Leben und Liebe
Eichrodt, Ludwig
Leben und Liebe
Ludwig Eichrodt
Leben und Liebe
Lieder
Zuvor
Wellenschäume,
Wolkensäume,
Wünsche, Träume,
Im Entfalten,
Im Zerfließen festgehalten;
Manch Erlebtes
Längst Entschwebtes,
Mit Gestalten
Leicht Verwebtes,
Wie sie kommen, wie sie fliehn
– Launekinder, Phantasien,
Bilder im Vorüberziehn,
Liebespoesien!
Für mich
In Sonetten und Ghaselen,
In Terzinen, Trioletten
Laß ich gern sich Andre quälen,
Pegasus zu Tode glätten.
Auch antik mich zu verbreiten,
Ich gesteh es unumwunden,
Es verdirbt mir meine Saiten,
Macht mir keine frohen Stunden.
Will ich gar von Liebe singen,
So behagt mir keine Reise,
In der Heimath muß ich bleiben
Mit Gefühl und Art und Weise.
Liebeslieder
Und wiederum die alte Leier?
Poeten, stimmt ein Neues an!
Es ist ja doch das beste Feuer
Im Minnesingen schon verthan.
Ach, ihre Helden, ihre Dichter
Gefunden hat die Liebe längst,
Und einem zeitgemäßen Richter
Gefiele, daß du frischer sängst.
Seit jedes süße Wort verwerthet,
Seit jede Wendung fein erlauscht,
Wärs löblich, daß ihr euch bekehrtet,
Poeten, die ihr seid berauscht!
Reimt lieber Ungereimtes wieder,
Wir sind auch des Vollkommnen müd,
Versungen ist das Lied der Lieder,
Das hohe Lied, der Liebe Lied!
Versungen ist das Lied der Lieder,
Das Menschenherzen einst durchbebt!
Und, dennoch, neu und ewig wieder!
So es ein Menschenherz – erlebt.
Unwillkürlich
1.
O Himmel, wie blauest du lieblich,
Wie wehest du heiter, o Luft!
Wie wohl ist dir, meine Seele,
Da wieder der Frühling ruft!
Ihr Lüfte, lehrt mich, wie ich finde,
Die Reime zu diesem Lied,
Das mit dem lenzigen Winde
Durch alle Adern mir zieht!
Beseelet mich, rosige Thale,
Ihr Berge, ihr duftigen Höhn,
Der Vorzeit moosige Male
So ruhig, so trümmerschön!
Wie soll ich euch singen, ihr Wälder,
Ihr Wiesen, so roth, so grün!
Wie hör ich die Wasser der Fluren
So sanft durch die Blumen ziehn!
Du frisch, du jugendlich Wehen,
O wie erquickst du mein Herz –
Ich kann nur lauschen und sehen
Erden- und himmelwärts.
2.
Da wandelt des freundlichen Weges
Ein blühendes Mädchen daher,
Sie suchet sich Veilchen und Nelken,
Sie suchet vielleicht was mehr.
Sie steht auf blumigem Raine,
Freiragend ins helle Blau,
So stolz, so herrlich, so reizend,
Daß ich verwundert schau.
Was ist mit mir geschehen?
Bin ich verzaubert nicht?
Aus meinem Frühlingsliedchen
Wird nun ein Liebesgedicht.
Liebeslied
Es ist so gut und leicht gesagt,
Ich liebe, liebe dich,
Man hat so schnell sich eingeliebt,
So ganz herzinniglich.
Man fällt sich um den Hals und küßt,
Bis man vor Liebe trunken ist;
Und kann sein Glück nicht fassen,
Und will sein Glück nicht lassen.
Und wenn man einmal Abschied nimmt,
Ist man zum Tod betrübt;
Da fühlt man erst, da weiß man erst,
Wie sehr man sich geliebt.
Man küßt sich fort und bleibt allein,
Man weint sich aus und schickt sich drein,
Und träumet unterdessen,
Und kann sich nicht vergessen.
Und süß ist auch, wenn aus der Fern
Die Grüße kommen, gehn –
Was aber drum am schönsten bleibt,
Das ist das Wiedersehn.
Da wird man stumm vor Schreck und Freud,
Und möcht in alle Ewigkeit
Sich aneinander weiden,
Und nun und nimmer scheiden.
Singsang
Das Mädchen.
Hier sitz ich am Fenster
Im Abendschein,
Und schau in den lieblichen
Himmel hinein.
Aus duftigen Bäumen
Der Vogelschall,
Die süße Drossel,
Die Nachtigall.
Die Abendwölkchen
Goldrosig verglühn,
Wie schöne Blumen
Verwelken, verblühn.
Nun perlen die Sterne
Ins reine Blau,
In meine Augen
Kömmt der Thau.
Ihr stillen Sterne
Auf strahlender Bahn,
Ihr sprecht kein Wort und
Schaut euch an.
Als wie ein Aug
Ins andre schaut,
Du glaubst zu hören
Musik so traut.
Du glaubst es schlügen
Die Vögelein all,
Die süße Drossel,
Die Nachtigall.
Der Knabe.
Ich schau zu den Sternen
Mit grüßendem Blick,
Es wandeln die Freundlichen
Nach Musik.
Sie gehn nach Weisen
Aus deiner Brust,
Sie sind die Träume
Von Leid und Lust.
All deine Träume,
So herb, so hold,
Sie wandeln dort droben,
In Licht und Gold.
Liedchen
Schau ich mein liebes Mädchen an,
Steht mir das Wünschen fern,
Kein Unfried kommt an mich heran,
Und Alles thu ich gern.
Sie spricht zu mir, ich liebe dich!
Was ist, was klingt so süß?
Und schwiege sie, es triebe mich
Wie aus dem Paradies.
Dann lief ich in der Welt herum
Gedankenlos und krank,
Als wie ein Fisch so stumm und dumm,
Als wie ein Rohr so schwank
Der Himmel wäre nicht mehr blau,
Ein Schreck mir Trank und Speis,
Der Sommer als ein Winter rauh,
Der Winter sommerheiß.
Die rothen Rosen abgeblaßt,
Ein Aschenrauch das Licht,
Und ganz abscheulich, ganz verhaßt
Ein Menschenangesicht.
Wie froh bin ich, wie hochbeglückt,
Sie hat mich nie gekränkt,
Sie hat mir einen Strauß gepflückt
Und einen Kuß geschenkt.
Nun bin ich stark und stolz und reich,
Ich möchte Riesen stehn,
Ich glaub, ich wollte sterben gleich,
Müßt es um sie geschehn!
Holde Nacht
Ich weiß in grünem Garten
Den allerschönsten Ort,
Die stillen Sterne warten
Auf liebende Herzen dort.
Es spielen durch die Lauben
Die Lichter des Mondenscheins,
Es flüstern durch die Trauben
Die Geister süßen Weins.
Es wispern leis und linde
Die Abendwinde, die laun,
Und durch die schlanken Gewinde
Verliebte Blumen schaun.
Vom Hügel rauschet nieder
Der dunkle Kastanienwald,
Du hörest Schlummerlieder
Voll zaubrischer Gewalt.
Die Sterne des Himmels erwarten
Zwei liebende Herzen dort,
Ich weiß in grünem Garten
Den allerschönsten Ort.
Vetterschaft
Nach einer Abendunterhaltung
Sah jüngst ich einen alten Herrn,
Von unansehnlichster Gestaltung,
Der küßt ein Mädchen aus der Fern.
Dann kam er auf sie zugegangen,
Die Sitte schien mir äußerst bunt,
Und küßte zwischen beide Wangen
Sie grad auf ihren rothen Mund.
Das ist ein großes Glück auf Erden,
Ein Vetter schöner Basen sein!
Ein Vetter möcht ich gerne werden
Von also schönen Jungfräulein!
Er ist vorhanden, auszuüben
Ein herrlich Privilegium,
Er ist schon überm Graben drüben
Durch sein behaglich Vetterthum.
Und ist beneidenswerth vor Allen,
Denn fällts ihm eben bei, er küßt
Die schöne Base nach Gefallen,
Gerad weil er der Vetter ist.
Ach! könnt ich auf ein Augenblickchen,
Nur manchesmal, zu zweitallein,
So ein privilegirtes Stückchen
Von einem alten Vetter sein!
Im Lenz
Wie duftig wallt durch Wies und Wald
Die erste Frühlingsluft!
O kommt heraus, da Jung und Alt
Der frohe Kukuk ruft.
Es ist so still im Sonnenschein,
Die Blumen schlummern noch,
Es rieseln so munter die Wässerlein
Und hüpfen vor Freuden hoch.
Dort über die Matte zum Blüthensaft
Fliegt langsam der Schmetterling,
Es läuten so leis und geisterhaft
Die Maienglöckchen klingkling!
Im Wäldchen, wo die Mädchenschaar
Lautscherzend sich ergeht,
Hab ich, mit ihrem Ringelhaar,
Mein Liebchen auch erspäht.
Sie blickt herüber und erschrickt
Und nickt verstohlnerweis;
Wie ist die lose doch geschickt,
Sie will der Schlauheit Preis!
Frauendienst
Nicht will ich dein Herz überzeugen
Durch Verse von meiner Lieb,
Schon nahmst du das meine zu eigen,
Du schenkst das deine dem Dieb!
Nicht will ich, o beste, dich plagen,
Kein Puppenspiel treiben mit dir,
Nicht fort zum Ganges dich tragen,
Fürs Erste gefällt mir es hier.
Nicht will ich zu nahe dir treten
Mit all meinen Träumen, dich nicht
Anlügen, dich nicht anbeten,
Als wäre ich selbst ein Wicht.
Nicht will ich dein Wesen vergöttern
Mit brünstiger Philosophie,
Will nicht, wie sonst meine Vettern,
Dich halten für ein Genie.
Ich will meine Seufzer behalten
So viel auch als möglich für mich,
Die Liebe wird drum nicht erkalten,
Du weißt schon, ich – liebe dich!
Nicht will ich auch Verse dir schreiben,
Dieweil ich zur Prosa zu dumm;
Will dir die Zeit nur vertreiben,
Denn wahrlich Prosa ringsum!
Du – magst dich an Liedern erfreuen,
Wie man sich an Blumen vergnügt,
Den Weg dir mit Blumen bestreuen,
Ich denke, daß dieses genügt.
Pfingsten
Der kühle Morgen ist erwacht,
Die Sonne kämpft die Nebelschlacht,
Und siegend als ein freudger Held
Tritt sie ins alte Himmelszelt.
Vor Liebchens Fenster steh ich schon,
Sie ist wohlauf und kennt den Ton,
Ich singe, was ihr klinget süß –
Da hast du tausend Morgengrüß!
Wir wollen über die Berge gehn,
Wir wollen zusammen den Frühling sehn!
Horch, wie es froh vom Hügel schallt,
Es weht so frisch vom dunklen Wald.
Wohl ist er warm, dein würzger Mund,
O komm herab, ich küß ihn wund!
Hier unten ist so kühl und kalt,
Es weht so frisch vom dunklen Wald.
Du schaust umher so klar und schön –
Wie dir die Locken zu Antlitz stehn!
Du Augentrost, du Rosenblut,
Du treue Seele so lieb so gut!
Jetzt fliegest du mir in den Arm,
O Mädchen, du bist so süß und warm!
Und küßt die Sonne mit jedem Strahl,
O laß dich küssen millionenmal!
O blicke mich an, so innig froh,
Und küsse mich wieder, und wieder so!
O sage, was ist die schöne Welt,
Wenn sie nicht Liebe zusammenhält?
Zur Laute
Laß uns plaudern, liebes Schätzchen,
Sitz an meiner Seite nieder!
Hier an dem gewohnten Plätzchen,
In der trauten Dämmrung wieder.
Laß dir aus dem lieben süßen
Angesicht die Locken streichen,
Lasse dir die Wange küssen
Und den schönen Mund desgleichen.
Wenn ich jemals dich betrübte,
So verzeihe mir du Gute,
Unbedachtsam ja, Geliebte,
Spricht man oft mit jungem Blute.
Schau mich an, laß dich umarmen,
An die Brust voll Inbrunst pressen,
An dem treuen lebenswarmen
Busen alle Qual vergessen!
Lächelnd schläft der Geist der Wonne
In der Wange süßen Grübchen,
Süßres unter dieser Sonne
Gibt es nicht als süß ein Liebchen.
Schönres als die heilge Treue,
Holdes Hoffen, lustge Thränen,
Kühnes Fodern, zarte Scheue,
Und ein unergründlich Sehnen.
Vergiß!
Was kleidet die Wiesen, was schmücket die Wälder,
Was sprenget die Fesseln dem keuchenden Bach?
