Leben und Liebe

Eichrodt, Ludwig

Leben und Liebe

 

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Ludwig Eichrodt

Leben und Liebe

 

Lieder

 

Zuvor

Wellenschäume,

Wolkensäume,

Wünsche, Träume,

Im Entfalten,

Im Zerfließen festgehalten;

Manch Erlebtes

Längst Entschwebtes,

Mit Gestalten

Leicht Verwebtes,

Wie sie kommen, wie sie fliehn

– Launekinder, Phantasien,

Bilder im Vorüberziehn,

Liebespoesien!

Für mich

 

In Sonetten und Ghaselen,

In Terzinen, Trioletten

Laß ich gern sich Andre quälen,

Pegasus zu Tode glätten.

 

Auch antik mich zu verbreiten,

Ich gesteh es unumwunden,

Es verdirbt mir meine Saiten,

Macht mir keine frohen Stunden.

 

Will ich gar von Liebe singen,

So behagt mir keine Reise,

In der Heimath muß ich bleiben

Mit Gefühl und Art und Weise.

Liebeslieder

 

Und wiederum die alte Leier?

Poeten, stimmt ein Neues an!

Es ist ja doch das beste Feuer

Im Minnesingen schon verthan.

 

Ach, ihre Helden, ihre Dichter

Gefunden hat die Liebe längst,

Und einem zeitgemäßen Richter

Gefiele, daß du frischer sängst.

 

Seit jedes süße Wort verwerthet,

Seit jede Wendung fein erlauscht,

Wärs löblich, daß ihr euch bekehrtet,

Poeten, die ihr seid berauscht!

 

Reimt lieber Ungereimtes wieder,

Wir sind auch des Vollkommnen müd,

Versungen ist das Lied der Lieder,

Das hohe Lied, der Liebe Lied!

 

Versungen ist das Lied der Lieder,

Das Menschenherzen einst durchbebt!

Und, dennoch, neu und ewig wieder!

So es ein Menschenherz – erlebt.

Unwillkürlich

 

1.

O Himmel, wie blauest du lieblich,

Wie wehest du heiter, o Luft!

Wie wohl ist dir, meine Seele,

Da wieder der Frühling ruft!

 

Ihr Lüfte, lehrt mich, wie ich finde,

Die Reime zu diesem Lied,

Das mit dem lenzigen Winde

Durch alle Adern mir zieht!

 

Beseelet mich, rosige Thale,

Ihr Berge, ihr duftigen Höhn,

Der Vorzeit moosige Male

So ruhig, so trümmerschön!

 

Wie soll ich euch singen, ihr Wälder,

Ihr Wiesen, so roth, so grün!

Wie hör ich die Wasser der Fluren

So sanft durch die Blumen ziehn!

 

Du frisch, du jugendlich Wehen,

O wie erquickst du mein Herz –

Ich kann nur lauschen und sehen

Erden- und himmelwärts.

 

2.

Da wandelt des freundlichen Weges

Ein blühendes Mädchen daher,

Sie suchet sich Veilchen und Nelken,

Sie suchet vielleicht was mehr.

 

Sie steht auf blumigem Raine,

Freiragend ins helle Blau,

So stolz, so herrlich, so reizend,

Daß ich verwundert schau.

 

Was ist mit mir geschehen?

Bin ich verzaubert nicht?

Aus meinem Frühlingsliedchen

Wird nun ein Liebesgedicht.

Liebeslied

 

Es ist so gut und leicht gesagt,

Ich liebe, liebe dich,

Man hat so schnell sich eingeliebt,

So ganz herzinniglich.

Man fällt sich um den Hals und küßt,

Bis man vor Liebe trunken ist;

Und kann sein Glück nicht fassen,

Und will sein Glück nicht lassen.

 

Und wenn man einmal Abschied nimmt,

Ist man zum Tod betrübt;

Da fühlt man erst, da weiß man erst,

Wie sehr man sich geliebt.

Man küßt sich fort und bleibt allein,

Man weint sich aus und schickt sich drein,

Und träumet unterdessen,

Und kann sich nicht vergessen.

 

Und süß ist auch, wenn aus der Fern

Die Grüße kommen, gehn –

Was aber drum am schönsten bleibt,

Das ist das Wiedersehn.

Da wird man stumm vor Schreck und Freud,

Und möcht in alle Ewigkeit

Sich aneinander weiden,

Und nun und nimmer scheiden.

Singsang

 

Das Mädchen.

 

Hier sitz ich am Fenster

Im Abendschein,

Und schau in den lieblichen

Himmel hinein.

 

Aus duftigen Bäumen

Der Vogelschall,

Die süße Drossel,

Die Nachtigall.

 

Die Abendwölkchen

Goldrosig verglühn,

Wie schöne Blumen

Verwelken, verblühn.

 

Nun perlen die Sterne

Ins reine Blau,

In meine Augen

Kömmt der Thau.

 

Ihr stillen Sterne

Auf strahlender Bahn,

Ihr sprecht kein Wort und

Schaut euch an.

 

Als wie ein Aug

Ins andre schaut,

Du glaubst zu hören

Musik so traut.

 

Du glaubst es schlügen

Die Vögelein all,

Die süße Drossel,

Die Nachtigall.

 

Der Knabe.

 

Ich schau zu den Sternen

Mit grüßendem Blick,

Es wandeln die Freundlichen

Nach Musik.

 

Sie gehn nach Weisen

Aus deiner Brust,

Sie sind die Träume

Von Leid und Lust.

 

All deine Träume,

So herb, so hold,

Sie wandeln dort droben,

In Licht und Gold.

Liedchen

 

Schau ich mein liebes Mädchen an,

Steht mir das Wünschen fern,

Kein Unfried kommt an mich heran,

Und Alles thu ich gern.

 

Sie spricht zu mir, ich liebe dich!

Was ist, was klingt so süß?

Und schwiege sie, es triebe mich

Wie aus dem Paradies.

 

Dann lief ich in der Welt herum

Gedankenlos und krank,

Als wie ein Fisch so stumm und dumm,

Als wie ein Rohr so schwank

 

Der Himmel wäre nicht mehr blau,

Ein Schreck mir Trank und Speis,

Der Sommer als ein Winter rauh,

Der Winter sommerheiß.

 

Die rothen Rosen abgeblaßt,

Ein Aschenrauch das Licht,

Und ganz abscheulich, ganz verhaßt

Ein Menschenangesicht.

 

Wie froh bin ich, wie hochbeglückt,

Sie hat mich nie gekränkt,

Sie hat mir einen Strauß gepflückt

Und einen Kuß geschenkt.

 

Nun bin ich stark und stolz und reich,

Ich möchte Riesen stehn,

Ich glaub, ich wollte sterben gleich,

Müßt es um sie geschehn!

Holde Nacht

 

Ich weiß in grünem Garten

Den allerschönsten Ort,

Die stillen Sterne warten

Auf liebende Herzen dort.

 

Es spielen durch die Lauben

Die Lichter des Mondenscheins,

Es flüstern durch die Trauben

Die Geister süßen Weins.

 

Es wispern leis und linde

Die Abendwinde, die laun,

Und durch die schlanken Gewinde

Verliebte Blumen schaun.

 

Vom Hügel rauschet nieder

Der dunkle Kastanienwald,

Du hörest Schlummerlieder

Voll zaubrischer Gewalt.

 

Die Sterne des Himmels erwarten

Zwei liebende Herzen dort,

Ich weiß in grünem Garten

Den allerschönsten Ort.

Vetterschaft

 

Nach einer Abendunterhaltung

Sah jüngst ich einen alten Herrn,

Von unansehnlichster Gestaltung,

Der küßt ein Mädchen aus der Fern.

 

Dann kam er auf sie zugegangen,

Die Sitte schien mir äußerst bunt,

Und küßte zwischen beide Wangen

Sie grad auf ihren rothen Mund.

 

Das ist ein großes Glück auf Erden,

Ein Vetter schöner Basen sein!

Ein Vetter möcht ich gerne werden

Von also schönen Jungfräulein!

 

Er ist vorhanden, auszuüben

Ein herrlich Privilegium,

Er ist schon überm Graben drüben

Durch sein behaglich Vetterthum.

 

Und ist beneidenswerth vor Allen,

Denn fällts ihm eben bei, er küßt

Die schöne Base nach Gefallen,

Gerad weil er der Vetter ist.

 

Ach! könnt ich auf ein Augenblickchen,

Nur manchesmal, zu zweitallein,

So ein privilegirtes Stückchen

Von einem alten Vetter sein!

Im Lenz

 

Wie duftig wallt durch Wies und Wald

Die erste Frühlingsluft!

O kommt heraus, da Jung und Alt

Der frohe Kukuk ruft.

 

Es ist so still im Sonnenschein,

Die Blumen schlummern noch,

Es rieseln so munter die Wässerlein

Und hüpfen vor Freuden hoch.

 

Dort über die Matte zum Blüthensaft

Fliegt langsam der Schmetterling,

Es läuten so leis und geisterhaft

Die Maienglöckchen klingkling!

 

Im Wäldchen, wo die Mädchenschaar

Lautscherzend sich ergeht,

Hab ich, mit ihrem Ringelhaar,

Mein Liebchen auch erspäht.

 

Sie blickt herüber und erschrickt

Und nickt verstohlnerweis;

Wie ist die lose doch geschickt,

Sie will der Schlauheit Preis!

Frauendienst

 

Nicht will ich dein Herz überzeugen

Durch Verse von meiner Lieb,

Schon nahmst du das meine zu eigen,

Du schenkst das deine dem Dieb!

 

Nicht will ich, o beste, dich plagen,

Kein Puppenspiel treiben mit dir,

Nicht fort zum Ganges dich tragen,

Fürs Erste gefällt mir es hier.

 

Nicht will ich zu nahe dir treten

Mit all meinen Träumen, dich nicht

Anlügen, dich nicht anbeten,

Als wäre ich selbst ein Wicht.

 

Nicht will ich dein Wesen vergöttern

Mit brünstiger Philosophie,

Will nicht, wie sonst meine Vettern,

Dich halten für ein Genie.

 

Ich will meine Seufzer behalten

So viel auch als möglich für mich,

Die Liebe wird drum nicht erkalten,

Du weißt schon, ich – liebe dich!

 

Nicht will ich auch Verse dir schreiben,

Dieweil ich zur Prosa zu dumm;

Will dir die Zeit nur vertreiben,

Denn wahrlich Prosa ringsum!

 

Du – magst dich an Liedern erfreuen,

Wie man sich an Blumen vergnügt,

Den Weg dir mit Blumen bestreuen,

Ich denke, daß dieses genügt.

Pfingsten

 

Der kühle Morgen ist erwacht,

Die Sonne kämpft die Nebelschlacht,

Und siegend als ein freudger Held

Tritt sie ins alte Himmelszelt.

 

Vor Liebchens Fenster steh ich schon,

Sie ist wohlauf und kennt den Ton,

Ich singe, was ihr klinget süß –

Da hast du tausend Morgengrüß!

 

Wir wollen über die Berge gehn,

Wir wollen zusammen den Frühling sehn!

Horch, wie es froh vom Hügel schallt,

Es weht so frisch vom dunklen Wald.

 

Wohl ist er warm, dein würzger Mund,

O komm herab, ich küß ihn wund!

Hier unten ist so kühl und kalt,

Es weht so frisch vom dunklen Wald.

 

Du schaust umher so klar und schön –

Wie dir die Locken zu Antlitz stehn!

Du Augentrost, du Rosenblut,

Du treue Seele so lieb so gut!

 

Jetzt fliegest du mir in den Arm,

O Mädchen, du bist so süß und warm!

Und küßt die Sonne mit jedem Strahl,

O laß dich küssen millionenmal!

 

O blicke mich an, so innig froh,

Und küsse mich wieder, und wieder so!

O sage, was ist die schöne Welt,

Wenn sie nicht Liebe zusammenhält?

Zur Laute

 

Laß uns plaudern, liebes Schätzchen,

Sitz an meiner Seite nieder!

Hier an dem gewohnten Plätzchen,

In der trauten Dämmrung wieder.

 

Laß dir aus dem lieben süßen

Angesicht die Locken streichen,

Lasse dir die Wange küssen

Und den schönen Mund desgleichen.

 

Wenn ich jemals dich betrübte,

So verzeihe mir du Gute,

Unbedachtsam ja, Geliebte,

Spricht man oft mit jungem Blute.

 

Schau mich an, laß dich umarmen,

An die Brust voll Inbrunst pressen,

An dem treuen lebenswarmen

Busen alle Qual vergessen!

 

Lächelnd schläft der Geist der Wonne

In der Wange süßen Grübchen,

Süßres unter dieser Sonne

Gibt es nicht als süß ein Liebchen.

 

Schönres als die heilge Treue,

Holdes Hoffen, lustge Thränen,

Kühnes Fodern, zarte Scheue,

Und ein unergründlich Sehnen.

Vergiß!

 

Was kleidet die Wiesen, was schmücket die Wälder,

Was sprenget die Fesseln dem keuchenden Bach?

Was führet die Thiere zurück in die Felder

Und wehet den Klang aller Lieder wach?

 

Es ist der Frühling, es ist die Sonne,

Drum freue sich laut ein jegliches Herz,

Und in der großen unsterblichen Wonne

Verstumme der eitle, der menschliche Schmerz!

Mondlied

 

Schöner Mond du wandelst wieder

Auf der freien Bahn,

Eines meiner kleinen Lieder

Schick ich froh hinan.

 

Du behütest meine Schritte

Freundlicher Gesell;

Freue mich in Waldes Mitte,

Daß die Nacht so hell.

 

Ach! ich fühle nicht den Schauer

Deines lieben Lichts,

Trotz der eingefallnen Mauer

Alterirt mich Nichts.

 

Gar nicht kann ich mein Benehmen

Darnach richten ein,

Weil ich liebe mich zu grämen

In dem Mondenschein.

Weh im Lenz

 

Mir gehn viel Lieder im Kopf herum,

Der Lenz weht sie daher,

Doch meine Zunge bleibet stumm,

Und will nicht singen mehr.

 

Woher das kommt, ich weiß es nicht,

Doch ja, ich weiß es wohl,

Weil mir das Herz vor Liebe bricht

Und ichs vergessen soll.

Leidig Lied

 

Beim letzten Tanz

Hab ich gesehn,

Im grünen Kranz,

Ein Mägdlein schön.

Es will mir nicht aus dem Sinn –

Sie flog so lieblich dahin!

 

Und noch so laut

Der Walzer rauscht,

Hab nur geschaut,

Hab nur gelauscht.

O reizender Rede Sang,

O stolzer, stattlicher Gang!

 

Der Augen Glut,

Der Locken Nacht,

Der Wange Blut,

Der Glieder Pracht –

Sie haben mirs angethan;

In Schmerzen denk ich dran.

 

Ich hab sie gesehn

Beim letzten Tanz

So wunderschön

Im grünen Kranz.

Man sagte frei und laut,

Sie sei eine glückliche Braut.

Versäumniß

 

Wie lang hab ich dich nicht gesehn,

Mein Liebling, o mein Schatz,

Mir Aug in Aug gegenüberstehn,

Mein Schatz!

Wie lang hab ich dir nicht gesagt,

Was mich bekümmert, kränkt und plagt,

Mein herzensguter Schatz!

 

Als ich zum letzten Mal dich sah,

Mein herzensguter Schatz,

Vergessen hatt ich Alles ja,

Mein Schatz!

Ich habe nur an das gedacht,

Was uns vor Tausend glücklich macht,

Mein Liebling, o mein Schatz!

Narrheiten

 

Wornach steht mir der Sinn?

Zerrüttet ist mein Denken,

All meine Träume lenken

Auf einen Punkt nur hin,

Auf ihren Mund, den süßen,

Und den zu küssen!

 

Entweiche, Phantasie!

Du stolze, tiefbeschämte!

Ein schönes Mädchen lähmte

Die Schwinge dir, denn nie

Erschufst du Reiz, so süßen,

Ha! sie zu küssen!

 

Seit ich ihr Antlitz sah,

Das wonnige, das liebe,

Das unaussprechlich liebe,

Steht mir der Wahnsinn nah –

O Antlitz, mit dem süßen,

Dem Mund zum küssen.

 

So schwebt mir dort und hier

Der Zaubermund vor Augen,

Will Hirn und Herz mir saugen

Und alles Blut aus mir:

O Raserei, den süßen

Mund nicht zu küssen!

 

Treff ichs nicht bald einmal

Die Lippen rasch zu kosten,

So soll mein Wille rosten

Wie ein entehrter Stahl.

Ich stürbe gern, den süßen

Den Mund zu küssen!

Am Fluß

 

Ich gehe auf und nieder

Den dunkelgrünen Fluß,

Und schicke Liebeslieder

Hinab mit Gruß und Kuß.

 

Weit unten am Gestade

Liegt eine traute Stadt,

Die viele krumme grade

Belebte Gassen hat.

 

Dort wohnet, wenn ich schicke

Die Lieder, Gruß und Kuß,

Dort schaun herauf zwei Blicke

Den dunkelgrünen Fluß.

 

Ihr Wellen und ihr Winde,

Die ihr selbander zieht,

Begegnet meinem Kinde

Und rauscht ihm dieses Lied!

Abendphantasieen

 

Im blauen Schein des Mondes

Seh ich die Wellen ziehn,

Rauschen hör' ich die Wellen

Durch Blumenlande hin.

 

Höre die Fischlein plätschern,

Murmeln die Winde im Wald,

Hellklagende Vogelstimme

Am Hügel wiederhallt.

 

Da lieg ich auf dem Rasen

In lispelnder Linde Hut,

Mir ist so ruheselig,

So wunderswohl zu Muth.

 

Dort lausch ich der singenden Quelle

Und schaue den Nachthimmel an,

Und mit den Augen folg ich

Der sanften Wolkenbahn.

 

Es wandern die weißen Wolken

Vorbei am schweigsamen Mond;

Dort such ich Menschengesichter,

Und finde sie wie gewohnt.

 

Sieh dort! zwei Sternchen flimmern

Aus lieblichem Wolkenflor,

Mir kommen die hellen Sterne

Als wie zwei Aeuglein vor.

 

Weiß nicht, wie das mich fasset!

Wahrlich, es ist kein Wahn –

Die Züge der Geliebten

Sie lächeln hold mich an.

Vorgefühl

 

Der Abschied ist genommen,

Und Tücher wehen noch,

Und keine Thränen kommen,

O sagt, was ist es doch?

 

Wir sparen unsre Thränen

Auf fröhlich Wiedersehn,

Die Freude, kann sie weinen,

Ist noch einmal so schön!

Auf der Station

 

Nur eine Stunde sah ich dich,

Und sprach kein Wort mit dir,

Doch haben deine Züge sich

Tiefeingeprägt in mir.

Was du beginnst, wie du dich giebst,

Ein Zauber liegt darin –

Der Eine, den du sicher liebst,

Verwirrt mir ganz den Sinn.

 

Ich will nicht fragen, wer du bist,

Es bleibe besser fern,

Ich bin ein leidlich guter Christ,

Und mache Verse gern;

Wer dich erblickt, der schuldet dir

Ein huldigendes Wort,

Gott sei mit dir, verzeihe mir,

Und lach und reise fort!

Gefesselt

 

Liebesglück und Liebesschmerz –

Die Minute macht zum Sklaven,

O des Gottes Pfeile trafen

Mein gestählt gewappnet Herz.

 

Trage Ketten, golden süß,

Aber immer sind es Ketten,

Goldne Ketten, süße Ketten,

Aber Ketten sinds gewiß.

 

In des Lebens Blüthenzeit

Tief verletzt und schwer gebunden,

Und in Fesseln und in Wunden

Dennoch diese Seligkeit?

Nec bene cum nec sine illis

 

»Mit ihnen ist zu leben nicht,

Und ohne sie wer hielt es aus!«

Ein weiser Mann erfand den Spruch,

Der Weise nahm sich viel heraus.

Von Weibern sprach er, und ich glaub,

Der Biedermann, er hatte Recht,

Wer wüßte Herr sich ohne sie,

Wer liebend fühlte sich kein Knecht?

Wer wünschte sich der Schmerzen Zahl,

Die Leidenschaft ohn Ende bringt,

Wer lebte dieses Leben aus,

Der Liebe fern, die einzig jüngt?

Wer jauchzte nicht zum ersten Kuß,

Wer fluchte nicht der Eifersucht –

Es ist die Lieb das tolle Meer,

Die Lieb die stille Hafenbucht.

Entsetzen und Entzücken bald,

Der Liebe Freud, der Grillen Leid

Kommt über uns, da schwindelt uns –

Und das ist Höllenseligkeit.

Liebekrank

 

Die Berge stehn in Waldespracht

Die Wiesen leuchten grün,

Die Sonn am blausten Himmel lacht,

Mir wird das Herz so kühn.

 

Es ist der Frühling auf der Flur,

Es ist die Freude da,

Die Menschenbrust und die Natur

Sie fühlen sich so nah.

 

Und aus dem wunderschönen Bund

Entspringen möcht das Glück,

Blieb in dem tiefen Herzensgrund

Die Liebe nicht zurück.

 

Die Liebe hat nur Eifersucht,

Sie hat nur ewge Pein.

Sie ist es, die am Ende flucht

Dem guten Sonnenschein.

Damals

 

Es war in schönen Tagen,

Als ich so mit ihr ging,

Mein Auge mit Behagen

An ihren Zügen hing.

 

Dort unter Schattenbäumen

War eine traute Bank,

Dort faßt ich ohne Säumen

Sie um die Hüfte schlank.

 

Ihr Köpfchen legt sie leise,

Erröthend sanft an mich,

Eine Thräne eine heiße,

Aus ihrer Wimper schlich.

 

In Armen halt ich selig

Das jugendreiche Kind,

Die Athemzüge zähl ich

Und schaue schier mich blind.

 

Ob sie mich liebt? Ich leide

Den Tod, o daß ich wüßt!

Da hatten wir uns Beide

Zu gleicher Zeit geküßt.

Beglaubigung

 

Ich liebe dich, das weißt du;

Ob du mich wieder liebst?

Mit klopfendem Herzen las ichs

Im Briefe, den du schriebst.

 

Doch erst wenn in die Arme

Ich bald dich schließen kann,

Dich küssen und dich herzen,

Hab ich den Glauben dran.

Das flaue Herz

 

Du ließest mich in Bethörung,

Hinschmachten stets auf's Neue,

Nahmst deines Wesens Verehrung

Lächelnd hin ohne Scheue,

Sahst meiner Seele Verstörung,

Und fühltest nimmer Reue.

Sprich, Weib, ist es Verschwörung?

Sprich, ist es Herzensfläue?

O gibt es keine Erhörung

Für so viel Liebe und Treue!

Schlummerhaft

 

Wieder an dem späten Abend

Lieg ich auf dem Kanape,

Alle Welt ist schlafengangen,

Hab ein Lied mir angefangen,

Träume von der hohen See.

 

Wo auf heimgewandtem Schiffe

Ein verliebter Dichter sitzt,

Wo die stummen Wolken jagen,

Wo die sanften Wellen schagen,

Wos am Himmel ferne blitzt.

 

Wo der Mond am Meeressaume

Wie die gelbe Rose blüht –

Alles in bewegter Stille,

Wo die Seele sonder Wille

Sich erschließet zu dem Lied –

 

Aber ich in enger Stube

Nicke beim Gedanken ein,

Daß er sich zum Traum verflechte,

Und die schwarze Zeit der Nächte

Fülle mit belebtem Schein.

Sonntags

 

Die großen weißen Flocken

Fliegen so leis und matt,

Freudige Festtagsglocken

Läuten über die Stadt.

 

Da sitz ich am Tisch und schreibe,

Schreibe wie mir es glückt,

Dort an eisblumiger Scheibe

Hungrig ein Vöglein pickt.

 

In meiner Stub hierinnen

Ist es so warm und still,

Ich fange mich an zu besinnen

Was dir ich schreiben will.

 

In kalten Kirchenräumen

Betest du jetzt für mich,

Und Ich weiß nur zu träumen

Und thue Nichts für dich.

Leichter Sinn

 

Und wär meine Sehnsucht alle gestillt,

Und wäre mein heißester Wunsch erfüllt,

So bliebe

Die Zukunft mir zur Qual verhüllt –

Denn ohne Schmerzen keine Liebe.

 

Und dächt ich an Krankheit oder Tod,

An Alles, was Menschenglück bedroht,

So triebe

Am schaurigen Abgrund schnell mein Boot –

Denn ohne Schmerzen keine Liebe.

 

Drum besser, mit leichtem lockeren Sinn

Zu segeln über die Tiefe dahin!

Es bliebe

Mir sonst nur voller Schmerzensgewinn –

Ach! ohne Hoffnung keine Liebe!

Trennung

 

Ich steh bei meinen vielen Büchern;

Ich geh spazieren durch den Wald –

Und weiß dabei von keinem klügern,

Von keinem schönern Aufenthalt.

 

Ich sitz in meiner trauten Schenke,

Bei lieben Freunden und beim Wein,

Und weil ich just nicht an dich denke,

So glaub ich überfroh zu sein.

 

Da übermannt mich oft ein Sehnen,

Der Zufall hat mirs angethan,

Und mir entstürzen schier die Thränen,

Und bittre Wehmuth faßt mich an.

