Er erzählte seinem Gefährten Uli von Gütsch, was er früher getrieben, wie er gewandt sei im Handwerk und viel erbeutet, obgleich er es nur ganz gemein und zu Fuße getrieben; jetzt, wie sie es treiben wollten auf ritterliche Art so gleichsam, werde die Beute noch viel reicher sein, meinte Kurt. Uli von Gütsch schüttelte der, Kopf und war nicht so hoffnungsvoll. Allweg sei es das Beste, was sie vornehmen könnten, aber ganz richtig sei das Ding nicht und viel gefährlicher als ganz gemeine Räuberei, meinte er. Die adeligen Herren, sagte er, hätten es mit dem Wegelagern wie mit der Jagd: beide seien erlaubt, aber in ihrem Revier ihnen allein und niemanden andern, und wen sie in ihrem Revier über Jagd oder Raub ergriffen, den hingen sie an den ersten Baum oder schmiedeten ihn fest auf einen Hirsch. Man müsse klug und vorsichtig sein, sagte er, und nie verzweifeln, auch wenn man die Schlinge schon am Halse habe, er rede aus Erfahrung; gehe aber endlich einmal die Schlinge zu im Ernste, so geschehe, was doch einmal geschehen müsse, ob endlich einen Tag früher oder einen Tag später.
Man sieht, Uli von Gütsch hatte viel Gesinnung und nicht bloß viel, sondern auch die wahre für dieses Handwerk. Uli von Gütsch hatte aber nicht bloß viel Gesinnung, sondern auch viele Kenntnisse, die sind allezeit was wert, wenn man sie recht zu gebrauchen weiß. Uli von Gütsch kannte nämlich Stege und Wege weitum in der Runde, kannte Schluchten und Höhlen, kannte die Zeichen der meisten Herren, hatte nicht unbedeutende Bekanntschaften unter dem niedrigsten Volke.
Im Gebiete der Reuß, von Luzern weg bis sie in die Aare läuft, oder weiter hinauf der Wigger zu trieben sie ihr Handwerk, doch immer so, daß sie es an Fremden ausübten oder, wenn an Einheimischen, doch an Herrschaften, denen sie sich überlegen glaubten; des niedern Volkes schonten sie sorgfältig, ja sie brachten manch Stück Geld in arme Hütten, teilten mit Hungrigen gute Bissen, daher wandte sich ihnen die Teilnahme zu und die Lust, welche immer im Niedrigen entsteht, wenn der Höhere gefährdet wird. Dagegen suchten sie verdächtig zu machen die Herren und trieben ihre Streiche bald in des einen, bald in des andern Namen. Nun ist wohl nichts unangenehmer, als wenn man von solchen Stücklein nichts haben soll als den bösen Namen; wer nicht muß, läßt solches sich nicht in Frieden gefallen. Anfänglich jedoch griff jeder der Herren nach dem Unrechten, den Herren wurden die Haare zusammengeknüpft; diese wußten, wieviel jedem zu trauen war, darum nahm einer den andern in Verdacht, lauerte ihm auf und trieb es ihm ein. Indessen verständigten sie sich schneller, als es Kurt und Uli lieb war.
Der letztere meinte, erfahren in der Welt, sie sollten sich einen Patron auf der Welt gewinnen, wie Fromme nach einem solchen in dem Himmel trachteten. Das sei eine leichte Sache, meinte er, er wüßte keinen, der gegen einen Teil der Beute sie in seinem Gebiete nicht sicher ließe, wenn sie ihn Namen und Gebiet ruhig ließen. Aber Kurt wollte das nicht, er wollte frei sein und tun, was ihm beliebte; selb war von je ein gefährlich Handwerk, länger als üblich konnten sie es treiben, weil sie in den Hütten natürliche Verbündete hatten. Das machte sie sicher, sie verließen den Schauplatz ihrer Taten nicht, wie Klugheit sonst geraten hätte. In dieser Gegend hatte der Freiherr von Eschenbach große Güter, war ein großer Herr und selten daheim, wie heutzutage auch die kleinen Herren zu tun pflegen; er lebte hier und dort bei großen Herren, deren Freund und Rat er war. Der weilte unerwartet einige Zeit im Aargau, vernahm, was auch unter seinem Wappen getrieben worden, und bot nun große Jagd, wie man hie und da auf Wölfe und Wildschweine anstellt, auf in aller Stille, um die fremden Schnapphähne zu fangen.
