Als ich sie um Erlaubnis bat, mich seiner erbarmen zu dürfen, da verboten sie mir den Gebrauch meines eignen Hauses, befahlen mir bei Strafe ihrer ewigen Ungnade, weder von ihm zu sprechen, für ihn zu bitten, noch ihn auf irgendeine Weise zu unterstützen.

EDMUND. Höchst grausam und unnatürlich!

GLOSTER. Nun, nun, sage nichts! Es ist ein Zwiespalt zwischen den beiden Herzogen, und Schlimmeres als das: ich erhielt diesen Abend einen Brief – es ist gefährlich, davon zu reden; ich verschloß den Brief in meinem Kabinett. Die Kränkungen, die der König jetzt duldet, werden schwer geahndet werden; ein Teil des Heeres ist schon gelandet, und wir müssen mit dem König halten. Ich will ihn aufsuchen und ihn heimlich unterstützen. Geh du und unterhalte ein Gespräch mit dem Herzoge, damit er diese Teilnahme nicht bemerke. Wenn er nach mir fragt, bin ich krank und zu Bett gegangen. Und sollte es mein Tod sein (wie mir denn nichts Geringeres gedroht ist), dem König, meinem alten Herrn, muß geholfen werden. Es sind seltsame Dinge im Werk; Edmund, ich bitte dich, sei behutsam! Er geht ab.

EDMUND.

Den Eifer, mit Vergunst, meld' ich sogleich

Dem Herzog, und von jenem Brief dazu.

Dies scheint ein groß Verdienst und soll mir lohnen

Mit meines Vaters Raub, den Gütern allen:

Die Jungen steigen, wenn die Alten fallen.

Ab.

 

 

Vierte Szene.

Heide.

Es treten auf Lear, Kent und der Narr.

 

KENT.

Hier ist's, Mylord; o geht hinein, Mylord!

Die Tyrannei der offnen rauhen Nacht

Hält die Natur nicht aus.

 

Fortdauernder Sturm.

 

LEAR.

Laß mich zufrieden!

KENT.

Ich bitt' Euch, kommt!

LEAR.

Willst du das Herz mir brechen?

KENT.

Mein eignes eh'r. O geht hinein, mein König!

LEAR.

Dir dünkt es hart, daß dieser wüt'ge Sturm

Uns bis zur Haut durchdringt: so ist es dir;

Doch wo die größre Krankheit Sitz gefaßt,

Fühlt man die mindre kaum. Du fliehst den Bären;

Doch führte dich die Flucht zur brüll'nden See,

Liefst du dem Bären in den Schlund. Ist frei der Geist,

Dann fühlt der Körper zart. Der Sturm im Geist

Raubt meinen Sinnen jegliches Gefühl,

Nur das bleibt, was hier wühlt – Undank des Kindes!

Als ob der Mund zerfleischte diese Hand,

Weil sie ihm Nahrung bot! Schwer will ich strafen! –

Nicht will ich weinen mehr. In solcher Nacht

Mich auszusperrn! Gieß fort; ich will's erdulden. –

In solcher Nacht, wie die! O Regan, Gon'ril! –

Euren alten, guten Vater, des freies Herz

Euch alles gab, – oh, auf dem Weg liegt Wahnsinn! –

Nein, dahin darf ich nicht: nichts mehr davon!

KENT.

Mein guter König, geht hinein!

LEAR.

Bitt' dich, geh du hinein, sorg' für dich selbst!

Der Sturm erlaubt nicht, Dingen nachzusinnen,

Die mehr mich schmerzen. Doch ich geh' hinein,

Geh, Bursch, voran! – Du Armut ohne Dach, –

Nun, geh doch! Ich will beten und dann schlafen.

 

Der Narr geht in die Hütte.

 

Ihr armen Nackten, wo ihr immer seid,

Die ihr des tück'schen Wetters Schläge duldet,

Wie soll eu'r schirmlos Haupt, hungernder Leib,

Der Lumpen offne Blöß' euch Schutz verleihn

Vor Stürmen, so wie der? Oh, daran dacht' ich

Zu wenig sonst! – Nimm Arzenei, o Pomp!

