb einige Zeilen, ließ sie den Leutnant lesen und verschloß sie dann in ein Kuvert, das er adressierte und ihm gab. Als Scharfenberg nun ging, wußte er nicht, sollte er sich erleichtert fühlen oder nicht.

Er begab sich direkt nach der angegebenen Wohnung des Rentiers, bei dem er sogleich vorgelassen wurde.

Wunderlich war – ganz derselbe Mann, welcher vorher wegen der von dem Graveur Herold zu fertigenden Platte bei dem Juden gewesen war. Er empfing den Leutnant mit einem unterdrückten Erstaunen. Er konnte sich nicht denken, was ein Offizier bei ihm wolle. Aber als er die Zeilen des Juden, welche für ihn eine ganz eigene Bedeutung hatten, gelesen, war er sich über die eigentliche Absicht Salomon Levis vollständig im klaren.

„Nehmen Sie Platz, Herr Leutnant“, sagte er. „Herr Levi schreibt mir da, daß Sie in einer Angelegenheit kommen, welche er mir dringend an das Herz lege. Das ist sehr allgemein gehalten. Darf ich Sie bitten, mir diese Angelegenheit näher zu bezeichnen?“

„Es ist eine pekuniäre.“

„Auch das ist noch zu allgemein.“

Scharfenberg nahm seinen ganzen Mut zusammen und sagte:

„Es handelt sich um einen Vorschuß.“

„So! Das ist deutlich. Nun wissen wir, woran wir sind. Wie hoch soll der Vorschuß sein?“

„Möglichst hoch.“

„Das ist wieder so unbestimmt, und Sie werden bemerkt haben, daß ich die möglichste Deutlichkeit liebe. Ich ersuche Sie also, mir eine feste Summe zu nennen.“

„Zehn- bis zwölftausend Gulden.“

„Sapperment! Das ist viel!“

„Ich schmeichle mir, daß Sie im Besitz dieser Summe sind.“

„Hm! Wann brauchen Sie das Geld?“

„Sofort.“

„Und auf wie lange Zeit?“

„Für ein Jahr oder auch noch länger.“

„Welche Zinsen geben Sie?“

„Nach Übereinkommen. Doch bemerke ich, daß ich als Kavalier bezahle.“

Wunderlich fixierte ihn mit einem langen, scharfen Blicke. Er nickte vor sich hin und sagte dann:

„Ich ersuche Sie, aufrichtig mit mir zu sein, Herr Leutnant. Sie haben reiche Verwandte?“

„Ja. Ich bin der einzige Erbe meines Vaters.“

„Er rückt aber jetzt nichts heraus?“

„Leider nein.“

„Und Sie brauchen es doch so nötig?“

„Allerdings, sehr nötig.“

„Sie befinden sich also in Not?“

„Ich gestehe es.“

„Haben vielleicht Schulden auf Ehrenwort?“

„So ist es. Ich darf mich reich nennen, besitze aber jetzt nicht einen Gulden. Wenn Sie mir nicht helfen, muß ich vielleicht zur Pistole greifen. So, das ist doch aufrichtig?“

„Ja, ich danke. Ich kann Ihnen helfen, aber doch nur in anderer Weise als Sie denken.“

„In welcher?“

„Hm! Das ist eine Sache, welche die größte Vorsicht erfordert. Wollen Sie mir Ihr Ehrenwort geben, daß kein einziger Mensch ein Wort von unserem gegenwärtigen Gespräch erfahren soll?“

„Ich gebe es.“

„Schlagen Sie ein!“

„Hier!“

Sie reichten sich die Hände. Dann sagte Wunderlich:

„Ich kann Ihnen diese Summe nicht borgen.“

„Donnerwetter!“

„Bitte nicht verzagen! Borgen kann ich sie Ihnen nicht. Aber ich kann Ihnen Gelegenheit geben, sich so viel und noch weit, weit mehr zu verdienen.“

„Nützt mir nichts!“

„Bitte, abwarten!“

„So viel Geld zu verdienen, dazu gehört Zeit, und ich brauche das Geld noch heute.“

„Gut, so verdienen Sie sich heute zwölftausend Gulden!“

Scharfenberg fuhr von seinem Sitz empor.

„Heute, heute?“ fragte er erstaunt.

„Ja.“

„Ist das möglich?“

„Sehr leicht sogar.“

„Auf welche Weise?“

„Oh, Sie brauchen nur das Geld, welches Sie von mir erhalten, auszugeben.“

„Ich verstehe Sie nicht.“

„Ich werde mich Ihnen erklären. Entschuldigen Sie mich für einige Augenblicke!“

Er verließ das Zimmer, kehrte aber bald zurück und setzte sich zu dem Leutnant.

„Erlauben Sie mir, Ihnen hier diese beiden Fünfzigguldenscheine vorzulegen. Bitte, betrachten Sie sich dieselben!“

„Ja. Zu welchem Zweck?“

„Finden Sie nichts Auffälliges an ihnen?“

„Nein“, antwortete der Leutnant, nachdem er die Banknoten möglichst genau betrachtet hatte.

„Wirklich nicht?“

„Nein.“

„Vergleichen Sie die Nummern!“

„Ah! Beide tragen dieselbe Nummer!“

„Nun, was hat das zu bedeuten?“

„Sie sind auch von derselben Ausgabe. Donnerwetter! Die eine von ihnen ist folglich gefälscht.“

„Das erschreckt Sie?“ lächelte Wunderlich.

„Na, ich denke, daß man mit solchen Dingen nicht spielen soll!“

„Spielen nicht, nein, sondern man muß ernst machen.“

„Ernst? Alle Teufel, Herr Wunderlich, soll ich etwa annehmen, daß Sie – Sie –“

„Bitte, fahren Sie getrost weiter fort!“

„Daß Sie ein Falschmünzer sind?“

„Puh, welch unangenehmes Wort! Falschmünzer! Es ist ja hier von einer Münze keine Rede.“

„Münze oder Banknote, das ist gleich!“

„Wohl nicht. Aber selbst wenn Ihre Ansicht die richtige ist, so ist die Sache doch nicht so schlimm, wie sie Ihnen erscheinen mag.