Was führet die Thiere zurück in die Felder
Und wehet den Klang aller Lieder wach?
Es ist der Frühling, es ist die Sonne,
Drum freue sich laut ein jegliches Herz,
Und in der großen unsterblichen Wonne
Verstumme der eitle, der menschliche Schmerz!
Mondlied
Schöner Mond du wandelst wieder
Auf der freien Bahn,
Eines meiner kleinen Lieder
Schick ich froh hinan.
Du behütest meine Schritte
Freundlicher Gesell;
Freue mich in Waldes Mitte,
Daß die Nacht so hell.
Ach! ich fühle nicht den Schauer
Deines lieben Lichts,
Trotz der eingefallnen Mauer
Alterirt mich Nichts.
Gar nicht kann ich mein Benehmen
Darnach richten ein,
Weil ich liebe mich zu grämen
In dem Mondenschein.
Weh im Lenz
Mir gehn viel Lieder im Kopf herum,
Der Lenz weht sie daher,
Doch meine Zunge bleibet stumm,
Und will nicht singen mehr.
Woher das kommt, ich weiß es nicht,
Doch ja, ich weiß es wohl,
Weil mir das Herz vor Liebe bricht
Und ichs vergessen soll.
Leidig Lied
Beim letzten Tanz
Hab ich gesehn,
Im grünen Kranz,
Ein Mägdlein schön.
Es will mir nicht aus dem Sinn –
Sie flog so lieblich dahin!
Und noch so laut
Der Walzer rauscht,
Hab nur geschaut,
Hab nur gelauscht.
O reizender Rede Sang,
O stolzer, stattlicher Gang!
Der Augen Glut,
Der Locken Nacht,
Der Wange Blut,
Der Glieder Pracht –
Sie haben mirs angethan;
In Schmerzen denk ich dran.
Ich hab sie gesehn
Beim letzten Tanz
So wunderschön
Im grünen Kranz.
Man sagte frei und laut,
Sie sei eine glückliche Braut.
Versäumniß
Wie lang hab ich dich nicht gesehn,
Mein Liebling, o mein Schatz,
Mir Aug in Aug gegenüberstehn,
Mein Schatz!
Wie lang hab ich dir nicht gesagt,
Was mich bekümmert, kränkt und plagt,
Mein herzensguter Schatz!
Als ich zum letzten Mal dich sah,
Mein herzensguter Schatz,
Vergessen hatt ich Alles ja,
Mein Schatz!
Ich habe nur an das gedacht,
Was uns vor Tausend glücklich macht,
Mein Liebling, o mein Schatz!
Narrheiten
Wornach steht mir der Sinn?
Zerrüttet ist mein Denken,
All meine Träume lenken
Auf einen Punkt nur hin,
Auf ihren Mund, den süßen,
Und den zu küssen!
Entweiche, Phantasie!
Du stolze, tiefbeschämte!
Ein schönes Mädchen lähmte
Die Schwinge dir, denn nie
Erschufst du Reiz, so süßen,
Ha! sie zu küssen!
Seit ich ihr Antlitz sah,
Das wonnige, das liebe,
Das unaussprechlich liebe,
Steht mir der Wahnsinn nah –
O Antlitz, mit dem süßen,
Dem Mund zum küssen.
So schwebt mir dort und hier
Der Zaubermund vor Augen,
Will Hirn und Herz mir saugen
Und alles Blut aus mir:
O Raserei, den süßen
Mund nicht zu küssen!
Treff ichs nicht bald einmal
Die Lippen rasch zu kosten,
So soll mein Wille rosten
Wie ein entehrter Stahl.
Ich stürbe gern, den süßen
Den Mund zu küssen!
Am Fluß
Ich gehe auf und nieder
Den dunkelgrünen Fluß,
Und schicke Liebeslieder
Hinab mit Gruß und Kuß.
Weit unten am Gestade
Liegt eine traute Stadt,
Die viele krumme grade
Belebte Gassen hat.
Dort wohnet, wenn ich schicke
Die Lieder, Gruß und Kuß,
Dort schaun herauf zwei Blicke
Den dunkelgrünen Fluß.
Ihr Wellen und ihr Winde,
Die ihr selbander zieht,
Begegnet meinem Kinde
Und rauscht ihm dieses Lied!
Abendphantasieen
Im blauen Schein des Mondes
Seh ich die Wellen ziehn,
Rauschen hör' ich die Wellen
Durch Blumenlande hin.
Höre die Fischlein plätschern,
Murmeln die Winde im Wald,
Hellklagende Vogelstimme
Am Hügel wiederhallt.
Da lieg ich auf dem Rasen
In lispelnder Linde Hut,
Mir ist so ruheselig,
So wunderswohl zu Muth.
Dort lausch ich der singenden Quelle
Und schaue den Nachthimmel an,
Und mit den Augen folg ich
Der sanften Wolkenbahn.
Es wandern die weißen Wolken
Vorbei am schweigsamen Mond;
Dort such ich Menschengesichter,
Und finde sie wie gewohnt.
Sieh dort! zwei Sternchen flimmern
Aus lieblichem Wolkenflor,
Mir kommen die hellen Sterne
Als wie zwei Aeuglein vor.
Weiß nicht, wie das mich fasset!
Wahrlich, es ist kein Wahn –
Die Züge der Geliebten
Sie lächeln hold mich an.
Vorgefühl
Der Abschied ist genommen,
Und Tücher wehen noch,
Und keine Thränen kommen,
O sagt, was ist es doch?
Wir sparen unsre Thränen
Auf fröhlich Wiedersehn,
Die Freude, kann sie weinen,
Ist noch einmal so schön!
Auf der Station
Nur eine Stunde sah ich dich,
Und sprach kein Wort mit dir,
Doch haben deine Züge sich
Tiefeingeprägt in mir.
Was du beginnst, wie du dich giebst,
Ein Zauber liegt darin –
Der Eine, den du sicher liebst,
Verwirrt mir ganz den Sinn.
Ich will nicht fragen, wer du bist,
Es bleibe besser fern,
Ich bin ein leidlich guter Christ,
Und mache Verse gern;
Wer dich erblickt, der schuldet dir
Ein huldigendes Wort,
Gott sei mit dir, verzeihe mir,
Und lach und reise fort!
Gefesselt
Liebesglück und Liebesschmerz –
Die Minute macht zum Sklaven,
O des Gottes Pfeile trafen
Mein gestählt gewappnet Herz.
Trage Ketten, golden süß,
Aber immer sind es Ketten,
Goldne Ketten, süße Ketten,
Aber Ketten sinds gewiß.
In des Lebens Blüthenzeit
Tief verletzt und schwer gebunden,
Und in Fesseln und in Wunden
Dennoch diese Seligkeit?
Nec bene cum nec sine illis
»Mit ihnen ist zu leben nicht,
Und ohne sie wer hielt es aus!«
Ein weiser Mann erfand den Spruch,
Der Weise nahm sich viel heraus.
Von Weibern sprach er, und ich glaub,
Der Biedermann, er hatte Recht,
Wer wüßte Herr sich ohne sie,
Wer liebend fühlte sich kein Knecht?
Wer wünschte sich der Schmerzen Zahl,
Die Leidenschaft ohn Ende bringt,
Wer lebte dieses Leben aus,
Der Liebe fern, die einzig jüngt?
Wer jauchzte nicht zum ersten Kuß,
Wer fluchte nicht der Eifersucht –
Es ist die Lieb das tolle Meer,
Die Lieb die stille Hafenbucht.
Entsetzen und Entzücken bald,
Der Liebe Freud, der Grillen Leid
Kommt über uns, da schwindelt uns –
Und das ist Höllenseligkeit.
Liebekrank
Die Berge stehn in Waldespracht
Die Wiesen leuchten grün,
Die Sonn am blausten Himmel lacht,
Mir wird das Herz so kühn.
Es ist der Frühling auf der Flur,
Es ist die Freude da,
Die Menschenbrust und die Natur
Sie fühlen sich so nah.
Und aus dem wunderschönen Bund
Entspringen möcht das Glück,
Blieb in dem tiefen Herzensgrund
Die Liebe nicht zurück.
Die Liebe hat nur Eifersucht,
Sie hat nur ewge Pein.
Sie ist es, die am Ende flucht
Dem guten Sonnenschein.
Damals
Es war in schönen Tagen,
Als ich so mit ihr ging,
Mein Auge mit Behagen
An ihren Zügen hing.
Dort unter Schattenbäumen
War eine traute Bank,
Dort faßt ich ohne Säumen
Sie um die Hüfte schlank.
Ihr Köpfchen legt sie leise,
Erröthend sanft an mich,
Eine Thräne eine heiße,
Aus ihrer Wimper schlich.
In Armen halt ich selig
Das jugendreiche Kind,
Die Athemzüge zähl ich
Und schaue schier mich blind.
Ob sie mich liebt? Ich leide
Den Tod, o daß ich wüßt!
Da hatten wir uns Beide
Zu gleicher Zeit geküßt.
Beglaubigung
Ich liebe dich, das weißt du;
Ob du mich wieder liebst?
Mit klopfendem Herzen las ichs
Im Briefe, den du schriebst.
Doch erst wenn in die Arme
Ich bald dich schließen kann,
Dich küssen und dich herzen,
Hab ich den Glauben dran.
Das flaue Herz
Du ließest mich in Bethörung,
Hinschmachten stets auf's Neue,
Nahmst deines Wesens Verehrung
Lächelnd hin ohne Scheue,
Sahst meiner Seele Verstörung,
Und fühltest nimmer Reue.
Sprich, Weib, ist es Verschwörung?
Sprich, ist es Herzensfläue?
O gibt es keine Erhörung
Für so viel Liebe und Treue!
Schlummerhaft
Wieder an dem späten Abend
Lieg ich auf dem Kanape,
Alle Welt ist schlafengangen,
Hab ein Lied mir angefangen,
Träume von der hohen See.
Wo auf heimgewandtem Schiffe
Ein verliebter Dichter sitzt,
Wo die stummen Wolken jagen,
Wo die sanften Wellen schagen,
Wos am Himmel ferne blitzt.
Wo der Mond am Meeressaume
Wie die gelbe Rose blüht –
Alles in bewegter Stille,
Wo die Seele sonder Wille
Sich erschließet zu dem Lied –
Aber ich in enger Stube
Nicke beim Gedanken ein,
Daß er sich zum Traum verflechte,
Und die schwarze Zeit der Nächte
Fülle mit belebtem Schein.
Sonntags
Die großen weißen Flocken
Fliegen so leis und matt,
Freudige Festtagsglocken
Läuten über die Stadt.
Da sitz ich am Tisch und schreibe,
Schreibe wie mir es glückt,
Dort an eisblumiger Scheibe
Hungrig ein Vöglein pickt.
In meiner Stub hierinnen
Ist es so warm und still,
Ich fange mich an zu besinnen
Was dir ich schreiben will.
In kalten Kirchenräumen
Betest du jetzt für mich,
Und Ich weiß nur zu träumen
Und thue Nichts für dich.
Leichter Sinn
Und wär meine Sehnsucht alle gestillt,
Und wäre mein heißester Wunsch erfüllt,
So bliebe
Die Zukunft mir zur Qual verhüllt –
Denn ohne Schmerzen keine Liebe.
Und dächt ich an Krankheit oder Tod,
An Alles, was Menschenglück bedroht,
So triebe
Am schaurigen Abgrund schnell mein Boot –
Denn ohne Schmerzen keine Liebe.
Drum besser, mit leichtem lockeren Sinn
Zu segeln über die Tiefe dahin!
Es bliebe
Mir sonst nur voller Schmerzensgewinn –
Ach! ohne Hoffnung keine Liebe!
Trennung
Ich steh bei meinen vielen Büchern;
Ich geh spazieren durch den Wald –
Und weiß dabei von keinem klügern,
Von keinem schönern Aufenthalt.
Ich sitz in meiner trauten Schenke,
Bei lieben Freunden und beim Wein,
Und weil ich just nicht an dich denke,
So glaub ich überfroh zu sein.
Da übermannt mich oft ein Sehnen,
Der Zufall hat mirs angethan,
Und mir entstürzen schier die Thränen,
Und bittre Wehmuth faßt mich an.
Dann kann mich, ach, nur das erfreuen,
Daß gleicher Schmerz zu dir auch spricht,
Daß er sich täglich wird erneuen –
Und dennoch, wünsch ich dir ihn nicht.
Nur weiter
Der Feuerwagen rollt durch den Wald,
Der Boden dröhnet, der Hügel hallt,
Es tanzet die Buche,
Die alte die kluge
Im Wirbelreigen
Mit Pappel und Eichen.
