Jahrhunderts verdankte, den Brüdern Péreire, war gleichfalls Eigentümerin der wichtigsten Städte Frankreichs, nämlich von Lyon, Marseille, Bordeaux, Nantes, Strasbourg, Lille, nachdem sie diese Schritt für Schritt neu erbaut hatte. Ihre Aktien, deren Wert sich fünfmal verdoppelt hatte, erzielten immer noch einen Kurs von 4450,– Franc auf dem freien Börsenmarkt.

Die weniger begüterten Leute, die nicht allzu weit vom Geschäftszentrum entfernt leben wollten, mußten demnach hoch oben wohnen; was sie an Nähe gewannen, verloren sie durch die

Höhe, folglich war alles eine Frage der Anstrengung, nicht der Zeit.

Quinsonnas wohnte im zwölften Stock eines alten Gebäudes mit Treppe, die eine Fahrkabine aufs vorteilhafteste ersetzt hätte. Aber der Musiker fühlte sich deshalb um nichts weniger wohl, sobald er zu Hause war.

Kaum waren sie in der Rue Grange-aux-Belles angekommen, stürmte er die Wendeltreppe hoch.

»Keine Angst, steig nur immer höher hinauf!« sagte er zu Michel, der ihm in seinem Höhenflug folgte. »Irgendwann kommen wir an! Nichts ist ewig auf dieser Welt, nicht einmal Treppen. Da sind wir«, sagte er und öffnete nach diesem atemberaubenden Aufstieg eigenhändig die Tür.

Er schob den jungen Mann in »seine Gemächer«, ein Zimmer von sechzehn Quadratmetern.

»Kein Vorraum«, sagte er zu ihm, »so etwas brauchen nur Leute, die andere warten lassen, und da sich die Meute der Bittsteller niemals in meinen zwölften Stock stürzen wird, aus dem rein physikalischen Grund, daß man sich nicht von unten nach oben stürzt, verzichte ich auf diesen Überfluß; auch den Salon habe ich abgeschafft, denn er hätte das Fehlen eines Speisezimmers allzu sehr betont.«

»Aber du scheinst mir hier bestens untergebracht zu sein«, sagte Michel.

»Zumindest in so guter Luft, wie es das Ammoniak des Pariser Drecks erlaubt.«

»Auf den ersten Blick wirkt es klein«, sagte Michel.

»Auch auf den zweiten, aber es genügt.«

»Außerdem ist es geschickt aufgeteilt«, antwortete Michel lachend.

»Nun, Mütterchen«, sagte Quinsonnas zu einer alten Frau, die soeben hereinkam, »ist das Abendessen in Vorbereitung? Wir sind heute drei ausgehungerte Tischgenossen.«

»Ist alles auf dem besten Weg, Monsieur Quinsonnas«, erwiderte die Aufwartefrau; »aber ich konnte den Tisch nicht decken, denn es ist ja keiner da.«

»Wir können ihn entbehren!« rief Michel, der die Vorstellung, auf den Knien zu speisen, bezaubernd fand.

»Was! Wir können ihn entbehren!« entgegnete Quinsonnas.

»Glaubst du, ich lade Freunde zum Essen ein, ohne ihnen einen Tisch anbieten zu können?«

»Ich verstehe nicht«, antwortete Michel und warf einen vergeblichen Blick um sich ...

Das Zimmer enthielt in der Tat weder Tisch noch Bett, weder Schrank noch Kommode, noch Stuhl; kein einziges Möbelstück, dafür aber ein ansehnliches Klavier.

»Du verstehst nicht«, antwortete Quinsonnas. »Na schön! Und die Industrie, diese herzensgute Mutter, und die Mechanik, diese mildtätige Tochter, die vergißt du so einfach? Hier ist der verlangte Tisch.«

Sprach's und trat zum Klavier, drückte auf einen Knopf und ließ einen Tisch mit Bänken, an dem drei Tischgesellen bequem Platz finden konnten, im wahrsten Sinn des Wortes hervorspringen.

»Das ist genial«, meinte Michel.