Kurt und Uli hatten eben im Gebiete des Eschenbach einen Züricher Metzger überritten, waren mit seinem Gelde talaufwärts geritten und saßen in armseliger Hütte eines Freundes, harrten des Essens und zählten die Beute, als ein junges Mägdlein geschlichen kam und sagte, der Eschenbach biete seine Leute auf, sende Boten aus an seine Freunde, jagen wollte er auf die unbekannten Räuber bis er sie hätte, wissen wolle er, wer sie seien. Sie hielten Kriegsrat, glaubten die Gegend um das Städtchen Zofingen am sichersten, indem man dort am wenigsten sie suche. Sie hatten dort sich nicht versündigt, die Bürger waren handliche Leute, selbst die Bürgerinnen sehr kriegerisch, liebten beiderseits Speise und Trank, und wer ihnen irgendwie in der Sonne stand, lief Gefahr, um seinen Schatten zu kommen. Alsbald machten sie sich auf, zogen fürbaß und hofften, namentlich in den Klüften, Sümpfen, Wäldern, welche zwischen Zofingen und St. Urban lagen, sichere Ruhe zu finden. Zu Fuße gehend, die Pferde, um sie auf den schlechten Pfaden zu schonen, hinter sich, waren sie ihrem Ziele nahe gekommen, bogen bei Tagesanbruch um eine Waldecke, als plötzlich ihre Pferde hellauf wieherten, und es lebendig ward im Gebüsche.
Es waren die Zofinger, welche von der Jagd gehört und gerne wissen wollten, wie sie gemeint sei, was dabei herauskomme, dabei Spektakel liebten und ihren Weibern gerne was Neues erzählten. Was Neues, das wußten die Zofinger damals schon, ist bei Weibern, was ein Blitzableiter bei Gewittern. Sie hatten ein Zunftessen gehabt, waren beieinander gewesen, daher ihr Aufbruch so rasch, daß sie auf dem Anstand lagen, fast ehe die Jagd begonnen. Flinke Gesellen hatten den alten Uli von Gütsch niedergeworfen, ehe er aufs Pferd kam; er ward gebunden und im Triumph gegen Zofingen geschleppt als was Neues, so alt er auch war. Er aber verlor seinen heitern Mut nicht, er hatte Gesinnung; wie er redete, so war es ihm auch, er hielt eben dafür, daß nicht jede Schlinge zugehe, welche man bereits am Halse habe (wahrscheinlich hatte er sich lange um Luzern herum aufgehalten, wo es eben heutzutage noch so geht, mit der Schlinge das Ding so zweifelhaft ist), und gehe sie einmal zu, so werde es so haben sein müssen. Er reizte nicht, aber antwortete heiter auf die zornigen Vorwürfe, entwaffnete dadurch die Zornigen, und ehe man mit ihm in Zofingen Spektakel machte, hatten alle, wenn er ihnen auch nicht lieb geworden, Erbarmen mit ihm, und er wurde nicht gehangen, wenigstens in Zofingen nicht. Kurt, rascher und hinter Uli, der den Wegweiser machte, war im Sattel, ehe Zofingerhände, welche nicht mehr gerne lassen, was sie einmal in den Fingern haben, ihn faßten, und stob instinktmäßig, ohne an Uli von Gütsch zu denken, von dannen. Es kam ihm wohl, daß er nicht auf einem alten Klosterhengst saß und reiten konnte; sein freiherrlicher Gaul ließ die bürgerlichen Verfolger bald hinter sich, war über Hergiswyl hinaus im Umsehen. Da konnte Kurt, da kein Hufschlag mehr hinter ihm hörbar war, das Tier wieder zu Atem kommen lassen, während er selbst seine Gedanken sammelte. Uli von Gütsch hatte ihm oft erzählt von seinem besten Freunde, der ein Mordkerl gewesen und jetzt Einsiedler oder Waldbruder sei.
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