 

Dann kann mich, ach, nur das erfreuen,

Daß gleicher Schmerz zu dir auch spricht,

Daß er sich täglich wird erneuen –

Und dennoch, wünsch ich dir ihn nicht.

Nur weiter

 

Der Feuerwagen rollt durch den Wald,

Der Boden dröhnet, der Hügel hallt,

Es tanzet die Buche,

Die alte die kluge

Im Wirbelreigen

Mit Pappel und Eichen.

 

Vorbei, vorbei am schwirrenden Feld!

O laßt mich durchrasen die ganze Welt!

Das ist ein Eilwagen,

Der will mir behagen,

Wie Donner braust er,

Wie Sturmwind saust er.

 

Ob Alles zertrümmert, ob Alles zerstiebt!

Bin toll geworden, bin sterblich verliebt.

Ihre Schelmenaugen,

Die gar nichts taugen,

Sind in mich gefahren,

Die Unverlöschbaren.

 

Hab keinen Frieden, hab keine Ruh,

Und ging es zehnmal dem Teufel zu:

Er sei mein Begleiter,

Nur weiter, nur weiter!

Ermatten, Ermüden

Bringt mir vielleicht Frieden.

Jägerlied

 

Wenn über Berg und Buchenwald

Der Abendstern erglüht,

Die Heerdenglocke heimwärts schallt,

Der Hirsch zum Dickicht flieht,

Wenn Alles erst im Schlummer liegt,

Vom Mondenfrieden eingewiegt,

Dann such ich weit im Feld

Mein Liebstes auf der Welt.

 

Ich darf mein Lieb am Tage nicht,

Nicht in dem Hause sehn,

Ich seh sie nur im Mondenlicht,

Drin ist sie doppelt schön.

Der alte Vetter ist mir gram,

Mit einem bessern Bräutigam

Wird allezeit gequält

Mein Liebstes auf der Welt.

 

Doch ist sie treu und harret aus,

Und liebt auch um so mehr,

Ich bring ihr nächtlich einen Strauß,

Vom Thau der Thränen schwer.

O endet bald nicht unsre Noth,

Ich schieße mich und sie noch todt,

Dann bleibt mir zugesellt

Mein Liebstes auf der Welt.

Triumph

 

Wo ich gehe, wo ich stehe,

Ist mir, als ob ich dich sehe,

Jeder Zug der Luft, des Windes

Haucht den Namen meines Kindes;

Wo du bist,

Fühl ich deine Nähe.

 

Weiltest du auf Meeresfernen,

Unter heißen fremden Sternen,

Wärst du gar in andern Räumen,

Dort, wovon wir kaum noch träumen,

Will ich dich

Herzuzaubern lernen.

 

Sollt ich nie dich auch erringen,

Kann dich der Gedanke zwingen,

Sollten nie sie mein dich nennen,

Kann dich doch der Raum nicht trennen,

Denn der Geist

Hat gefeite Schwingen.

 

Soll der Tod dich selber minnen,

Kannst du nicht der Welt entrinnen –

Heimath aber ist die große

Ganze Welt, die endelose!

Ein Betrug

Ist das Wort: von hinnen.

Abendfriede

 

Schwebe, Mond, im tiefen Blau

Ueber Berg und Höhn,

Sprudle Wasser, blinke Thau!

Nacht, wie bist du schön!

 

Spiegle See den reinen Strahl!

Friedeathmend lind

Durch das wiesenhelle Thal

Walle, weicher Wind!

 

Wie durch einen Zauberschlag

Bin ich umgestimmt

Von Gedanken, die der Tag

Bringt und wieder nimmt.

 

Daß es auch ein Sterben gibt,

Fühl ich ohne Schmerz,

Was ich liebe, was mich liebt,

Geht mir still durchs Herz.

An die Sonne

 

O jugendliche Sonne,

Du bräutlich Himmelslicht,

Du bleibe meine Wonne,

Dir bleibe mein Gedicht!

So lang die Flammentriebe

In mir noch ungestillt,

Des Geistes und der Liebe

Bleibst du das schönste Bild.

Lied der Jugend

 

Wenn ich vierzig Jahre bin,

Will ich weise werden,

Oder einen andern Sinn

Gebt mir und Geberden!

Ja, ich trotze der Gefahr

In des Lebens Stürmen,

Mag sie um mich her sogar

Wellenhoch sich thürmen.

 

Billig ist und leicht genug,

Was ihr lehrt zu meiden,

Auszuweichen feig und klug

Menschenwürdgen Leiden;

Und zufrieden freut ihr euch

Eures dürftgen Looses,

Und verbannt aus eurem Reich

Kühnes ist und Großes.

 

Wie nach Ungewittern nur

Unser Athem schmachtet,

Wenn es über schwüler Flur

Ohne Kühlung nachtet,

So verlanget allezeit

Uns nach Leidenschaften,

Weil wir in Alltäglichkeit

Welkten und erschlafften.

 

Die wir jung und muthig sind,

Lassen Segel schwellen

Mit der Leidenschaften Wind,

Auf empörten Wellen,

Während, die da weise sind,

Rudern fern der Scylle

Und Charybdis ohne Wind

Durch die Wasserstille.

In der Früh

 

Die Sonn ist aufgegangen,

Ich steh im Thau der Flur,

Die Glockenblumen prangen

Und schillern im Azur.

 

Die süßen Strahlen scheuchten

Die lange schwarze Nacht,

Und Wald und Wiesen leuchten

Wie funkelnder Smaragd.

 

Die Frühlingsnelken blühen

Wie glühender Rubin,

Wie Diamanten sprühen

Die Tropfen im Jasmin.

 

Und von den Wasserfällen

Die Perle glänzend rollt,

Es blitzet aus den Quellen

Wie Silber und wie Gold.

 

O Liebste, wie beschenk ich

Mit all dem Schmuck dich gleich?

Durch dieses Liedchen denk ich

Mach ich mein Liebchen reich!

Jetzt

 

An deinem Aug, o liebes Kind,

So oft hab ich gehangen,

Du schautest in den leeren Wind,

Und kanntest mein Verlangen?

 

Wie umgewandelt bist du heut,

Warum jetzt so viel Küsse,

Warum für mich kein Herzeleid

Und kluge Hindernisse?

 

Drum hast du Nichts von Lieb gewußt,

Du hattest mich nur gerne –

Heut aber gingen dir in der Brust

Hochauf die goldnen Sterne.

Geschichte

 

Es waren einmal zwei Brüder,

Gar treu zusammengesellt,

Keine treuere gibt wieder,

So lang besteht die Welt.

 

Sie liebten sich so innig,

Wer hätt es einst gedacht,

Daß Einer doch abtrünnig

Ein schönes Weib gemacht?

 

Ist auch – eine alte Geschichte,

Die nur zu oft geschieht,

Und leider nie so schlichte

Als wie in diesem Lied.

Sehnsucht im Herbst

 

O welch ein Lied mit süßen Heimathsklängen,

Welch ein Akkord voll Glück und Schmerz,

Als ob die Nachtigallen alle sängen,

Erregt aufs Neue mir das Herz!

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn?

Ihr Nachtigallen, könnt ich mit euch ziehn!

 

Mich zieht es hin zu jenen linden Lüften,

Wie es den Vogel nach dem Maimond zieht,

Zu Lorbeerhainen, ach zu Sonnentriften!

Mein Vaterland ist, wo der Frühling blüht,

Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht!

Mein Sinn, mein – Trübsinn nach der Heimath steht!

 

O lockend Lied, wer ist wie du beredt?

Lied

 

Gebt eine Leyer mir von Golde,

Gebt mir des Zephyrs zarte Hand,

Daß mir ein Lied auf jene Holde

Gelinge, die mein Herz verstand!

 

Ein hoher Stern ging sie vorüber

An meines Lebens Düsterheit,

Und manche Wolke ward noch trüber

Seitdem als sonst in trüber Zeit.

 

Gefällig Jedem, nie gefallsam,

Gefährlich immer meiner Ruh,

Schloß sie mit ihrer Anmuth Balsam

Zugleich der Seele Wunden zu.

 

Mit solchem Wuchse, reich an Jugend,

Mit solchem Blick, in Gluthen mild,

War sie der Schönheit und der Tugend

Verwirrend und erlösend Bild.

 

Soll ich vergessen, soll gedenken

Ich ihrer oft mit süßem Schmerz?

Vergessen heißt, ich soll sie kränken,

Erinnerung bricht mir das Herz.

Zu Dir

 

Ich habe keine Ruhe mehr,

Es treibt mich hin zu dir,

O daß ich Liebste bei dir wär,

O daß du wärst bei mir!

 

Nun hab ich lange ausgeharrt

Im widrigen Geschick,

Und länger bleib und länger wart

Ich keinen Augenblick.

 

Ich komme schneller als der Wind,

Rastloser Qual bewußt,

Und bis ich wieder Ruhe find,

Lieg ich an deiner Brust.

Lorleilied

 

Was ist dort oben? Vorbei! vorbei!

Gott helf uns Allen – die Lorelei!

Ihre Sternenaugen werben,

Wir fahren ins helle Verderben!

 

Vom Felsen flattert ein Dohlenschwarm,

Sie winkt mit ihrem weißen Arm,

Sie singt mit fester Stimme

Das alte Lied das schlimme.

 

Ach hört, ach seht, wie schön ist sie!

Wie süß fließt ihre Melodie!

Im Takte wogen die Wellen,

O rudert, rudert Gesellen!

 

Sie singt und winkt, das Echo spricht,

Durch Wolken flimmert das Neumondlicht.

Sie selber wirft ein Scheinen

Von Gold und Edelsteinen.

 

Ach hört, ach hört! Nein höret sie nicht!

Ach seht, nein seht nicht in ihr Gesicht!

Ihr könnt das Schauen nicht lassen,

Der Strudel wird uns erfassen.

 

Ihr lockigen Männer, herauf, herbei!

Wer holt sich von euch die Lorelei?

Ihr feurigen Jünglingsherzen

Ich schmachte nach euch mit Schmerzen

 

Herauf! herbei! Herauf, herbei!

Wer holt mich? singet die Lorelei.

Hört ihr die Hexe lachen?

Im Abgrund wirbelt der Nachen.

Naturstimme

 

Ich steh auf hohem Berge,

Im Wind, tief unter mir

Die rauschenden Buchenwipfel –

Wie einsam ist es hier!

 

Die Sonn ist untergegangen,

Sogar das Abendroth

In Wolkengrüfte gesunken,

Der schöne Tag ist todt.

 

Schwarz hüllt sich ein der Thalgrund

In wallenden Nebelflor,

Draus recket die dunkeln Häupter

Das Hochgebirg empor.

 

Und tief ins Herz erschrocken

Halt ich den Odem an,

Furcht überschleicht mein Wesen,

Die ich nicht meistern kann.

 

So sanken finstre Schatten

Auch in die Seele mir,

So dunkelt es in mir selber

Wie einsam ist es hier.

Lenz im Land

 

Von Blumen will ich wieder singen

Vom Sonnenschein, vom Mai,

Von Wanderlust und Becherklingen!

Entweiche, Grübelei!

 

Ich sang und sprach vom Menschenthume

Und gegen Tyrannei,

Und unbekümmert um die Blume

Durchjammert ich den Mai.

 

Ich sang mit eifernder Geberde –

Mein Frühling, o verzeih!

An aller Lust der grünen Erde

Ging ich im Zorn vorbei.

 

Dem Vaterland wollt ich entrinnen,

Weil es nicht stark und frei –

Da schmeichelt meinen spröden Sinnen

Der heimathliche Mai.

 

Der Frühling ist mir nachgesprungen

Mit hellem Jubelschrei,

Und mit beredten Blüthenzungen

Bekehrte mich der Mai.

Wehmuth

 

Süße Wehmuth, liebe, treue,

Kaumgekannte, langentbehrte,

Die ich zu besingen scheue,

Weil ich wohl belächelt werde –

Süße Wehmuth, heißgenährte,

Ströme, ström in Liedern aus!

 

Sprecht ihr Weisen, sprecht ihr Thoren,

Nach verrauschten schönen Tagen,

Deren Wonne sich verloren

In gewohnte Zeit der Plagen,

Liebe, süße, schöne Klagen

Sind nicht diese Trost allein?

Sonne

 

Und wieder kam die Sonne

Ins große Thal des Rheins,

Und hat gebracht die Wonne

Des warmen Sonnenscheins.

 

Sie kam herfür die Berge

Und zündete ins Gras,

Und ihre ersten Werke

Die Blumen waren das.

 

Und wie sie durchs Gebüsche

Die Bächlein aufgeküßt,

Da schwammen auf die Fische

Und haben sie gegrüßt.

 

Und wie sie aus den Bäumen

Das junge Laub gelockt,

Hat in den grünen Räumen

Kein Lied und Laut gestockt.

 

Und wie sie ganz den Winter

Verjagt mit ihrem Strahl –

Die schönen Menschenkinder

Hinsprangen in das Thal.

Lust

 

O wie wundervoll, wie lieblich

O wie lustig ist es jetzt!

Warum ist es auch nicht üblich,

Daß man kindisch sich ergötzt?

 

Ich will hüpfen, ich will springen

Jubeln in den Tag hinein,

In der Welle mich verjüngen,

Die sich wälzt im Sonnenschein!

 

Denn die Erde, drauf ich wohne,

Hab ich nie so schön gesehn,

Nie so reich die Wälderkrone,

Nie so lind der Winde Wehn.

 

Nie so rosenroth die Rosen,

Nie so murmelliederreich

Hört den Wasserfall ich tosen

In den spiegelblauen Teich.

 

Nie so königlich den Himmel

Hab ich andersmal erblickt,

Und das liebe Volksgewimmel

Hat sich nie so bunt gedrückt.

 

Will doch Alles zu dem Lenze

Gläubge Seelen, alt und jung –

Festgedichte, Opferkränze

Deuten ewge Huldigung!

Verliebt

 

Es schweifen die Gedanken

Hinaus in die weite Welt,

Und suchen was einer Seele

Vor allem Andern gefällt.

 

Sie ziehen über die Berge,

Zu Stadt und Wald und Flur,

Durchjagen in allen Gestalten

Die Kunst und die Natur.

 

Sie eilen zu lachender Brüder

Viellauter Zecherlust,

Sie fliegen zu rauschenden Festen

An fröhlicher Damen Brust.

 

Zu Spiel und Tanz, zum Gastmahl,

Zu jeglichem Ohrenschmaus,

Auf Kanzel und Katheder,

Und in der Redner Haus.

 

Sie dringen in alle Tiefen

Der menschlichen Wissenschaft,

Sie träumen von der Zukunft,

Von herrlicher Männerkraft.

 

Von Waffen und von Schlachten,

Von Lorbeern, Heldenthum,

Unsterblichen großen Thaten

Und ihrem ewigen Ruhm.

 

Es schweifen die Gedanken

In die weite Welt hinaus –

Und wo sie einzig weilen,

Steht der Geliebten Haus.

Nachhall

 

Wie soll ich lernen ihn vergessen

Den heißen, einen, letzten Kuß!

O schilt ihn, Theure, nicht vermessen

So schmerzvoll süßen Abschiedsgruß!

 

Wer wollte weise sich bewachen,

Wenns heilig in dem Busen brennt –?

Die Welt mit ihren sieben Sachen

Verschlang der festliche Moment.

 

Laß, lasse mir von deinem Bilde

Die selige Erinnerung!

Des Auges Hoheit, Muth und Milde!

Und der Gestalt beseelter Schwung!

 

Ja führet wieder uns zusammen

Dereinst ein gütiges Geschick,

Ich glaube, jene ächten Flammen

Sie rufen den Moment zurück.

 

Dann Wonne! liebend hangen dürfen

An deinem Mund und hehrer Lust

Geheimnißvollen Nektar schlürfen,

Ach, aus dem Athem deiner Brust!

 

Was auch die Stunde von uns fodre,

Was des Gefühls beschwingte Kraft

– Als ewge Poesie verlodre

Das Feuer unsrer Leidenschaft!

Liebesstille

 

Schließe, Liebchen, schließe zu die Augenlieder,

Laß versiegen deiner Rede holden Fluß!

Deine Wange presse stürmisch an die meine,

Auf den Lippen schlummre süß ein ewger Kuß.

Laß uns träumen, theure Seele,

Hingeklungne Stunden wieder,

Schließe, Liebchen, schließe zu die Augenlieder,

Aber zittre du nicht, weil ich weinen muß.

 

Denk an alle, all die heißen Augenblicke,

Da die Liebe mir, du mir, ich dir gestand;

Wenn dich eine stille Wonne überwallet,

Heb die Wimper, drücke feurig mir die Hand!

Schwärme in den Seligkeiten,

Schwelg in dem verrauschten Glücke,

Denk an alle, all die heißen Augenblicke,

Da dein Herz das meine, ich das deine fand.

 

Ach! Erinnerung und reiches Angedenken

Ist allein, du weißt es, aller Liebe Lohn;

Sollte Eines je von uns, Geliebte, sterben –

So die Saite springet, zittert nach der Ton.

Wolle drum die theuren Perlen

In den Busen tief versenken!

Ach! Erinnerung und reiches Angedenken

Lindert, heilet heute künftge Schmerzen schon.

Gestern

 

Gestern war ich kühn und fröhlich,

Heute bin ich unglückselig,

Und die Stunden nach Erlösung

Weinend zähl ich.

 

Reiz des Frühlings, Schmuck des Lebens,

Ach, für mich blüht ihr vergebens!

Schafft mir einen Augenblick nur

Des Erhebens!

 

Liebesqualen muß ich klagen,

Seht, mein Hochmuth liegt erschlagen –

Dieses Elend, unerträglich,

Werd ichs tragen?

Einsam

 

So ich jetzt alleine bin,

Und kein Mensch um mich,

Jagt mein rascher Sinn

Zu dir nur hin,

Weiß und fühlt nur dich.

 

Eine Seele ganz allein

Ist lebendig todt,

Herrlich ist, zu Zwein,

Glückselig sein,

Theilen Brod und Noth!

 

Als ich deine liebe Hand

Küßte, deinen Mund

Stets zu küssen fand,

War grünes Land

Mir der Wüstengrund.

 

So ich jetzt alleine bin,

Und kein Mensch um mich,

Fühlt mein öder Sinn

Durch Blumen hin

In den Wüsten sich.

Maimorgen

 

In Garten bin ich gangen,

Zu wandeln in dem Sonnenschein,

Da fällt mir mein lieb Liebchen ein

Mit ihren Rosenwangen

Und klaren Aeugelein.

 

Ich hab zu mir gesprochen

So recht im Stillen noch einmal:

Sie litt um mich viel bittre Qual,

Ihr Herz ist schier gebrochen

In Thränen ohne Zahl.

 

Sie wollt an mir verzagen,

An meiner Lieb an meiner Treu,

Und glaubte schon an Rank und Reu,

Und fürchtete, zu fragen,

Bekümmert seelenscheu.

 

Sie aber kann nicht wanken.

Sie ist so lieb, so treu, so gut,

Es lebt in ihr die alte Glut –

Die Lieb ist ohne Schranken,

Sie ist ihr Lebensblut.

 

Und kannst du es nicht fassen,

Wenn unsre Lieb sollt schlummern ein,

So schwör ichs hier beim Sonnenschein,

Ich kann von dir nicht lassen,

Ich bin noch immer dein!

 

O wunderschöne Sonne,

O Sonne du des schönsten Mais!

Als wie dein Strahl, so rein und heiß

Ist meines Herzens Wonne,

Ist meine Lieb, Gott weiß!

Dem Todten

 

Schwestern helft mir tragen

Meinen großen Schmerz,

Oder laßt mich klagen

Wie ein redlich Herz!

 

Nimmerwiederbringen

Könnt ihr mir den Freund;

Will mich schon bezwingen,

Hab ich ausgeweint.

 

Leben einzuhauchen,

Euerm Trost gebricht;

Aus den lieben Augen

Flamme losch und Licht.

 

Von den lieben Wangen

Floh das muntre Roth –

Er ist hingegangen

In den bittern Tod.

 

Herrlich und in Freuden

Lebten Herz und Geist,

Wußten nicht, was Leiden

Und Entbehren heißt.

 

In uns selber fanden

Wir Ersatz und Lust,

Lust und Hoffnung schwanden

Nimmer aus der Brust.

 

Darum will ich klagen,

Darum traurig sein,

Denn in künftgen Tagen

Weiß ich mich allein.

Einst

 

An dich allein denk ich so gerne,

Zu dir flieht mein Gedanke hin!

Die süßen braunen Augensterne

Sie gehn mir nimmer aus dem Sinn.

 

Ich muß mit ihren Feuerblicken

Sie überall und immer sehn,

Sie kommen meinen Traum zu schmücken,

Ich seh sie Nachts am Himmel stehn.

 

Denk ich der Stunden jener trauten,

Da wir wie Kinder fort und fort

Uns lächelnd in die Augen schauten,

Beseligt ohne Kuß und Wort.

 

Da wir erquickten Geist und Sinne

An allem Trefflichen der Welt,

Da wir allmälig wurden inne,

Was uns beflügelt und beseelt. –

 

Und denk ich jenes Augenblickes,

Da ich den ersten Kuß gewagt,

Und denk ich des verrauschten Glückes,

Da du mir keinen Kuß versagt. –

 

Und denk ich, wie die Monden flossen,

Wo dann wir, Brust an Brust gepreßt,

Uns in die Arme liebend schlossen,

So innig lang, so heiß, so fest. –

 

Ach! wenn ich jener Zeit gedenke,

Die wie ein goldner Traum verblich,

Und in den alten Traum mich senke,

So weiß ich nur: ich liebte dich!

Am Ufer

 

Ueberm Wasser rauscht das Segel,

Schwellend in der Winde Wuth,

Und die hohen kalten Sterne

Blitzen aus der Wogenfluth –

Steuermann,

Bleibe fest und wohlgemuth!

 

Auf dem Schifflein treibt mein Liebchen,

Mit dem Vater zog sie fort,

Bald ja will sie wieder kommen,

Eh der Strauß am Hut verdorrt –

Steuermann,

All mein Glück hast du am Bord!

 

Ha! was ruft ihr aus den Wellen?

Sturm, verwehe nicht den Klang!

War das Lebewohl, wars Hülfruf,

War es muthiger Gesang?

Steuermann,

Deine Kühnheit macht mir bang.

 

Wolken löschen aus die Sterne,

Wilder Regen, schwarze Nacht;

Ferne Donner hör ich rollen,

Mir entschwunden ist die Yacht –

Steuermann,

Ha, du hast so toll gelacht!

An ihn von ihr

 

Mit Muth hab ichs ertragen,

Und habe kaum geweint –

In gut und bösen Tagen

Warst du mein bester Freund!

 

Nun soll ich dich vermissen,

Du bist von mir so fern –

In allen Kümmernissen

Warst du mein treuer Stern!

 

Du bist hinweg gegangen

Wohl übers weite Meer –

Doch kenn ich dein Verlangen,

Es zieht zu uns dich her!

 

O hätt ich, Freund, dich wieder,

An meiner Hand und Brust –

Ich sänge Freudenlieder,

Wie ich sie nie gewußt!

Gedenken

 

Schöner Herbst, du sei gepriesen,

Winzer mir und Winzerin!

Unter Spiel, Gesang und Tänzen

Eilte froh der Tag dahin.

Duftig stieg die Nacht hernieder,

Und nur voller tönt der Chor,

Und der Fackel lustge Flamme

Brauste mit dem Wind empor –

Auf den Hügeln, schwellenden Rebenhügeln.

 

Aber, Königin der Feste,

Deiner denk ich immerdar –

O! ich war so überglücklich,

Als ich um die Holde war!

Süßes seliges Begleiten,

Trautes Beieinandersein,

Stumme Sprache mit den Blicken,

Unter Liederklang und Wein –

Kehret wieder, frohe schöne Tage!

 

Jaget nicht so rasch, ihr Wellen,

An Erinnerungen reich!

Habt ihr, sprecht, sie nicht gesehen,

Schickt sie keinen Gruß mit euch?

Droben an den Rebenhügeln

Floßt vorüber ihr einmal,

Schautet ihr herunter grüßen

Nicht zwei Augen in das Thal,

Thränenvolle schöne blaue Augen?

Gesellenlieder

 

1. Auf der Fahrt

Es war eine Zeit, da liebt ich sie,

Die herrliche Zeit, ich vergesse sie nie,

Ihr glückliches Herz zu erfreuen,

Wie war ichs bemühet in Treuen!

 

Und hätt ich die Sonne, den Mond und die Stern

Damalen besessen, ich hätte sie gern

Dran geben mit Bändern und Schrauben

Für meinen unseligen Glauben.

 

Da rückten die fremden Reiter ein,

Da ließ mein Schatz mich stehen allein,

Und den Wanderstock nahm ich wieder

Und sung verrufene Lieder.

 

Ach, seit ich nimmermehr denk an sie,

Ist doch die beste Melodie

Aus meiner Seele verschwunden,

Und ich habe sie nimmer gefunden.

2. In Gefahr

 

Liebes Herz, verzage nicht,

Laß die bösen Menschen wüthen,

An dem Himmel wohnt das Licht

Und beleuchtet was sie brüten!

