Keiner schien gefährlich zu sein. Wenn sie sprachen, unterhielten sie sich leise, und es schien, als dächten sie an nichts anderes. Sonst finde ich es immer besser, laut zu sprechen, denn dann fesselt man die Aufmerksamkeit der andern. Man spricht laut, hat aber seine Gedanken anderswo. Aber dort waren die Leute so komisch. Zum Schluß fand ich es dort sehr schön, und es begann mir zu gefallen. Irgendwie war es so beruhigend.«

Seine Ausführungen waren ja nicht sehr aufschlußreich. Der Jüngling war wohl ein Neuling der Bewegung und in deren Geheimnisse noch nicht eingeweiht. Zur Sicherheit fragte ich ihn aber trotzdem:

»Haben Sie einen Gruppenchef gesehen? Oder irgendwelche Gradbezeichnungen?«

»Nein – nicht daß mir etwas aufgefallen wäre. Auch nicht, daß jemand etwas davon gesagt hätte.«

»Und was taten sie sonst noch? Sprachen sie von Dingen, die sie getan hatten oder noch tun würden?«

»Nicht daß ich wüßte. Aber ich bin etwas früher fortgegangen mit einigen anderen, die auch zum erstenmal dort waren, glaube ich. Was sie nachher gemacht haben, weiß ich nicht. Aber als wir gingen, sagte jemand: Wenn wir uns draußen in der Welt wieder treffen, werden wir uns wiedererkennen. Ich kann es nicht erklären, aber es war richtig feierlich, und ich glaubte wirklich, ich würde sie wiedererkennen – nicht gerade diejenigen, welche ich dort gesehen hatte, sondern irgend jemanden, der zu ihnen gehörte. Sie hatten irgend etwas Besonderes, aber ich kann es nicht beschreiben. Als ich in diesen Raum trat, wußte ich ganz bestimmt, daß Sie nicht dorthin gehören (er nickte mir zu), aber bei Ihnen (er warf Rissen einen abwägenden Blick zu) bin ich nicht so sicher. Vielleicht gehören Sie zu ihnen, vielleicht auch nicht. Ich weiß nur, daß ich mich bei Ihnen ruhiger als bei den andern fühlte. Ich hatte nicht dieses deutliche Gefühl, daß Sie mir Böses antun wollten.«

Ich sah Rissen scharf an. So verblüfft, wie er aussah, hielt ich es für wahrscheinlich, daß er unschuldig war, wenn man als unschuldig bezeichnete, daß er an solchen heimlichen Versammlungen, wie sie der junge Mann beschrieb, noch nie teilgenommen hatte. Aber doch lag in dieser Andeutung etwas. Auch bei Rissen gab es diese verborgene, asoziale Ader.

Der Jüngling erwachte mit einem Reuegefühl, das in keinem Verhältnis zu den ziemlich harmlosen Dingen stand, die er offenbart hatte. So wie ich die Angelegenheit auffaßte, galt seine Angst nicht dem Bericht der Zusammenkunft, sondern den rein persönlichen Bekenntnissen, die uns so gelangweilt hatten, daß wir sie vorzeitig abbrachen.

»Ich glaube, ich muß einiges zurücknehmen«, murmelte er, als er taumelnd aufstand. »Als ich sagte, daß mich die anderen unsicher machen, entsprach das eigentlich nicht der Wahrheit. Ich frage mich nur, was sie von mir denken. Ich meine nicht, daß sie mir unbedingt etwas Böses antun wollen. Und alles, was ich von meinen Zukunftsplänen fantasiert habe, ist nur dummes Zeug. Übrigens war es auch übertrieben, daß ich mich bei den komischen Leuten wohler fühlte als bei den normalen. Wenn ich es mir gut überlege, fühle ich mich eigentlich bei den normalen viel wohler …«

»Davon sind wir auch überzeugt«, sagte Rissen freundlich, »in Zukunft sollten Sie sich lieber an die andern, die Normalen halten. Wir hegen stark den Verdacht, daß diese Zusammenkünfte – an einer haben Sie ja unverhofft teilgenommen – staatsfeindlich sind.