»Soweit mußte es ja kommen«, antwortete der Pianist, »denn die beengten Wohnverhältnisse erlaubten es nicht mehr, für alles spezielle Möbel zu besitzen! Schau dir dieses komplexe Instrument an, ein Erzeugnis der Vereinigten Häuser Érard und Jeanselme! Es ist für alles mögliche zu gebrauchen und beansprucht wenig Platz, und du kannst mir glauben, deswegen ist das Klavier auch nicht schlechter.«

In diesem Moment klingelte es an der Tür. Quinsonnas öffnete und kündigte seinen Freund Jacques Aubanet an, Angestellter der Allgemeinen Unterseeminenkompanie. Michel und Jacques wurden einander ohne jede Förmlichkeiten vorgestellt.

Jacques Aubanet, ein gutaussehender Bursche von fünfundzwanzig Jahren, war mit Quinsonnas eng befreundet und stand wie dieser am Rande der Gesellschaft. Michel wußte nicht, mit welcher Art von Tätigkeit die Unterseeminenkompanie ihre Angestellten beschäftigte; aber jedenfalls brachte Jacques einen gehörigen Appetit von dort mit.

Das Essen war zum Glück fertig; die drei jungen Männer machten sich heißhungrig darüber her; nach einem kurzen Augenblick des Kampfes mit den Speisen bahnten sich endlich ein paar Worte zwischen weniger hastig hinuntergeschlungenen Stücken den Weg.

»Mein lieber Jacques«, sagte Quinsonnas, »ich habe dir Michel Dufrénoy vorgestellt, um dich mit einem jungen Freund bekannt zu machen, der zu uns gehört, er ist einer dieser armen Teufel, denen die Gesellschaft die Ausübung ihrer Fähigkeiten verweigert, eines dieser nutzlosen Mäuler, die man stopft, um sie nicht ernähren zu müssen.«

»Aha! Monsieur Dufrénoy ist ein Träumer«, antwortete Jacques.

»Ein Poet, mein Freund! Und ich frage dich, was er auf dieser Welt zu suchen hat, auf der die höchste Pflicht des Menschen darin besteht, Geld zu verdienen!«

»Ganz offensichtlich«, fuhr Jacques fort, »hat er sich im Planeten geirrt.«

»Meine Freunde«, sagte Michel, »was ihr da sagt, ist nicht gerade ermutigend; aber ich weiß mit euren Übertreibungen umzugehen.«

»Dieser teure Junge«, entgegnete Quinsonnas, »er hofft, arbeitet, begeistert sich für gute Bücher, und auch wenn keiner mehr Hugo, Lamartine und Musset liest, so hat er doch die Hoffnung, selbst gelesen zu werden! Aber, du Unglückseliger!

Hast du denn eine nützliche Dichtung erfunden, eine Literatur, die den Wasserdampf oder die Sofortbremse ersetzt? Nein? Nun denn! Bremse lieber deinen Ärger, mein Sohn! Wenn du nicht irgendetwas Erstaunliches erzählst, wer wird dir schon zuhören?

Die Kunst ist nur mehr möglich, wenn sie mit einem Hochseilakt daherkommt! In unserer heutigen Zeit würde Hugo seine Orientalia vortragen, während er auf Zirkuspferden Luftsprünge vollführt, und Lamartine seine Harmonien von den Höhen eines Trapezes herab in Umlauf bringen, mit dem Kopf nach unten!«

»Unmöglich«, rief Michel und sprang auf.

»Nur ruhig, Junge«, antwortete der Pianist, »und frage Jacques, ob ich recht habe!«

»Hundertmal«, sagte Jacques; »diese Welt ist nur mehr ein Markt, ein riesiger Jahrmarkt, und man muß die Leute mit Gaukelspielen unterhalten.«

»Armer Michel«, meinte Quinsonnas und seufzte, »sein Preis für lateinische Verse wird ihm den Kopf verdrehen!«

»Was willst du damit sagen?« fragte der junge Mann.

»Nichts, mein Sohn! Im Grunde genommen kennst du dein Schicksal! Du bist ein großer Dichter! Ich habe einen Teil deiner Werke gesehen; du wirst mir die Feststellung erlauben, daß sie nicht dem Geschmack des Jahrhunderts entsprechen.«

»Wie das?«

»Es steht außer Zweifel! Du behandelst poetische Themen, und heutzutage gilt das als Fehler in der Dichtkunst! Du besingst Wiesen, Täler, Wolken, Sterne und die Liebe, lauter abgenützte Dinge, die niemand mehr haben will!«

»Aber wovon soll ich denn sonst sprechen?« meinte Michel.