Es ist Nichts so fein gesponnen,

Endlich kommt es an die Sonnen.

 

Liebe Seele, fasse Muth!

Und ist auch dein Stündlein kommen –

Was in deiner Tiefe ruht,

Bleibt dir ewig unbenommen.

Eine Perle kann ich nennen,

Die sie dir nicht rauben können.

 

Ein Gefühl, es stärkt, es labt!

Aus den guten treuen Herzen,

Derer, die dich lieb gehabt,

Kann der Böse dich nicht merzen.

Ist die Rettung hier verloren,

Wirst du dorten neu geboren!

 

Um so theurer nur wird sein,

Unglückskind, dein Angedenken;

Zweifel auch und andre Pein

Werden dann dich nimmer kränken.

Nur um Liebe wirst du werben,

Sei getrost im bittern Sterben!

Schwermüthig Kind

 

Mein Busen ist ein baumger Wald,

Drin singen die Nachtigallen –

Doch ach, jemehr es klingt und schallt

Die Blüthen müssen fallen.

 

Viel Blumen waren aufgeglüth;

Nun ist es Herbst geworden,

Für jede schlägt ein bleiches Lied,

Und hilft sie langsam morden.

 

Es ist der Wald der Blüthen baar,

Sind alle einst verklungen;

Nur noch ein einzig Blüthenpaar

Hält innig sich umschlungen.

 

Es ist die Freundschaft und die Lieb,

Die wollen nicht verderben;

Doch ach! sie schauen drein so trüb,

Ich glaube fast, sie sterben.

Nach einem »Volkslied«

 

Hast in mir geweckt, was geschlafen still,

Die Glut flog auf, ich war so stark;

Sie war mein Bestes, was geschlafen still

Durch Seel und Mark.

 

Du hast geweckt, was geschlummert hat,

Mein kostbar Gut, und ich wußt nichts drum

Die Flamm flog auf, nun haucht sie matt,

Das Herz weinet stumm.

 

Du hütest nimmer mein Feuer und Glut,

Deine Glut verkühlet kalt und todt;

Was soll meine Flamme so heiß und gut,

So allein glühroth?

 

O fache sie an, o nähre du sie

Mit deiner Glut; sie brennt mich nun,

Versengt mir die Brust – o sag, o wie

Magst du so thun!

 

Bald muß sie sterben, dann weckt sie Niemand mehr,

Hat ausgetobt und wird kalt und todt,

Mein Herz wird leer, und schmerzt auch sehr,

War eh so glühroth.

Ihr Nachruf

 

Ich hab es tief empfunden,

Ich hab es wohl erkannt,

In unglückselgen Stunden,

Wenn ich verlassen stand

Von allen hohen Freuden,

Die heiße Liebe schafft –

Wie wenig will das Scheiden,

Die Trennung welche Kraft!

 

Wer hat mich denn erquicket,

Mich Einsame liebkost,

Wer hat mich angeblicket,

Ein süßer Augentrost,

Als du, die Lieb und Leben

Erhält im regen Schwung,

Die uns ein Gott gegeben,

Als du Erinnerung!

 

Wie, oft ans Mutterherze,

Ans treuste auf der Welt,

Ein Kind in stillem Schmerze

Mit schweren Seufzern fällt,

So bist du mir willkommen

Erinnrung treue du,

So find ich, wild beklommen,

An deinem Busen Ruh!

Gram

 

Stille Thränen fließen,

Wenn das Herz erkrankt,

Bleiche Engel grüßen,

Wo die Liebe wankt.

Furcht und Wehmuth schleichen her,

Welche nimmer weichen mehr,

Bis wir sterben müssen.

 

Du auch hast die Seele

Tödtlich mir betrübt,

Weil ichs nicht verhehle,

Daß ich dich geliebt;

Dich geliebt wie nie ein Mann

Und dich nimmer lieben kann,

Wie ich auch mich quäle.

 

Will dich drum nicht hassen,

Denn du bittest mich,

Doch du wirst es fassen,

Lassen muß ich dich.

Ach! die Kränkung war zu groß,

Sie gab mir den Todesstoß –

Und ich muß dich lassen.

Sehnsucht

 

Mitten in dem Spiel der Freuden,

In der Arbeit Drang und Lust,

Schleicht das Sehnen und das Leiden

In die unbewachte Brust.

 

Denn du weilst so fern, so ferne,

Und ich bin so ganz allein;

Und bei dir bin ich so gerne,

Und ich kann nicht bei dir sein!

 

Wie ein Röslein in dem Scherben,

Wenn es Niemand warten mag,

So verkümmern, so verderben

Muß auch ich am lichten Tag.

 

Alles Leben geht zu Grabe,

Und die Seel auch ganz zu Grund,

Wenn ich dich nicht wieder habe,

Werd ich nimmer mehr gesund.

Ihr Anblick

 

Wenn so die süße dunkle Glut

Von deinen Augen weht,

O halt es, Mädchen, mir zu gut,

Daß sie mir zündet tief ins Blut,

Und auch mein Herz in Flammen steht.

 

Traun! deine Wangen blühn so hell,

Und Schalkheit leuchtet draus,

Sie kommt und schwindet wunderschnell,

Ein liebenswürdiger Launenquell

Springt von den fröhlichen Wangen aus.

 

Wenn um den Mund dein Lächeln schwebt,

Das grüßt wie Morgenlicht!

Ich weiß nicht, werd ich neu belebt?

Das Herz, das Herz – es klopft und bebt –

Nein, länger widersteh ich nicht.

 

Ich muß dir fliegen an die Brust,

Ich muß – es ist kein Scherz!

O Süßigkeit, o stolze Lust,

So eines theuren Mädchens Brust

Zu drücken ans heiße Herz!

Jaloux

 

Hätt ich Flügel, hätt ich Waffen,

Wegzufliegen, oder keck,

Was ich wünsche, beizuschaffen,

O wir kämen bald vom Fleck –

O wir kämen bald zum Zweck!

 

Aber so nur zuzusehen,

Müssen sehen, und vergehen

So vor Wollen, Wuth und Wehen,

Und im Zirkel nur sich drehn,

Weiß der Teufel auszustehn!

 

Gänzlich unzufrieden bin ich

Mit mir wie ein lahmer Knecht,

Und was weiß ich, was beginn ich?

Hab ich Unrecht, hab ich Recht?

Würgen könnt ich mein Geschlecht!

 

Sie die Reizende, die Reine,

Die mir keinen Anlaß giebt,

Daß ich zürne, daß ich greine,

Die ich liebe, die mich liebt,

Hat mich so gekränkt betrübt.

 

Donnert Wolken doch zusammen!

Ozeane überschwellt!

Brechet aus, ihr Feuerflammen!

Praßle nieder, Himmelszelt!

Fahr in Asche, dumme Welt!

 

Ständchen

 

Lieb um Liebe tauscht ich gern,

Wäre Lieb entglommen;

Aber Liebe steht so fern,

Liebe will nicht kommen.

Liebe, Liebe nur von dir,

Liebste, wäre Liebe mir!

 

Kannst du so zufrieden sein,

Immer ohne Sorgen,

Wie der Himmel, still und rein,

Früh am Frühlingsmorgen,

Kennst du nicht des Mittags Mühn,

Nicht das süße Abendglühn?

 

Lerne Liebe, Lust und Leid

Heißer Liebe lerne!

Endlich auch im Feierkleid

Zeige dich der Sterne!

Träume selig, schmücke dich,

Aber liebst du, liebe mich!

Künstler-Farit

 

Es ist mir gut gegangen

Auf dieser schlechten Welt,

Ich wurde nicht gehangen,

Ich wurde kaum geprellt

Um tausend Lebensfreuden,

Um jede Hoffnung schier,

Und Wünsche zu vergeuden

Blieb immer übrig mir.

 

Mich brachten böse Menschen

Um Nichts etwa durch Neid,

Chinesen und Tschetschenschen

Nie in Verlegenheit;

Mich haben keine Schlangen

Der Reue je gequält,

Es ist mir gut gegangen

Auf dieser schlechten Welt.

 

Wie sollt ich ein Verächter

Des lieben Lebens sein?

So Vielen geht es schlechter

Durch selbstgeschaffne Pein.

Ich lasse mich betrügen,

Wies Andern wohlgefällt,

Und pfeife mit Vergnügen

Mein Liedchen durch die Welt.

Einigen auf Freiersfüßen

 

Necket nicht die sanften Kinder

– Hold von Augen, liebe Mädchen –

Seid für ihre Fehler blinder

Als die Basen rings im Städtchen!

Denn je klüger ihr erscheint,

Desto mehr wird still geweint.

 

Seid, ihr altgescheidten Knaben,

Doch der Artigkeit beflissen,

Lieb nur wollen sie euch haben,

Wollen Eines einzig wissen,

Ob ihr nur so fühllos thut,

Oder ob ihr ihnen gut?

 

Könnt ihr nicht für sie entbrennen,

Die ihr sonst so ungeduldig?

Müßt ihr euch denn nicht bekennen

Viel an ihrer Thorheit schuldig,

Sintemal ihr früh und spät

Ihre Köpfchen selbst verdreht?

 

O, wie mögt ihr auch mit harten

Blicken ihre Aeuglein trüben!

Kopfweh machet diesen Zarten

Alles Andre, laßt euch lieben!

O gebt allen Fröhlichkeit!

Lieb und Frohsinn macht gescheidt.

An dich

 

Mit der Kraft von tausend Herzen

Liebst du mich, ich weiß es wohl,

Darum auch von tausend Schmerzen

Stehet deine Seele voll.

 

Ist auf Erden Alles möglich,

Macht mir Eines doch nicht bang,

Nur das Eine ist unmöglich,

Unsrer Liebe Untergang!

Zu spät

 

Wir sind gar oft mit Schweigen

Aneinander vorübergegangen,

Wir wollten einander nicht zeigen

Des Herzens Sehnen und Bangen –

Und haben uns doch geliebt!

 

Wir haben zusammen gesprochen,

Uns tief in die Augen geschaut,

Das Herz ist schier gebrochen,

Wir haben uns Nichts vertrauet –

Und haben uns doch geliebt!

 

Es schwebt auf unsern Zungen

Das holde das süße Gestehen,

Wir waren so innig durchdrungen,

Wir ließen die Stunde verwehen –

Und haben uns doch geliebt!

 

Wir haben das Wort nicht gefunden,

Das Heil uns bescheeret und Frieden,

Nun bluten zeitlebens die Wunden,

Nun sind wir auf immer geschieden –

Und haben uns doch geliebt!

Volksthümlich

 

Zürnt ihr, daß ich einsam wandle,

Weder gut noch schlecht mehr handle,

Daß ich nimmer fröhlich bin –

Schmerzen hab ich viel erworben,

Ach! die Lieb ist mir gestorben,

Ach die Liebe ist dahin!

 

Täglich muß ich mirs gestehen,

Um in Thränen zu vergehen,

Einmal hab ich nur geliebt.

Kann die Liebliche nicht missen,

Will von keiner Andern wissen,

Und zum Tod bin ich betrübt.

 

Diese fürchterlichen Leiden

Können nun von mir nicht scheiden,

Und allmälig wird mirs klar,

Wie schon manche starke Seele,

Schmerzlich fühlend, was ihr fehle,

Nach dem Grabe lüstern war.

 

Bald auch werd ich nimmer leben,

Und der Hügel wird sich heben

Ueber mir und meinem Schmerz –

Traurig macht mich der Gedanke,

Daß ich so zur Grube wanke,

Aber brechen muß dies Herz.

Ritter Nativus

 

Du sollst mir den Gefallen thun,

Du augenschöne Maid,

Laß mich in deinen Armen ruhn

In stiller Heimlichkeit!

Wir kosen, wir scherzen,

Wir sinken selig hin,

Und lassen Herz an Herzen

Die süßen Stunden fliehn.

 

Wie traurig ist, wie trüb und trist,

Wie ohne Ziel und Zier,

Wie Freuden leer und ledig ist

Dies Alltagsleben mir!

Wie traurig, wie trübe,

Wie ohne Lenz und Licht –

Ein Leben ohne Liebe

Lohnt sich der Mühe nicht.

 

Es zündet schon der Abend traut

Die Himmelslichter an,

In grünen Wipfeln wird es laut,

Die Nachtigall voran.

Die schmeichelnden Winde

Verwehen die beste Zeit,

Komm an mein Herz geschwinde,

Du augenschöne Maid!

Schwermuth

 

Im Garten wars; die lenzigen Winde fächeln –

Abschied, Umarmung, Kuß und schmerzvoll Lächeln.

 

Die Thräne quillt, ich küß sie von den Wangen.

Ade schöne Lieb! so bin ich fortgegangen.

 

Nun bin ich fern, fern einsam herzbeklommen.

Der Abschied war vom schönsten Kind genommen.

 

Nun rieselt kalter Regen, und mich schauert.

Der Blüthenbaum im Garten friert und trauert.

 

Er träumt von süßen warmen Sonnenstrahlen.

Schau ich ihn an, gedenk ich meiner Qualen.

 

Es träumt mein Herz, es träumt in öder Ferne

Von süßem Schein aus liebem Augensterne.

 

O komm, o komm, mich sonnig zu erquicken

Und neuen Lenz in meine Brust zu schicken!

Rührender Tod

 

Tief im Gebirg auf sonnigem Grund

Da liegen zwei Genossen,

Alle Beide auf den Tod verwundt,

Alle Beid ins Herz geschossen.

 

Von Ferne toset das Gefecht

Herauf zum grünen Walde,

Die Schüsse knattern so regelrecht

Und säubern Trift und Halde.

 

Die Beiden aber lagen im Moos

Und schauten, treuen Blickes,

In des Himmels dunkelblauen Schoos

Und harrten ihres Geschickes.

 

Sie liegen viele Schritte fern –

Das schmerzet mehr als die Wunde,

Sie wären bei einander so gern

In der bittern Todesstunde!

 

Und mit unendlicher Liebesmüh

Rücken sie näher und näher;

O Bruder, stirb mir nicht zu früh,

Ich sterbe sonst so eher.

 

Sie haben sich mit stiller Glut

In ihre Arme geschlossen,

Und ihre Thränen und ihr Blut

In Eins zusammen flossen.

 

Sie küssen sich und schaun sich an,

Der Eine und der Ander,

Und lächeln freundlich dann und wann,

Und sterben mit einander.

Erotisches aus einem erzählenden Gedichte »Faust«

 

1. (Faust)

Selig machet, glaubt es nicht, der Glaube,

Selig nicht die Hoffnung, nicht der Traum,

Selig macht die Mitschuld an dem Raube

Süßer Früchte von des Lebens Baum.

Ist Vertröstung Trost?

Labewein der Most?

Glaube, Hoffnung, Traum ist eitler Schaum.

 

Stürz o Herrliche in starke Arme!

Aug in Auge glüh und Mund auf Mund!

Hier an meiner treuen Brust erwarme,

Küsse, kose, herze dich gesund!

Im Genuß des Glücks,

In des Augenblicks

Vollgenusse wird nur Wahrheit kund.

 

Seligkeit ist Siegerbeute dessen,

Der sich köstlichen Besitzes freut,

Aber Seligkeit ist im Vergessen,

Im Empfangen, Geben – Seligkeit!

Weiß ich dies allein,

Brecht ihr Himmel ein!

Liebetrunkenen geschieht kein Leid.

2. (Faust)

 

Mein Herz erglüht in Träumen,

Es sprudelt launetoll,

Wie Becher überschäumen

Herrlichen Weines voll.

 

Von deinem süßen Bilde

Ist es berauscht, beseelt,

Wann hab ich je so wilde

So selige Schläge gezählt!

 

Die Nacht ist angebrochen,

Die feierliche Nacht,

Von der du mir versprochen,

Daß sie mich glücklich macht.

3. (Faust)

 

Du schlugest auf die holden Augenlieder,

Da grüßte michs wie junger Frühlingsschein;

Was in mir schlummerte, erwachte wieder,

Und in mich selber zog der Frühling ein.

 

Verworrener Gedanken wild Getriebe

Arbeitete mir längst die Seele wund,

Ich fühlt es wohl, es fehlte mir die Liebe,

Und deine Liebe machte mich gesund.

 

Denn durch die Liebe leben wir im Leben,

Und ohne Liebe bist du ein Gespenst,

Ein ewig Fliehn, ein Niezufriedengeben,

Das ist dein Loos, eh du die Liebe kennst.

4. (Faust)

 

Es ist der sanften Triebe

Friedfertige Gewalt,

Die brüderliche Liebe

Entschlafen o so bald!

Dein Geist und deine Schönheit

Trafen mein Herz so jäh,

Mit ihrem kühnen Strahle,

Daß ich in Flammen steh.

 

Nun ist auch der Gedanken

Unbändiger Sturmwind los –

Ich muß ins Meer versinken,

Ins Meer der Wonne sinken,

O Königin der Seele

Ich sinke in deinen Schoos!

5. (Faust)

 

Nur einmal noch, bevor ich sterbe,

Möcht ich die Holde wieder sehen,

Die einst mir Liebe zugeschworen,

Und dann verrätherisch entfloh!

 

Es war ein Weib so räthselhaften

Und süßen Wesens doch so göttlich,

Aus den geheimnißtiefen Augen

Werd ich verwundet, nimmer klug.

 

Wohin, warum ist sie geflohen,

Die Leidenschaft nur war und Liebe?

O dürft ich, einmal noch, erschauen

Mein Blumenhaupt, mein Elfenkind!

6. (Faust)

 

Warum umarmst du nicht das schlanke Mädchen?

Sie steht vor dir mit heißem Blick –

So kühn und schön, und du, du liebst das Mädchen,

Und du, Verzagter, bebst zurück?

 

Sie trägt dein Bildniß in dem weichen Herzen,

Es schlägt für dich so liebewarm;

Den günstgen Augenblick willst du verscherzen,

Sie flöge stolz in deinen Arm!

 

Nur für einander wurdet ihr geschaffen –

Rasch, einen Kuß zum süßen Bund!

Ihr Glücklichen, die Edlen und die Laffen

Sie thun euch ihren Beifall kund!

 

Willst du verglühen ohne heitre Flamme?

Du unternimmst, was dir verhaßt?

Gleichgültigkeit hat solches Thun zur Amme,

Du spürest wie dich Irrsinn faßt.

7. (Faust)

 

In ihren Träumen wird die Trübsal wohnen,

Gib Acht, daß dir nicht einmal bangt!

Du kannst die stumme Treue ihr nicht lohnen,

Wie es dein stolzes Herz verlangt.

 

Du kannst vom Schlaf ihr nicht den Treuen beschwören,

Der ihr ein Schreckensende malt,

Du hast kein Recht die Thränen ihr zu wehren,

Hast über Thränen nicht Gewalt!

 

Und dennoch, willst du feig dich selber narren!

Weil ewige Treue dir nicht frommt,

In jedem Lenze klügelnd weiterharren,

Ob nicht ein bessrer Frühling kommt?

 

Willst du, solange noch die Augen blitzen,

So lang dich Jugend noch durchbraust,

Ein angestaunter Weiser trauernd sitzen,

Bis endlich vor dir selbst dir graust?

 

Und siehst du nicht der Hoffnung Sterne schimmern

Am Wolkenhimmel fern herauf?

Entschlossen baue, wenn auch über Trümmern,

Der Liebe goldnen Tempel auf!

8. (Faust)

 

Vertraue mir, du Einzige,

Und glaub an mich den Mann,

Dem du zum Tode Treue schwurst,

Der dich nicht missen kann;

Der jeder Hoffnung, jedem Wunsch

Der heißgeliebten Braut

Erfüllung kühn versprechen darf,

Weil er sich selbst vertraut.

 

Verzage nicht, o Seele du,

Und halt an Einem fest,

Der, weil er deine Treue weiß,

Sich selber nicht verläßt;

Der auch dem härtesten Geschick

Und dessen schwerstem Schlag

Ein stählern Herz entgegensetzt,

Woher es treffen mag!

 

Seit ich das erste Lächeln sah

Für mich auf deinem Mund,

Seitdem die erste Thräne dir,

Der Lieb im Auge stund,

Seit du zum ersten Mal dich warfst

Mit Küssen an mein Herz,

Seitdem ergreift mich nur um dich

Um dich nur Freud und Schmerz.

9. (Faust)

 

Du glaubest nicht an meine Liebe,

Und kannst mich weinend gehen sehn!

Und wenn ichs mit dem Herzblut schriebe,

Du willst mich nimmer mehr verstehn.

 

So lasse dir noch Eines sagen –

So schmieg an meine Brust dein Haupt,

Hör dir mein Herz entgegenschlagen,

Und fühle, was du nicht geglaubt.

 

Dann lasse mich die Lippen drücken,

Die dürstenden, auf deinen Mund,

Und seine Süßigkeiten pflücken,

So wird dir meine Liebe kund!

 

Laß dich umschlingen, laß umfangen

Dich, die nicht häßlich wie der Zwang,

Und büßen mein gerecht Verlangen

In deinen Armen heiß und lang!

 

Dich lieb ich – und der Erdengötter

Sei über uns nicht Einer Herr!

Ach, um Zeloten oder Spötter

Bekümmert sich kein Glücklicher.

 

Du mußt den Zweifel überwinden,

Vertrauen ist Entschluß und That,

Wirst du kein ander Herz doch finden,

Der solche Kraft des Liebens hat!

10. (Gotthilde)

 

O bis zum Vermessen

Liebt ich dich so sehr,

Du, hast mich vergessen,

Du, liebst mich nicht mehr.

Deine Küsse zünden

Noch so tief und süß,

Und es sollte schwinden,

Was sie zünden hieß?

 

Glut, du bist verglommen,

Flamme, du bist todt,

Die mich einst benommen

Aller Erdennoth;

Als wir treu zusammen

Theilten Freud und Leid,

Und die heilgen Flammen

Schürte nur – der Neid!

 

O wer kann ihn messen

Diesen bittern Schmerz?

O wer kann vergessen

So ein treues Herz!

Eine Seele schicken

In das dunkle Nichts,

Und zum Himmel blicken

Frischen Angesichts!

 

Paradiese schenken

Heute seelengroß,

Morgen tödtlich kränken,

Ruhig reuelos;

Unter Menschen wandeln,

Heischen ihre Huld,

Leben, wirken, handeln,

In der Brust die Schuld!

11. (Gotthilde)

 

An deinen frischen Lippen

Hing ich so glühend und so bang –

So manches liebe manches Mal –

Da ging mir durch die Seele tief

Ein wunderbarer Drang.

 

In deinen schönen Gliedern

Entschlummert ich mit heißem Blut

So manches liebe manches Mal,

Da ward mir, o so todessüß,

So überwohl zu Muth.

 

Warum in deinen Blicken

Kein hold Verlangen nimmermehr?

O wehe mir, ach, nimmermehr!

Da zieht es auch in meine Brust

So todt, so freudenleer.

12. (Gotthilde)

 

Wenn nur ein Gefühl der Liebe

Noch zu mir dich zieht,

Einer jener Triebe

Deine Brust durchglüht,

O so küsse, Theurer, mich denn noch einmal,

O so sende deiner Augen einen Strahl

In mein armes krankes Herz!

 

Schmerz um dich und wilde Qualen

Hab ich heiß gepflegt,

Mich zu tausendmalen

Schlummerlos gelegt.

O verstehe du den ausgeweinten Blick,

O nicht ganz zusammen brich mein zitternd Glück

Und mein armes krankes Herz!

 

Du nur kannst mir neubeleben

Den erloschnen Muth,

Du nur wiedergeben

Heitre Lebensglut.

O so küsse, Theurer, mich denn noch einmal,

Nur dein Kuß erweckt und nur dein Augenstrahl

Dieses arme kranke Herz!

13. (Faust)

 

Ach! die vergangenen Freuden

Die waren wohl so schön!

Jetzt will mir Alles verleiden

Verwehen und vergehn.

 

Es bricht mir überm Haupte

Die finstre Zeit herein,

Und was ich niemals glaubte,

Das trifft allmälig ein.

14. (Faust)

 

Was ist, daß allerorten

Mich meidet Lieb und Lust,

Ich glaube mir verdorrten

Die Rosen in der Brust.

 

Es fallen so viele Sterne

Vom Firmament herab,

Es gähnet aus der Ferne

Mich an wie Nacht und Grab.

15. (Faust)

 

Ich hatte Freund und Feinde,

Schuf mir und ihnen Weh,

Ich bin so müd, ihr Freunde,

Gebt mir die Hand, ade!

 

Ich möchte gerne schlafen

In einem wiegenden Kahn,

Der endlich in dem Hafen

Der ewigen Ruh hielt an.

16. (Faust)

 

Es war doch nur im Spielen,

Was ich bis heut errang,

So wenig von dem Vielen,

Was ich gewollt, gelang.

 

Ich trat in einen Orden,

Der Trost und Antwort hat,

Ich bin mir untreu worden,

Ich bin des Lebens satt.

17. (Faust)

 

Wie, rosig in Nacht und Schlummer,

Die Abendwolken verblühn,

So will ein stiller Kummer

In meiner Brust verglühn.