Vorbei, vorbei am schwirrenden Feld!
O laßt mich durchrasen die ganze Welt!
Das ist ein Eilwagen,
Der will mir behagen,
Wie Donner braust er,
Wie Sturmwind saust er.
Ob Alles zertrümmert, ob Alles zerstiebt!
Bin toll geworden, bin sterblich verliebt.
Ihre Schelmenaugen,
Die gar nichts taugen,
Sind in mich gefahren,
Die Unverlöschbaren.
Hab keinen Frieden, hab keine Ruh,
Und ging es zehnmal dem Teufel zu:
Er sei mein Begleiter,
Nur weiter, nur weiter!
Ermatten, Ermüden
Bringt mir vielleicht Frieden.
Jägerlied
Wenn über Berg und Buchenwald
Der Abendstern erglüht,
Die Heerdenglocke heimwärts schallt,
Der Hirsch zum Dickicht flieht,
Wenn Alles erst im Schlummer liegt,
Vom Mondenfrieden eingewiegt,
Dann such ich weit im Feld
Mein Liebstes auf der Welt.
Ich darf mein Lieb am Tage nicht,
Nicht in dem Hause sehn,
Ich seh sie nur im Mondenlicht,
Drin ist sie doppelt schön.
Der alte Vetter ist mir gram,
Mit einem bessern Bräutigam
Wird allezeit gequält
Mein Liebstes auf der Welt.
Doch ist sie treu und harret aus,
Und liebt auch um so mehr,
Ich bring ihr nächtlich einen Strauß,
Vom Thau der Thränen schwer.
O endet bald nicht unsre Noth,
Ich schieße mich und sie noch todt,
Dann bleibt mir zugesellt
Mein Liebstes auf der Welt.
Triumph
Wo ich gehe, wo ich stehe,
Ist mir, als ob ich dich sehe,
Jeder Zug der Luft, des Windes
Haucht den Namen meines Kindes;
Wo du bist,
Fühl ich deine Nähe.
Weiltest du auf Meeresfernen,
Unter heißen fremden Sternen,
Wärst du gar in andern Räumen,
Dort, wovon wir kaum noch träumen,
Will ich dich
Herzuzaubern lernen.
Sollt ich nie dich auch erringen,
Kann dich der Gedanke zwingen,
Sollten nie sie mein dich nennen,
Kann dich doch der Raum nicht trennen,
Denn der Geist
Hat gefeite Schwingen.
Soll der Tod dich selber minnen,
Kannst du nicht der Welt entrinnen –
Heimath aber ist die große
Ganze Welt, die endelose!
Ein Betrug
Ist das Wort: von hinnen.
Abendfriede
Schwebe, Mond, im tiefen Blau
Ueber Berg und Höhn,
Sprudle Wasser, blinke Thau!
Nacht, wie bist du schön!
Spiegle See den reinen Strahl!
Friedeathmend lind
Durch das wiesenhelle Thal
Walle, weicher Wind!
Wie durch einen Zauberschlag
Bin ich umgestimmt
Von Gedanken, die der Tag
Bringt und wieder nimmt.
Daß es auch ein Sterben gibt,
Fühl ich ohne Schmerz,
Was ich liebe, was mich liebt,
Geht mir still durchs Herz.
An die Sonne
O jugendliche Sonne,
Du bräutlich Himmelslicht,
Du bleibe meine Wonne,
Dir bleibe mein Gedicht!
So lang die Flammentriebe
In mir noch ungestillt,
Des Geistes und der Liebe
Bleibst du das schönste Bild.
Lied der Jugend
Wenn ich vierzig Jahre bin,
Will ich weise werden,
Oder einen andern Sinn
Gebt mir und Geberden!
Ja, ich trotze der Gefahr
In des Lebens Stürmen,
Mag sie um mich her sogar
Wellenhoch sich thürmen.
Billig ist und leicht genug,
Was ihr lehrt zu meiden,
Auszuweichen feig und klug
Menschenwürdgen Leiden;
Und zufrieden freut ihr euch
Eures dürftgen Looses,
Und verbannt aus eurem Reich
Kühnes ist und Großes.
Wie nach Ungewittern nur
Unser Athem schmachtet,
Wenn es über schwüler Flur
Ohne Kühlung nachtet,
So verlanget allezeit
Uns nach Leidenschaften,
Weil wir in Alltäglichkeit
Welkten und erschlafften.
Die wir jung und muthig sind,
Lassen Segel schwellen
Mit der Leidenschaften Wind,
Auf empörten Wellen,
Während, die da weise sind,
Rudern fern der Scylle
Und Charybdis ohne Wind
Durch die Wasserstille.
In der Früh
Die Sonn ist aufgegangen,
Ich steh im Thau der Flur,
Die Glockenblumen prangen
Und schillern im Azur.
Die süßen Strahlen scheuchten
Die lange schwarze Nacht,
Und Wald und Wiesen leuchten
Wie funkelnder Smaragd.
Die Frühlingsnelken blühen
Wie glühender Rubin,
Wie Diamanten sprühen
Die Tropfen im Jasmin.
Und von den Wasserfällen
Die Perle glänzend rollt,
Es blitzet aus den Quellen
Wie Silber und wie Gold.
O Liebste, wie beschenk ich
Mit all dem Schmuck dich gleich?
Durch dieses Liedchen denk ich
Mach ich mein Liebchen reich!
Jetzt
An deinem Aug, o liebes Kind,
So oft hab ich gehangen,
Du schautest in den leeren Wind,
Und kanntest mein Verlangen?
Wie umgewandelt bist du heut,
Warum jetzt so viel Küsse,
Warum für mich kein Herzeleid
Und kluge Hindernisse?
Drum hast du Nichts von Lieb gewußt,
Du hattest mich nur gerne –
Heut aber gingen dir in der Brust
Hochauf die goldnen Sterne.
Geschichte
Es waren einmal zwei Brüder,
Gar treu zusammengesellt,
Keine treuere gibt wieder,
So lang besteht die Welt.
Sie liebten sich so innig,
Wer hätt es einst gedacht,
Daß Einer doch abtrünnig
Ein schönes Weib gemacht?
Ist auch – eine alte Geschichte,
Die nur zu oft geschieht,
Und leider nie so schlichte
Als wie in diesem Lied.
Sehnsucht im Herbst
O welch ein Lied mit süßen Heimathsklängen,
Welch ein Akkord voll Glück und Schmerz,
Als ob die Nachtigallen alle sängen,
Erregt aufs Neue mir das Herz!
Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn?
Ihr Nachtigallen, könnt ich mit euch ziehn!
Mich zieht es hin zu jenen linden Lüften,
Wie es den Vogel nach dem Maimond zieht,
Zu Lorbeerhainen, ach zu Sonnentriften!
Mein Vaterland ist, wo der Frühling blüht,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht!
Mein Sinn, mein – Trübsinn nach der Heimath steht!
O lockend Lied, wer ist wie du beredt?
Lied
Gebt eine Leyer mir von Golde,
Gebt mir des Zephyrs zarte Hand,
Daß mir ein Lied auf jene Holde
Gelinge, die mein Herz verstand!
Ein hoher Stern ging sie vorüber
An meines Lebens Düsterheit,
Und manche Wolke ward noch trüber
Seitdem als sonst in trüber Zeit.
Gefällig Jedem, nie gefallsam,
Gefährlich immer meiner Ruh,
Schloß sie mit ihrer Anmuth Balsam
Zugleich der Seele Wunden zu.
Mit solchem Wuchse, reich an Jugend,
Mit solchem Blick, in Gluthen mild,
War sie der Schönheit und der Tugend
Verwirrend und erlösend Bild.
Soll ich vergessen, soll gedenken
Ich ihrer oft mit süßem Schmerz?
Vergessen heißt, ich soll sie kränken,
Erinnerung bricht mir das Herz.
Zu Dir
Ich habe keine Ruhe mehr,
Es treibt mich hin zu dir,
O daß ich Liebste bei dir wär,
O daß du wärst bei mir!
Nun hab ich lange ausgeharrt
Im widrigen Geschick,
Und länger bleib und länger wart
Ich keinen Augenblick.
Ich komme schneller als der Wind,
Rastloser Qual bewußt,
Und bis ich wieder Ruhe find,
Lieg ich an deiner Brust.
Lorleilied
Was ist dort oben? Vorbei! vorbei!
Gott helf uns Allen – die Lorelei!
Ihre Sternenaugen werben,
Wir fahren ins helle Verderben!
Vom Felsen flattert ein Dohlenschwarm,
Sie winkt mit ihrem weißen Arm,
Sie singt mit fester Stimme
Das alte Lied das schlimme.
Ach hört, ach seht, wie schön ist sie!
Wie süß fließt ihre Melodie!
Im Takte wogen die Wellen,
O rudert, rudert Gesellen!
Sie singt und winkt, das Echo spricht,
Durch Wolken flimmert das Neumondlicht.
Sie selber wirft ein Scheinen
Von Gold und Edelsteinen.
Ach hört, ach hört! Nein höret sie nicht!
Ach seht, nein seht nicht in ihr Gesicht!
Ihr könnt das Schauen nicht lassen,
Der Strudel wird uns erfassen.
Ihr lockigen Männer, herauf, herbei!
Wer holt sich von euch die Lorelei?
Ihr feurigen Jünglingsherzen
Ich schmachte nach euch mit Schmerzen
Herauf! herbei! Herauf, herbei!
Wer holt mich? singet die Lorelei.
Hört ihr die Hexe lachen?
Im Abgrund wirbelt der Nachen.
Naturstimme
Ich steh auf hohem Berge,
Im Wind, tief unter mir
Die rauschenden Buchenwipfel –
Wie einsam ist es hier!
Die Sonn ist untergegangen,
Sogar das Abendroth
In Wolkengrüfte gesunken,
Der schöne Tag ist todt.
Schwarz hüllt sich ein der Thalgrund
In wallenden Nebelflor,
Draus recket die dunkeln Häupter
Das Hochgebirg empor.
Und tief ins Herz erschrocken
Halt ich den Odem an,
Furcht überschleicht mein Wesen,
Die ich nicht meistern kann.
So sanken finstre Schatten
Auch in die Seele mir,
So dunkelt es in mir selber
Wie einsam ist es hier.
Lenz im Land
Von Blumen will ich wieder singen
Vom Sonnenschein, vom Mai,
Von Wanderlust und Becherklingen!
Entweiche, Grübelei!
Ich sang und sprach vom Menschenthume
Und gegen Tyrannei,
Und unbekümmert um die Blume
Durchjammert ich den Mai.
Ich sang mit eifernder Geberde –
Mein Frühling, o verzeih!
An aller Lust der grünen Erde
Ging ich im Zorn vorbei.
Dem Vaterland wollt ich entrinnen,
Weil es nicht stark und frei –
Da schmeichelt meinen spröden Sinnen
Der heimathliche Mai.
Der Frühling ist mir nachgesprungen
Mit hellem Jubelschrei,
Und mit beredten Blüthenzungen
Bekehrte mich der Mai.
Wehmuth
Süße Wehmuth, liebe, treue,
Kaumgekannte, langentbehrte,
Die ich zu besingen scheue,
Weil ich wohl belächelt werde –
Süße Wehmuth, heißgenährte,
Ströme, ström in Liedern aus!
Sprecht ihr Weisen, sprecht ihr Thoren,
Nach verrauschten schönen Tagen,
Deren Wonne sich verloren
In gewohnte Zeit der Plagen,
Liebe, süße, schöne Klagen
Sind nicht diese Trost allein?
Sonne
Und wieder kam die Sonne
Ins große Thal des Rheins,
Und hat gebracht die Wonne
Des warmen Sonnenscheins.
Sie kam herfür die Berge
Und zündete ins Gras,
Und ihre ersten Werke
Die Blumen waren das.
Und wie sie durchs Gebüsche
Die Bächlein aufgeküßt,
Da schwammen auf die Fische
Und haben sie gegrüßt.
Und wie sie aus den Bäumen
Das junge Laub gelockt,
Hat in den grünen Räumen
Kein Lied und Laut gestockt.
Und wie sie ganz den Winter
Verjagt mit ihrem Strahl –
Die schönen Menschenkinder
Hinsprangen in das Thal.
Lust
O wie wundervoll, wie lieblich
O wie lustig ist es jetzt!
Warum ist es auch nicht üblich,
Daß man kindisch sich ergötzt?
Ich will hüpfen, ich will springen
Jubeln in den Tag hinein,
In der Welle mich verjüngen,
Die sich wälzt im Sonnenschein!
Denn die Erde, drauf ich wohne,
Hab ich nie so schön gesehn,
Nie so reich die Wälderkrone,
Nie so lind der Winde Wehn.
