42 ists22 das adelige V) oder gar in der ganzen Bibel. – Wo haben aber wir Christen einen ähnlichen Masorethen für Luthers Bibel aufzuzeigen? Ist es genau untersucht, welches in ihr das mittelste Wort oder der mittelste Buchstabe sei, welcher Vokal am wenigsten vorkomme, und wie oft jeder? – Tausend Bibelfreunde gehen aus der Welt, ohne zu erfahren, daß das deutsche A 323 015 mal (also über 7 mal öfter als das hebräische) in ihrer Bibel stehe.«

Ich wünschte, daß Bibelforscher unter den Rezensenten es öffentlich anzeigten, wenn sie diese Zahl nach einer genauern Nachzählung unrichtig befänden. 23

Auch sammelte der Quintus vieles: er hatte eine schöne Kalender und Katechismus- und Sedezbüchersammlung – auch eine Sammlung von Avertissements, die er angefangen, ist nicht so unvollständig, als man sie meistens antrifft. Er schätzet sehr sein alphabetisches Lexikon von deutschen Bücherpränumeranten, wo mein Name auch mit vorkommt unter dem J.

Am liebsten gebar er Entwürfe zu Büchern. Daher nähete er ein starkes Werk, worin er bloß den Gelehrten riet, was sie zu schreiben hätten in der Gelehrtengeschichte, die er einige Zolle höher setzte als die Welt- und Kaiserhistorie. Er hielt im Prodrom der gelehrten Republik flüchtig vor, daß Hommel ein Register von Juristen gegeben, die Hurenkinder gewesen, von andern, die Heilige geworden – Bernhard von Gelehrten, deren Fata und Lebenslauf im Mutterleibe erheblich waren – daß Bailet die Gelehrten zusammengezählt, die etwas hatten schreiben wollen – und Ancillon die, die gar nichts geschrieben – und der Lübecksche Superintend Götze die, die Schuster waren, die, die ersoffen usw. Das (konnt' er jetzt fortfahren) sollte, wie es scheint, uns zu ähnlichen Matrikeln und Musterrollen von andern Gelehrten ermuntert haben, deren er einige vorschlage – z.B. von Gelehrten, die ungelehrt waren – von ganz boshaften – von solchen, die ihr eignes Haar getragen – von Zopfpredigern, Zopf-Psalmisten, Zopfannalisten etc. – von Gelehrten, die schwarzlederne Hosen, von andern, die Stoßdegen getragen – von Gelehrten, die im eilften Jahre starben – im zwanzigsten – einundzwanzigsten etc. im hundertundfunfzigsten, wovon er gar kein Beispiel kenne, wenn nicht der Bettler Thomas Parre hergezogen werden solle von Gelehrten, die eine noch abscheulichere Hand als andere Gelehrte schrieben (wovon man nur Rolfinken und seine Lettern kenne, die so lang waren wie seine Hände24) – oder von Gelehrten, die einander in keine Haare gerieten als in die am Kinn (wovon keine als nur Philelphus und Timotheus bekannt sind).25

Solche Nebenstudien trieb er neben seinen Amtsarbeiten; aber ich glaube, ein Staat ist über so etwas toll: er vergleicht den, der in Philosophie und Belletrie groß ist auf Kosten des Amts-Schlendrians, mit den Konzertuhren, die ihre Stunden – ob sie sie gleich mit Flötenmelodien einfassen – schlechter schlagen als dumme plumpe Turmuhren.

Um auf den Namenstag zurückzukommen: so lief Fixlein nach solchen Anstrengungen hinaus unter die Sang-Stauden und Rausch-Bäume und kehrte nicht eher aus der warmen Natur zurück, als bis Schüssel und Stühle schon an den Tisch gestellet waren. – Unter dem Essen fiel etwas vor, das ein Biograph nicht entbehren kann: seine Mutter mußt' ihm nämlich die Landkarte seiner kindlichen Welt unter dem Käuen mappieren und ihm alle Züge erzählen, woraus von ihm auf seine jetzige Jahre etwas zu schließen war. Diesen perspektivischen Aufriß seiner kindlichen Vergangenheit trug er dann auf kleine Blätter auf, die alle unsere Aufmerksamkeit verdienen. Denn lauter solche Blätter, welche Szenen, Akte, Schauspiele seiner Kinderjahre enthielten, schlichtete er chronologisch in besondere Schubläden einer Kinderkommode und teilte seine Lebensbeschreibung, wie Moser seine publizistischen Materialien, in besondere Zettelkästen ein. Er hatte Kästen für Erinnerungszettel aus dem zwölften, dreizehnten, vierzehnten etc., aus dem einundzwanzigsten Jahre und so fort. Wollt' er sich nach einem pädagogischen Baufron-Tag einen Rastabend machen: so riß er bloß ein Zettelfach, einen Registerzug seiner Lebensorgel, heraus und besann sich auf alles.