 

Der Abendstern der blanke

Steigt in das Blau herauf,

So steht ein heller Gedanke

In meiner Seele auf.

18. (Faust)

 

Nun hab ichs endlich überstanden,

Ich fühle mich so frei und froh,

Weil ich aus den verruchten Banden

Mit einer kühnen That entfloh;

Ich hab auf ewig sie verschworen

Die schmähliche Vergangenheit.

Von heute bin ich neu geboren.

Und morgen kommt die bessre Zeit.

 

Schon hat das Glück mir hergesendet

Aus seiner Sonne einen Strahl,

Ich jauchze, denn sie ist geendet,

Die tausendfache Seelenqual.

Dich, goldne Freiheit, hab ich wieder,

Mir schickt die Freude ihren Gruß,

Und zu mir selber kehr ich wieder

Und meinem heitern Genius!

Ein Abschied

 

»Laß, o laß mich weinen, laß mich klagen,

Wolle nicht nach meinen Thränen fragen,

Ach mein Klagen, ach mein seltsam Weinen

Locket in die Augen auch die Deinen.

Leb wohl, leb wohl!

Ich weiß nicht, was ich sagen soll.

Und was ich gerne sagen möcht,

Ueber die Zung ichs nimmer brächt.

 

Blicke freundlich, liebe gute Seele,

Deinen stillen Kummer nicht verhehle!

Sprich du nur, in einem sanften Herzen

Will ich treu bewahren deine Schmerzen.

Du bist so weich,

Ach, schönes Kind, du bist so bleich!

Gib mir die Hand, wie stumm du bist!

Du weißt, daß man zum Abschied küßt.

 

Laß, o laß, denn ich muß immer weinen,

Mond und Sonne werden nicht mehr scheinen,

Lenz und Lust sind ewig mir verflogen,

Mit den Schwalben sind sie fortgezogen.

Du theurer Mann!

Verzeih, daß ich nur weinen kann.

Ein Wörtlein drückt das Herz mir ab,

Und Schweigen selber ist mein Grab.«

 

Kannst du reden nicht, und kannst nicht schweigen,

Möchtest mir dein ganzes Innre zeigen –

Lebe wohl! laß dich zum Abschied küssen;

Sollten wir für immer scheiden müssen?

Geliebte du!

Nimm diesen Kuß und den dazu!

Schon sind wir uns gesunken, sieh!

Ans Herz und wissen selbst nicht wie.

Maria

 

Unter allen Schmerzen,

Die mir zugetheilt,

Wühlet mir im wunden Herzen

Einer, der nicht heilt,

Den ich stets erneue –

Ach, unsäglich ist der Schmerz der Reue!

 

Reue, daß ich Einen

Von mir lassen hieß,

Heiße, bittre Thränen weinen

Einen weinen ließ;

Den ich treulos nannte,

Einzig liebte, liebt und ganz verkannte.

 

Könnt ich rufen, weinen

Ihn, ach ihn zurück,

Ohne Thränen ließ ich keinen,

Keinen Augenblick!

Doch in welchen Stunden

Habt ihr klaren Auges mich gefunden?

 

Trügen Thränenfluthen

Mich zur ewgen Ruh!

Dem willkommnen Tode bluten

Meine Wunden zu.

Im gebrochnen Herzen

Heilen alle unheilbaren Schmerzen.

Die Braut

 

So sitz ich am Morgen,

Bei Tag und Nacht,

Und geb auf die flüchtigen

Wellen Acht.

 

Die Wellen, sie kommen,

Sie bleiben, sie gehn,

Doch keine läßt wieder

Den Freund mich sehn.

 

Und bin ich zu Hause,

So treibts immer mehr

Zum Platze, dem grausigen,

Aermste mich her.

 

Die Wellen, sie wandern,

Sie kommen und nahn,

Es bringet mir keine

Den Freund heran.

 

O bin ich so einsam,

Verlassen allein!

Mein Liebster muß ewig

Verloren sein.

 

Es brüllte der Donner,

Es tobte der Bach,

Die Brück ist geborsten,

Er stürzte so jach.

 

So ist er versunken

Ins nasse Grab,

Doch muß er noch kommen

Zu mir herab.

 

Nun schau ich ins Wasser,

Sitz hin und harr,

Wann kommt sie die Leiche

So bleich und starr?

 

O schäumet ihr Wasser,

Nimm auf mich du Bach,

Und treibt mich dem Freunde,

Dem liebenden nach!

Ein Lebewohl

 

Leb wohl, ich will dich nimmer sehn,

Will Nichts mehr von dir wissen,

Ob Thränen mir im Auge stehn,

Ich hab den Schmerz verbissen.

Als wie ein Vogel flattert fort,

Als wie ein Blatt im Lenz verdorrt,

Als wie ein Lenz vergeht,

Sei unser Traum verweht!

 

Es ist vorbei, es thut kein gut,

Wir passen nicht zusammen,

In gleichem Takte springt das Blut

Und prasseln unsre Flammen.

Wir liebten uns, es war ein Wahn,

Wir beteten uns selber an.

Geheimniß, tief und groß,

Zieht an und läßt nicht los!

 

Wir konnten auf der Herzen Grund

Uns schauen und erlauschen –

Wir könnten schließen neuen Bund

Und Lieb in Freundschaft tauschen,

Geschwisterlich zusammengehn,

Uns friedlich in die Augen sehn,

Doch nein! Leb wohl, leb wohl!

– So flieht sich gleicher Pol.

Ein Sylvester-Lied

 

Wohlauf Musik zum kommenden Morgen!

Nun werf ich hinweg die bleichen Sorgen,

Den eiteln Kummer,

Den Herzensverdummer,

Und allen Gram und jeden Verdruß –

Der Freundschaft geb ich neuen Kuß!

 

Nun bringet mir wieder den schäumenden Becher,

Ich werde schon wieder ein löblicher Zecher.

In rauschende Lieder

Schwärmender Brüder

Misch ich fortan meinen Jubel ein –

Es lebe die Freude, es lebe der Wein!

 

Das lumpichte Schmachten, das leidige Sehnen

Es tauget nicht, bringt statt Gedanken nur Thränen,

Nur Wanken und Schwanken,

Grübeln und Kranken,

Ein mißtrauisch Wesen, Jedwedem Halbfeind,

Und bringt zur Verzweiflung den besten Freund.

 

Begraben der Liebe Lust und Schmerzen!

Ich habe euch wieder, ihr fröhlichen Herzen!

Die kleinen Leiden

Sterben und scheiden,

Wir kosten den schönen Augenblick,

Und träumen laut von der Zukunft Glück.

 

Drum sollen sich alle Stimmen lösen,

Es ist ein tüchtiges Herz genesen.

Gesang erschalle,

Der Böller knalle!

Schaut vorwärts nur und nie zurück –

Gesundheit Brüder! Wohlauf Musik!

Stern der Zecher

 

Wer schenket den Wein

Den flammenden ein?

Wer schenket den Wein, den ich trinke?

Es ist die Marianne, die flinke!

 

Der Becher ist leer –

Wer schwebet daher

Mit voller, mit blitzender Kanne?

Die Fröhliche ists, die Marianne!

 

Das tanzet und nickt,

Das lächelt und blickt

So siegenden Augs in die Runde!

Da wird zur Sekunde die Stunde.

 

Ich mag nimmer fort

Vom seligen Ort,

Ich mag nur trinken und schauen

In ihre Augen die blauen!

 

Wär sie nimmer da,

Ach sie nimmer da,

Der Wein mir mundete nimmer,

Und Alles verwünscht ich in Trümmer!

Die Harmlosen

 

So lang uns aus den Bechern

Ein volles Leben lacht,

So mag die Welt uns lächern,

Die sich Gedanken macht;

Gedanken, ob es schicklich,

Zu tollen bei dem Wein –

Wir wollen nichts als glücklich

Und ungeschoren sein!

 

Ein Häuflein von Gedanken

Durchbrauset jetzt die Welt,

Und aus den alten Schranken

Tritt ein verjüngter Held.

Er wird dereinst besiegen

Die alte morsche Macht,

Das stolze Reich der Lügen

Umstürzen über Nacht.

 

Wir halten an den Bechern,

Sie trösten heut allein –

Bis Zeit ist, von den Dächern

Zu predigen vom Wein!

Es soll der Wein der Reben

Verscheuchen jeden Schmerz;

Der Liebe Wein beleben

Berauschen jedes Herz!

 

So lange drum gebunden

Die Zunge und der Arm,

Verzechen wir die Stunden,

Verjubeln wir den Harm.

Wir fragen nicht, ob schicklich,

Zu tollen bei dem Wein –

Und wollen nichts als glücklich

Und ungeschoren sein.

Unbestimmtheit

 

War ich nicht ein stiller Knabe?

Der in Büchern gern gelesen?

Seit ich sie gesehen habe,

Hab ich gar ein fahrig Wesen.

 

Durch die Fluren ohne Sorgen,

Durch die Wälder ohne Härmen

Möcht ich jetzt den guten Morgen

Und den lieben Mittag schwärmen.

 

Abends unter duftgen Bäumen,

Wo Musik erschallet, möchte

Ich zum trauten Becher träumen

Tief bis in die Mitternächte.

Ein Lebtag

 

Wir lagern in dem grünen Gras,

Wir ruhn im goldnen Sonnenschein,

Es blitzt der Wein im grünen Glas,

Es blitzt vom Aug der goldne Wein.

Abwechselnd Küsse geben

Dem Liebchen und den Reben,

Die Herzen und die Becher voll,

Ja – ja das heiß ich Leben!

 

Uns blaut der Himmel ins Gesicht,

Der laute Strom erquickt das Ohr,

Uns malt der Ferne Zauberlicht

Gar wunderselge Träume vor.

So Arm in Arm geschlungen,

Von Lieb und Wein durchklungen,

Sei durch den grünen hallenden Wald

Der Freude Preis gesungen.

 

Hört ihr das milde Säuseln schon?

Es kündet schattenvolle Ruh,

Es wispert durch die Buchenkron

Und küßt im Gras die Blumen zu,

Es rauschet auf und nieder

Wie singendes Gefieder,

Das sind der Tageskönigin

Schauersüße Schlummerlieder.

 

Und vor uns glüht der Himmel auf,

Auch wir sind rosig überhaucht,

Vollendet ist der Sonnenlauf!

Der große Stern ins Meer getaucht.

Die letzten Perlenfunken

Zum Scheidegruß getrunken!

Füllt an, füllt an, uns hat das Licht

Auf Wiedersehn gewunken.

 

Schaut um und auf! im tiefen Blau

Der goldne Brachmond schwimmt heran,

Er wandelt durch die Sternenau

So leuchtende verschwiegne Bahn.

Steht auf, steht auf, Genossen!

Die Nacht ist ausgegossen –

Den kühnen Wünschen in der Brust

Die Herzen aufgeschlossen!

Besitz

 

Das hat mich oft dem Glück

Der Götter nahgebracht,

Erwog ich treu, wie Liebe glücklich macht;

Nicht aber in schmachtender duftiger Fern,

Nein nein, recht in der Nähe lieb ich gern.

 

Es ist mein lieber Schatz

Ein frisches junges Blut,

Das Arm in Arm an meiner Seite ruht;

Nicht aber voll klagender nagender Pein,

Nein nein, recht voll von Küssen soll die Liebe sein.

 

Durch unsre Pulse schwellt

Das Feuer und die Kraft,

Wir halten uns zweibeid in süßer Haft;

Nicht aber in duftiger klagender Fern –

Nein nein, so ganz und heftig lieben wir gern.

Beim Wein

 

Wenn laute Becher klingen

Und golden grüßt der Wein,

So wollen wir auch singen

Und guter Dinge sein,

So wollen wir, so sollen

Wir bis der Tag erwacht,

Durchjubeln und durchtollen

Die ganze schöne Nacht.

 

Wenn sich aus allen Winden,

Nach langer leerer Zeit,

Die Freunde wieder finden

Mit alter Herzlichkeit,

So sei, was unterdessen

Bekümmerniß gemacht,

Vertrunken und vergessen

Die ganze schöne Nacht!

 

Es soll kein Achselzucken

Uns Grund zum Aerger sein,

Und müßten wir ihn schlucken,

Wir schluckten ihn mit Wein;

Die Heuchler und die Neider,

Sie seien ausgelacht,

Zum Aergernisse Beider,

Die ganze schöne Nacht!

 

Und wessen wir gedenken,

Worauf wir Häuser baun,

Worauf wir hocheinschenken –

Noch immer sinds die Fraun!

Laßt nicht den Geist verschäumen,

Der Liebsten seis gebracht!

Sie möge süß verträumen

Die ganze schöne Nacht.

 

Wenn laute Becher klingen

Und golden grüßt der Wein,

So soll ein fröhlich Singen

Und tüchtig Trinken sein!

Mit Schwächen und Gebrechen

Sind wir nur schlecht bedacht,

Die alten Deutschen zechen

Die ganze schöne Nacht!

Gesang der guten Seelen

 

Stoßt an mit fröhlichem Singen,

Und seid drei Farben hold,

Schön dunkel sind die Straßen,

Schön roth sind unsre Nasen,

Der Wein ist pures Gold!

 

Wo unsre Farben gelten,

Verschwindet alles Leid;

Wir sind ein Volk von Brüdern,

Und Freiheit in den Liedern

Sie kommt in Wirklichkeit.

 

Zwar sind verpönt die Farben

Im deutschen Vaterland;

Ach, nur in stillen Symbolen

Verehret sie verstohlen,

Ein trauter Zechverband.

 

Ob alle untreu werden,

Wir bleiben den Farben hold!

Wir halten sie hoch in Ehren,

Wir werden die Welt bekehren

Zum Schwarz und Roth und Gold!

Wanderlied

 

Freunde, flinke fröhliche Schaar,

Streift durch Berg und Wald!

Strömendes Wasser, wild und klar –

Durch! kein Aufenthalt!

 

Morgensonne, fröhliches Licht,

Sei gegrüßet vielmal!

Jammerseelen scheine du nicht,

Goldener Freudenstrahl.

 

Rausche, du grüner fröhlicher Wald,

Unsern Liedern zu,

Wer sie grüßend wiederhallt,

Rauschender, sei du!

 

Morgenwind, o fröhlicher Wind,

Brause du frisch voraus,

Kerlen, die ganz lang-weilig sind,

Blase den Odem aus!

Festlied

 

Erschalle, Lied, aus froher Zecher Mitte,

Durchschüttre, Becherklang, den Saal!

So freun wir uns der guten alten Sitte,

Und füllen dreimal den Pokal.

Auf! seid mit Herz und Mund dabei,

Und hebet die Becher, eins, zwei, drei!

 

Du Erster, leuchtend ein verzehrend Glühen,

Mach unsre Geister phönixjung,

Verflüchtige an kleine Noth und Mühen

Den Nebel der Erinnerung!

Denn soll uns der Himmel recht sonnig blühn,

Müssen die alten Gewölke fliehn.

 

Das andre Glas: der Heuchler soll erblassen!

Der Freude ist das Glas geweiht!

O sagt, wer kann sie all im Busen fassen

Die süße Unermeßlichkeit?

Wir hoffen, wir schwärmen, es träumet das Herz,

Es hat nichts erfahren, kennt keinen Schmerz.

 

Drum noch einmal! Gruß unserm Zechgelage!

Der Zukunft – Gruß! dem Lebensmuth!

Ein Morgenroth beglückter Sonnentage

Sei dieses Festes Freudengluth!

Laßt nimmermehr ab von deutscher Art,

Dann ist euch die Zukunft in Treuen bewahrt.

Metaphysisches Lied

 

Was macht das Leben wünschenswerth?

Was reizt die Geister, was begehrt

Der Weise, hör ich fragen.

O geht zu einem Weisen hin!

Denn ich, der ich kein Weiser bin,

Ich darf es euch nicht sagen.

 

Was ist es, so dich aufrecht hält,

Was mit dem Dasein auf der Welt

Kann dich, o Mensch, vesöhnen?

Geht doch zu einem Weisen hin!

Denn mich, der ich ein Dichter bin,

Mich würdet ihr verhöhnen.

 

Doch ihr kommt wieder? Um vielleicht

Zu hören was den Thoren däucht?

So laßt den Rath euch geben:

Thut, was ihr wollt und bleibt gesund,

Gesund, gesund, dann wird euch kund

Warum der Mensch will leben!

 

Dann lebet in den Tag hinein,

Und schlafet Nachts und bleibet rein

Von Grundsatz und von Sünde!

Dies ist ein Kunststück, wer es kann,

Beherrscht die Welt, er frage dann

Nicht nach, wie ers begründe!

Eulenspiegler

 

Gehn wir allein im grünen Wald,

Durchschauert es uns die Seele so kalt,

Da denken wir nur an Eis und Schnee

Und allen Elends häßlich Weh.

 

Und gehn wir durch das weiße Gefild,

Durchschauert es uns so süß und mild,

Da träumen wir von der lenzigen Lust

Und von der klopfenden Menschenbrust.

 

O Herz, du bist nicht schuld daran,

Das haben die bösen Menschen gethan,

Dieweil sie an der vielschönen Welt

Uns alle Liebe und Lust vergällt.

 

Drum sitzen wir lieber im Kämmerlein

Beim Freund, dem treuen, dem alten Wein,

Wohl, der ist in allen Dingen zu Haus,

Er hat uns getröstet Jahr ein Jahr aus.

Simples Neujahrslied

 

Vorüber ist das alte Jahr,

Ich wünsche Glück zum neun!

Was euch das alte noch nicht war,

Soll euch das neue sein.

 

Ich greife zu dem vollen Glas,

Und trink es aus und sag,

Ich wünsche Jedem Alles was

Er selbst sich wünschen mag.

 

Ich wünsch euch Alles, was auch euch

Befriediget und reizt,

Und daß mit euern Wünschen sich

Der meinen keiner kreuzt!

 

So treten wir ins neue Jahr

Getrosten Muthes ein –

Und was im alten noch nicht war,

Erfülle sich im neun!

Der Weinenthusiast

 

Ihr rechnet mit des Lebens Größen,

Und ihr gelanget nur zum Schmerz.

An unvermeidlichen Verstößen

Verblutet bald des Menschen Herz.

Was bleibt ihm übrig, als zu flüchten

In das Mysterium des Weins?

Mit Seelengröße zu verzichten,

Beim goldnen Flascheneinmaleins.

 

Die Freunde müssen uns verlassen,

Das Schicksal treibt sie alle fort;

Doch Menschen, die den Wein nicht hassen,

Hat jede Zeit, hat jeder Ort.

Und wenn die Menschheit selber glücklich

Sich heute nicht zu nennen wagt,

So ist das Wort schon unerquicklich,

Das auch den Becher mir verklagt.

 

Was war dem Weisesten der Weisen

Der Werth der ganzen Wissenschaft?

Im Tod ein Trinker noch zu heißen,

Trank er mit Lust den Schierlingssaft.

Und Noah, der schon am Ertrinken,

Blieb doch dem Trinken freundlich nur;

Auch Doktor Luther, will mich dünken,

Begriff des Kelches Heilnatur.

 

Vergebens singen wir die Erben

Der Sklaverei im Liebesnetz,

Die Liebe aber kann auch sterben,

Und untreu werden kann sie stets.

Den Becher können sie nicht nehmen,

So lang dies Ich sich nicht verliert,

So lang sie diesen Geist nicht lähmen,

Und dieser Leib nicht müde wird!

 

Bleibt mir der Becher nur, der volle,

So miß ich keinen Erdenreiz,

So fluch ich jedem eitlen Grolle,

So spott ich alles eitlen Leids.

Gelassen will ich stets erscheinen,

Wenn jedes Auge feucht erscheint,

Und nur noch mit der Rebe weinen,

Die ächte Freudenthränen weint!

Im Keller

 

Das Trinkhorn her! und lasset kreisen

Die dunkle Fluth bei Sangesweisen!

Ein tüchtger Schluck, ein voller Zug,

Thu Jeder, was er kann!

Und ist es um und nicht genug,

So fangt von vornen an!

 

Das Horn herbei! hoch lasset schäumen

Den Saft zu süßen Zecherträumen!

Der Wein entgleitet, leise kömmt

Vom Rand der Fluthenschwall,

Wie aus erstarrtem Leibe strömt

Die Seel ins Weltenall.

 

Das Horn herbei! vom Wein das Singen

Ist keine That noch und Vollbringen.

Das Trinken, wenn die Schale kreist,

Erkenntniß schafft und Lust,

Es ruht in jeder Form ein Geist –

O macht ihn euch bewußt!

 

Das Horn herbei! wem soll er gelten,

Der tiefe Trunk, den Thoren schelten?

O prahlet nur mit Seelenruh

Und anderer Sympathie,

Wir trinken hoher Liebe zu

Und ihrer Poesie!

 

Das Horn herbei! und leert es muthig!

Einst stritt es Kämpfe hart und blutig,

Als tief in Westens Wälder noch

Es trug ein freies Thier,

Das nie den Nacken bog ins Joch,

Halsstarrig – so wie wir.

 

Das Horn herbei! es ist ein Zeichen

Beherzten Kampfes ohne Weichen!

Trinkt Alle draus! so war es eh,

Als man noch Frohsinn kannt,

Und noch nicht so viel feiges Weh

Im alten Vaterland.

Freundschaft

 

Was aber hätt ich von dieser Welt,

Und hätt ich, was ich wünscht, im Nu,

Was Herz erwärmt und Geist erhellt,

Und hätt keinen Freund dazu?

 

Was hätt ich von aller Liebe gar,

Was hätt ich von dem funkelnden Wein,

Wenn Alles, was süß mir ist und war,

Nur blühte für mich allein?

 

Was wollt ich mit der schwellenden Brust

Und schütte sie arglos nimmer aus?

Vergrabenes Leid, verschlossene Lust,

Das ist der Seelengraus.

 

Der Alles überdauern muß,

Wenn dir so manche Blüthe geknickt,

Das ist des Geistes kräftiger Genuß,

Der ewig verjüngt, erquickt.

 

Es ist allein der liebende Freund,

Der Einen ganz und gar versteht,

Der mitgelacht und mitgeweint,

Geärntet, was mitgesät.

 

Dann erst, o dann, geschähs einmal,

Da würd es einsam in dir und leer,

Wenn deine Freunde wegstürben all,

Würde dirs Leben schwer.

Persisch-Deutsch

 

Die Welt mit ihren Vorurtheilen

Besiegt allein das volle Glas,

Oft müßt ihr mit den Wölfen heulen,

Drum sühnet euch mit Feuernaß!

Und aus der vollsten, tiefsten Brust

Schlagt an das Lied, das Lied der Lust!

 

So führt zum Mund den Sprudelbecher

Und trinkt ihn aus mit frischem Zug –

Des Lebens rasch vernünftger Zecher

Hat an dem Tropfen nicht genug:

Jedweder tiefe Becherkuß

Ist ein vollkommener Genuß!

 

Laßt Heuchler und Philister schwatzen,

Ach! ihr Verdienst ist ohnegleich;

Ist, ihre Herzen brandzuschatzen

Für ein begehrend Himmelreich:

Von Sinnengluth und Seelenfeuer!

Wär uns der Loskauf allzutheuer.

 

So prallt die Gläser aneinander!

Und springet eines auch dabei,

Der Ton ist uns kein unbekannter:

So bricht ein fröhlich Herz entzwei.

Der Lust und süßer Flammen voll

Das Herz des Menschen brechen soll!

 

Die Lieder schlafen auf den Zungen

Und unsre Häupter wiegen schwer –

Zum Letztenmal denn angeklungen,

Zum Letztenmal die Becher leer!

Das Eine Lied gelingt uns noch:

Die Freiheit lebe, lebe hoch!

Augenlust

 

Es thut mir in der Seele wohl,

Seh ich ein grünes Thal,

Darein die Sommersonne voll

Ergießet ihren Strahl;

Und um und um der Bergeswald,

Und durch die Matten, jach,

Hinstrudelt, daß es wiederhallt,

Die wilde Well im Bach.

 

Es thut mir in der Seele wohl,

Seh ich ein stolzes Blut,

Die Wange klar, das Aug nicht hohl

Von ausgebrannter Glut.

Und einen feinen starken Leib

Und einen edlen Schritt –

Ach, ist es gar ein schönes Weib,

Nimmt sie das Herz mir mit!

Aus dem Feld

 

Ab die Helme! weg die Schwerter!

Werfet euch ins Gras!

Weicher ruht kein Ehegärter –

Jetzt nur Wein ins Glas!

Marketendrin, schenke ein!

Marketendrin, hast du Wein?

Lustig wollen wir sein.

 

Freunde trinkt, der letzte Batzen

Soll hinunter heut!

Aus, vorbei sind die Strapatzen,

Und der Feind zerstreut.

Spielleut, stellt euch in die Reihn,

Macht Musik und schenkt euch ein,

Trommler wirble drein!

 

Heisa lustig Lagerleben

Nach der bittern Schlacht!

Gott hat uns den Sieg gegeben,

Er hats brav gemacht.

Herrlich ist, nach Noth und Pein

Auszuruhn im Sonnenschein,

Wieder lustig sein.

 

Hoch soll unser Feldherr leben,

Er ist unser Mann!

Liebt die Schlacht, das Weib, die Reben,

Weil er Alles kann.