Nie so rosenroth die Rosen,
Nie so murmelliederreich
Hört den Wasserfall ich tosen
In den spiegelblauen Teich.
Nie so königlich den Himmel
Hab ich andersmal erblickt,
Und das liebe Volksgewimmel
Hat sich nie so bunt gedrückt.
Will doch Alles zu dem Lenze
Gläubge Seelen, alt und jung –
Festgedichte, Opferkränze
Deuten ewge Huldigung!
Verliebt
Es schweifen die Gedanken
Hinaus in die weite Welt,
Und suchen was einer Seele
Vor allem Andern gefällt.
Sie ziehen über die Berge,
Zu Stadt und Wald und Flur,
Durchjagen in allen Gestalten
Die Kunst und die Natur.
Sie eilen zu lachender Brüder
Viellauter Zecherlust,
Sie fliegen zu rauschenden Festen
An fröhlicher Damen Brust.
Zu Spiel und Tanz, zum Gastmahl,
Zu jeglichem Ohrenschmaus,
Auf Kanzel und Katheder,
Und in der Redner Haus.
Sie dringen in alle Tiefen
Der menschlichen Wissenschaft,
Sie träumen von der Zukunft,
Von herrlicher Männerkraft.
Von Waffen und von Schlachten,
Von Lorbeern, Heldenthum,
Unsterblichen großen Thaten
Und ihrem ewigen Ruhm.
Es schweifen die Gedanken
In die weite Welt hinaus –
Und wo sie einzig weilen,
Steht der Geliebten Haus.
Nachhall
Wie soll ich lernen ihn vergessen
Den heißen, einen, letzten Kuß!
O schilt ihn, Theure, nicht vermessen
So schmerzvoll süßen Abschiedsgruß!
Wer wollte weise sich bewachen,
Wenns heilig in dem Busen brennt –?
Die Welt mit ihren sieben Sachen
Verschlang der festliche Moment.
Laß, lasse mir von deinem Bilde
Die selige Erinnerung!
Des Auges Hoheit, Muth und Milde!
Und der Gestalt beseelter Schwung!
Ja führet wieder uns zusammen
Dereinst ein gütiges Geschick,
Ich glaube, jene ächten Flammen
Sie rufen den Moment zurück.
Dann Wonne! liebend hangen dürfen
An deinem Mund und hehrer Lust
Geheimnißvollen Nektar schlürfen,
Ach, aus dem Athem deiner Brust!
Was auch die Stunde von uns fodre,
Was des Gefühls beschwingte Kraft
– Als ewge Poesie verlodre
Das Feuer unsrer Leidenschaft!
Liebesstille
Schließe, Liebchen, schließe zu die Augenlieder,
Laß versiegen deiner Rede holden Fluß!
Deine Wange presse stürmisch an die meine,
Auf den Lippen schlummre süß ein ewger Kuß.
Laß uns träumen, theure Seele,
Hingeklungne Stunden wieder,
Schließe, Liebchen, schließe zu die Augenlieder,
Aber zittre du nicht, weil ich weinen muß.
Denk an alle, all die heißen Augenblicke,
Da die Liebe mir, du mir, ich dir gestand;
Wenn dich eine stille Wonne überwallet,
Heb die Wimper, drücke feurig mir die Hand!
Schwärme in den Seligkeiten,
Schwelg in dem verrauschten Glücke,
Denk an alle, all die heißen Augenblicke,
Da dein Herz das meine, ich das deine fand.
Ach! Erinnerung und reiches Angedenken
Ist allein, du weißt es, aller Liebe Lohn;
Sollte Eines je von uns, Geliebte, sterben –
So die Saite springet, zittert nach der Ton.
Wolle drum die theuren Perlen
In den Busen tief versenken!
Ach! Erinnerung und reiches Angedenken
Lindert, heilet heute künftge Schmerzen schon.
Gestern
Gestern war ich kühn und fröhlich,
Heute bin ich unglückselig,
Und die Stunden nach Erlösung
Weinend zähl ich.
Reiz des Frühlings, Schmuck des Lebens,
Ach, für mich blüht ihr vergebens!
Schafft mir einen Augenblick nur
Des Erhebens!
Liebesqualen muß ich klagen,
Seht, mein Hochmuth liegt erschlagen –
Dieses Elend, unerträglich,
Werd ichs tragen?
Einsam
So ich jetzt alleine bin,
Und kein Mensch um mich,
Jagt mein rascher Sinn
Zu dir nur hin,
Weiß und fühlt nur dich.
Eine Seele ganz allein
Ist lebendig todt,
Herrlich ist, zu Zwein,
Glückselig sein,
Theilen Brod und Noth!
Als ich deine liebe Hand
Küßte, deinen Mund
Stets zu küssen fand,
War grünes Land
Mir der Wüstengrund.
So ich jetzt alleine bin,
Und kein Mensch um mich,
Fühlt mein öder Sinn
Durch Blumen hin
In den Wüsten sich.
Maimorgen
In Garten bin ich gangen,
Zu wandeln in dem Sonnenschein,
Da fällt mir mein lieb Liebchen ein
Mit ihren Rosenwangen
Und klaren Aeugelein.
Ich hab zu mir gesprochen
So recht im Stillen noch einmal:
Sie litt um mich viel bittre Qual,
Ihr Herz ist schier gebrochen
In Thränen ohne Zahl.
Sie wollt an mir verzagen,
An meiner Lieb an meiner Treu,
Und glaubte schon an Rank und Reu,
Und fürchtete, zu fragen,
Bekümmert seelenscheu.
Sie aber kann nicht wanken.
Sie ist so lieb, so treu, so gut,
Es lebt in ihr die alte Glut –
Die Lieb ist ohne Schranken,
Sie ist ihr Lebensblut.
Und kannst du es nicht fassen,
Wenn unsre Lieb sollt schlummern ein,
So schwör ichs hier beim Sonnenschein,
Ich kann von dir nicht lassen,
Ich bin noch immer dein!
O wunderschöne Sonne,
O Sonne du des schönsten Mais!
Als wie dein Strahl, so rein und heiß
Ist meines Herzens Wonne,
Ist meine Lieb, Gott weiß!
Dem Todten
Schwestern helft mir tragen
Meinen großen Schmerz,
Oder laßt mich klagen
Wie ein redlich Herz!
Nimmerwiederbringen
Könnt ihr mir den Freund;
Will mich schon bezwingen,
Hab ich ausgeweint.
Leben einzuhauchen,
Euerm Trost gebricht;
Aus den lieben Augen
Flamme losch und Licht.
Von den lieben Wangen
Floh das muntre Roth –
Er ist hingegangen
In den bittern Tod.
Herrlich und in Freuden
Lebten Herz und Geist,
Wußten nicht, was Leiden
Und Entbehren heißt.
In uns selber fanden
Wir Ersatz und Lust,
Lust und Hoffnung schwanden
Nimmer aus der Brust.
Darum will ich klagen,
Darum traurig sein,
Denn in künftgen Tagen
Weiß ich mich allein.
Einst
An dich allein denk ich so gerne,
Zu dir flieht mein Gedanke hin!
Die süßen braunen Augensterne
Sie gehn mir nimmer aus dem Sinn.
Ich muß mit ihren Feuerblicken
Sie überall und immer sehn,
Sie kommen meinen Traum zu schmücken,
Ich seh sie Nachts am Himmel stehn.
Denk ich der Stunden jener trauten,
Da wir wie Kinder fort und fort
Uns lächelnd in die Augen schauten,
Beseligt ohne Kuß und Wort.
Da wir erquickten Geist und Sinne
An allem Trefflichen der Welt,
Da wir allmälig wurden inne,
Was uns beflügelt und beseelt. –
Und denk ich jenes Augenblickes,
Da ich den ersten Kuß gewagt,
Und denk ich des verrauschten Glückes,
Da du mir keinen Kuß versagt. –
Und denk ich, wie die Monden flossen,
Wo dann wir, Brust an Brust gepreßt,
Uns in die Arme liebend schlossen,
So innig lang, so heiß, so fest. –
Ach! wenn ich jener Zeit gedenke,
Die wie ein goldner Traum verblich,
Und in den alten Traum mich senke,
So weiß ich nur: ich liebte dich!
Am Ufer
Ueberm Wasser rauscht das Segel,
Schwellend in der Winde Wuth,
Und die hohen kalten Sterne
Blitzen aus der Wogenfluth –
Steuermann,
Bleibe fest und wohlgemuth!
Auf dem Schifflein treibt mein Liebchen,
Mit dem Vater zog sie fort,
Bald ja will sie wieder kommen,
Eh der Strauß am Hut verdorrt –
Steuermann,
All mein Glück hast du am Bord!
Ha! was ruft ihr aus den Wellen?
Sturm, verwehe nicht den Klang!
War das Lebewohl, wars Hülfruf,
War es muthiger Gesang?
Steuermann,
Deine Kühnheit macht mir bang.
Wolken löschen aus die Sterne,
Wilder Regen, schwarze Nacht;
Ferne Donner hör ich rollen,
Mir entschwunden ist die Yacht –
Steuermann,
Ha, du hast so toll gelacht!
An ihn von ihr
Mit Muth hab ichs ertragen,
Und habe kaum geweint –
In gut und bösen Tagen
Warst du mein bester Freund!
Nun soll ich dich vermissen,
Du bist von mir so fern –
In allen Kümmernissen
Warst du mein treuer Stern!
Du bist hinweg gegangen
Wohl übers weite Meer –
Doch kenn ich dein Verlangen,
Es zieht zu uns dich her!
O hätt ich, Freund, dich wieder,
An meiner Hand und Brust –
Ich sänge Freudenlieder,
Wie ich sie nie gewußt!
Gedenken
Schöner Herbst, du sei gepriesen,
Winzer mir und Winzerin!
Unter Spiel, Gesang und Tänzen
Eilte froh der Tag dahin.
Duftig stieg die Nacht hernieder,
Und nur voller tönt der Chor,
Und der Fackel lustge Flamme
Brauste mit dem Wind empor –
Auf den Hügeln, schwellenden Rebenhügeln.
Aber, Königin der Feste,
Deiner denk ich immerdar –
O! ich war so überglücklich,
Als ich um die Holde war!
Süßes seliges Begleiten,
Trautes Beieinandersein,
Stumme Sprache mit den Blicken,
Unter Liederklang und Wein –
Kehret wieder, frohe schöne Tage!
Jaget nicht so rasch, ihr Wellen,
An Erinnerungen reich!
Habt ihr, sprecht, sie nicht gesehen,
Schickt sie keinen Gruß mit euch?
Droben an den Rebenhügeln
Floßt vorüber ihr einmal,
Schautet ihr herunter grüßen
Nicht zwei Augen in das Thal,
Thränenvolle schöne blaue Augen?
Gesellenlieder
1. Auf der Fahrt
Es war eine Zeit, da liebt ich sie,
Die herrliche Zeit, ich vergesse sie nie,
Ihr glückliches Herz zu erfreuen,
Wie war ichs bemühet in Treuen!
Und hätt ich die Sonne, den Mond und die Stern
Damalen besessen, ich hätte sie gern
Dran geben mit Bändern und Schrauben
Für meinen unseligen Glauben.
Da rückten die fremden Reiter ein,
Da ließ mein Schatz mich stehen allein,
Und den Wanderstock nahm ich wieder
Und sung verrufene Lieder.
Ach, seit ich nimmermehr denk an sie,
Ist doch die beste Melodie
Aus meiner Seele verschwunden,
Und ich habe sie nimmer gefunden.
2. In Gefahr
Liebes Herz, verzage nicht,
Laß die bösen Menschen wüthen,
An dem Himmel wohnt das Licht
Und beleuchtet was sie brüten!
Es ist Nichts so fein gesponnen,
Endlich kommt es an die Sonnen.
Liebe Seele, fasse Muth!
Und ist auch dein Stündlein kommen –
Was in deiner Tiefe ruht,
Bleibt dir ewig unbenommen.
Eine Perle kann ich nennen,
Die sie dir nicht rauben können.
Ein Gefühl, es stärkt, es labt!
Aus den guten treuen Herzen,
Derer, die dich lieb gehabt,
Kann der Böse dich nicht merzen.
Ist die Rettung hier verloren,
Wirst du dorten neu geboren!
Um so theurer nur wird sein,
Unglückskind, dein Angedenken;
Zweifel auch und andre Pein
Werden dann dich nimmer kränken.
Nur um Liebe wirst du werben,
Sei getrost im bittern Sterben!
Schwermüthig Kind
Mein Busen ist ein baumger Wald,
Drin singen die Nachtigallen –
Doch ach, jemehr es klingt und schallt
Die Blüthen müssen fallen.