Ich muß die rezensierenden Stummen, die mir den kurzen Prozeß des Strangulierens an den Hals werfen wollen, ganz besonders bitten, doch nur vorher, ehe sie es darum tun, weil ich meine Kapitel Zettelkästen nenne, nachzusehen, wer daran schuld ist, und nachzudenken, ob ich anders konnte, da der Quintus selber seine Biographie in solche Kästen abteilt: sie sind ja sonst billig.

Nur über seinen ältern Bruder tat er an seine Mutter keine kränkende Frage: denn diesen hatte das Schicksal auf eine eigne Art mit allen seinen genialischen Anlagen am Eisberg des Todes zertrümmert. Er sprang nämlich auf eine Eisscholle, die zwischen andern Schollen stockte – diese wichen aber zurück, und seine schoß mit ihm fort, schmolz schwimmend unter ihm ein und ließ also das Feuerherz zwischen Eis und Wogen untersinken. Es tat der Mutter wehe, daß er nicht gefunden, daß sie nicht erschüttert wurde mit dem Anstarren der geschwollenen Leiche – o gute Mutter, danke lieber Gott dafür! –

Nach dem Essen ging er, um sich mit neuen Kräften für den Schreibtisch zu rüsten, bloß müßig im Hause herum und durchzog wie eine Feuerschau der Polizei alle Ecken seiner Hütte, um aus ihnen irgendeine Kohle der ausgeglommenen Freudenfeuer seiner Kindheit aufzulesen. Er stieg unter das Dach zu den leeren Vogelhäusern seines Vaters, der im Winter ein Vogler war, und musterte flüchtig die Rumpelkammer seiner alten Spielwaren, die im großen Gebärhaus einer Kanarienhecke lag. In Kinderseelen drücken sich regelmäßige kleine Gestalten, besonders Kugel und Würfel, am tiefsten ein und ab. Daraus erkläre sich der Leser Fixleins Wohlgefallen am roten Eichhörnchen-Stockhaus, an dem aus Kartoffelnsamenkapseln und weißen Spänen zusammengesteckten Sparrwerk, an dem heitern Glashaus einer würfelförmigen Laterne. Aber ganz anders erklär' ich mir folgendes: er wagte sich ohne Baubegnadigung an die Baute eines Lehmhauses, nicht für Bauern, sondern für Fliegen; daher man es gut in die Tasche stecken konnte. Dieses Mückenhospital hatte seine Glasscheiben und einen roten Anstrich und besonders viele Alkoven und drei Erker: denn Erker liebte er als ein Haus am Hause von jeher so sehr, daß es ihm in Jerusalem schlecht gefallen hätte, wo (nach Lightfoot) keine gebaut werden durften. Aus den blitzenden Augen, womit der Baudirektor seine Mietsleute an den Fenstern herumkriechen oder aus dem Zuckertroge naschen sah – denn sie fraßen, wie der Graf St. Germain, nichts wie Zucker-, aus dieser Freude hätte ein Erziehungsrat leicht seinen Hang zur häuslichen Einengung prophezeien können: für seine Phantasie waren damals noch Gärtnerhütten zu wüste Archen und Hallen, und nur ein solches Mücken-Louvre war gerade ein nettes Bürgerhaus. Er befühlte seinen alten hohen Kinderstuhl, der der sedes exploratoria des Papstes glich; er rückte seine Kinderkutsche, aber er begriff nicht, welche Salbung und Heiligkeit sie so sehr von andern Kinderkutschen unterscheide. Er wunderte sich, daß ihm Kinderspiele an Kindern nicht so gefielen als die Schilderungen derselben, wenn das Kind, das sie getrieben, schon aufgeschossen vor ihm stand.

Vor einer einzigen Sache im Hause stand er sehnsüchtig und wehmütig, vor einem winzigen Kleiderschrank, der nicht höher war als mein Tisch und der seinem armen ertrunkenen Bruder angehöret hatte. Da dieser mit dem Schlüssel dazu von den Fluten verschlungen worden: so tat die zerknirschte Mutter das Gelübde, seinen Spielschrank nie gewalttätig aufzubrechen. Wahrscheinlich sind nur die Spielwaren des Armen darin. Lasset uns wegsehen von dieser blutigen Urne! – –

Da Baco die Erinnerungen aus der Kindheit unter die gesunden, offizinellen Dinge rechnet: so waren sie ganz natürlich ein Digestivpulver für den Quintus. Nun konnt' er sich wieder an den Arbeitstisch begeben und etwas ganz Besonders machen Suppliken um Pfarrdienste.