Marketendrin, schenk doch ein!

Marketendrin, bessern Wein,

Wenn wir Vivat schrein!

 

Unsre Brüder sollen leben,

Die verscharrt im Sand,

Wir, und selbst der Feind daneben,

Der uns wacker stand!

Hurra heisa schenket ein!

Vaterland, auf dein Gedeihn!

Marketendrin, Wein!

Weinlied

 

Eine Kanne guten Weins lasset fröhlich kreisen!

Besser Liedchen weiß ich keins, als den Wein zu preisen.

Thut er nicht die Herzen auf,

Bringt er die Gedanken

Nicht in hellen Schwung und Lauf,

Die in Schlummer sanken?

 

Setzet er mit starkem Hauch manchen Kopf in Flammen,

Führt er die Gemüther auch wieder schnell zusammen.

Keinen besseren Geselln,

Muß ich frei bekennen,

Als den Wein, den immerhelln,

Weiß ich dir zu nennen!

 

Solche Glut und solchen Witz find ich nirgends wieder,

Wenn ich diesen Freund besitz, hab ich tausend Brüder!

Daß er selber ist ein Gott,

Duldet keinen Zweifel,

Hat er auch im Leibe flott

Den leibhaftgen Teufel.

Lied zum Wein

 

Seid immer weise und beharrlich,

Und von dem Weine lasset nie!

Das nenn ich deutsche Treue, wahrlich,

Das nenn ich mir Philosophie!

 

Am lieben Becher festzuhalten,

Macht Leib und Seele mir zur Pflicht;

Wie auch mein Schicksal möge walten,

Den guten Menschen beugt es nicht.

 

Die Demuth schickt sich für den Christen;

Doch richtet mich ein Freund empor,

Und hilft mirs Leben weiterfristen,

Das ist der göttliche Humor.

 

Auf allen meinen Lebensreisen

Führ ich den Freund mit mir herum –

Den braven Kerl, den Stern der Weisen,

Das Taschenevangelium.

Mostlied

 

Kommt herein, ihr frohen Freunde,

Eilt heran, ihr Brüder all,

Rosenjunge, sonngebräunte,

Geisteskönig und Vasall!

Nur ein freudiges Gemüth,

Das in Zecherwonnen glüht,

Ist der Paß, den wir begehren,

Einen Becher heut zu leeren.

 

Eure Kehlen sind so trocken,

Eure Zungen, o wie stumm,

Eppich windet um die Locken,

Blumen um den Leib herum!

Auf den Rasen lagert euch

Neben duftiges Gesträuch,

Fangt zu trinken an, zu singen,

Und wer tanzen will, soll springen!

 

Ausgegohrnen Weisheitsbecher,

Wein, wir trinken keinen Wein!

Ehrentrunk biderber Zecher,

Saft der Gerste wird es sein?

Kunstgewässer? schlechte Post!

Nein wir trinken Traubenmost,

Most, der vor dem Wein erfunden,

Most der Trauben soll uns munden!

 

Ihr müßt werden wie die Kinder,

Darum trinket einmal Most,

Und den Wein, den alten Sünder,

Lasset schlafen nur getrost!

Gerne liegt er träg im Faß,

Freut sich, so zu werden baß,

Daß er gar gesetzt, beim Lüften,

Weniger Unheil möchte stiften.

 

Wer vermag den Most zu preisen,

Rühmen unter Sang und Klang,

Athmen nicht schon unsre Weisen

Munterkeit und Thatendrang?

Schaut mir an den tollen Most,

Wie er tobt im Glas und tost!

Ohne Tücke, ausgelassen,

Wie ein Trotzkopf auf der Gassen.

 

Wer soll leben, wer ist würdig

Eines donnervollen Tosts?

Wer ist Geistesebenbürtig,

Wer verwandt der Kraft des Mosts?

Helden gibt es nur genug:

David, der den Goliath schlug!

Jung Roland, jung Siegfried lebe!

Und – das Götterkind jung Hebe!

Lied

 

Wer nie geprüft, wer nie gefragt

Nach aller Dinge Grund,

Wer nie um Wahrheit sich geplagt,

Ob sie ihm werde kund?

Wer nicht den freien Blick bewahrt

Der Vorwelt und der Gegenwart,

Die er genießt, begreift –

Ist nicht zum Mann gereift.

 

Wer nie an einer That der Kraft

Den frischen Geist gelabt,

Wer niemals eine Leidenschaft

Sein Lebenlang gehabt,

Und nie ein überschwänglich Glück,

Und keinen großen Augenblick,

Der läutert und erhebt –

Umsonst hat er gelebt!

 

Wer nie ein liebes Weib umarmt,

Den Becher nie geküßt,

Er ist an Leib und Seel verarmt,

Von keinem Stern gegrüßt;

Dem hat sich auch kein Freund gesellt,

Der schleichet durch die schöne Welt

Ein Trostverlaßner hin –

Er hat es nicht Gewinn.

Ein ander Lied

 

Nun singt einmal und stimmt die Saiten

Zu einem Lied von besserm Klang!

Verrauschet sind die matten Zeiten,

Wo man nur Wein und Freude sang –

Wenn eine Welt zusammenfällt,

Klingt laut heran die neue Welt.

 

Wir sind geworden andre Zecher

In einem Wein von kühnerm Gischt,

Doch klirret an die alten Becher,

Daß sich der Klang bezaubernd mischt!

Ein alt Gefäß, ein neuer Kern!

Bis es zerschellt, hab ich es gern.

 

Wir werden schönre Becher finden

Von reinem Klang zum neuen Wein,

Wir werden bessre Formen gründen,

Die unser Kleinod schließen ein.

So singt, und stimmt die Saiten klar,

Einst wird die süße Hoffnung wahr!

 

Was heut im Trunk der Zecher leiste,

Und jedes herzgesungne Lied,

Es sei gebracht dem hohen Geiste,

Der nur für Lieb und Wahrheit glüht:

In diesen schwelgt der neue Ruhm,

Sie sind das beste Menschenthum!

Badisch Trinklied

 

Mein Heimathland, mein badisch Land,

Wer preiset dich und hat Verstand

Und lobt nicht deinen Wein?

Markgräfler schenket ein!

 

Wohlan, der ist wie gelbes Gold,

Was aus dem Rhein der Landsmann holt,

Doch schenkt ihr Rothen ein,

Solls Affenthaler sein!

 

Fürwahr das heiß ich Rebenblut!

Und Roth und Gelb das dünk euch gut,

Trinkt Landesfarb im Wein!

Wie lustig blickt sie drein!

 

Ein muthiger, ein froher Sinn,

Ein treuer Sinn vom Rhein bis in

Die Berge weit hinein

Soll immerdar gedeihn!

 

Mein Heimathland, mein badisch Land,

Dich preis ich laut, wer hat Verstand

Und Herz, der stimme ein!

Gut leben ist am Rhein!

Wandern im Dahner Thal

 

Wie lieb ich dich, o Dahner Thal,

Im alten Wasgenwald,

Wie bist du schön im Morgenstrahl,

Vom Vogelsang durchschallt!

Von deinen Höhen winkt ein Gruß,

Der zieht den Wandrer hin,

Weiß nicht, wie ihm geschieht, er muß

Durch diese Berge ziehn!

 

Da schaut vom Felsen hoch und schroff

Herab manch grauer Thurm,

Auf den umsonst die Wolke troff

Im kalten Nebelsturm.

Drin haußete ein kühn Geschlecht,

Heut ist es Moder nur,

Doch deine Jugendkraft ist ächt,

Unsterbliche Natur!

 

Windhauch wie süßer Odem weht

Zum düstern Rothelstein,

Der ist vor allen hocherhöht

Ins Himmelblau hinein.

Du rufst hinaus mit hellem Schall,

Hinaus ins Sonnenthal,

Da rufen euch die Berge all,

Die Berge sonder Zahl.

 

Erst tönt es hohl am Lindelbronn,

Das ist ein stolzes Schloß,

Dann klingt es feierlich, davon

Erwacht der Barbaroß.

Der ruht im Trifels ferne, fern,

Da ritt er hin bei Nacht,

Zum Haus, wo er den Tag so gern

Im Leben zugebracht.

 

Wohlauf, Genossen, wandern wir

Dahin mit Sang und Klang!

Frau Wirthin hat gut Wein und Bier,

Das wissen wir schon lang.

Zu Heidelberg im faulen Pelz

Ist nicht so traut Quartier,

Vorüber denn am Drachenfels,

Zum Trifels wandern wir!

 

Fürwahr, das ist ein Kaiserschloß!

Glüht purpurn himmelwärts!

Seht doch ins tiefste Erdgeschoß!

Dort saß der Löwenherz.

Schon dämmerts kühl, der Tag war lang,

Wir rasten hier zur Nacht!

Freund Blondel stimmt in unsern Sang

Getrost mit ein, gebt Acht!

 

Wie lieb ich dich, du holdes Thal,

Im alten Wasgenwald,

Wie bist du schön im Abendstrahl,

Vom Wandersang durchschallt!

Von allen Höhen winkt ein Gruß

Herab, hinaus zum Rhein,

O grüße wieder, trauter Fluß,

Blick auf im Vollmondschein!

Am Rhein

 

Laßt klingen tröstlichen Feierklang

Vom schäumenden Rebenglas!

Laßt brausen festlichen Rundgesang,

Durch ihn schon Mancher genas!

Auch dieser Stunde Spur

Wird einst verwischt und verschwunden sein,

Doch still davon,

Wir wissen schon –

Ach! einmal leben wir nur!

 

Was eifert ihr um der Wahrheit Licht,

Die Wahrheit findet sich schon,

Und will auch Uns noch erklingen nicht

Ihr lauterer Glockenton!

Klingt an mit lichtem Pokal!

Aneinander o prüfet der Kelche Klang!

Ein Gott soll sein

Im edeln Wein,

Erlöset den Gott einmal!

 

Und trinkend lauschet des Herzens Wort,

Dort kündigt der Gott sich an,

Die beste Wahrheit, sie kömmt von dort,

Die frohe für Jedermann.

Es ist die Blume des Weins

Der Athem des Gotts und der Gott er ist

Der Liebe Geist,

Den Alles preist

Am glücklichen Ufer des Rheins!

 

Traum und Bild

 

Maigesang

Ihn will ich schauen

Den tiefen blauen

Südlichen Himmel!

Das reine, ewige Azur,

Das blaue Meer der Wonne,

Darinnen prächtig blitzt

Die goldne Mittagssonne.

O Wonn, o Wonne!

 

Ich ruht im kühlen Schattengrün

Bei Freund und Liebchen und Gesang,

Und Worte, geisteskühn,

Kuß und Klang

Sprudelten durch die Blumen hin.

Grüßende Augen,

Grüßender Wein

Goldener kreiset im holden Verein!

 

Buche weht lieblichen Duft,

Linde würzt schmeichelnde Luft,

Waldvögelein ruft,

Die Wasser rauschen durch Berg und Kluft.

O Wonn, o Wonne!

 

Seele, du freue dich,

Lachendes Herz, erquicke dich!

Und du versöhnter,

Neuaufathmender Geist,

Herrlich entfalte dich!

 

Die Freud allein,

Die Lust und Lieb allein,

Strahlende Heiterkeit

Ist der bewegende Gott

In Menschenbrust –

Machet sie weit,

Machet sie stark,

Hier nur ist Leben,

Hier Gedeihn.

 

Zum tiefen blauen

Azurnen Himmel

Lasset uns schauen!

Also von Wolken rein,

Rein vom Nebel der Sorge,

Rein vom feuchten Kummer,

Von düstrer Entsagung

Sei die Seele, sie sei

Heiter in lachender Menschenbrust!

 

Jammer und Noth und Qual

Wirket das Widrige,

Die Kraft der Verzweiflung

Fürchterlich nur,

Grausam nur ist sie,

Zeuget das Schreckliche.

 

Der Wolken grollen,

Donnerrollen,

Der grasse Schein,

Zernichtender Wetterschlag

Schaffet wohl endlichen Tag –

Aber nur dieser,

Leuchtender, freundlicher Tag

Ist auch der dauernde.

 

Stark allein und mächtig

Machet das Glück!

Nur der fröhliche Geist

Wird das Unsterbliche thun,

Das Weltentzückende,

Edle und Ewige.

Segen dem Wein.

Segen der Liebe!

Wer sie vertriebe,

Löschte den Sonnenschein.

 

Komm Freund,

Wein, Liebchen, komm Gesang!

Kuß und Klang!

Froh rausche, Strom, das Thal entlang!

 

Wo sind sie, die Schmerzen?

Thut auf euch, ihr Herzen,

Thut auf euch, ihr Augen,

Zu spiegeln, zu saugen

Das süße Dasein nur!

Der Wein vermähle

Geist, Herz, Natur

Zu einer Seele..

O Wonn, o Wonne!

Auf die Berge!

 

Auf die Berge möcht ich wieder,

Auf die sonnenfrohen Höhen,

Wo die schönen Lüfte wehen,

Aus der Stube, aus der Stadt!

Ha, die Brust, voll neuer Lieder,

Steig ich nieder in die Thale,

Sitze wonnig müd zum Mahle,

Das so viel der Freuden hat.

 

Schau dem Freund ins kühne Auge,

Lache mit dem blauen Himmel,

Mit dem ungetrübten Himmel,

Mit der ganzen heitern Welt.

Fühle wieder, was ich tauge,

So zur Freude so zum Streite,

Noch zuvor des Unmuths Beute,

Weiß ich heute mich ein Held.

 

War die Mühe doch vergebens

All der zähen Plagegeister!

Zeig ich ihnen jetzt den Meister

Wohl zum Spott und zum Verdruß!

Freue mich so recht des Lebens,

Allem Guten, Freien, Schönen

Will ich glühen, will ich fröhnen,

Mich erfüllt ein Genius.

Rigi

 

Ist mir oft der Wunsch gekommen

Abzuschütteln diese Glieder,

Dieses Herz voll Sturm und Wunden –

Seid mir theuer, bittre Stunden,

Aber kehret niemals wieder!

 

Kannst du zwischen Zeilen lesen,

Steht es flammend dir geschrieben:

Nur der Wahnsinn flucht dem Leben,

Nur den Thoren macht es beben –

Wers begriffen, wird es lieben.

Ausflug in den Schwarzwald

 

1.

Im Höllenthale drohen

Die Felsen hoch herein,

Die schauerlichen schüchtern

Den frühen Wandrer ein.

 

Dann öffnen sich die Berge

Der hohen Ebene zu,

Die Tannen und die Matten

Prangen in grüner Ruh.

 

Am dunkelblauen Himmel

Milchweiße Wolken ziehn,

Lieblich in wilder Gegend

Himmel und Blumen blühn.

 

Und ehe die Hügel schließen

Das Thal mit sanfter Höh,

Da spiegelt sich die Sonne

Im tiefen Titi-See.

 

Es baden die müden Freunde

In seiner frischen Fluth,

Und stärken Leib und Seele

Und wandern wieder gut.

 

2.

Zum allerhöchsten Gipfel

Richten sie spät den Lauf,

Es steigen die steinigen Wege

Zum großen Feldberg auf.

 

Tief unten an seinem Fuße

Ein finster Wasser steht,

Drein fallen die Felsenwände,

Und Geisterflüstern weht.

 

Von oben schaut herunter

Der königliche Berg;

Ihm hütet den Spiegel unten

Ein tannengrüner Zwerg.

 

Durch unerträglich Schimpfen

Scheucht er den Wandrer fort,

Der störend wollte weilen

Am heimlich heiligen Ort.

 

Ein fürwitzvoller Bursche

War einst, es ist verbürgt,

Dort, wo die Quelle röchelt,

Hat ihn der Zwerg erwürgt.

 

3.

Hinauf denn über die Klippen!

Ringsum der endlose Wald.

Hinauf, hinan die Haide!

Wir sind da droben bald.

 

Seht dort die seltsamen Wolken,

Sie bleiben dieselben stets,

Sie scheinen nicht zu folgen

Dem Wind und Wettergesetz.

 

Das sind die Alpen, Alpen,

O wunderherrliche Schau!

Aus Süden herüberglänzend

Golden und silbergrau.

 

Und immer höher und höher

Beim brechenden Abendlicht!

Die Hirten sind abgezogen,

Es klinget die Weide nicht,

 

Hochoben auf dem Kulme,

Welch unverhofftes Glück!

Erhaschen wir der Sonne

Allerletzten Scheideblick!

 

Auf purpurreichem Pfühle

Der Gott des Tages ruht,

Die Winde tragen ihn schwebend

Hinunter in ferne Fluth.

 

4.

Mit ihrem holden Ernste

Anziehet die sternvolle Nacht

Und weilet, bis mit dem Vogel

Der Morgenwind erwacht.

 

Da streifen rosige Lichter

Den Himmelsaum umher,

Es fluthet über die Berge

Der Düfte wogendes Meer.

 

Ha, schautet ihr das Blitzen

Fern über den fernsten Höhn?

Und jetzt, die Feuerkugel

Siegend im Himmel stehn!

 

Sie steiget stolz und freudig

Heran ins blaue Feld;

Sie strahlet und sie glänzet,

Vor Wonne zittert die Welt.

 

5.

Und um und um, die Lande,

Das Auge schweift hinaus,

Entzückenvolle Schönheit!

O süß gewaltger Graus!

 

Dort unten in den Thälern

Noch immer Schlaf und Nacht,

Hier oben Tag und Leben,

Daß Herz und Himmel lacht!

 

Hier oben Schnee und Blumen –

Schneeglöckchen läutet: Platz

Den schönen Töchtern des Sommers!

Der Schnee ruft: sachte Schatz!

 

Ich weiche gern, doch jede

Von deinen Schwestern muß

Die liebliche Stirne reichen

Dem Schnee zuvor zum Kuß!

 

Das ist die Ehre des Alters.

– Voran jetzt durch den Teich

Dem Bach entlang thalauswärts

Zum grünen »Himmelreich«!

Im Breisgau

 

Welt der Berge!

Wie du wogst vor freudigen Augen!

Mein Gedank ist neu erhellt

Darf er also freigestellt

In die blauen Gründe tauchen.

 

Berghäupter unwillkürlich erscheinen

Gleich lebendigen dunkeln Wesen,

Ich mags an den finstern Stirnen lesen,

Wie sie sich zaubergewaltig meinen

Berghäupter riesengroß

Schauerlich herübergrüßen

Aus der Ferne unendlichem Schoos.

Ich schaus wie die Zwergesrücken,

Die kleinen Hügel sich bücken,

Krümmen sich vor ihren Füßen.

 

Ueber den Wald hin spielet das Himmelslicht,

Und die Tannenberge stehen

In silbergrau blendendem Glanze,

Liebliche Lüfte wehen,

Kosen mit üppiger Pflanze,

Oder sie drehen

Sich hinunter im Wirbeltanze

In die aufgähnenden Schluchten.

Dort hausen die Brüder des Sturms

All die brausenden Stimmen

Die von Abend und Morgen und Mitternacht

Rasend durchs Luftmeer schwimmen.

Und mit sich reißen sie

Nebeldünste,

Die langsam den Tiefen entsteigen,

Thürmen sie auf zu Wolken,

Daß Donner erkracht

Und die starren Wälder sich beugen –

Das ist der Winde Macht.

 

Im düsteren Wirrwarr zucket der Schein,

Wenn es gähret und lange gegohren,

Der Blitzstrahl glühet die Lüfte rein –

Da wird die Frische geboren.

 

Unendliche Bergwelt,

In dir woget ein göttliches Schaffen,

Unsichtbar sichtbar

Rauschend Leben

Weben und Leben.

Wie frohaufschäumend

Kühn sich übers Geklüfte bäumend

Das sprudelnde Wasser zur Tiefe fällt!

Durch Busch und Gestein

Rieselt es in die Thäler herein,

Wohin sich dränget sein Lauf

Springen lebendige Blumen auf.

– Und rings ein lustiges Grün!

O reiche Natur, o liebende Mutter –

Da fliehn die erheiterten Wesen,

Auch deine Menschen hin!

Dahner Thal

 

Von dem Himmel rauschet rascher Regen,

Schwer und trüb durchstreicht der Wind die Räume,

Nebel raubt des Lichtes goldnen Segen,

Um der Tannenberge dunkle Säume

Lagert Dunst.

 

Fürder schritt ich, öfter wars ein Waten,

In dem losen Wege, über Trümmer;

Hingeschmettert sah ich hohe Saaten,

Felsen draufgerollet; steiler immer

Ward der Berg.

 

Welchem Zauber ist das Thal erlegen?

Welcher Bann hat seinen Reiz getroffen?

Wie ein Herz erbebt in Wonneschlägen

Bebte sonst in träumerischem Hoffen

Hier Natur.

 

Haine tönten, süße Schlummerfrühe

War gebreitet über Berg und Auen,

Eh die Sonne heiße Tagesmühe

Land und Leuten brachte unterm blauen

Himmelszelt.

 

Heute schweigt der einst so heitre Morgen,

Wolken beugen um die feuchten Hügel,

Und Gesichter voll Verdruß und Sorgen

Schneiden sie herunter in den Spiegel

Seichter Seen.

 

Trauerselig von dem Walle nicken

Ritterburgen, alter Herrlichkeiten

Düstre Zeugen, Wehmuthsgrüße schicken

Sie zu Thal, gedenkend beßrer Zeiten

Eisenglanz.

 

Herrlich wohl und schrecklich ist gewesen,

Als die Ungewitter sie umrollten!

Donner schlug die Mauer, wankend lösen

Von dem Fels die Schlösser sich, als wollten

Sie vergehn.

 

Sieh! ein neues Wetter hängt im Osten,

Fernab grollt es, grelle Blitze zucken,

Bang erzittern wieder die verschloßten

Saatgefilde, sieh, die Halme ducken

Sich mit Hast.

 

Mitleid weckt ihr säuselndes Gewimmer,

Und vorüber saust das stolze Wetter.

Welcher Sturmwind, hinter ihm der Schimmer,

Wirft die Nebel, gleich unnützem Volke,

Thalhinaus!

 

Welche Bläue! milden Tages Helle!

Himmelsfarbe, keusche, seligreine,

Sei gegrüßt mir, lichte Aetherwelle!

Sei gegrüßt mit deinem Sonnenscheine

Maientag!

 

Nieder, nieder auf den heilgen Boden!

Dort wohin das Gottesauge blickte!

Wecken müßt es einen Starren, Todten,

Wenn die kühle Erde ihn nicht drückte

Allzutief!

 

Drüben blüht ein Kirchhof! Sie verscharrten

Einen Todten in die kühle Erde.

Sänge dringen aus dem Friedensgarten

Voll herauf, sie tönen voll: es werde,

Ihm auch, Licht!

 

Von der Bergwand ringen sich die Lieder,

Klang für Klang auf unsichtbaren Saiten

Fortgeschwungen; was ins Grab die Brüder

Ihm gesungen, zittert in die Weiten

Hundertfach.

 

Denn sie singen, er ist werth der Thränen,

Wandrer, seiner Heimath Berge sagens!

Diese, fernhin schattend, klagens jenen,

Hoch und niedre, und die letzten tragens

Himmelan.

 

Hell und rein, dann tief und voll ertönet

Berg um Berg, bald wie Gesang des Mannes –

Dorther, wo ein Fels den Gipfel krönet –

Wieder bald wie Jungfraustimme, wann es

Lieblich klingt.

 

Selber sind die Berge Männer, Frauen!

Wie die schönen Königskinder klagen

Sie sich Liebe – können sich nur schauen,

Winde kommen hin und her zu tragen

Gruß und Kuß.

 

Auf und fort! du wirst ein weicher Schwärmer,

Wandrer, auf den sonnenwarmen Höhen,

Trinken Wein jetzt, und an Träumen ärmer

Wirst du nicht aus trauter Schenke gehen

Von Marien.

Yburg

 

Ruinen – Mauersturz, Geröll,

Getrümmer, Schutt und Raub;

Doch allwärts spinnt der blühende Dorn,

Und fröhlich sproßt das Laub.

 

Es klafft der Fels ins weite Thal

Hinab, hoch ist der Berg,

Die riesigen Tannen überkrönt

Das alte Menschenwerk.

 

Dort sitzt ein runzlig Köhlerweib

Am Strauch, dort ist ein Haus,

Die stolzen Steine der Herrenburg

Sie halfen der Nothdurft aus.

 

Das Mütterlein ist ganz vergnügt,

Der Himmel ist ihr auch blau,

Der Sommer hat bunt mit Blumen gefüllt

Den Garten der alten Frau.

 

Da wuchert es wild von Rosmarin,

Von Nelken und Hagebutt,

Großköpfige Sonnenblumen genug

Wiegen sich über dem Schutt.

 

Wies grünt und blüht, wies farbig spricht!

Welch üppige Blumengluth!

Ein guter Boden ist Graben und Wall

– Gedüngt mit Menschenblut.

 

Da ist nicht Ordnung, und ist kein Pfad,

Zum sanften Spazierengehn,

Das Unkraut blüht glückselig mit,

Man kann es wachsen sehn.

 

Du gutes Weib! verkümmern soll

In deiner Schöpfung kein Trieb.

Die Kinder des warmen Sommers sind

Dir alle schön und lieb!