Viel Blumen waren aufgeglüth;
Nun ist es Herbst geworden,
Für jede schlägt ein bleiches Lied,
Und hilft sie langsam morden.
Es ist der Wald der Blüthen baar,
Sind alle einst verklungen;
Nur noch ein einzig Blüthenpaar
Hält innig sich umschlungen.
Es ist die Freundschaft und die Lieb,
Die wollen nicht verderben;
Doch ach! sie schauen drein so trüb,
Ich glaube fast, sie sterben.
Nach einem »Volkslied«
Hast in mir geweckt, was geschlafen still,
Die Glut flog auf, ich war so stark;
Sie war mein Bestes, was geschlafen still
Durch Seel und Mark.
Du hast geweckt, was geschlummert hat,
Mein kostbar Gut, und ich wußt nichts drum
Die Flamm flog auf, nun haucht sie matt,
Das Herz weinet stumm.
Du hütest nimmer mein Feuer und Glut,
Deine Glut verkühlet kalt und todt;
Was soll meine Flamme so heiß und gut,
So allein glühroth?
O fache sie an, o nähre du sie
Mit deiner Glut; sie brennt mich nun,
Versengt mir die Brust – o sag, o wie
Magst du so thun!
Bald muß sie sterben, dann weckt sie Niemand mehr,
Hat ausgetobt und wird kalt und todt,
Mein Herz wird leer, und schmerzt auch sehr,
War eh so glühroth.
Ihr Nachruf
Ich hab es tief empfunden,
Ich hab es wohl erkannt,
In unglückselgen Stunden,
Wenn ich verlassen stand
Von allen hohen Freuden,
Die heiße Liebe schafft –
Wie wenig will das Scheiden,
Die Trennung welche Kraft!
Wer hat mich denn erquicket,
Mich Einsame liebkost,
Wer hat mich angeblicket,
Ein süßer Augentrost,
Als du, die Lieb und Leben
Erhält im regen Schwung,
Die uns ein Gott gegeben,
Als du Erinnerung!
Wie, oft ans Mutterherze,
Ans treuste auf der Welt,
Ein Kind in stillem Schmerze
Mit schweren Seufzern fällt,
So bist du mir willkommen
Erinnrung treue du,
So find ich, wild beklommen,
An deinem Busen Ruh!
Gram
Stille Thränen fließen,
Wenn das Herz erkrankt,
Bleiche Engel grüßen,
Wo die Liebe wankt.
Furcht und Wehmuth schleichen her,
Welche nimmer weichen mehr,
Bis wir sterben müssen.
Du auch hast die Seele
Tödtlich mir betrübt,
Weil ichs nicht verhehle,
Daß ich dich geliebt;
Dich geliebt wie nie ein Mann
Und dich nimmer lieben kann,
Wie ich auch mich quäle.
Will dich drum nicht hassen,
Denn du bittest mich,
Doch du wirst es fassen,
Lassen muß ich dich.
Ach! die Kränkung war zu groß,
Sie gab mir den Todesstoß –
Und ich muß dich lassen.
Sehnsucht
Mitten in dem Spiel der Freuden,
In der Arbeit Drang und Lust,
Schleicht das Sehnen und das Leiden
In die unbewachte Brust.
Denn du weilst so fern, so ferne,
Und ich bin so ganz allein;
Und bei dir bin ich so gerne,
Und ich kann nicht bei dir sein!
Wie ein Röslein in dem Scherben,
Wenn es Niemand warten mag,
So verkümmern, so verderben
Muß auch ich am lichten Tag.
Alles Leben geht zu Grabe,
Und die Seel auch ganz zu Grund,
Wenn ich dich nicht wieder habe,
Werd ich nimmer mehr gesund.
Ihr Anblick
Wenn so die süße dunkle Glut
Von deinen Augen weht,
O halt es, Mädchen, mir zu gut,
Daß sie mir zündet tief ins Blut,
Und auch mein Herz in Flammen steht.
Traun! deine Wangen blühn so hell,
Und Schalkheit leuchtet draus,
Sie kommt und schwindet wunderschnell,
Ein liebenswürdiger Launenquell
Springt von den fröhlichen Wangen aus.
Wenn um den Mund dein Lächeln schwebt,
Das grüßt wie Morgenlicht!
Ich weiß nicht, werd ich neu belebt?
Das Herz, das Herz – es klopft und bebt –
Nein, länger widersteh ich nicht.
Ich muß dir fliegen an die Brust,
Ich muß – es ist kein Scherz!
O Süßigkeit, o stolze Lust,
So eines theuren Mädchens Brust
Zu drücken ans heiße Herz!
Jaloux
Hätt ich Flügel, hätt ich Waffen,
Wegzufliegen, oder keck,
Was ich wünsche, beizuschaffen,
O wir kämen bald vom Fleck –
O wir kämen bald zum Zweck!
Aber so nur zuzusehen,
Müssen sehen, und vergehen
So vor Wollen, Wuth und Wehen,
Und im Zirkel nur sich drehn,
Weiß der Teufel auszustehn!
Gänzlich unzufrieden bin ich
Mit mir wie ein lahmer Knecht,
Und was weiß ich, was beginn ich?
Hab ich Unrecht, hab ich Recht?
Würgen könnt ich mein Geschlecht!
Sie die Reizende, die Reine,
Die mir keinen Anlaß giebt,
Daß ich zürne, daß ich greine,
Die ich liebe, die mich liebt,
Hat mich so gekränkt betrübt.
Donnert Wolken doch zusammen!
Ozeane überschwellt!
Brechet aus, ihr Feuerflammen!
Praßle nieder, Himmelszelt!
Fahr in Asche, dumme Welt!
Ständchen
Lieb um Liebe tauscht ich gern,
Wäre Lieb entglommen;
Aber Liebe steht so fern,
Liebe will nicht kommen.
Liebe, Liebe nur von dir,
Liebste, wäre Liebe mir!
Kannst du so zufrieden sein,
Immer ohne Sorgen,
Wie der Himmel, still und rein,
Früh am Frühlingsmorgen,
Kennst du nicht des Mittags Mühn,
Nicht das süße Abendglühn?
Lerne Liebe, Lust und Leid
Heißer Liebe lerne!
Endlich auch im Feierkleid
Zeige dich der Sterne!
Träume selig, schmücke dich,
Aber liebst du, liebe mich!
Künstler-Farit
Es ist mir gut gegangen
Auf dieser schlechten Welt,
Ich wurde nicht gehangen,
Ich wurde kaum geprellt
Um tausend Lebensfreuden,
Um jede Hoffnung schier,
Und Wünsche zu vergeuden
Blieb immer übrig mir.
Mich brachten böse Menschen
Um Nichts etwa durch Neid,
Chinesen und Tschetschenschen
Nie in Verlegenheit;
Mich haben keine Schlangen
Der Reue je gequält,
Es ist mir gut gegangen
Auf dieser schlechten Welt.
Wie sollt ich ein Verächter
Des lieben Lebens sein?
So Vielen geht es schlechter
Durch selbstgeschaffne Pein.
Ich lasse mich betrügen,
Wies Andern wohlgefällt,
Und pfeife mit Vergnügen
Mein Liedchen durch die Welt.
Einigen auf Freiersfüßen
Necket nicht die sanften Kinder
– Hold von Augen, liebe Mädchen –
Seid für ihre Fehler blinder
Als die Basen rings im Städtchen!
Denn je klüger ihr erscheint,
Desto mehr wird still geweint.
Seid, ihr altgescheidten Knaben,
Doch der Artigkeit beflissen,
Lieb nur wollen sie euch haben,
Wollen Eines einzig wissen,
Ob ihr nur so fühllos thut,
Oder ob ihr ihnen gut?
Könnt ihr nicht für sie entbrennen,
Die ihr sonst so ungeduldig?
Müßt ihr euch denn nicht bekennen
Viel an ihrer Thorheit schuldig,
Sintemal ihr früh und spät
Ihre Köpfchen selbst verdreht?
O, wie mögt ihr auch mit harten
Blicken ihre Aeuglein trüben!
Kopfweh machet diesen Zarten
Alles Andre, laßt euch lieben!
O gebt allen Fröhlichkeit!
Lieb und Frohsinn macht gescheidt.
An dich
Mit der Kraft von tausend Herzen
Liebst du mich, ich weiß es wohl,
Darum auch von tausend Schmerzen
Stehet deine Seele voll.
Ist auf Erden Alles möglich,
Macht mir Eines doch nicht bang,
Nur das Eine ist unmöglich,
Unsrer Liebe Untergang!
Zu spät
Wir sind gar oft mit Schweigen
Aneinander vorübergegangen,
Wir wollten einander nicht zeigen
Des Herzens Sehnen und Bangen –
Und haben uns doch geliebt!
Wir haben zusammen gesprochen,
Uns tief in die Augen geschaut,
Das Herz ist schier gebrochen,
Wir haben uns Nichts vertrauet –
Und haben uns doch geliebt!
Es schwebt auf unsern Zungen
Das holde das süße Gestehen,
Wir waren so innig durchdrungen,
Wir ließen die Stunde verwehen –
Und haben uns doch geliebt!
Wir haben das Wort nicht gefunden,
Das Heil uns bescheeret und Frieden,
Nun bluten zeitlebens die Wunden,
Nun sind wir auf immer geschieden –
Und haben uns doch geliebt!
Volksthümlich
Zürnt ihr, daß ich einsam wandle,
Weder gut noch schlecht mehr handle,
Daß ich nimmer fröhlich bin –
Schmerzen hab ich viel erworben,
Ach! die Lieb ist mir gestorben,
Ach die Liebe ist dahin!
Täglich muß ich mirs gestehen,
Um in Thränen zu vergehen,
Einmal hab ich nur geliebt.
Kann die Liebliche nicht missen,
Will von keiner Andern wissen,
Und zum Tod bin ich betrübt.
Diese fürchterlichen Leiden
Können nun von mir nicht scheiden,
Und allmälig wird mirs klar,
Wie schon manche starke Seele,
Schmerzlich fühlend, was ihr fehle,
Nach dem Grabe lüstern war.
Bald auch werd ich nimmer leben,
Und der Hügel wird sich heben
Ueber mir und meinem Schmerz –
Traurig macht mich der Gedanke,
Daß ich so zur Grube wanke,
Aber brechen muß dies Herz.
Ritter Nativus
Du sollst mir den Gefallen thun,
Du augenschöne Maid,
Laß mich in deinen Armen ruhn
In stiller Heimlichkeit!
Wir kosen, wir scherzen,
Wir sinken selig hin,
Und lassen Herz an Herzen
Die süßen Stunden fliehn.
Wie traurig ist, wie trüb und trist,
Wie ohne Ziel und Zier,
Wie Freuden leer und ledig ist
Dies Alltagsleben mir!
Wie traurig, wie trübe,
Wie ohne Lenz und Licht –
Ein Leben ohne Liebe
Lohnt sich der Mühe nicht.
Es zündet schon der Abend traut
Die Himmelslichter an,
In grünen Wipfeln wird es laut,
Die Nachtigall voran.
Die schmeichelnden Winde
Verwehen die beste Zeit,
Komm an mein Herz geschwinde,
Du augenschöne Maid!
Schwermuth
Im Garten wars; die lenzigen Winde fächeln –
Abschied, Umarmung, Kuß und schmerzvoll Lächeln.
Die Thräne quillt, ich küß sie von den Wangen.
Ade schöne Lieb! so bin ich fortgegangen.
Nun bin ich fern, fern einsam herzbeklommen.
Der Abschied war vom schönsten Kind genommen.
Nun rieselt kalter Regen, und mich schauert.
Der Blüthenbaum im Garten friert und trauert.
Er träumt von süßen warmen Sonnenstrahlen.
Schau ich ihn an, gedenk ich meiner Qualen.
Es träumt mein Herz, es träumt in öder Ferne
Von süßem Schein aus liebem Augensterne.
O komm, o komm, mich sonnig zu erquicken
Und neuen Lenz in meine Brust zu schicken!
Rührender Tod
Tief im Gebirg auf sonnigem Grund
Da liegen zwei Genossen,
Alle Beide auf den Tod verwundt,
Alle Beid ins Herz geschossen.
Von Ferne toset das Gefecht
Herauf zum grünen Walde,
Die Schüsse knattern so regelrecht
Und säubern Trift und Halde.
Die Beiden aber lagen im Moos
Und schauten, treuen Blickes,
In des Himmels dunkelblauen Schoos
Und harrten ihres Geschickes.
Sie liegen viele Schritte fern –
Das schmerzet mehr als die Wunde,
Sie wären bei einander so gern
In der bittern Todesstunde!
