So lustig und wild bewegt hier das Leben war, hatte Kurt doch ein böses Sein. Mehr in der Wildnis als unter Menschen hatte er gelebt, war wild und scheu oder mißtrauisch wie ein Gemsbock aus den Walliser Bergen. Solche Gemsböcke wissen ihre Hörner zu brauchen, wehe dem Jäger, der sie reizt, nicht tötet, ihnen nicht ausweichen kann! Der Freiherr hatte Kurts Tüchtigkeit teilweise erkannt und bald ganz erprobt; wie selten einer verband er Kraft und Schlauheit, in seinem Bereiche, nämlich: er konnte durch den Wald huschen fast wie ein Indianer, aber auch einrennen wie ein Urochse. Er brauchte ihn oft als Kundschafter, hatte ihn gerne in seinem Begleit. Das wäre schön gewesen, aber es dünkte Kurt doch, dabei komme er zu nichts oder vielleicht erst, wenn er graue Haare hätte. Die Ungeduld unserer Jungen, welche ihren Dienst gerne als Feldherren anfangen oder wenigstens als Brigadiers, war auch beim Junker von Koppigen, kam eben aus Mangel an Bildung. Daneben lebte er wie Hund und Katze mit dem jüngeren Teile der Dienerschaft des Freiherrn; um die Gunst des Herrn beneideten sie ihn, und weil er Necken nicht vertrug, neckten sie ihn beständig, wie es üblich und bräuchlich ist bis dato. Es ist, als ob die Welt den Teufel im Leibe habe, was wahrscheinlich auch sein wird: was einer nicht mag, das muß er haben, wenn einer nicht kann pfeifen hören, so wird ihm gepfiffen, und wenn einer nicht Spaß versteht, so wird ihm dessen desto mehr aufgetischt. Nun war es freilich nicht ungefährlich, mit Kurt zu sehr zu spielen; er hatte Tatzen wie ein junger Löwe und schlug alsbald drein wie ein junger Löwe. Aber bald wußte man sich zu sichern, ließ sich nicht in seine Nähe, bald hetzte man die Gefolge von Gästen an ihn, welche dann mit ihm sich lustig machten, bald schlug ihm ein Alter auf die Tatzen, wenn er die Krallen zu tief einschlagen wollte. So kam er fast immer zu kurz, wie man zu sagen pflegt, und gewann nichts als Zorn und Beulen. Bis einer sich eingefügt hat in der Welt, kostet es ihn viel, und gewinnen tut er nichts, und mancher wird sein Lebtag nie eingefügt. Lehrgeld muß bezahlt werden in der Welt, solange die Welt besteht, und wenn auch alle Zölle aufgehoben werden; Lehrgeld entweder beim Antritt der Lehrzeit oder nach Verlauf derselben, je früher man es zahlt, desto wohlfeiler kommt man weg.

Wäre dieses nicht gewesen, so hätte es Kurt vielleicht doch nach und nach zu Regensperg gefallen. Das war ein prächtig Leben mit Jagen und Reiten, Essen und Trinken und Kämpfen nach Belieben; da erst lernte Kurt fest sitzen auf dem Roß und jegliche Kampfesweise mit jeglicher Waffe. Rasch ward er mit seiner großen Kraft und mitgebrachten Behendigkeit einer der Besten im Waffenspiel, aber dadurch nicht besserer Laune, und seine Verträglichkeit nahm nicht zu. Eines Tages hatte der Freiherr ihn mit noch einem ausgesandt, sich auf die Lauer zu legen und einen Zug der Züricher auszukundschaften. Hans von Melligen hieß der andere, war Kurts Nebenbuhler in allem bis ans Verhältnis zu den andern. Hans war beliebt, hatte Einfluß, von ihm aus gingen die meisten Neckereien, welche Kurt erdulden mußte. Kurt haßte ihn daher bitterlich, konnte ihm aber wenig anhaben, da Hans neben der eigenen Waffenfertigkeit noch im Schutze der andern stand.

Keiner von beiden kam nach Regensperg zurück; man glaubte sie aufgefangen von den Zürichern, später fand man Hans erschlagen, Kurt blieb verschwunden, was aus ihm geworden, vernahm man in Regensperg nimmer. Hans hatte Kurt geneckt mit spöttischen Worten; Kurt, im Wortgefecht unbehülflich, hatte mit dem Schwerte geantwortet und Hans erschlagen. Begreiflich konnte Kurt nicht nach Regensperg zurück, sondern ritt wild und zornig ins Weite, traf auf einen Reiter, warf diesen ohne Komplimente über den Haufen. Dieser, welchem Ähnliches schon öfter begegnet sein und der in der Welt so viel erfahren haben mochte, daß er blutigen Streit lieber vermied als suchte, versuchte keinen Widerstand, gab auch nicht zornige Worte, sondern setzte sich an des Weges Rand, lud Kurt ein, sich neben ihn ins Gras zu setzen und Bescheid zu tun aus einer großen Flasche, welche er am Sattel hängen hatte. Der Reiter, welcher seinen Fall so kaltblütig nahm, hatte ein altes, verwittertes Gesicht, in welchem trotz seiner Wildheit ein Zug von Gutmütigkeit nicht zu verkennen war. Er gehörte zu den Gesellen, welche ihr Leben lang einem guten Schicke nachziehen und ihn nie machen, weil sie jedem Genusse sich hingeben, sie sind Knechte des Augenblicks, werden daher nie Herren ihres Lebens, erreichen nie das vorgesetzte Ziel. Er hatte in der halben Welt herumgefochten, aber nichts davongebracht als Wunden und manchmal eine volle Flasche, aus welcher er soeben Kurt zutrank. Kurt hatte anfangs gute Lust, ihm diese Gastlichkeit mit einem guten Lanzenstoß zu vergelten, weil er in seinem mißtrauischen Wesen diesen heitern Gleichmut für Spott hielt, tat aber endlich doch Bescheid, setzte sich neben den Alten, aber mit lockerm Dolche, er hoffte Rat zu finden, den er eben nicht hatte.

Die Flasche war noch nicht zu Ende, als Kurt bereits Vertrauen gefaßt, dem Alten erzählt hatte, wo er gewesen, was er getan, und wie er jetzt nicht wisse, wo aus. Der Alte war auf den Herrendienst, wo man sein Blut vergieße, während die Herren die Beute machen, nicht gut zu sprechen; er suchte begreiflich die Ursache seiner Lage und seiner Unzufriedenheit, wie andere Gelehrte auch, nicht bei sich, sondern anderswo und bei andern. Er hatte den Glauben gefaßt, selbständig komme er am weitesten, aber ein tüchtiger Gehülfe hätte ihm gefehlt; das Glück hatte ihm einen zugeführt. Als er Kurt vorschlug, selbst die Herren zu spielen und Krieg zu führen auf eigene Faust, fand er bei demselben Anklang und Beifall. Kurt war das Beugen unter einen Herrn, die Fessel eines fremden Willens äußerst peinlich gewesen; seine alte Freiheit kam ihm vor, wie Adam und Eva das Paradies vorgekommen sein mag, wenn sie auf dem verfluchten Acker schwitzten.