Gib preis dich, fühl' einmal, was Armut fühlt,

Daß du hinschütt'st für sie dein Überflüss'ges

Und rettest die Gerechtigkeit des Himmels!

EDGAR drinnen.

Anderthalb Klafter! Anderthalb Klafter!

ArmerThoms!

NARR indem er aus der Hütte läuft. Geh nicht hinein, Gevatter! Hier ist ein Geist! Hülfe! Hülfe!

KENT.

Gib mir die Hand! – Wer ist da?

NARR.

Ein Geist, ein Geist! Er sagt, er heiße armer Thoms.

KENT.

Wer bist du, der im Stroh hier murmelt?

Komm heraus! –

 

Edgar tritt auf als Wahnwitziger.

 

EDGAR.

Hinweg! Der böse Feind verfolgt mich.

Durch scharfen Hagedorn saust der kalte Wind: Hu! –

Geh in dein kaltes Bett und wärme dich!

LEAR.

Wie? Gabst du alles deinen beiden Töchtern?

Und kamst du so herunter?

EDGAR. Wer gibt dem armen Thoms was? – den der böse Feind durch Feuer und durch Flammen geführt hat, durch Flut und Strudel, über Moor und Sumpf, der ihm Messer unters Kissen gelegt hat und Schlingen unter seinen Stuhl; der ihm Rattengift in die Suppe tat, der ihm Hoffart eingab, auf einem braunen, trabenden Roß über vier Zoll breite Stege zu reiten und seinem eigenen Schatten, wie einem Verräter, nachzujagen. Gott schütze deine fünf Sinne! Thoms friert. Vor Frost schaudernd. O de de de de de! – Gott schütze dich vor Wirbelwinden, vor bösen Sternen und Seuchen! Gebt dem armen Thoms ein Almosen, den der böse Feind heimsucht: hier könnt' ich ihn jetzt haben, und hier – und da, – und hier wieder, – und hier. –

 

Immerwährend Ungewitter.

 

LEAR.

Was, brachten ihn die Töchter in solch Elend?

Konnt'st du nichts retten? Gabst du alles hin? –

NARR. Nein, er behielt ein Laken, sonst müßten wir uns alle schämen.

LEAR.

Nun, jede Seuche, die die Luft zur Strafe

Der Sünder herbergt, stürz' auf deine Töchter!

KENT.

Herr! Er hat keine Töchter! –

LEAR.

Ha, Tod, Rebell! Nichts beugte die Natur

Zu solcher Schmach, als undankbare Töchter. –

Ist's Mode jetzt, daß weggejagte Väter

So wüten müssen an dem eignen Fleisch?

Sinnreiche Strafe! Zeugte doch dies Fleisch

Diese Pelikan-Töchter.

EDGAR.

Pillicok saß auf Pillicoks Berg;

Hallo, hallo, hallo!

NARR. Diese kalte Nacht wird uns alle zu Narren und Tollen machen.

EDGAR. Hüte dich vor dem bösen Feind; gehorch' deinen Eltern; halte dein Wort; fluche nicht; verführe nicht deines Nächsten verlobte Braut; stelle deine Sache nicht auf eitle Pracht; – Thoms friert! –

LEAR. Was bist du gewesen?

EDGAR. Ein Verliebter, stolz an Herz und Sinn, der sein Haar kräuselte, Handschuh' an seiner Kappe trug, den Lüsten seiner Gebieterin frönte, und das Werk der Finsternis mit ihr trieb. Ich schwur so viel Eide, als ich Worte redete, und brach sie im holden Angesicht des Himmels; schlief ein in Gedanken der Wollust und erwachte, sie auszuführen; den Wein liebte ich kräftig, die Würfel heftig, und mit den Weibern übertraf ich den Großtürken; falsch von Herz, leicht von Ohr, blutig von Hand; Schwein in Faulheit, Fuchs im Stehlen, Wolf in Gier, Hund in Tollheit, Löwe in Raubsucht.