Gewiß hast du uns nicht hierher beschieden, daß wir tatlos in die Verzweiflung schauen. Geholfen muß werden: so sprich, wie meinst du, daß zu helfen sei.«

Der Alte trat einen Schritt auf ihn zu und faßte seine Hand: »Wacker, Witichis, Waltaris Sohn. Ich kannte dich wohl und will dir's treu gedenken, daß vor allen du zuerst ein männlich Wort der Zuversicht gefunden. Ja, ich denke wie du: noch ist Hilfe möglich, und um sie zu finden habe ich euch hierher gerufen, wo uns kein Welscher hört. Saget nun an und ratet: dann will ich sprechen.«

Da alle schwiegen, wandte er sich zu dem Schwarzgelockten: »Wenn du denkst wie wir, so sprich auch du, Teja. Warum schwiegst du bisher?«

»Ich schweige, weil ich anders denke denn ihr.«

Die andern staunten. Hildebrand sprach: »Wie meinst du das, mein Sohn?«

»Hildebad und Totila sehen nicht die Gefahr, du und Witichis, ihr sehet sie und hoffet, ich aber sah sie längst und hoffe nicht.«

»Du siehst zu schwarz, wer darf verzweifeln vor dem Kampf?« meinte Witichis.

»Sollen wir, das Schwert in der Scheide, ohne Kampf, ohne Ruhm untergehen?« rief Totila.

»Nicht ohne Kampf, mein Totila, und nicht ohne Ruhm, so weiß ich,« antwortete Teja, leise die Streitaxt zuckend. »Kämpfen wollen wir, daß man es nie vergessen soll in allen Tagen: kämpfen mit höchstem Ruhm, aber ohne Sieg. Der Stern der Goten sinkt.«

»Mir deucht, er will erst recht hoch steigen,« rief Totila ungeduldig. »Laßt uns vor den König treten, sprich du, Hildebrand, zu ihm wie du zu uns gesprochen. Er ist weise: er wird Rat finden.«

Der Alte schüttelte den Kopf: »Zwanzigmal hab ich zu ihm gesprochen. Er hört mich nicht mehr. Er ist müde und will sterben, und seine Seele ist verdunkelt, ich weiß nicht, durch welchen Schatten. – Was denkst du, Hildebad?«

»Ich denke,« sprach dieser sich hoch aufrichtend, »sowie der alte Löwe die müden Augen geschlossen, rüsten wir zwei Heere. Das eine führen Witichis und Teja vor Byzanz und brennen es nieder, mit dem andern steigen ich und mein Bruder über die Alpen und zerschlagen Paris, das Drachennest der Merowinger, zu einem Steinhaufen für alle Zukunft. Dann wird Ruhe sein, im Osten und im Norden.«

»Wir haben keine Schiffe gegen Byzanz,« sprach Witichis.

»Und die Franken sind sieben wider einen gegen uns,« sagte Hildebrand. »Aber wacker meinst du's, Hildebad. Sage, was rätst du, Witichis?«

»Ich rate einen Bund, mit Schwüren beschwert, mit Geiseln gesichert aller Nordstämme gegen die Griechen.«

»Du glaubst an Treue, weil du selber treu. Mein Freund, nur die Goten können den Goten helfen. Man muß sie nur wieder daran erinnern, daß sie Goten sind. Hört mich an. Ihr alle seid jung und liebt allerlei Dinge und habt vielerlei Freuden. Der eine liebt ein Weib, der andre die Waffen, der dritte irgendeine Hoffnung oder auch irgend einen Gram, der ihm ist wie eine Geliebte. – Aber glaubt mir, es kömmt eine Zeit – und die Not kann sie euch noch in jungen Tagen bringen –, da all diese Freuden und selbst Schmerzen wertlos werden wie welke Kränze vom Gelag von gestern.

Da werden denn viele weich und fromm und vergessen des was auf Erden und trachten nach dem was hinter dem Grabe ist. Ich kann's nicht und ihr, mein' ich, und viele von uns können's auch nicht. Die Erde lieb' ich mit Berg und Wald und Weide und strudelndem Strom und das Leben darauf mit heißem Haß und langer Liebe, mit zähem Zorn und stummem Stolz. Von jenem Luftleben da droben in den Windwolken, wie's die Christenpriester lehren, weiß ich nichts und will ich nichts wissen. Eins aber bleibt dem Mann, dem rechten, wenn alles andre dahin. Ein Gut, von dem er nimmer läßt. Seht mich an.