 

O paradiesischer Wohlgeruch!

Kraftsüßer Honigduft,

Wie labst du mich, wie lieb ich dich

In der himmelreinen Luft!

 

Die Sonne scheint. Doch Alles still.

Kein Nachtigallenschlag.

Nur wispernd leise fliegt ein Traum

Hinüber den Blüthenhag.

 

Was ist das? Welcher rührende Reiz

Durchweht den einsamen Ort?

In einem Mährchen wandle ich –

Ist eine Fee die dort?

Madenburg

 

Trümmer eines alten Schlosses

Sucht der stille Wandrer auf,

Wandelt rasch den späten Lauf

Zu der Burg, die oben thront.

 

Er bescheinet die Gestalt

Zwiefach Licht,

Oben kalt

Bleich der Mond

Unten bricht

An dem fernsten Horizont

Sich der Abendsonne Strahl;

Tief im Dunkel ruht das Thal.

Drüben sprühn

Rosigen Schimmer

Alte Trümmer

Von der Sonne letztem Glühn.

 

Durchs Geklüft der Thürme pfeifend,

Weht der melancholsche Wind.

Sieh! der Schein des Mondes spinnt

Ueber wankendes Gemäuer

Einen lichtgewobnen Schleier,

Sanft am Glühn vorüberstreifend.

 

Geisterathmen hauchet aus

Der Verschüttung düstrer Graus,

Schatten ziehn sich lang

Schauerbergend zu dem Felsenhang.

 

Und des Schlafes süßes Reich

Neigt auch schon

Auf den müden Erdensohn

Den bemohnten Zweig.

 

Aber in gemessnem Schritte

Wallet zu des Hofes Mitte

Majestätisch Paar zu Paar

Grauer Mönche stumme Schaar.

Dort zur Stelle

Ragt verfallen die Kapelle.

Dort erschallen in den Hallen,

Zu der Jungfrau Preis und Ehre,

Ihre Chöre,

Die des Windes leiser Flug

Säuselnd durch die Trümmer trug.

 

Immer lieblicher erklingen

Dann die Töne, tiefer dringen

Sie ins Herz dem Jüngling ein.

Feierliche Worte rauschen

An sein Ohr, die Mönche tauschen

Das Gewand im Mondenschein.

 

Und der Wandrer jäh erwacht,

Und der Wandrer hellauf lacht.

 

Fröhlich lagen sie beisammen,

Auf dem Moose des Gesteins,

Seine Freunde, bei den Flammen

Eines hellen Feuerleins.

 

Dort wo längst verstummt die Klänge,

Walten Lieder mancherlei,

Tönen kräftge Jubelchöre,

Zu des Vaterlandes Ehre

Manche frische Melodei.

 

Wanderung und Minne klang es

Und dem Becher ward sein Lied.

Herzerfreuend scholl die Weise,

In dem frohen Zecherkreise,

Herzerfreuend Lied auf Lied

Durch die alten Hallen zieht.

 

Morgen durch die grünen Thäler

Streifen wir mit neuer Lust!

Morgen in die heitern Schenken

Werden wir die Schritte lenken,

Da wird helle Kopf und Brust!

Reisefrüchtchen

 

Wie sonderbar komm ich jetzt mir vor!

Heb mich über alle Welt empor,

Und bin vor der Welt vielleicht ein Thor.

So gescheidt und so verkehrt ich bin,

Mit der Gesundheit leichtem Sinn,

Lauf ich über Gräber und Blumen hin.

 

Das ertrag ich nun weder gut noch lang:

Meine Stimmung löst sich zumeist in Gesang;

Und so viel ich weiß, nie wird mir bang.

Es treibt mich bald, was Gutes zu – thun,

Zum Ziel zu kommen treibt michs nun,

Meine Gedanken lassen mich nicht – ruhn.

»Pfingstfreuden«

 

Ueberall Grün.

Grün Gras, Kraut, grüne Bäume,

Grün Saatfeld, grüne Träume,

Herz voll Hoffnung

Wo schwärmst du hin?

Achte des Fröschleins, Schwärmer,

Mache die Schöpfung

Um ein Geschöpf nicht ärmer!

Der arme Grünrock, ohne Spaß,

Mußte durch dich beißen ins grüne Gras.

Was kleidet er sich in Hoffnungstracht?

Ha ha! wie habe ich grün gelacht!

Wahrnehmung

 

Was sollen die Papageyen

Im deutschen Dichterwald?

Sie wälschen und sie schreien

Ganz kannibalisch bald.

 

Wollt ihr den Verstand verlieren,

So gehet ihr gar nicht irr,

Geht nur in den Wald spazieren

Und hört das Stimmengewirr!

 

Sie holen die fremden Laute

Aus allen Winkeln der Welt,

Und wer sich wenig erbaute,

Wird mit Kommentaren gequält.

 

Ihr wolltet euch wohl erquicken

An einem lieblichen Sang?

Ja habt ihr auch Eselsbrücken,

Sind eure Ohren auch lang?

 

Da müsset ihr erst studiren

Wie ein Arabischer sühlt,

Ihr müßt euch erst maskiren,

Eh ihr im Wald euch kühlt!

 

Ihr müsset die Kunst erlernen,

Zu gehn aus euch heraus,

Ihr müßt euch erst entfernen,

Dann seid ihr recht zu Haus!

 

Dort thun es die heimischen Spatzen

Nachzwitschern mit saurer Müh,

Und weil sie Unsinn schwatzen,

So heißen sies Poesie.

 

Es putzt mit farbigen Federn

Sogar das Mäusethum

Sich auf die flinken Fledern

Und flunkert im Wald herum.

 

Jüngst las mein schlichtes Liebchen

In einer Anthologie –

Traun! in ihr Wangengrübchen

Verkroch sich die Poesie.

Lyriker

 

»Fliege meine Liederschaar!«

Rief schon mancher Dichter,

Und es war wohl auch ein Aar

Unter dem Gelichter –

Nachtigall und Lerche,

Spottvögel und klappernde Störche.

 

»Laßt sie fliegen himmelan,

Stellet keine Netze,

Machet keinen Lumpenmann,

Der sie mir verhetze!

Traun! es gehn in die Fallen

Gerne die Nachtigallen.«

 

»Freilich aber, lieber Schatz,

Mancher wills nur scheinen,

Ist nur ein gemeiner Spatz

Mit geläufgen Beinen.

Willst du ihn schlagen lassen,

Möchtest du lange passen.«

 

»Und so weiter mancher ein

Vogel aus Kanarien

Mit den liebsten Melodein

Und den feinsten Arien.«

Meist nur ihm selber verständlich,

Aber auch ihm unendlich.

 

»Stolze Schwäne segeln dort

Auf den stillen Wogen,

Falken aus dem Felsenhort

Kreisen kühne Bogen.

Schauet die bunten Schaaren!

In die Welt laß ich sie fahren!«

Für Namenstage

 

Ist es nicht Verwegenheit

Einen Namenstag zu feiern,

Ein Gedicht herunterleiern

Und mit Selbstgenügsamkeit

Seinen Antheil drin betheuern?

 

Freilich ist es viel gewagt.

Denn was soll an solchen Tagen

Anders mehr der Kluge sagen,

Als daß nun der Tag getagt,

Im Kalender nachzuschlagen?

 

Wahrlich, namenlose Pein

Auf den Namenstag zu singen,

Ihm Gedanken abzuringen!

Darum in den Tag hinein

Muß der gute Sänger singen.

 

Und er merket sich den Rath,

Und er mag hier ohne Zaudern,

Sonder Etiketteschaudern,

Was er auf dem Herzen hat

Mit Gelegenheit verplaudern.

 

So zum Beispiel: schöne Frau,

Freund, o bester, Sie verzeihen,

Theures Mädchen, Ihnen weihen

Möcht ich – Freund, ja mir vertrau,

Willst du mir zwei Hundert leihen?

Elegie

 

Jüngst schaute von Tages Lasten

Ich müd in den Abend hinein,

Die glühenden Strahlen verblaßten

In milden Mondenschein;

Und hoch am Himmelsbogen,

Aus Dämmrung tauchend empor,

Kam friedlich angezogen

Der Sterne goldner Chor.

 

Mit sittigem Schlummerhaupte

Schließt sich die Blume zu,

Der Baum der duftig belaubte

Die Blätter senkt zur Ruh;

Des Abends liebliche Stimmen

Umspielen der Haine Grün,

Die fernen Berge verschwimmen

In sanftes Dunkel hin.

 

Des Sommers Herrlichkeiten

Noch sprüheten in die Natur,

Des Lebens Sterne bestreuten

Mit Segen die stille Flur –

Und jetzt, da ich trete wieder

Ans traute Fenster her,

Und schaue zur Erde nieder,

Liegt sie verwaist und leer.

 

Des Herbstes Güter prangen

Nicht mehr am reichen Ast;

Festklammernd, kahle Stangen

Vorm Sturme die Reb umfaßt –

So will der Mensch sich halten

Am armen Menschenkind,

Wenn wilde Geschicke schalten

Und nicht zu wenden sind.

 

Der Tod ist kalt und eisig,

Er kommt in des Winters Kleid –

Der Lorbeer wird zum Reisig,

Der für die Unsterblichkeit.

Die Kränze für dein Streiten

Wie schmückten sie dich schön!

In ewge Vergessenheiten

Entblättert im Tod sie gehn.

 

Was willst du müde Seele

Und ringst nach Lieb und Licht?

O Menschenseele quäle

Dich um Verlornes nicht!

Du greifst darnach mit Händen,

Freust dich am Lebensroth –

Bald wird es dich verblenden

Und du bist blind und todt.

Erhebung

 

Ich weile so gern in der klaren Nacht

Wenn am Himmel die Stern aufgehn,

Mag ruhvoll in die dämmernde Pracht

Mit Augen versinkend sehn.

 

Ich schaue, bis ich mich ganz verlier

In der Träume Ozean,

Die Erde verschwindet unter mir,

Mit Göttern red ich dann.

Glühtrunkverse

 

O du glühender Trank,

Den im traulichen Rund

Den wir trinken bei köstlicher Rede,

Wie du lösest den Schwank

Und belebest den Mund

Zu Gesang und zu geistiger Fehde!

 

Wohl gedenkt uns die Zeit –

O wie lange das ist –

Da wir fröhlich beisammen so waren;

Und darüber ging Leid

Und so Manchen vermißt

Man im schönen Verein mit den Jahren.

 

Ja, die Besten dahin!

Unerbittlich Geschick!

Wars Zufall, war es ein Walten?

Doch der göttliche Sinn

Darf bleiben zurück,

Die Erscheinung nur läßt sich nicht halten.

Elegischer Humor

 

Lange sind wir nicht gesessen

Lange nicht beim kühlen Wein,

Habens ganz und gar vergessen,

Ausgelassen lustig sein.

Eilet drum zur alten Schenke!

Lasset Alles gehn und stehn,

Zum berauschenden Getränke

Raset ihr Vortrefflichen!

 

Reinigt eure Sünderseelen,

Heilet euer krank Gemüth,

Waschet eure trocknen Kehlen,

Für ein überschwänglich Lied!

In die Schenke, in die Schenke!

Freunde, seid ihr alle da?

Wenn ich alter Zeit gedenke,

Tönt mein Herz Halleluja!

 

Wandle mit bedächtgem Schritte,

Wer sich selber nie vergißt!

Ueberflüssig ist die Sitte,

Wenn das Herz betrunken ist.

Umgekehrt von euerm Spasse

Schalle dieses frohe Haus,

Wie der Strahl aus vollem Fasse

Sprudle euer Witz heraus!

 

Lachen, daß erdröhnt die Halle,

Daß mich schüttelt Rippenweh,

Muß ich laut, wenn ich so Alle,

Brüder euch beisammen seh.

Achtung Allem, was zu achten!

Aber lachen muß ich – als

Götter im Olympus lachten,

Lachten sie aus vollem Hals.

 

Hör ich solchen Lärm verführen

Lauter so vernünftge Leut,

Soll mich gleich der Donner rühren,

Sterb ich nicht aus purer Freud!

Holla, wackere Gesellen,

Schlagt Gesang an, Hollahoh!

Wenn die Töne hoch anschwellen,

Fühlt sich Jeder lebensfroh.

 

Sagt mir an, gelehrte Häupter,

Du, o Dummkopf, sag mir an,

Steh mir Rede, Wohlbeleibter,

Sprich du lendenarmer Mann,

Gebt, ihr edlen Trinker alle,

Gebt mir Antwort, wie und wann

Kommt der biedre Mensch zu Falle,

Und warum, das sagt mir an!

 

Wie aus einem Mund genommen,

Hör ich das Orakel, dann

Wird der Mensch zu Falle kommen,

Wenn er nicht mehr trinken kann!

Dann auch, wenn mit ihm – o wische

Freund die Augen, daß er sinkt –

Niemand mehr an einem Tische

Und aus einem Glase trinkt!

 

Einst in glücklicheren Tagen,

Derer Geist für immer schwand,

Kannte man nur wenig Plagen

In dem frohen Griechenland.

Damals war es wo die Besten,

Kehrend aus der Männerschlacht,

Sich zu heitern Becherfesten

Trafen in der Frühlingsnacht.

 

Dort geschmückt mit grünen Kränzen

Tranken Jüngling, Mann und Greis,

Und dem Weisesten kredenzen,

Dünkete der Schönsten Preis;

Schon der Athem hauchte freier

Dort, in der geschmeidgen Luft,

In den goldnen Klang der Leier

Stieg der Hyazinthenduft.

 

Damals floh der Geist der Jugend

Mit den Jahren nicht davon,

Jugend aber nur hat Tugend,

Denn sie dürftet nicht nach Lohn.

Heut, in unsern schwiergen Tagen,

Heut vertrocknet frühe ganz

Unterm Wüstenwind der Plagen

Das bestürmte Herz des Manns.

 

Freunde, diese Zeiten waren.

Solchen Frohsinn aber mag,

Wie den klaren wunderbaren

Himmel, nur der Sommertag,

Solchen Frohsinn mag bewahren

Menschenbrust nur dann und da,

Wo man noch in Silberhaaren

Ewiger Natur ist nah.

 

Fort jetzt mit den Grübeleien!

Wir auch dünken uns nicht schlecht,

Wir auch wissen uns zu freuen,

Und der Lebende hat Recht.

Also sprach der große Schiller,

Fällt mir grad der Schiller ein;

Jetzt komm Einer her, was will er?

Jetzt kein Wort mehr! Hier ist Wein!

Sternenheer

 

Die schönen Sterne blitzen dort,

Wie funkelfarbig Edelgestein,

Denn der Mond, das leuchtende Aug ist fort,

Da jauchzen die holden Sternelein.

 

So manche herrliche heitere Nacht

Muß er die Wimper im Schlaf zuthun,

Da glimmen die Sterne nicht schüchtern sacht,

Wenn das leuchtende Aug muß ruhn.

 

Wenn im Haupte schläft der ernste Entschluß,

Wenn der Geist das leuchtende Ziel verliert,

Wenn der heiter strebende Genius

Zuweilen an sich irre wird. –

 

Da schimmern in zügelloser Lust,

Da drängen sich im blitzenden Chor

Aus der unbekümmerten Menschenbrust

Die schönen kleinen Wünsche vor.

Von der Freundschaft

 

Wer keinen Freund gefunden,

Und immer stand allein,

Der hat auch nie empfunden recht

Das Glück, ein Mensch zu sein.

 

Wer keinen Freund gefunden,

Der ist vielleicht ein – Christ;

Der ist vielleicht ein Schurke traun!

Wenn er kein Esel ist.

 

Vielleicht ein Unglücksvogel

Mag der Verkannte sein,

Doch der ist auch der Einzige,

Dem ich es kann verzeihn.

Bilder über Shakespeare

 

Du bist der Regenbogen – ausposaunt

Ist seine Schönheit allen Ohren,

Von Neuem aber unser Auge staunt

In seine Farbenpracht verloren.

 

Du bist der Blitz, der von der Wetterlast

Die bange Erde oft entbindet –

Und doch hat dein Gedanke, frisch erfaßt,

Mir immer neu ins Herz gezündet.

 

Du bist der sonnbeglänzte Wasserfall,

So oft beschaut, so vielbewundert –

Versunken in den reichen Glanz und Schall

Steht vor ihm jegliches Jahrhundert.

 

Du bist der ewige, goldne Sommertag;

Die trunkne Welt jauchzt ihm entgegen.

Verehrt sein Schimmer! und sein Donnerschlag!

In seiner Sonne reift der Segen.

 

Du bist das Meer, die wilde Herrlichkeit!

Die Schöpfungsstätte der Gestalten.

Die Schönheit lieh aus seinem Schaum ihr Kleid,

In ihm die ewgen Schrecken walten.

Naturschauer

 

Die Wellen rauschen, es nachtet,

Der Mond scheint mit Verdruß,

Geschlagene Soldaten

Marschiren über den Fluß.

 

Dort nicken die ungeheuern

Felsberge gespensterhaft,

Es raget über dem Wirrsal

Die düstre Prachtlandschaft.

 

Ein Schauer, machtvoll, herrlich,

Weht durch die stumme Natur,

Als wäre ein Gott gestorben,

Ist ringsum Trauer nur.

 

Auch in den wunden Gemüthern

Der Krieger lagert Nacht,

In tausend Herzen dunkelts,

Doch es dunkelt ohne Pracht.

 

Genommen ist die Fahne,

Gefallen der beste Held,

Das Vaterland ist verloren

– Gewonnen die weite Welt.

Liebesrecht

 

Kam dich nie der Zweifel an,

Ob auch wirklich sei die Liebe,

Ob sie nicht ein Wort ein Wahn,

Ob sie nicht ein Sturm zerstiebe?

Wenn sie verrauschen die Tage der Jugend,

Wenn bei dir anklopft die ernstere Tugend,

Nimmer sich reimen die Triebe?

 

Hat dich Ahnung nie durchzuckt,

Daß die Liebe nur Geberde,

Daß sie nur Kulturprodukt,

So Zeit verschlingen werde?

Einst, wenn die Psalter des Herzens verhallen,

Wenn die Systeme der Weisen zerfallen,

Wenn sich erneuert die Erde!

 

Wer verzagt? Wir zagen nicht.

Heute gilt sie noch die Liebe!

Hoch am Himmel flammt das Licht

Eines Sternes ohne Trübe.

Läugnen die Liebe, so wäre uns besser,

Schattenhaft wandeln am stygschen Gewässer,

Daß man uns lebend begrübe.

 

Liebe, hohe Leidenschaft,

Deren Flügel uns erheben

Aus des Ungenügens Haft,

Sollten wir dein Recht vergeben!

Haben die Todten einst dürftig genossen,

Bleibt das Geheimniß der Nachwelt verschlossen,

Kümmert es uns, die wir leben?

Frage nicht

 

Roth ist Roth und Lieb ist Liebe nur –

Stürmt ihr auch zu alles Denkens Giebeln,

Unsagbar, was wollt ihr weiter grübeln,

Freunde, sind die Thaten der Natur.

 

Singe von der Liebe Herrlichkeit!

Prächtiger Klang entzücke dir die Herzen,

Ihren Freuden, ihren selgen Schmerzen

Gieb der Töne liebliches Geleit!

 

Denn die Lieb ist einmal Poesie –

Beider Wesen nicht zu definiren!

Ungenügend all Philosophiren,

Nur mit Aug und Ohr begreifst du sie.

 

Gleich der Morgensonne groß und frei

Blühet auf der Liebe goldnes Karmen –

Küß dein Lieb, zitter in ihren Armen,

Aber frage nicht, was Liebe sei!

Gefaßt

 

Der ersten Liebe Feiertage

Unsterblich, maienvolle Zeit,

So lebt ihr noch in meiner Klage,

Seit ihr so schnell entschwunden seid?

 

Ein Schicksal hat mich fortgetrieben,

Ich ging, ich weinte bitterlich,

Verlernen sollt ich dich zu lieben,

Und ach! vergessen sollt ich dich.

 

Vergessen nicht, nein, nicht vergessen!

Da ich dich nur verlassen mußt;

Wohl konnt es mir die Wange nässen,

Doch nicht besiegen diese Brust.

 

Und durft ich keine Hütten bauen,

Drein Gottes Segen strahlend bricht,

So blieb mir manch ein kühn Vertrauen

Und manche stolze Zuversicht!

Traumglück

 

Will am Tag mir nicht gelingen,

Heiter schön und mild,

Vor das Auge herzuzwingen

Der Geliebten Bild.

 

Uebers Antlitz ausgegossen

All die Lieblichkeit

Bleibt dem innern Blick verschlossen,

Und ich bin zerstreut.

 

Hasch ich auch nach allen Schätzen

Der Erinnerung,

Ach, sie können nicht ersetzen

Des Lebendgen Schwung!

 

Keine Dichtung gibt ihn wieder

Jener Formen Drang,

Jener aufgeblühten Glieder

Ineinanderklang.

 

Jene süßen sanften Augen

Und den lieben Mund,

Alle Phantasien tauchen

Nirgends auf den Grund.

 

Kann die Perle nicht gewinnen

Aus der Reize Meer,

All Gedächtniß, alles Sinnen

Zaubert sie nicht her.

 

Aber, aber wenn der stille

Abend wiederkehrt,

Dämmert auf in prächtger Fülle,

Was mein Herz begehrt.

 

Wenn das Dunkel mich umfangen,

Schleichet süß und rein

In den Traum, den herzensbangen,

Die Geliebte ein.

 

Und sie kommt, um mich zu küssen,

Und ihr Kuß berauscht,

In des Wiedersehns Genüssen

Schwelg ich unbelauscht.

 

Und sie ist so schön zu schauen,

So lebendig warm,

So voll Liebe voll Vertrauen

Ruht sie mir im Arm!

Weihechor

 

Gestorben ist der Tod,

Weil wir die Furcht nicht haben,

Wir lassen uns begraben,

Und mit uns jede Noth.

 

Gestorben ist der Tod,

Weil wir das Leben lieben,

Doch darum zu verschieben

Nicht trachten was uns droht.

 

Das Leben ist uns lieb,

Weil wir den Tod verachten,

Und nimmer nach ihm schmachten

Mit Träumen trunken trüb.

 

Auf, Brüder, schenket ein,

Zu stolz ihr all zur Klage,

Doch endet irdsche Plage,

Solls auch willkommen sein!

 

Gehn wir zur ewgen Ruh,

Wie sollt es uns verdrießen,

Wie, gehn wir Paradiesen

Und ewigem Leben zu?

Fest

 

Siehe, wie der laue West

Schwingt die hellen Blüthenglocken,

Wie die warmen Strahlen locken

Frohe Falten aus der Hülle,

Daß die Lüfte Leben fülle:

»Frühling ist ein hohes Fest!«

 

Achte, wie der linde West

Buhlerisch die Wange fächelt,

Wie der See so leuchtend lächelt,

Himmelsgrüße zu erwiedern,

Und dein Herz erwacht in Liedern,

Und der Liebe gilt das Fest!

Wiederfinden

 

Ich kam zur guten alten Stadt,

Den Tag hab ich behalten,

Ins Haus, wo sie gewohnet hat,

Der meine Lieder galten.

 

Die ich geliebt, die mich geliebt,

Und der ichs nie gestanden,

Und die mirs nie, wie sichs begibt,

Weil wir nicht Worte fanden.

 

Bist du nun ferne, bist du nah,

Hat dich ein Andrer gefunden,

Ich weiß nicht, Theure, bist du da,

Bist du für mich verschwunden?

 

Und wenn ich dich nicht wiederseh,

Will ich doch von dir träumen,

Und hab ich dich nicht in der Näh,

Will ich am Ort doch säumen.

 

Und wie ich nun die Stiege mit

Gelassenheit erklimme,

Da hör ich ihren leichten Schritt

Und ihre helle Stimme.

 

Als wie der Mond aus Wolken bricht,

So scheu und still erschrocken,

Erglänzt ihr liebes Angesicht

Aus ihren dunklen Locken.

 

Es leuchtete so freudenklar

Aus ihren schönen Mienen,

Und schöner als sie jemals war,

Ist sie mir heut erschienen.

 

Kein Sterbenswort. Sie sah mich an;

Den Busen hört ich pochen –

Ein rascher Händedruck sodann,

Daraus ihr Herz gesprochen!

Umwandlung

 

Hab ich nicht heut mein Liebchen gesehn,

Mit den hellen schönen Blicken?

Ich kann die Augen nicht mehr verstehn,

Mich in ihr Wesen nicht schicken.

 

Mir zieht es heute durch die Brust

So kalt wie Hauch des Verdrusses,

Es ist nicht mehr die alte Lust

Des Anschauns und des Genusses.

 

Ich weiß nicht, welche fremde Macht

Sich zwischen ihr Herz und meines

Geschlichen plötzlich über Nacht,

Wie ein Hohnlied Heinrich Heines.

 

Es war an sie mein Denken all,

Mein ganzes Sinnen und Fühlen

So rein wie des Vogels süßer Schall

Im Walde dem morgenkühlen.

 

Es war als wie ein schönes Lied,

Das lauter Liebe geklungen,

Das ein begeistert heiß Gemüth

Bis nah zum Ende gesungen.