Und mit unendlicher Liebesmüh
Rücken sie näher und näher;
O Bruder, stirb mir nicht zu früh,
Ich sterbe sonst so eher.
Sie haben sich mit stiller Glut
In ihre Arme geschlossen,
Und ihre Thränen und ihr Blut
In Eins zusammen flossen.
Sie küssen sich und schaun sich an,
Der Eine und der Ander,
Und lächeln freundlich dann und wann,
Und sterben mit einander.
Erotisches aus einem erzählenden Gedichte »Faust«
1. (Faust)
Selig machet, glaubt es nicht, der Glaube,
Selig nicht die Hoffnung, nicht der Traum,
Selig macht die Mitschuld an dem Raube
Süßer Früchte von des Lebens Baum.
Ist Vertröstung Trost?
Labewein der Most?
Glaube, Hoffnung, Traum ist eitler Schaum.
Stürz o Herrliche in starke Arme!
Aug in Auge glüh und Mund auf Mund!
Hier an meiner treuen Brust erwarme,
Küsse, kose, herze dich gesund!
Im Genuß des Glücks,
In des Augenblicks
Vollgenusse wird nur Wahrheit kund.
Seligkeit ist Siegerbeute dessen,
Der sich köstlichen Besitzes freut,
Aber Seligkeit ist im Vergessen,
Im Empfangen, Geben – Seligkeit!
Weiß ich dies allein,
Brecht ihr Himmel ein!
Liebetrunkenen geschieht kein Leid.
2. (Faust)
Mein Herz erglüht in Träumen,
Es sprudelt launetoll,
Wie Becher überschäumen
Herrlichen Weines voll.
Von deinem süßen Bilde
Ist es berauscht, beseelt,
Wann hab ich je so wilde
So selige Schläge gezählt!
Die Nacht ist angebrochen,
Die feierliche Nacht,
Von der du mir versprochen,
Daß sie mich glücklich macht.
3. (Faust)
Du schlugest auf die holden Augenlieder,
Da grüßte michs wie junger Frühlingsschein;
Was in mir schlummerte, erwachte wieder,
Und in mich selber zog der Frühling ein.
Verworrener Gedanken wild Getriebe
Arbeitete mir längst die Seele wund,
Ich fühlt es wohl, es fehlte mir die Liebe,
Und deine Liebe machte mich gesund.
Denn durch die Liebe leben wir im Leben,
Und ohne Liebe bist du ein Gespenst,
Ein ewig Fliehn, ein Niezufriedengeben,
Das ist dein Loos, eh du die Liebe kennst.
4. (Faust)
Es ist der sanften Triebe
Friedfertige Gewalt,
Die brüderliche Liebe
Entschlafen o so bald!
Dein Geist und deine Schönheit
Trafen mein Herz so jäh,
Mit ihrem kühnen Strahle,
Daß ich in Flammen steh.
Nun ist auch der Gedanken
Unbändiger Sturmwind los –
Ich muß ins Meer versinken,
Ins Meer der Wonne sinken,
O Königin der Seele
Ich sinke in deinen Schoos!
5. (Faust)
Nur einmal noch, bevor ich sterbe,
Möcht ich die Holde wieder sehen,
Die einst mir Liebe zugeschworen,
Und dann verrätherisch entfloh!
Es war ein Weib so räthselhaften
Und süßen Wesens doch so göttlich,
Aus den geheimnißtiefen Augen
Werd ich verwundet, nimmer klug.
Wohin, warum ist sie geflohen,
Die Leidenschaft nur war und Liebe?
O dürft ich, einmal noch, erschauen
Mein Blumenhaupt, mein Elfenkind!
6. (Faust)
Warum umarmst du nicht das schlanke Mädchen?
Sie steht vor dir mit heißem Blick –
So kühn und schön, und du, du liebst das Mädchen,
Und du, Verzagter, bebst zurück?
Sie trägt dein Bildniß in dem weichen Herzen,
Es schlägt für dich so liebewarm;
Den günstgen Augenblick willst du verscherzen,
Sie flöge stolz in deinen Arm!
Nur für einander wurdet ihr geschaffen –
Rasch, einen Kuß zum süßen Bund!
Ihr Glücklichen, die Edlen und die Laffen
Sie thun euch ihren Beifall kund!
Willst du verglühen ohne heitre Flamme?
Du unternimmst, was dir verhaßt?
Gleichgültigkeit hat solches Thun zur Amme,
Du spürest wie dich Irrsinn faßt.
7. (Faust)
In ihren Träumen wird die Trübsal wohnen,
Gib Acht, daß dir nicht einmal bangt!
Du kannst die stumme Treue ihr nicht lohnen,
Wie es dein stolzes Herz verlangt.
Du kannst vom Schlaf ihr nicht den Treuen beschwören,
Der ihr ein Schreckensende malt,
Du hast kein Recht die Thränen ihr zu wehren,
Hast über Thränen nicht Gewalt!
Und dennoch, willst du feig dich selber narren!
Weil ewige Treue dir nicht frommt,
In jedem Lenze klügelnd weiterharren,
Ob nicht ein bessrer Frühling kommt?
Willst du, solange noch die Augen blitzen,
So lang dich Jugend noch durchbraust,
Ein angestaunter Weiser trauernd sitzen,
Bis endlich vor dir selbst dir graust?
Und siehst du nicht der Hoffnung Sterne schimmern
Am Wolkenhimmel fern herauf?
Entschlossen baue, wenn auch über Trümmern,
Der Liebe goldnen Tempel auf!
8. (Faust)
Vertraue mir, du Einzige,
Und glaub an mich den Mann,
Dem du zum Tode Treue schwurst,
Der dich nicht missen kann;
Der jeder Hoffnung, jedem Wunsch
Der heißgeliebten Braut
Erfüllung kühn versprechen darf,
Weil er sich selbst vertraut.
Verzage nicht, o Seele du,
Und halt an Einem fest,
Der, weil er deine Treue weiß,
Sich selber nicht verläßt;
Der auch dem härtesten Geschick
Und dessen schwerstem Schlag
Ein stählern Herz entgegensetzt,
Woher es treffen mag!
Seit ich das erste Lächeln sah
Für mich auf deinem Mund,
Seitdem die erste Thräne dir,
Der Lieb im Auge stund,
Seit du zum ersten Mal dich warfst
Mit Küssen an mein Herz,
Seitdem ergreift mich nur um dich
Um dich nur Freud und Schmerz.
9. (Faust)
Du glaubest nicht an meine Liebe,
Und kannst mich weinend gehen sehn!
Und wenn ichs mit dem Herzblut schriebe,
Du willst mich nimmer mehr verstehn.
So lasse dir noch Eines sagen –
So schmieg an meine Brust dein Haupt,
Hör dir mein Herz entgegenschlagen,
Und fühle, was du nicht geglaubt.
Dann lasse mich die Lippen drücken,
Die dürstenden, auf deinen Mund,
Und seine Süßigkeiten pflücken,
So wird dir meine Liebe kund!
Laß dich umschlingen, laß umfangen
Dich, die nicht häßlich wie der Zwang,
Und büßen mein gerecht Verlangen
In deinen Armen heiß und lang!
Dich lieb ich – und der Erdengötter
Sei über uns nicht Einer Herr!
Ach, um Zeloten oder Spötter
Bekümmert sich kein Glücklicher.
Du mußt den Zweifel überwinden,
Vertrauen ist Entschluß und That,
Wirst du kein ander Herz doch finden,
Der solche Kraft des Liebens hat!
10. (Gotthilde)
O bis zum Vermessen
Liebt ich dich so sehr,
Du, hast mich vergessen,
Du, liebst mich nicht mehr.
Deine Küsse zünden
Noch so tief und süß,
Und es sollte schwinden,
Was sie zünden hieß?
Glut, du bist verglommen,
Flamme, du bist todt,
Die mich einst benommen
Aller Erdennoth;
Als wir treu zusammen
Theilten Freud und Leid,
Und die heilgen Flammen
Schürte nur – der Neid!
O wer kann ihn messen
Diesen bittern Schmerz?
O wer kann vergessen
So ein treues Herz!
Eine Seele schicken
In das dunkle Nichts,
Und zum Himmel blicken
Frischen Angesichts!
Paradiese schenken
Heute seelengroß,
Morgen tödtlich kränken,
Ruhig reuelos;
Unter Menschen wandeln,
Heischen ihre Huld,
Leben, wirken, handeln,
In der Brust die Schuld!
11. (Gotthilde)
An deinen frischen Lippen
Hing ich so glühend und so bang –
So manches liebe manches Mal –
Da ging mir durch die Seele tief
Ein wunderbarer Drang.
In deinen schönen Gliedern
Entschlummert ich mit heißem Blut
So manches liebe manches Mal,
Da ward mir, o so todessüß,
So überwohl zu Muth.
Warum in deinen Blicken
Kein hold Verlangen nimmermehr?
O wehe mir, ach, nimmermehr!
Da zieht es auch in meine Brust
So todt, so freudenleer.
12. (Gotthilde)
Wenn nur ein Gefühl der Liebe
Noch zu mir dich zieht,
Einer jener Triebe
Deine Brust durchglüht,
O so küsse, Theurer, mich denn noch einmal,
O so sende deiner Augen einen Strahl
In mein armes krankes Herz!
Schmerz um dich und wilde Qualen
Hab ich heiß gepflegt,
Mich zu tausendmalen
Schlummerlos gelegt.
O verstehe du den ausgeweinten Blick,
O nicht ganz zusammen brich mein zitternd Glück
Und mein armes krankes Herz!
Du nur kannst mir neubeleben
Den erloschnen Muth,
Du nur wiedergeben
Heitre Lebensglut.
O so küsse, Theurer, mich denn noch einmal,
Nur dein Kuß erweckt und nur dein Augenstrahl
Dieses arme kranke Herz!
13. (Faust)
Ach! die vergangenen Freuden
Die waren wohl so schön!
Jetzt will mir Alles verleiden
Verwehen und vergehn.
Es bricht mir überm Haupte
Die finstre Zeit herein,
Und was ich niemals glaubte,
Das trifft allmälig ein.
14. (Faust)
Was ist, daß allerorten
Mich meidet Lieb und Lust,
Ich glaube mir verdorrten
Die Rosen in der Brust.
Es fallen so viele Sterne
Vom Firmament herab,
Es gähnet aus der Ferne
Mich an wie Nacht und Grab.
15. (Faust)
Ich hatte Freund und Feinde,
Schuf mir und ihnen Weh,
Ich bin so müd, ihr Freunde,
Gebt mir die Hand, ade!
Ich möchte gerne schlafen
In einem wiegenden Kahn,
Der endlich in dem Hafen
Der ewigen Ruh hielt an.
16. (Faust)
Es war doch nur im Spielen,
Was ich bis heut errang,
So wenig von dem Vielen,
Was ich gewollt, gelang.
Ich trat in einen Orden,
Der Trost und Antwort hat,
Ich bin mir untreu worden,
Ich bin des Lebens satt.
17. (Faust)
Wie, rosig in Nacht und Schlummer,
Die Abendwolken verblühn,
So will ein stiller Kummer
In meiner Brust verglühn.
Der Abendstern der blanke
Steigt in das Blau herauf,
So steht ein heller Gedanke
In meiner Seele auf.
18. (Faust)
Nun hab ichs endlich überstanden,
Ich fühle mich so frei und froh,
Weil ich aus den verruchten Banden
Mit einer kühnen That entfloh;
Ich hab auf ewig sie verschworen
Die schmähliche Vergangenheit.
Von heute bin ich neu geboren.
Und morgen kommt die bessre Zeit.
Schon hat das Glück mir hergesendet
Aus seiner Sonne einen Strahl,
Ich jauchze, denn sie ist geendet,
Die tausendfache Seelenqual.
Dich, goldne Freiheit, hab ich wieder,
Mir schickt die Freude ihren Gruß,
Und zu mir selber kehr ich wieder
Und meinem heitern Genius!
Ein Abschied
»Laß, o laß mich weinen, laß mich klagen,
Wolle nicht nach meinen Thränen fragen,
Ach mein Klagen, ach mein seltsam Weinen
Locket in die Augen auch die Deinen.
Leb wohl, leb wohl!
Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Und was ich gerne sagen möcht,
Ueber die Zung ichs nimmer brächt.
Blicke freundlich, liebe gute Seele,
Deinen stillen Kummer nicht verhehle!
Sprich du nur, in einem sanften Herzen
Will ich treu bewahren deine Schmerzen.
Du bist so weich,
Ach, schönes Kind, du bist so bleich!
Gib mir die Hand, wie stumm du bist!
Du weißt, daß man zum Abschied küßt.
Laß, o laß, denn ich muß immer weinen,
Mond und Sonne werden nicht mehr scheinen,
Lenz und Lust sind ewig mir verflogen,
Mit den Schwalben sind sie fortgezogen.
Du theurer Mann!
Verzeih, daß ich nur weinen kann.
Ein Wörtlein drückt das Herz mir ab,
Und Schweigen selber ist mein Grab.«
Kannst du reden nicht, und kannst nicht schweigen,
Möchtest mir dein ganzes Innre zeigen –
Lebe wohl! laß dich zum Abschied küssen;
Sollten wir für immer scheiden müssen?
Geliebte du!
Nimm diesen Kuß und den dazu!
Schon sind wir uns gesunken, sieh!
Ans Herz und wissen selbst nicht wie.
Maria
Unter allen Schmerzen,
Die mir zugetheilt,
Wühlet mir im wunden Herzen
Einer, der nicht heilt,
Den ich stets erneue –
Ach, unsäglich ist der Schmerz der Reue!
Reue, daß ich Einen
Von mir lassen hieß,
Heiße, bittre Thränen weinen
Einen weinen ließ;
Den ich treulos nannte,
Einzig liebte, liebt und ganz verkannte.
Könnt ich rufen, weinen
Ihn, ach ihn zurück,
Ohne Thränen ließ ich keinen,
Keinen Augenblick!
Doch in welchen Stunden
Habt ihr klaren Auges mich gefunden?
Trügen Thränenfluthen
Mich zur ewgen Ruh!
Dem willkommnen Tode bluten
Meine Wunden zu.
Im gebrochnen Herzen
Heilen alle unheilbaren Schmerzen.
Die Braut
So sitz ich am Morgen,
Bei Tag und Nacht,
Und geb auf die flüchtigen
Wellen Acht.
Die Wellen, sie kommen,
Sie bleiben, sie gehn,
Doch keine läßt wieder
Den Freund mich sehn.
Und bin ich zu Hause,
So treibts immer mehr
Zum Platze, dem grausigen,
Aermste mich her.
Die Wellen, sie wandern,
Sie kommen und nahn,
Es bringet mir keine
Den Freund heran.
O bin ich so einsam,
Verlassen allein!
Mein Liebster muß ewig
Verloren sein.
Es brüllte der Donner,
Es tobte der Bach,
Die Brück ist geborsten,
Er stürzte so jach.
So ist er versunken
Ins nasse Grab,
Doch muß er noch kommen
Zu mir herab.
Nun schau ich ins Wasser,
Sitz hin und harr,
Wann kommt sie die Leiche
So bleich und starr?
O schäumet ihr Wasser,
Nimm auf mich du Bach,
Und treibt mich dem Freunde,
Dem liebenden nach!
Ein Lebewohl
Leb wohl, ich will dich nimmer sehn,
Will Nichts mehr von dir wissen,
Ob Thränen mir im Auge stehn,
Ich hab den Schmerz verbissen.
Als wie ein Vogel flattert fort,
Als wie ein Blatt im Lenz verdorrt,
Als wie ein Lenz vergeht,
Sei unser Traum verweht!
Es ist vorbei, es thut kein gut,
Wir passen nicht zusammen,
In gleichem Takte springt das Blut
Und prasseln unsre Flammen.
Wir liebten uns, es war ein Wahn,
Wir beteten uns selber an.
Geheimniß, tief und groß,
Zieht an und läßt nicht los!
Wir konnten auf der Herzen Grund
Uns schauen und erlauschen –
Wir könnten schließen neuen Bund
Und Lieb in Freundschaft tauschen,
Geschwisterlich zusammengehn,
Uns friedlich in die Augen sehn,
Doch nein! Leb wohl, leb wohl!
– So flieht sich gleicher Pol.
Ein Sylvester-Lied
Wohlauf Musik zum kommenden Morgen!
Nun werf ich hinweg die bleichen Sorgen,
Den eiteln Kummer,
Den Herzensverdummer,
Und allen Gram und jeden Verdruß –
Der Freundschaft geb ich neuen Kuß!
Nun bringet mir wieder den schäumenden Becher,
Ich werde schon wieder ein löblicher Zecher.
In rauschende Lieder
Schwärmender Brüder
Misch ich fortan meinen Jubel ein –
Es lebe die Freude, es lebe der Wein!
Das lumpichte Schmachten, das leidige Sehnen
Es tauget nicht, bringt statt Gedanken nur Thränen,
Nur Wanken und Schwanken,
Grübeln und Kranken,
Ein mißtrauisch Wesen, Jedwedem Halbfeind,
Und bringt zur Verzweiflung den besten Freund.
Begraben der Liebe Lust und Schmerzen!
Ich habe euch wieder, ihr fröhlichen Herzen!
Die kleinen Leiden
Sterben und scheiden,
Wir kosten den schönen Augenblick,
Und träumen laut von der Zukunft Glück.
Drum sollen sich alle Stimmen lösen,
Es ist ein tüchtiges Herz genesen.
Gesang erschalle,
Der Böller knalle!
Schaut vorwärts nur und nie zurück –
Gesundheit Brüder! Wohlauf Musik!
Stern der Zecher
Wer schenket den Wein
Den flammenden ein?
Wer schenket den Wein, den ich trinke?
Es ist die Marianne, die flinke!
Der Becher ist leer –
Wer schwebet daher
Mit voller, mit blitzender Kanne?
Die Fröhliche ists, die Marianne!
Das tanzet und nickt,
Das lächelt und blickt
So siegenden Augs in die Runde!
Da wird zur Sekunde die Stunde.
Ich mag nimmer fort
Vom seligen Ort,
Ich mag nur trinken und schauen
In ihre Augen die blauen!
Wär sie nimmer da,
Ach sie nimmer da,
Der Wein mir mundete nimmer,
Und Alles verwünscht ich in Trümmer!
Die Harmlosen
So lang uns aus den Bechern
Ein volles Leben lacht,
So mag die Welt uns lächern,
Die sich Gedanken macht;
Gedanken, ob es schicklich,
Zu tollen bei dem Wein –
Wir wollen nichts als glücklich
Und ungeschoren sein!
Ein Häuflein von Gedanken
Durchbrauset jetzt die Welt,
Und aus den alten Schranken
Tritt ein verjüngter Held.
Er wird dereinst besiegen
Die alte morsche Macht,
Das stolze Reich der Lügen
Umstürzen über Nacht.
Wir halten an den Bechern,
Sie trösten heut allein –
Bis Zeit ist, von den Dächern
Zu predigen vom Wein!
Es soll der Wein der Reben
Verscheuchen jeden Schmerz;
Der Liebe Wein beleben
Berauschen jedes Herz!
So lange drum gebunden
Die Zunge und der Arm,
Verzechen wir die Stunden,
Verjubeln wir den Harm.
Wir fragen nicht, ob schicklich,
Zu tollen bei dem Wein –
Und wollen nichts als glücklich
Und ungeschoren sein.
Unbestimmtheit
War ich nicht ein stiller Knabe?
Der in Büchern gern gelesen?
Seit ich sie gesehen habe,
Hab ich gar ein fahrig Wesen.
Durch die Fluren ohne Sorgen,
Durch die Wälder ohne Härmen
Möcht ich jetzt den guten Morgen
Und den lieben Mittag schwärmen.
Abends unter duftgen Bäumen,
Wo Musik erschallet, möchte
Ich zum trauten Becher träumen
Tief bis in die Mitternächte.
Ein Lebtag
Wir lagern in dem grünen Gras,
Wir ruhn im goldnen Sonnenschein,
Es blitzt der Wein im grünen Glas,
Es blitzt vom Aug der goldne Wein.
Abwechselnd Küsse geben
Dem Liebchen und den Reben,
Die Herzen und die Becher voll,
Ja – ja das heiß ich Leben!
Uns blaut der Himmel ins Gesicht,
Der laute Strom erquickt das Ohr,
Uns malt der Ferne Zauberlicht
Gar wunderselge Träume vor.
So Arm in Arm geschlungen,
Von Lieb und Wein durchklungen,
Sei durch den grünen hallenden Wald
Der Freude Preis gesungen.
Hört ihr das milde Säuseln schon?
Es kündet schattenvolle Ruh,
Es wispert durch die Buchenkron
Und küßt im Gras die Blumen zu,
Es rauschet auf und nieder
Wie singendes Gefieder,
Das sind der Tageskönigin
Schauersüße Schlummerlieder.
Und vor uns glüht der Himmel auf,
Auch wir sind rosig überhaucht,
Vollendet ist der Sonnenlauf!
Der große Stern ins Meer getaucht.
Die letzten Perlenfunken
Zum Scheidegruß getrunken!
Füllt an, füllt an, uns hat das Licht
Auf Wiedersehn gewunken.
Schaut um und auf! im tiefen Blau
Der goldne Brachmond schwimmt heran,
Er wandelt durch die Sternenau
So leuchtende verschwiegne Bahn.
Steht auf, steht auf, Genossen!
Die Nacht ist ausgegossen –
Den kühnen Wünschen in der Brust
Die Herzen aufgeschlossen!
Besitz
Das hat mich oft dem Glück
Der Götter nahgebracht,
Erwog ich treu, wie Liebe glücklich macht;
Nicht aber in schmachtender duftiger Fern,
Nein nein, recht in der Nähe lieb ich gern.
Es ist mein lieber Schatz
Ein frisches junges Blut,
Das Arm in Arm an meiner Seite ruht;
Nicht aber voll klagender nagender Pein,
Nein nein, recht voll von Küssen soll die Liebe sein.
Durch unsre Pulse schwellt
Das Feuer und die Kraft,
Wir halten uns zweibeid in süßer Haft;
Nicht aber in duftiger klagender Fern –
Nein nein, so ganz und heftig lieben wir gern.
Beim Wein
Wenn laute Becher klingen
Und golden grüßt der Wein,
So wollen wir auch singen
Und guter Dinge sein,
So wollen wir, so sollen
Wir bis der Tag erwacht,
Durchjubeln und durchtollen
Die ganze schöne Nacht.
Wenn sich aus allen Winden,
Nach langer leerer Zeit,
Die Freunde wieder finden
Mit alter Herzlichkeit,
So sei, was unterdessen
Bekümmerniß gemacht,
Vertrunken und vergessen
Die ganze schöne Nacht!
Es soll kein Achselzucken
Uns Grund zum Aerger sein,
Und müßten wir ihn schlucken,
Wir schluckten ihn mit Wein;
Die Heuchler und die Neider,
Sie seien ausgelacht,
Zum Aergernisse Beider,
Die ganze schöne Nacht!
Und wessen wir gedenken,
Worauf wir Häuser baun,
Worauf wir hocheinschenken –
Noch immer sinds die Fraun!
Laßt nicht den Geist verschäumen,
Der Liebsten seis gebracht!
Sie möge süß verträumen
Die ganze schöne Nacht.
Wenn laute Becher klingen
Und golden grüßt der Wein,
So soll ein fröhlich Singen
Und tüchtig Trinken sein!
Mit Schwächen und Gebrechen
Sind wir nur schlecht bedacht,
Die alten Deutschen zechen
Die ganze schöne Nacht!
Gesang der guten Seelen
Stoßt an mit fröhlichem Singen,
Und seid drei Farben hold,
Schön dunkel sind die Straßen,
Schön roth sind unsre Nasen,
Der Wein ist pures Gold!
Wo unsre Farben gelten,
Verschwindet alles Leid;
Wir sind ein Volk von Brüdern,
Und Freiheit in den Liedern
Sie kommt in Wirklichkeit.
Zwar sind verpönt die Farben
Im deutschen Vaterland;
Ach, nur in stillen Symbolen
Verehret sie verstohlen,
Ein trauter Zechverband.
Ob alle untreu werden,
Wir bleiben den Farben hold!
Wir halten sie hoch in Ehren,
Wir werden die Welt bekehren
Zum Schwarz und Roth und Gold!
Wanderlied
Freunde, flinke fröhliche Schaar,
Streift durch Berg und Wald!
Strömendes Wasser, wild und klar –
Durch! kein Aufenthalt!
Morgensonne, fröhliches Licht,
Sei gegrüßet vielmal!
Jammerseelen scheine du nicht,
Goldener Freudenstrahl.
Rausche, du grüner fröhlicher Wald,
Unsern Liedern zu,
Wer sie grüßend wiederhallt,
Rauschender, sei du!
Morgenwind, o fröhlicher Wind,
Brause du frisch voraus,
Kerlen, die ganz lang-weilig sind,
Blase den Odem aus!
Festlied
Erschalle, Lied, aus froher Zecher Mitte,
Durchschüttre, Becherklang, den Saal!