 

Da kommt michs an, als wollten nicht mehr

Die Saiten zusammenklingen,

Als könnt ich das schöne Lied nicht mehr

Zum guten Ende bringen.

 

Da wandelt michs an so fremd, als wärs

Vorbei mit unserm Lieben,

Als hätt ich mit Recht den letzten Vers

Gleichgiltig hingeschrieben.

Aus der Jugend

 

Ich ging vorbei am Gotteshaus,

Darin ich lang nicht war,

Die Orgel lärmte waldhinaus

So feierlich und klar.

 

Gar düster sah die Kirche drein

Mit ihrem morschen Thurm,

Doch rastlos dränget aus und ein

Der frommen Menge Sturm.

 

Horch! jetzt verstummt der Feierklang

Und ruhig wirds umher,

Die Menge betet still und lang,

Mir wird es auch nicht schwer.

 

Es ist ein Abend freundlich lind,

Die Winde schlummern all,

Wenn erst die Winde stille sind,

Vernehm ich innern Schall.

 

In meiner Seele Tiefen singt

Mein guter Genius,

Aus meines Herzens Kammern springt,

Befreit sich ein Entschluß.

Als sie sang

 

Was ist der armen Nachtigall

Denn angekommen?

Der Flötenstimme süßer Schall

Klingt so beklommen.

Verstummen möchte ganz und gar

Die Holde, ach sie fühlt es klar –

Dahin dahin ihr Hoffen!

Sie weiß sich übertroffen.

 

Was fürchtet sich die Lerche vor

Des Waldes Spöttern?

Zum Himmel nimmer jauchzt empor

Ihr lieblich Schmettern.

Sie flieht der Sonne goldnen Gruß,

Denn ihre Kunst macht ihr Verdruß –

O seelenbittre Stunden!

Sie fühlt sich überwunden.

 

Was hat um seine Lust am See

Den Schwan betrogen?

Er rudert nimmer auf der Höh

Der vollen Wogen;

Er trauert hin am Ufer müd –

Sein unvergänglich Schwanenlied,

Sein sterbesüßes Singen

Wird es ihm einst gelingen?

 

Ach Elsa, Elsa dein Gesang

Schuf solche Klagen,

In deiner Stimme Zauberklang

Läßt sie verzagen!

Entzückend – wie du selbst nur bist,

Der Liebreiz deiner Lieder ist

Nimm hin die Huldigungen!

Du hast auch mich bezwungen.

Liebe

 

Geliebt zu sein, du schöne Kunde,

Schön wie die Hand, die das Geständniß schrieb!

Nur schöner ist, wenn vom beseelten Munde

Entschwebet erst die süße, frohste Kunde –

Mit stummen Zeichen nehm ich nicht vorlieb.

 

Die Freundschaft ist in wirren Tagen

Ein heilig Gut und will der Priester viel;

Laut ist ihr Ruf, ihr stolzes Banner tragen

Die Besten hoch in unsern wirren Tagen –

Arbeit vereint und Kämpfer schafft das Ziel.

 

Doch kaum ist uns der Freund verbunden,

Ist auch der Trennung sichre Stunde da,

Die Liebe nur kennt nicht so bittre Stunden,

Es bleibt das Weib, das ewig uns verbunden,

Die Liebe dauert aus, die Lieb ist nah.

 

Geliebt zu sein vom schönen Weibe,

Ist mehr als Glück, ist volle Seligkeit.

Auf daß sie rein, und stets erfüllet bleibe,

Gab hin Natur die Gegenwart dem Weibe

Und ließ uns Zukunft und Vergangenheit.

Hin

 

Es braust der Zug, es donnern hin die Wagen

Durch öden Wald,

Des Dampfes volle weiße Wolken jagen –

Ich komme bald!

 

Wie seid ihr grünen sommerlichen Räume

Nun todt, entstellt!

In kalte Nebel tauchen Berg und Bäume,

Grau liegt die Welt.

 

Du harrest mein, du zählest die Sekunde,

Da ich erschein –

Entgegen zittre ich dem heißen Munde,

O süße Pein!

 

Kein lieblich Lüftchen soll erquicken dürfen

Mich wonniglich –

Nur deinen süßen Athem will ich schlürfen;

Er blüht für mich.

 

Mich grüßen keine Blumen und die Sonne

Sie grüßt mich nicht,

Es soll mir sein des Grußes erste Wonne

Dein Augenlicht.

 

An deinem Herzen werd ich heut erwarmen

Nach Götterschluß –

Ein Liebesfeuer strömt aus deinen Armen,

Aus deinem Kuß.

 

Rollt hin, rollt hin! es bringt mich nicht zur Stelle

Die träge Fahrt.

Ihr Wagen braust! ihr seid mir nicht zu schnelle;

Die Liebste harrt.

Her

 

Das Dampfroß lärmt den Säulengang herein –

Leb wohl Geliebte!

Es zischt und schnaubt – hier muß geschieden sein,

Leb wohl Geliebte!

 

Ein Pfiff! die Hallen schreiens widrig nach

Nimm fort ins Weite!

Vergiß nicht Herz, was die Geliebte sprach

Bei dem Geleite.

 

Wohin ich schau, die klare Mondennacht,

Gemacht für Träume.

Das Schneegefild in stiller Silberpracht!

Krystallne Bäume!

 

Ich höre nur in toller Rasselwuth

Des Zuges Sausen –

Und wäre mir nicht gar so wohl zu Muth,

Mir könnte grausen.

 

Doch ihre Wangen sah ich munter blühn,

Roth wie die Liebe.

Und ihre Augen blitzten klar und kühn,

Die Herzensdiebe.

 

Ihr letzter Kuß auf meiner Lippe flammt,

Der Seelenzünder,

Ich eile fort, zu neuer Glut verdammt,

Ein freudger Sünder.

 

Ein Sünder an der Freiheit – doch wahrhaft!

Sie ist ein Namen.

Des Lebens Inhalt ist die Leidenschaft,

Das Herz sagt Amen.

 

Die Liebste sprach: »Dich lieb ich grenzenlos!«

Auch ich, Geliebte!

Und ohne Grenzen sein, heißt frei sein blos –

Dank dir! Geliebte!

Entscheidung

 

Als ich in dein Herz voll heißer Liebesfreud

Warf einmal ein Wörtlein kühler Nüchternheit,

Da zerging die Rose deiner Wangen,

Laut zu weinen hast du angefangen.

 

Sprangest auf und wieder sankest du zurück,

Wie Verzeihung flehend drang in mich dein Blick,

Hast dich wild an meine Brust geschwungen,

Mich geküßt, umklammert und umschlungen.

 

Aber ich – erbebte. Solche Schmerzenskraft

Wandelte die Liebe mir in Leidenschaft –

Auf die schönen Augen schaut ich nieder,

Auf die Fülle wonnereicher Glieder.

 

Nur ein Wort von mir, und heitrer Himmel bricht

Aus dem theuren Antlitz, o so lieb und licht.

Ewigen Gruß dir, wundervolle Stunde,

Ich frohlocke dir mit Herz und Munde!

Andre Welt

 

Hatte einen Freund vor Jahren,

Eine feste edle Seele,

Aber in der alten Welt

Konnt er nimmer Ruhe finden.

 

Uebers Meer ist er gefahren,

Zu den thatenreichen Menschen,

Drüben in Amerika,

Drüben in dem Reich der Zukunft

 

Und er folgt dem kühnen Banner,

Das des Nordens Heldensöhne

Tragen unter ewgem Sieg

In die Mexikanerberge.

 

Durch die reichen Tropenstädte

Wandelt er mit stolzen Schritten

In dem Kleid der Republick,

Und es jauchzt ihm zu die Sonne.

 

Durch die heißen Kaktuswälder,

Durch die Schluchten thierbevölkert,

Durch die Stromgewässer wild

Wird der Tapfre staunend schreiten.

 

Und sein Herz wird kühner schlagen

Auf den sieggewohnten Märschen,

Ueber sich der Berge Stern,

Den beschneiten Orizawa.

 

Um und um die ewgen Berge,

Wie aus glühem Erz gegossen,

In der tausendfarbgen Pracht

Wird die Heimath er vergessen.

 

Wenn er schaut zu beiden Seiten

Gleich geschmolznen Diamanten

Den gewaltgen Ocean,

Wird der Heimath er gedenken.

 

Wenn er schaut die Sonne tauchen

Groß und blutig in die Esse

Des unendlich weiten Meers

Und sein Auge Thränen füllen.

 

Wenn die Nacht die dämmervolle

Niedersinkt ins Thal der Blumen,

Und der ungeheure Mond

Seine blauen Lichter sendet.

 

Wo die Blüthenbäume tanzen

Und die Quellen aufwärts strömen,

Drein die Millionenschaar

Süßer Sänger musiziret.

 

Wo ihn grüßen andre Sterne,

Zaubergroße, blitzeschleudernd,

Und der Himmel golden schwarz

Seine Sinnen überwältigt.

 

Wenn er dann hinab die Thäler

Zu den schönen Menschen steiget,

Zu der Mädchen ewgem Tanz

In die Hütten von Puebla.

 

Wenn die weichen Blumenarme

Und die süßen hellen Stimmen

Mit dem niegeträumten Reiz

Ihn umtaumeln und umscherzen.

 

Wenn ihm die Gazellenaugen

Klug und seltsam, scheu und lüstern,

Dringen bis ans tiefste Herz,

Schauen auf den Grund der Seele.

 

Wahrlich wenn er eines Tages

Ueberrascht wird unversehens

Von dem herrlichen Roman,

Den er hier – vielleicht geschrieben.

 

Oder wenn zur Zeit der Regen

Schrecklicher als Schlachtendonner

Alle Thäler widerhalln,

Baum und Berg in Fluthen stürzen.

 

Wenn die Hochgewitter rollen

Ueber öden Felsgebirgen,

Aufgescheucht der Adler kreischt,

Und der Leu des Urwalds brüllet.

 

Wenn die Feuerkegel speien,

Wenn die Meteore sausen,

Wenn der Erde Kern erbebt,

So daß dumpf das Weltmeer aufrauscht –

 

Da wird seine starke Seele

Schauernd jubeln zu den Schrecken;

Bei der Schönheit Wechselspiel

Auf der Wonne Gipfel rasen.

 

Ha! ich wills ihm nicht verdenken,

Wenn er lange wird vergessen,

Seine Bücher, seinen Freund,

Und die deutsche Muttererde.

 

Und ist er im Kampf gefallen,

In der stolzen Schlacht des Ruhmes,

Hab ich keine Klag um ihn,

Besser werd ich wohl nicht sterben.

 

In den holden Wunderdüften

Webet seine freie Seele,

Und um seine Leiche klingt

Ewig Lied der Urwaldsänger.

 

Palmen werden ihn umrauschen,

Kühne Thierwelt um ihn lärmen,

Und die Sterne heiß und groß

Auf sein Grab herniederblitzen.

Der alte Schmerz, das ewge Leid

 

O Traurigkeit, du sterblich nie,

Recht bittre du, nichts werthe,

Nicht süße sanfte Melancholie,

Bist unser Lebensgefährte.

Ach Alles vergeht!

Was aber besteht?

Allzeit?

Der alte Schmerz, das ewge Leid.

 

Ein Freudentag, ein Rausch des Glücks

Im Freundeskreise vorüber!

Lust eines dauernden – Augenblicks:

Dann um so stiller und trüber.

Ach Alles vergeht!

Was aber besteht?

Allzeit?

Der alte Schmerz, das ewge Leid.

 

Geruht an göttlicher Liebe Brust,

Maistunde jauchzender Wonne,

Genossen der Treue Reiz und Lust –

Zum Abend neiget die Sonne.

Ach Alles vergeht!

Was aber besteht?

Allzeit?

Der alte Schmerz, das ewge Leid.

 

Geerntet, was einst mit Muth gesät,

Der Arbeit lohnende Früchte –

Empfindung rein! doch, o so spät,

Und nur, damit sie flüchte.

Ach Alles vergeht!

Was aber besteht?

Allzeit?

Der alte Schmerz, das ewge Leid.

 

Genesung, holdes rührendes Glück,

Nach schweren kranken Tagen,

Du führest den Nüchternen – zurück

Zu eiteln Sorgen und Plagen.

Ach Alles vergeht!

Was aber besteht?

Allzeit?

Der alte Schmerz, das ewge Leid.

 

Religion, du Hochgefühl von dem

Was wahr, gut, ewig und schön ist,

Wohl labest du oft, fern von System,

Die Seele, der Leidges geschehn ist –

Ach Alles – vergeht;

Was aber besteht?

Allzeit?

Der alte Schmerz, das ewge Leid.

 

Hoffnung, beseligend Vorgefühl

Des Ruhms und Ruhm am Ende;

Was fehlt dir sodann, hast Neider ja viel –

Verläumder kommen behende.

Ach Alles vergeht!

Was aber besteht?

Allzeit?

Der alte Schmerz, das ewge Leid.

 

O Lethe-Quell, o Vergessenheit,

Des Himmels Kind und der Erde,

Den alten Schmerz, das ewige Leid

Entführe mit sanfter Geberde!

Ach Alles vergeht!

Was aber besteht?

Allzeit?

Der alte Schmerz, das ewge Leid.

 

Du, Schlaf, o heilige Medizin;

Trost, Freund, behüt uns immer!

Wenn trauter Schlaf im Leid erschien,

Liegt weich auf allem Getrümmer.

Ach – Alles vergeht!

Was aber besteht?

Allzeit?

Der alte Schmerz, das ewge Leid.

 

Ward euch vergönnet nie frisches Blut,

Vor Schuld euch frei zu bewahren:

Verehret den Schlaf, das göttliche Gut!

Laßt Wunsch und Hoffnung fahren!

Ach – Alles vergeht!

Was aber besteht?

Allzeit?

Der alte Schmerz, das ewge Leid.

»Im Jammer«

 

1.

Mein armes Herz, mein guter Muth,

So frisch wie der junge Morgen,

Verrathen sind sie und verkauft

An die Welt der kleinen Sorgen.

 

Der kleinen Sorgen, die so zäh

Sich mit der Seele zanken,

Gleich einem großen Heuschreckenheer

Abweiden alle Gedanken.

 

Mir ist, als ob der Sonnenschein

In hohlen Schädel mir schiene,

Wie, droben auf dem Berge dort,

In die ausgebrannte Ruine.

 

Dann aber kommt es mir wieder vor,

Als ob ich Schauer litte,

Als regnet es mir in die Seel hinein,

Wie dort in die alte Hütte.

 

Meine Freud ist hin, mein Muth dahin,

Und alle Lust verdorben,

Denn ach, mein freier, leichter Sinn

Er ist verdorben, gestorben.

 

2.

Die Freunde fort, die Freunde fern,

Auch sie hab ich verloren;

Ach ändern möcht ichs gar so gern,

Ach unter welchem argen Stern

Bin ich, sind wir geboren.

 

Wer trinkt mit mir, wer lacht mit mir,

Wer spricht zu meinem Kummer,

Wer wecket mir, wer wieget mir

Gedanken dort, Gedanken hier

Dort aus, hier in den Schlummer?

 

Für mich allein ist kein Pläsir,

Nicht Ambos ist, nicht Hammer;

Wer grübelt, krittelt, schwärmt mit mir,

Wer spottet, flucht und schimpft mit mir,

Auf diesen Herzensjammer!

Saitenlob

 

Selig, wem in Lautenklängen

Seiner Seele Schmerz entflieht!

Wem gepflanzet tief im Herzen

Die Natur ein wuchernd Lied.

Selig wem des Sanges Geister

Zu verstehen, ist gewährt –

Trauer schmilzt in weichen Tönen

Wonne wird im Lied verklärt.

Selig wer mit Lautenklängen

Seinen innern Sturm beschwört,

Daß im Handeln er geruhig

Und im Wandel unbethört;

Daß er frisch ein Lied des Muthes

Singt dem Tod ins Angesicht,

Selig wer auch Andern singend,

Ewgen Trostes Kränze flicht!

Laissez faire

 

Motto: Habe nun ach etc.

 

O so gebt mir ein Lied, ein geflügeltes Lied der Begeisterung, Lieder der Liebe –

Ihr bewegenden Mächte der menschlichen Brust, ihr Gedanken und herrlichen Triebe!

Aus der glühenden Seel ach! entquelle der Strom, aus der vollen Seele die Dichtung,

Und sie rausche dahin ungezügelten Muths, nur erfüllend des Schönen Verpflichtung.

Denn es jagt ein Gefühl wohl ein heißes Gefühl des Verlangens durch all meine Glieder,

Zu erquicken den Sinn und zu baden das Hertz in dem göttlichen Ozean wieder.

Zwar ich weiß wohl, es steht mit abwinkender Hand da die Zeit und belächelt die Gluten,

Und sie schwenket mit Macht ihre Fahne mir zu, nur in dieser zu siegen, zu bluten;

Für die Wissenschaft nur und politische That wird ein Lorbeer noch fürder gedeihen:

Ja, dem Forscher den Kranz! und dem ehernen Mann aus des Tages wilden Parteien!

Doch ich beuge mich nicht, noch erschreckt mich der Spruch, seht, ich biete die Hand nur zum Bunde –

Wer, o sagt mir, vermag da zu sichern den Streit, und zu schließen geschlagene Wunde,

Zu behüten im Sturm all die Blüthen des Geists? und wohlan sei die Gegenwart Richter!

Sind der Herzen doch viel, die zu schlagen gewohnt – nun es fordert sein Recht auch der Dichter.

Frühling

 

Frühling, bist du wiedergekommen?

Lieblicher Lenz, du lachendes Kind!

Kommst du auf dem Fluß geschwommen?

Oder kommst du mit dem Wind?

 

Unter den weichen singenden Wellen,

Aus den Wassern melodisch klar,

Ueber die Hügel, die waldig schwellen,

Luget dein kluges Augenpaar.

 

Schaue ich nur in dein sonniges Auge,

Küsse ich nur deinen wonnigen Mund,

Trink ich von deinem blühenden Hauche,

Wird auch mein winterlich Herze gesund!

Herbstbild

 

Die Feuer leuchten durch die laue Nacht,

Zum Himmel sprüht und steigt die Funkenpracht.

 

Der Jubeldonner kracht von Berg zu Berg,

Gesang und Tanz, Musik und Feuerwerk!

 

Dort unten aber bei den schwarzen Hütten,

Die Kelter dröhnt in stummer Winzer Mitten.

 

Und von der schweren, heißen Arbeit müd,

Ein Mädchen steht, sie seufzet auf und glüht.

 

Ein guter Wein! Ihn bauten meine Eltern –

O Weh, da strömt er aus fremden Keltern!

 

Ein edler Wein! ha laßt Raketen steigen!

Vor keiner wird sich seine Blume neigen.

 

Bei allen Festen wird er reichlich fließen,

In alte Glieder neubelebend schießen.

 

Bei Hochzeitmahlen wird er feurig kreisen,

Und aller Orten werden sie ihn preisen!

 

Ich aber bin ein armes, krankes Kind,

Ich werde weinen, wenn sie fröhlich sind.

 

Ich aber werde niemals Hochzeit haben,

Und unser Wein, euch wird er niemals laben.

 

So klagt das Kind und in der Mondnacht draußen

Die Feuer steigen und die Feste brausen.

 

O stille Herz! Wird es auch rosig tagen?

Wann wird kein Mägdelein mehr also klagen?

Saison

 

Früh dunkelt die Welt. Was läßt sich erklügeln?

Was tödtet den Abend, was ist pikant?

Von den Wolkenhöhn, von den Nebelhügeln

Wirbelt der Schnee ins offene Land.

Ha, glänzende Bahn! Durch Straßen und Plätze

Rauschet die göttliche Schlittenfahrt.

Ein Jauchzen und Schellen, wildfliegende Hetze,

Klingen und Knallen barbarisch gepaart!

 

Keck wirft sich hinein in die gaffende Menge

Der Fackeln rother lodernder Schein,

Musik erbraust in das dunkle Gedränge

Und Rossewiehern hintendrein.

Halloh! Du fürstliche Augenweide,

Du trunkene, du elegante Welt,

Vorübersaus in Pelz und in Seide,

Und spotte der Kälte, die – frisch erhält!

 

Halt! Teppiche her! den Arm den Damen!

Sie steigen ab am Säulenportal,

Wo festliche Sprüche, festliche Namen

Herniederflammern in farbigem Strahl.

Da wallet herein in die duftigen Räume

Die bunte, freudelachende Schaar;

Schon wiegt sich in stolze, in selige Träume

Ein manches liebeflüsternd Paar.

 

Schon lockt und ladet die Polonaise

Zum rasenden Reigen, zum tollsten Tanz;

Den Hallen entströmt ein klingend Getöse,

Hinaus in die Nacht ein Meer von Glanz.

Es winken die Kelche mit feuriger Labe,

Die Geschirre klappern in Lustbarkeit –

Und, o Erbarmen, für »christliche« Gabe

Ein bettelnd Büchslein steht beiseit.

Lebensbaum

 

Zu Heidelberg im Schlosse

Ragt auf ein Lebensbaum,

Dreihundert Jahre und drüber

Träumt er den Ewigkeitstraum.

 

Jetzt will er sich niederneigen

Der alte, mürbe Greis,

Der Winter ist ihm so grausig,

Der Sommer ist ihm zu heiß.

 

Es grünt und blüht auf der Erden,

Auch Unkraut will gedeihn,

Es wachsen Bäume zu Zeiten

Sogar in den Himmel hinein.

 

Ach, alles Blühen und Wachsen

Mag heißen, wie es will,

Und mag es sich »ewig« schelten,

Die Zeit kommt, es steht still.

 

Wie viele Lebensbäume

Hat schon die Welt gesehn!

Kein Titel und kein Name

Schützt vor dem Untergehn.

 

Und andre Bäum erstehen,

Und neuer Same geht auf –

Ein ewiger Strom des Wachsens,

Ein wechselnder Blüthenlauf!

Allzeitwunsch

 

In dieser wunderbaren Zeit

Wo man zerstört und baut,

Da hab ich viel gezweifelt

Und habe viel vertraut.

 

Von Mitteln hört ich und vom Zweck,

Von Recht und Unrecht stets,

Von Recht und Rechtsgefühlen,

Moral und Rechts-Gesetz.

 

Man schied Geschichte und Vernunft,

Sprach von Altar und Thron,

Von Wahrheit und von Freiheit,

Man sprach von Religion.

 

Ich sah, was gut und böse sei,

Und wünschte Jenem Heil,

Doch ward uns ohne Dieses

Auch Jenes nicht zu Theil.

 

Ich sah die Ohnmacht, sah die Kraft,

Trägheit und Eifer viel,

Und Ziele sonder Wege

Und Wege sonder Ziel.

 

Gott helf uns Allen, sagte man

Zur guten alten Zeit,

Es sagen: hilf dir selber,

Wohl heutzutag die Leut.

 

Ach, wenn ich einmal wünschen darf,

So wünsch ich Eines nur:

Sie niemals zu verläugnen

Die eigenste Natur!

Bescheidenheit

 

Dringe Nachts am Sternenhimmel

Scharf ins flimmernde Gewimmel

Mit erfreuten Augen ein,

Manches Sternlein wirst du finden,

Und im Augenblick verschwinden

Wird sein anspruchloser Schein.

 

Immer neue wird erreichen,

Selbst in Mondeshof die bleichen,

Deiner Blicke Adlerschwung,

Aber alle, kaum gesehen,

Werden wieder rasch verwehen,

Spurlos in die Dämmerung.

 

Also wie am Sternenhimmel

Forsch im menschlichen Getümmel,

Aber suche scharf und gern,

Und verwundert wirst zu zählen

Tausend, tausend scheue Seelen,

Aber jede ist ein Stern.

Epigonenthum

 

Was schleppet ihr in müßgen Frohnen

Ein Pfündchen zu dem Haufen Gold?

Ihr seid und bleibet Epigonen,

Ihr mögt euch stellen, wie ihr wollt!

 

So hör ich unsre Weisen sagen,

Und fühle fast, sie haben Recht,

Doch nicht sogleich will ich verzagen,

Denn auch ein Pfündchen Gold ist ächt.

 

Doch sei es Gold! Heraufgegraben

Tief aus den Schachten des Gemüths

Doch goldne Tugend soll er haben

Der Klang und Schimmer eures Lieds!

 

O suchet mehr, als nur zu glänzen,

Und denket an ein altes Wort,

Wollt ihr bereichern und ergänzen

Der Dichtung Nibelungenhort!

 

Ihr sollt nicht künsteln, nie erheucheln

Zum Selbstgenuß ein Herzensfest,

Ihr sollt nicht falschen Göttern schmeicheln,

Wenn euch die innre Macht verläßt.

 

Gebt Leidenschaft! euch selbst! so findet

Ihr ohne Künste Form und Ton,

Glaubt an die Welt, die ihr verkündet!

Der Lügner nur ist Epigon.

Nacht und Morgen

 

Ruhvoll schwebt der Dämon der Nacht

Auf schwarzen Fluthen des Aethermeers.

Im Feld kein Laut.

Die Sternlein haben sich aufgemacht,

Sind alle gekommen, alle, alle,

Zu schmücken die herrliche Himmelshalle

– – Es windet, der Morgen graut.

 

Es windet, der Wildhahn ruft.

Ein Frühhauch über die Wälder fliegt;

Die Dämmerung bebt

Auf lichten Wellen der Alpenluft.

Schon saugen den Schein die klingenden Fluren,

Her schreitet der Tag in rosigen Spuren

– – Die Sonne das Goldhaupt hebt.

 

Der Nachtgeist fliehet erschrocken leis,

Streifend den blumigen Wiesengrund,

Vorm Götterblick

Zusammenschauernd in kaltem Schweiß.

Und die Lerch entschwingt sich dem frostigen Thaue,

Begrüßet das Licht und jubelt ins Blaue,

Und wiegt sich im sonnigen Glück.

Melancholie

 

Freuet euch, ihr lieben Menschen,

Frühling ist es aller Orten!

Aus des Himmels blauen Pforten

Wandelt Liebe, Lust und Glück.

 

Fröhlichkeit ist aller Wegen,

Wie die Quellen munter springen,

Wie die Wandervöglein singen!

Ach! die Sonne kehrt zurück.

 

Ach – der Frühling kehret wieder,

Nur, um wieder hinzusterben.

Dieser Frühling muß verderben,

Dieser kehrt ja nicht zurück.

 

Auch der Schmetterling am Hügel,

Sinnbild eures Auferstehens,

Wird verhauchen unversehens,

Und kein Lenz bringt ihn zurück.

 

Schlichte Meinung

 

Du bist nicht schön von Angesicht,

Die unbedachte Menge spricht,

Doch deiner Anmuth ewger Reiz

Ist nur der Urquell ihres Neids.

 

Du bist nicht schön von Angesicht,

Behauptet jeder Kennerwicht.

Ich selbst gestehs. Was mich erfreut,

Ist deine Liebenswürdigkeit!

 

Du bist nicht schön von Angesicht,

Persianisch deine Wimper nicht,

Nicht griechisch, Theure, dein Profil,

Kein Römerzug dein Mienenspiel!

 

Du bist nicht schön von Angesicht?

So tröste dich ein Lobgedicht

Auf deine Liebe allbekannt

Freigebige und schlanke Hand!

 

Du bist nicht schön von Angesicht –

Doch weiß ein kritisches Gezücht,

Es flieht vor ihm und seinem Gruß

Dein feiner und bescheidner Fuß.

 

Du bist nicht schön von Angesicht.

Rührt euch die Wangenrose nicht?

Des Mundes süße Kirsche pflückt!

Ihr armen Schlucker wärt entzückt.

 

Du bist nicht schön von Angesicht –

Leucht auf, o keusches Augenlicht!

Ein Geist in deinem Glanze wohnt

Als wie der Friede in dem Mond.

 

Du bist nicht schön von Angesicht,

Dein Lockenhaar ist leicht Gewicht;

Dein volles Herz doch wiegt mir mehr,

Es arm zu machen, das ist schwer.

 

Du bist nicht schön von Angesicht,

Am Schwung der Brauen dirs gebricht;

Doch deiner Seele hoher Schwung

Entwaffnet die Verkleinerung.

 

Du bist nicht schön von Angesicht,

Ach Gott! von Marmor bist du nicht!

Holdselig aber bist du, Kind,

Wie Engel in dem Himmel sind!

 

Du bist nicht schön von Angesicht.

Doch Liebe geht nicht ins Gericht,

Doch Liebe ist der schönste – Zug,

Und Liebe ist sich selbst genug.

Verbittert

 

Der Himmel blau und warmes Wetter!

Im Frühling werden Menschen Götter,

Und tausend Wunden werden heil,

Es bricht das Eis der Erdenleiden

Von der Olympier ewgen Freuden

Wird Sterblichen ein Lenz zu Theil.

 

O herrlich, Sonnenschein zu trinken,

O selig, wo die Kelche winken

Mit süßem Thau und mildem Duft!

Die Schlaffen und die Trägen eilen,

Wo sie zum lieblichsten Verweilen

Das Glockenspiel der Wälder ruft.

 

O herrlich, Strahlenthau zu schlürfen!

Der derben Kost entsagen dürfen,

Wenn wir vom Frühstück auferstehn;

Beim Lerchenwirbel zu marschiren,

Und unter Blumen zu spazieren

– Und zur Verdauung sich ergehn.

 

Genug ihr Dichter! eine Frage

Schleicht grinsend an dem Maientage

In eure Jubellieder ein:

Und kleidet, sagt mir, auch den Nackten

Der Frühling, golden und smaragden,

Und will der Hunger Sonnenschein?

»Resignation«

 

Unsterblicher Name,

Ein öder Schall.

Wenn du moderst im Hügel

Armer Leib,

Was soll dir der Ruhm,

Was soll dir der öde Nachhall?

Du kannst dich nicht freuen,

Nicht laben am Nachhall,

Er ist dir ein Nichts,

Ein Nichts dem Nichts.

 

Und ist ein Geist,

Der Ewigkeit Eigenthum,

Wie soll er genießen

Irdisches Angedenken?

Ob dein ob eines Andern

Name fortlebt bei Menschengeschlechtern,

Was ist es für Unterschied?

Leerer Hall ists, vielleicht noch

Daß er verwandten Geist weckt,

Vielleicht das Gedächtniß auffrischt

An guten Thaten.

Doch welcher Werth, sprich,

Ruht in des Namens Buchstab?

Laß dir genügen, Herz,

Daß deine Wünsche, Gedanken

Fortleben in Raum und Zeit.

Ob du sie verkündet, ob dieser,

Ob Jener, ist gleichgültig

– Es waren die deinen auch.

Verlangest du mehr?

Gibt es denn andern Genuß?

Fasse die Wirklichkeit!

Der Mitwelt Weihrauch athme!

Und ihn gewinne,

Indem du Liebe gewinnst

Edler Menschen!

Besseres hat die Welt nicht.

Am Scheideweg

 

Es gilt ein Mann zu sein, ein Fürst des Lebens!

Steck dir ein Ziel, verwirf den Traum!

Die tausend Wünsche loderten vergebens,

Und herrschen kannst du nur im Raum.

 

Der Jüngling flieht – Jugend grüne weiter!

In Thaten wohnet Poesie.

Sei der Humor dein schützender Begleiter!

Verlasse dieser Gott dich nie!

 

Verzage nicht in Ungemach und Sorgen,

Kampf ist die Loosung bis zum Tod.

Hast du nicht Freunde treu für Heut und Morgen,

Die Vieles wenden, was dir droht?

 

Es holt der Geist vom Geiste sich Genesung,

An treuer Brust ruht aus die Brust,

Nur die Verlassenheit ist auch Verwesung

Jedweder Kraft, jedweder Lust.

 

Die Liebe aber, die du kennst, die Liebe,

Gibt sie nicht allen Wesen Schwung?

Wenn sie ein Dämon aus dem Busen triebe,

Dir fehlte die Beseligung.

Dichtung

 

Wenn die Sonne nach Schnee und Stürmen

Plötzlich im blauen Himmel steht,

Wandelt dich an ein Gefühl der Rührung,

Wie wenn ein Gruß von geliebten Menschen

Aus der Ferne herüberweht.

 

Wenn nach schwülen, tödtenden Tagen

Niederschauert ein Regen mild,

Wandelt dich an ein Gefühl der Stärkung,

Wie wenn aus dumpfen Zweifeln gerissen

Dich Gewißheit erquickt, erfüllt.

 

Also mit unzähligen Griffen

Faßt Natur ins Menschengemüth,

Also raget die dichtende Seele

Mächtig in die unendliche Schöpfung

– Und geboren wird das Lied.

Vom Tode

 

So nenne mir den allerschönsten Tod.

Ich nenne dir den Tod in heißer Schlacht –

Um theure Güter ist der Streit erwacht,

Für Ehre, Freiheit, für dein gutes Recht,

Ich denke solcher Tod dünkt Niemand schlecht.

Den Heldentod nenn ich den schönsten Tod.

 

So nenne mir den allerschönsten Tod.

Ich nenn den Tod, in den ich freudig geh

Für Ueberzeugung, Wahrheit, die Idee –

Im Kerker, auf der Walstatt, dem Schaffot,

Der Sieg ist mein, ich sterb für meinen Gott.

Den Zeugentod nenn ich den schönsten Tod.

 

So nenne mir den allerschönsten Tod.

Ich nenne dir den Tod in Manneskraft,

Als Opfer edler That dahingerafft;

Du stirbst ein Retter, stirbst ein Tugendheld,

Den Lohn im Herzen, unterm Dank der Welt.

Den Opfertod nenn ich den schönsten Tod.

 

So nenne mir den allerschönsten Tod.

Ich nenne dir den Tod durch süßes Gift –

Durch Blitz, der aus dem heitern Himmel trifft;

Sei es im Elend, das er schnell beschließt,

Seis in der Lust, die sorgenlos genießt.

Der Unerwartete ist schönster Tod.

 

So nenne mir den allerschönsten Tod.

Ich nenn den Tod – wenn lebensmüd und schwach

Der Leib entschläft im heimischen Gemach.

Rings traute Nacht – die Rechnung schließ ich ab

Mit dieser Welt, Erlösung ist das Grab.

Ein selig Ende ist der schönste Tod.

 

So nenne mir den allerschönsten Tod.

»Lausch auf! du siehst junge Blumen blühn,

Die stille Wiese und den Quell im Grün.

Ein Morgenhauch, ein milder Sonnenstrahl,

Der Frühling ist gekommen in das Thal –

Dort stirbt ein Greis den gleichwillkommnen Tod.«

 

Du nennest mir den allerschönsten Tod –

»Ich nenne dir den Tod, den ich erfleh;

Mein war mein Leben, mein war die Idee!

Ich hab gekämpft, geduldet, ich genoß,

Ich ende – ohne Prunk, nur still und groß.

Nicht Arzt, nicht Priester kündet mir den Tod.«

 

»Ich preise dir den allerschönsten Tod:

Die Lieben all sie trugen mich hinaus,

Vier Wände sind dem Sterbenden nur Graus.

Es war das Sein so reich so lebensroth –

Nun ist mir Leben lieb und auch der Tod.

Ich schau umher und freundlich naht der Tod.«

 

»Und da ich sterbe allerschönsten Tod,

Noch einen Becher drückt mir in die Hand,

Die Thräne fällt, dann ist er voll zum Rand.

O schöne Sonne, Erd und Erdenglück –!

Lebt woh! legt in die Blumen mich zurück!

Freut euch! Nothwendigkeit ist aller Tod.«

 

Geschichten und Gestalten

 

Ein Poet

Kennt ihr den unglückselgen,

Den übermüthgen Mann,

Den wunderbaren, welchen

Niemand begreifen kann!

 

Ihr wißt, daß keinen Richter

Er über sich erkennt,

Und nennt ihn einen Dichter,

Wie er sich selber nennt.

 

Ihr lauschet seinen Tönen

Der Eine aber fühlt

Von allen Erdensöhnen

Wie Lorbeer brennt und kühlt!

 

Zugleich in Lust und Schmerzen

Ist er entzückt, betrübt,

Und oft vom selben Herzen

Gehaßt und heißgeliebt.

 

Sein Schicksal ist, zu schauen

Zukünftiges und doch

Am alten Räthsel kauen,

Doch ziehn im ewgen Joch.

 

Mit Träumen, mit Gedanken,

Mit Prüfung bester Kraft

Zu schwelgen oder kranken

In jeder Leidenschaft.

 

Was Alles einst empfunden,

Von Andern ward gelebt,

Ihm schlägt es frische Wunden,

Die er durchs Leben schleppt!

 

Und so ihm der Pelide

Vors Auge treten will,

Da weicht von ihm der Friede,

Er selber ist Achill.

 

Die Meergöttinnen klagen,

Er sitzt am Strand und weint,

Patroklos ist erschlagen,

Patroklos war sein Freund.

 

Er grollt, er weint, es schäumet

Hochauf das Meer, er starrt

Hinein, vergißt, versäumet

Den Wink der Gegenwart.

 

Erschrecket nicht, zu lesen

An seiner Stirn, daß er

Der Kain einst gewesen,

Und einst der Ahasver.

 

Der Menschheit tausendfältgen

Geheimsten Kummer muß

In seinem Selbst bewältgen

Der stolze Genius.

 

In seinem Busen sammelt

Sich auf das Weh der Welt,

Doch keine Demuth stammelt

Der narbenvolle Held.

 

Mit Trost sich selbst zu täuschen,

Zu göttlich, folgt er nur

Dem hellen Ruf der keuschen,

Der innersten Natur.

 

Die ihr so unanstellig

Ihn findet zum Geschäft

Des Tages, selbstgefällig

An Klugheit übertrefft.

 

Die ihr ihn sein bewitzelt,

Und meidet seinen Pfad –

O eure Seelen kitzelt

Sein Wort und seine That.

 

Umsonst, daß ihr ihn heißet

Heil suchen anderwärts;

Was wollt ihr thun, ihr reißet

Aus seiner Brust das Herz!

 

Fürwahr ihm lohnt Verkennung,

So tief er fühlt und ringt,

Daß jeder Tag ihm Trennung

Auch von dem Liebsten bringt.

 

Auf seinen wilden Wegen

Kommt nimmermehr das Glück

Dem Schmachtenden entgegen

Mit Grüßen in dem Blick.

 

Ihm ist kein Seelensrieden,

Ihm ist nicht Ruh, nicht Ziel,

Kein Heimathland beschieden,

Kaum irgend – ein Asyl.

 

Von Wenigen verstanden,

Von Keinem ganz erfaßt,

Nimmt er den Stab zu Handen

Und will auch keine Rast.

 

So treibt es ihn, zu schweifen,

Unstäten Geistes Kind,

Und seine Früchte reifen

In Wetter und in Wind.

 

Sie reifen, wie die Sonne

Von Land zu Land von Pol

Zu Pol ihm Leid und Wonne

Ihm reifte Weh und Wohl.

 

Dann strömet seine Leier

So klare Töne aus,

Und nimmer kühner freier

Voll süßem Seelengraus!

 

Wohl tief, ach tief von innen

Entquillt der reiche Klang,

Sein Herzblut muß verrinnen

Mit jenem schönsten Sang.

 

Der Hirt

 

Kommt die Nacht mit ihren kühlen Schatten

Ueber alles Land;

Schwer bedunkelt schlafen schon die Matten

An der Felsenwand.

Und herüber zieht der Wind,

Leiser Schauer faßt die Glieder –

O mein liebes Kind,

Wann sehen wir uns wieder?

 

Fand dich nicht zu Hause bei den Eltern,

Fand dich nicht bei mir,

Frühe sucht ich dich auf allen Feldern

Und am Abend hier.

Keinen Gruß, kein Lebewohl?

Tiefe Nacht und tiefes Schweigen –

O mein Kind schlaf wohl,

Bis die Lerchen steigen.

 

Auf den Fluren bin ich noch alleine

Und mein Herz mit mir.

Sieh! der Mond mit liebetrautem Scheine

Kommt die Wolken für.

O du treues, goldnes Licht!

Leuchte mir zu nächtgen Schritten,

Weißt was mir gebricht,

Was ich schon gelitten.

 

Berge starren, dunkle Wälder rauschen,

Heilig ist es hier.

Wind und Wellen will ich scheu belauschen,

Flüstern sie von dir?

Von den Wiesen steigt der Duft,

Sanfte Geister weben drinnen,

Bis der Morgen ruft

Und sie scheucht von hinnen.

 

Manche Nacht schon bin ich umgewandelt,

Mutterseelenallein,

Was die Sternlein unter sich verhandelt,

Ist Geheimniß mein.

Und ihr Schweigen auch ist Gold,

Viele wissens nicht zu deuten,

Aber wem sie hold,

Dem gelingts bei Zeiten.

 

Du, nur du, mein Engel, sollst erfahren

Was ich hier gehört,

Und ich wills im stillen Busen wahren,

Bis ich dichs gelehrt.

Glücklich werden wir einmal!

Dieses mögen Alle hören –

Wenn wir uns einmal

Einzig angehören.

 

Heldenfeier

 

Singet ihnen und bewundert

Die am Thermopylenpaß

Ruhmvoll fielen, die dreihundert,

Sparter und Leonidas!

Männer, die in deutschen Landen

Gleichen Tod und Nachruhm fanden,

Meine Leier nicht vergaß.

 

Hunnen waren saubre Brüder,

Stürmten über Stock und Stein

Alle Völkersitze nieder,

Kamen auch zu uns, zum Rhein.

Saßen dortlands die Burgunden,

Lösten gern mit Todeswunden

Ihre ewige Freiheit ein.

 

Wie ein Fels den Fluß in Arme

Theilt und seinen Vollstrom hemmt,

Haben sie dem Hunnenschwarme

Keck entgegen sich gestemmt.

Fels, von ächtem Schrot und Korne,

Wurdest von dem Wellenzorne

Unzertrümmert überschwemmt!

 

Preis euch Tapfern, euch Zehntausend,

Eurem Stolze wetterkühn,

Der die Woge, welche brausend

Euch verschlang, verschmäht zu fliehn!

Opfertod im Schlachtgetöse,

Untergang der Heldengröße,

Nie soll dieser Ruhm verblühn!

 

Bleibe drum auch unvergessen

Hochsinn einer spätern Zeit!

Seid mit gleichem Maß gemessen,

Wimpfens Helden, Leun im Streit!

Aus Kordovas Feuerschlünden

Euren Tod und Ruhm verkünden

Hört die spanische Tapferkeit.

 

Trommeln wirbeln, Pulverwagen

Knallen auf, Verwirrung, Flucht,

Georg Friedrich war geschlagen,

Hat die letzte Kraft versucht.

Pforzheims Bürger stehn vierhundert

Fest im Blut, vom Feind bewundert,

Halten aus die Reiterwucht.

 

Seid im Liede stets gefeiert

Ihr vom »weißen Regiment«!

Solch Gedächtniß ist erneuert,

Wo sich Treu am Muth erkennt.

Euren Fürsten vor den Ketten,

Eurer Sache Ehr zu retten,

Nahmet ihr ein rühmlich End.

 

Singet ihnen und bewundert

Die am Thermopylenpaß

Ruhmvoll fielen, die dreihundert,

Sparter und Leonidas –

Männer, die in deutschen Landen

Gleichen Tod und Nachruhm fanden,

Meine Leier nicht vergaß!

 

Student von Prag

 

Am Hügel geht der Mondschein

Wie Hauch der Sehnsucht um,

Die frischen schallenden Wellen

Werden am Ufer stumm.

 

Dort auf der steinernen Brücke

Steht eine dunkle Gestalt;

Die kühnen Augen blitzen,

Die goldene Locke wallt.

 

Er läßt die Blicke schweifen

Im weiten Nachtgebiet,

Und seiner Brust entsteiget

Ein schauerliches Lied.

 

Ihr stummen schwarzen Berge,

Was starret ihr mich an?

Ihr kühlen grauen Wellen,

Was hab ich euch gethan?

 

Was wollt ihr grauen Wellen

Mit eurem schaurigen Sang?

Mit eurem grausigen süßen,

Mit eurem gierigen Klang?

 

Ich kann vor euch nicht schlafen,

Ich kann vor euch nicht ruhn;

Was habt ihr mit meiner Liebe,

Mit meinem Leben zu thun?

 

Mein wissenschaftlicher Eifer

War ehmals gar so groß –

O weh, die heißen Gedanken

Werde ich nimmer los!

 

Es sungen meine Brüder

Dort drüben im trauten Haus,

Ich höre das Wasser rauschen

Und stürze stumm hinaus.

 

Das Mädchen, das ich liebe,

Ist so zum Sterben schön!

Ich glaube fast, ihr Wellen,

Ihr kühlen, wollt mich verstehn.

 

Die Jagd

 

»Wohlauf, ihr Herrn, ha wohlauf zur Jagd!

Reißt weg die Becher vom Mund!

Der Himmel wird grau, es windet, es tagt,

Der Hahn kräht Morgenstund!«

So ruft der Junker von Hesselhag,

Das leere Glas in der Hand,

Ins übernächtige Zechgelag,

Und wirft das Glas an die Wand.

 

Schlaftrunken fahren die Gäste auf,

Sie schütteln das Lockengeflecht,

Und rütteln im Hin- und Widerlauf

Die Koller sich rasch zurecht.

Die Kohle im Schlot, der Wein im Krug

Ist todt, es schauert die Herrn,

Sie waschen den Kopf, sie haben genug,

Sie hören den Jagdruf gern.

 

Und Rossegewieher dringt herauf

Zum Saal und Fackelschein,

Im Schloßhof lärmt der Hundehauf,

Hell klingen die Hörner darein.

Das hat den Junker aufgemannt,

Er schreitet hinaus zum Saal,

Sieh da, im fliegenden Nachtgewand,

Sein blutjung Ehgemahl!

 

Sie blicket ihn an: o lieber Herr,

Geht heut nicht auf die Jagd!

Verzeiht, daß ich den Weg Euch sperr,

Ich träumte so bös zur Nacht;

Die Rosse, die jetzt ihr wiehern hört,

Sie fuhren uns beid hinaus,

Zur Gruft nach Sankt Katharinenwörth,

Heut, Herr, bleibt heut zu Haus!

 

Und zürnet nicht, so träumt ich, Herr!

»Was?« donnert der rauhe Mann,

»Schon wieder das eckle Weibsgeplärr?

Ein Schwachkopf hör es an!

Geh weg!« Ach Herr! »Verstehst du deutsch?

Geh weg!« Gott nein, ich bleib

An deinem Halse – »die Hundepeitsch

Für dich, zudringlich Weib!«

 

Geschlagen ist die holde Frau,

Da steht sie wie versteint,

Ihr großes Auge himmelblau

In Thränenglanz erscheint.

Sie wankt dahin, sie weint sich aus,

Läßt Alles gehen und stehn,

Den ganzen Tag hat Niemand im Haus

Die arme Herrin gesehn.

 

Indessen sucht in Wald und Feld

Der Junker Waidmannslust –

»Ei, Bettelmann, willst du kein Geld?

Was wirfst dich in die Brust?«

Ei, Edelmann, die schöne Au

Verwüstet länger nicht!

Seht zu, daß Eurer frommen Frau

Daheim kein Leids geschicht!

 

»Halloh, was soll das, alter Schuft?«

Roßfenchel hier für Euch!

Geht, säubert von bösen Geistern die Luft

In Eurem Haus sogleich!

Sonst weh! »Sonst weh,« gedankenlos

Nimmt hin der Junker das Kraut,

Verschwunden ist über Fels und Moos,

Der ihm es anvertraut.

 

»Ha, dummes Zeug!« es wischt den Traum

Der Jäger vom Aug sich so,

»Ha Rappe, wohlauf, setz über den Baum!

Ans Waidwerk auf und halloh!«

Und fernher lärmt der Hundehauf,

Hell klingen die Hörner darein,

Der treffliche Junker ist wohlauf,

Er saust über Stock und Stein.

 

Schon sinkt herab zum Hochlandsee

Der glühende Sonnenkern,

Schon blinkt aus seiner einsamen Höh

Der heitre Abendstern;

Da zieht der lachende Edelmann

Befriedigt auf sein Schloß –

»Wo ist die Hausfrau, sagt mir an,

Die solcher Fang verdroß?«

 

»Wo ist die meine? Verdrießlich Weib!

Zur Unzeit seh ich sie nur.

Wo steckt sie jetzt? Weiß Gott ich treib

Ihr aus die kranke Natur!

Den besten Anfang hab ich gemacht,

Wie schnell ist sie verstummt

Heut früh mit ihrem Geträum zur Nacht,

Das all ihr Wesen verdummt!«

 

»Ha, eingeschlossen? Verriegelt die Thür?

Bring, Weib, mich nicht in Wuth!

Mach auf! noch immer stumm? Dafür

Ist dieser Fußtritt gut.«

Die Thüre kracht aus Angel und Schloß

Zu Boden, Knall und Fall,

Herbeistürzt eiliger Dienertroß,

Verblüfft vom Widerhall.

 

O sieh, o sieh, da liegt sie todt,

Des Junkers schön Gemahl!

Auf ihrem Prunkbett, blutigroth,

Durchbohrt vom gierigen Stahl!

»Wer that mir das?« schreit auf – ihm grauts –

Der schwerbetroffne Mann;

Da scholl eine Stimme scharfen Lauts:

Das thatest Du, Tyrann!

 

Die Stimm verklang, der Junker blickt

Ins alte Bettlergesicht.

»Kerl, hat die Hölle dich hergeschickt?

Greift den verwegnen Wicht!

Vergebens jedoch sehn seiner Spur

Die bleichen Diener nach,

Verschwunden schon, über Trepp und Flur,

Ist der so seltsam sprach.«

 

»Laßt mich allein!« gebietet jetzt

Der Herr – die Knechte fliehn –

Der Herr in sich versunken setzt

Aufs blutige Bett sich hin.

»Ermordet liegt mein schönes Weib!

Und Ich hab' Das gethan!

Ich schlug – erschlug ihren edeln Leib!

Fluch, Fluch, weintrunkner Wahn!«

 

»Beschimpfung trägt kein treues Weib.

Ein Bettler unterweist

Den hohen Herrn – weiß Gott, ich treib

Aus mir den bösen Geist!

Ich schäme mich.