So freun wir uns der guten alten Sitte,
Und füllen dreimal den Pokal.
Auf! seid mit Herz und Mund dabei,
Und hebet die Becher, eins, zwei, drei!
Du Erster, leuchtend ein verzehrend Glühen,
Mach unsre Geister phönixjung,
Verflüchtige an kleine Noth und Mühen
Den Nebel der Erinnerung!
Denn soll uns der Himmel recht sonnig blühn,
Müssen die alten Gewölke fliehn.
Das andre Glas: der Heuchler soll erblassen!
Der Freude ist das Glas geweiht!
O sagt, wer kann sie all im Busen fassen
Die süße Unermeßlichkeit?
Wir hoffen, wir schwärmen, es träumet das Herz,
Es hat nichts erfahren, kennt keinen Schmerz.
Drum noch einmal! Gruß unserm Zechgelage!
Der Zukunft – Gruß! dem Lebensmuth!
Ein Morgenroth beglückter Sonnentage
Sei dieses Festes Freudengluth!
Laßt nimmermehr ab von deutscher Art,
Dann ist euch die Zukunft in Treuen bewahrt.
Metaphysisches Lied
Was macht das Leben wünschenswerth?
Was reizt die Geister, was begehrt
Der Weise, hör ich fragen.
O geht zu einem Weisen hin!
Denn ich, der ich kein Weiser bin,
Ich darf es euch nicht sagen.
Was ist es, so dich aufrecht hält,
Was mit dem Dasein auf der Welt
Kann dich, o Mensch, vesöhnen?
Geht doch zu einem Weisen hin!
Denn mich, der ich ein Dichter bin,
Mich würdet ihr verhöhnen.
Doch ihr kommt wieder? Um vielleicht
Zu hören was den Thoren däucht?
So laßt den Rath euch geben:
Thut, was ihr wollt und bleibt gesund,
Gesund, gesund, dann wird euch kund
Warum der Mensch will leben!
Dann lebet in den Tag hinein,
Und schlafet Nachts und bleibet rein
Von Grundsatz und von Sünde!
Dies ist ein Kunststück, wer es kann,
Beherrscht die Welt, er frage dann
Nicht nach, wie ers begründe!
Eulenspiegler
Gehn wir allein im grünen Wald,
Durchschauert es uns die Seele so kalt,
Da denken wir nur an Eis und Schnee
Und allen Elends häßlich Weh.
Und gehn wir durch das weiße Gefild,
Durchschauert es uns so süß und mild,
Da träumen wir von der lenzigen Lust
Und von der klopfenden Menschenbrust.
O Herz, du bist nicht schuld daran,
Das haben die bösen Menschen gethan,
Dieweil sie an der vielschönen Welt
Uns alle Liebe und Lust vergällt.
Drum sitzen wir lieber im Kämmerlein
Beim Freund, dem treuen, dem alten Wein,
Wohl, der ist in allen Dingen zu Haus,
Er hat uns getröstet Jahr ein Jahr aus.
Simples Neujahrslied
Vorüber ist das alte Jahr,
Ich wünsche Glück zum neun!
Was euch das alte noch nicht war,
Soll euch das neue sein.
Ich greife zu dem vollen Glas,
Und trink es aus und sag,
Ich wünsche Jedem Alles was
Er selbst sich wünschen mag.
Ich wünsch euch Alles, was auch euch
Befriediget und reizt,
Und daß mit euern Wünschen sich
Der meinen keiner kreuzt!
So treten wir ins neue Jahr
Getrosten Muthes ein –
Und was im alten noch nicht war,
Erfülle sich im neun!
Der Weinenthusiast
Ihr rechnet mit des Lebens Größen,
Und ihr gelanget nur zum Schmerz.
An unvermeidlichen Verstößen
Verblutet bald des Menschen Herz.
Was bleibt ihm übrig, als zu flüchten
In das Mysterium des Weins?
Mit Seelengröße zu verzichten,
Beim goldnen Flascheneinmaleins.
Die Freunde müssen uns verlassen,
Das Schicksal treibt sie alle fort;
Doch Menschen, die den Wein nicht hassen,
Hat jede Zeit, hat jeder Ort.
Und wenn die Menschheit selber glücklich
Sich heute nicht zu nennen wagt,
So ist das Wort schon unerquicklich,
Das auch den Becher mir verklagt.
Was war dem Weisesten der Weisen
Der Werth der ganzen Wissenschaft?
Im Tod ein Trinker noch zu heißen,
Trank er mit Lust den Schierlingssaft.
Und Noah, der schon am Ertrinken,
Blieb doch dem Trinken freundlich nur;
Auch Doktor Luther, will mich dünken,
Begriff des Kelches Heilnatur.
Vergebens singen wir die Erben
Der Sklaverei im Liebesnetz,
Die Liebe aber kann auch sterben,
Und untreu werden kann sie stets.
Den Becher können sie nicht nehmen,
So lang dies Ich sich nicht verliert,
So lang sie diesen Geist nicht lähmen,
Und dieser Leib nicht müde wird!
Bleibt mir der Becher nur, der volle,
So miß ich keinen Erdenreiz,
So fluch ich jedem eitlen Grolle,
So spott ich alles eitlen Leids.
Gelassen will ich stets erscheinen,
Wenn jedes Auge feucht erscheint,
Und nur noch mit der Rebe weinen,
Die ächte Freudenthränen weint!
Im Keller
Das Trinkhorn her! und lasset kreisen
Die dunkle Fluth bei Sangesweisen!
Ein tüchtger Schluck, ein voller Zug,
Thu Jeder, was er kann!
Und ist es um und nicht genug,
So fangt von vornen an!
Das Horn herbei! hoch lasset schäumen
Den Saft zu süßen Zecherträumen!
Der Wein entgleitet, leise kömmt
Vom Rand der Fluthenschwall,
Wie aus erstarrtem Leibe strömt
Die Seel ins Weltenall.
Das Horn herbei! vom Wein das Singen
Ist keine That noch und Vollbringen.
Das Trinken, wenn die Schale kreist,
Erkenntniß schafft und Lust,
Es ruht in jeder Form ein Geist –
O macht ihn euch bewußt!
Das Horn herbei! wem soll er gelten,
Der tiefe Trunk, den Thoren schelten?
O prahlet nur mit Seelenruh
Und anderer Sympathie,
Wir trinken hoher Liebe zu
Und ihrer Poesie!
Das Horn herbei! und leert es muthig!
Einst stritt es Kämpfe hart und blutig,
Als tief in Westens Wälder noch
Es trug ein freies Thier,
Das nie den Nacken bog ins Joch,
Halsstarrig – so wie wir.
Das Horn herbei! es ist ein Zeichen
Beherzten Kampfes ohne Weichen!
Trinkt Alle draus! so war es eh,
Als man noch Frohsinn kannt,
Und noch nicht so viel feiges Weh
Im alten Vaterland.
Freundschaft
Was aber hätt ich von dieser Welt,
Und hätt ich, was ich wünscht, im Nu,
Was Herz erwärmt und Geist erhellt,
Und hätt keinen Freund dazu?
Was hätt ich von aller Liebe gar,
Was hätt ich von dem funkelnden Wein,
Wenn Alles, was süß mir ist und war,
Nur blühte für mich allein?
Was wollt ich mit der schwellenden Brust
Und schütte sie arglos nimmer aus?
Vergrabenes Leid, verschlossene Lust,
Das ist der Seelengraus.
Der Alles überdauern muß,
Wenn dir so manche Blüthe geknickt,
Das ist des Geistes kräftiger Genuß,
Der ewig verjüngt, erquickt.
Es ist allein der liebende Freund,
Der Einen ganz und gar versteht,
Der mitgelacht und mitgeweint,
Geärntet, was mitgesät.
Dann erst, o dann, geschähs einmal,
Da würd es einsam in dir und leer,
Wenn deine Freunde wegstürben all,
Würde dirs Leben schwer.
Persisch-Deutsch
Die Welt mit ihren Vorurtheilen
Besiegt allein das volle Glas,
Oft müßt ihr mit den Wölfen heulen,
Drum sühnet euch mit Feuernaß!
Und aus der vollsten, tiefsten Brust
Schlagt an das Lied, das Lied der Lust!
So führt zum Mund den Sprudelbecher
Und trinkt ihn aus mit frischem Zug –
Des Lebens rasch vernünftger Zecher
Hat an dem Tropfen nicht genug:
Jedweder tiefe Becherkuß
Ist ein vollkommener Genuß!
Laßt Heuchler und Philister schwatzen,
Ach! ihr Verdienst ist ohnegleich;
Ist, ihre Herzen brandzuschatzen
Für ein begehrend Himmelreich:
Von Sinnengluth und Seelenfeuer!
Wär uns der Loskauf allzutheuer.
So prallt die Gläser aneinander!
Und springet eines auch dabei,
Der Ton ist uns kein unbekannter:
So bricht ein fröhlich Herz entzwei.
Der Lust und süßer Flammen voll
Das Herz des Menschen brechen soll!
Die Lieder schlafen auf den Zungen
Und unsre Häupter wiegen schwer –
Zum Letztenmal denn angeklungen,
Zum Letztenmal die Becher leer!
Das Eine Lied gelingt uns noch:
Die Freiheit lebe, lebe hoch!
Augenlust
Es thut mir in der Seele wohl,
Seh ich ein grünes Thal,
Darein die Sommersonne voll
Ergießet ihren Strahl;
Und um und um der Bergeswald,
Und durch die Matten, jach,
Hinstrudelt, daß es wiederhallt,
Die wilde Well im Bach.
Es thut mir in der Seele wohl,
Seh ich ein stolzes Blut,
Die Wange klar, das Aug nicht hohl
Von ausgebrannter Glut.
Und einen feinen starken Leib
Und einen edlen Schritt –
Ach, ist es gar ein schönes Weib,
Nimmt sie das Herz mir mit!
Aus dem Feld
Ab die Helme! weg die Schwerter!
Werfet euch ins Gras!
Weicher ruht kein Ehegärter –
Jetzt nur Wein ins Glas!
Marketendrin, schenke ein!
Marketendrin, hast du Wein?
Lustig wollen wir sein.
Freunde trinkt, der letzte Batzen
Soll hinunter heut!
Aus, vorbei sind die Strapatzen,
Und der Feind zerstreut.
Spielleut, stellt euch in die Reihn,
Macht Musik und schenkt euch ein,
Trommler wirble drein!
Heisa lustig Lagerleben
Nach der bittern Schlacht!
Gott hat uns den Sieg gegeben,
Er hats brav gemacht.
Herrlich ist, nach Noth und Pein
Auszuruhn im Sonnenschein,
Wieder lustig sein.
Hoch soll unser Feldherr leben,
Er ist unser Mann!
Liebt die Schlacht, das Weib, die Reben,
Weil er Alles kann.
Marketendrin, schenk doch ein!
Marketendrin, bessern Wein,
Wenn wir Vivat schrein!
Unsre Brüder sollen leben,
Die verscharrt im Sand,
Wir, und selbst der Feind daneben,
Der uns wacker stand!
Hurra heisa schenket ein!
Vaterland, auf dein Gedeihn!
Marketendrin, Wein!
Weinlied
Eine Kanne guten Weins lasset fröhlich kreisen!
Besser Liedchen weiß ich keins, als den Wein zu preisen.
Thut er nicht die Herzen auf,
Bringt er die Gedanken
Nicht in hellen Schwung und Lauf,
Die in Schlummer sanken?
Setzet er mit starkem Hauch manchen Kopf in Flammen,
Führt er die Gemüther auch wieder schnell zusammen.
Keinen besseren Geselln,
Muß ich frei bekennen,
Als den Wein, den immerhelln,
Weiß ich dir zu nennen!
Solche Glut und solchen Witz find ich nirgends wieder,
Wenn ich diesen Freund besitz, hab ich tausend Brüder!
Daß er selber ist ein Gott,
Duldet keinen Zweifel,
Hat er auch im Leibe flott
Den leibhaftgen Teufel.
Lied zum Wein
Seid immer weise und beharrlich,
Und von dem Weine lasset nie!
Das nenn ich deutsche Treue, wahrlich,
Das nenn ich mir Philosophie!
Am lieben Becher festzuhalten,
Macht Leib und Seele mir zur Pflicht;
Wie auch mein Schicksal möge walten,
Den guten Menschen beugt es nicht.
Die Demuth schickt sich für den Christen;
Doch richtet mich ein Freund empor,
Und hilft mirs Leben weiterfristen,
Das ist der göttliche Humor.
Auf allen meinen Lebensreisen
Führ ich den Freund mit mir herum –
Den braven Kerl, den Stern der Weisen,
Das Taschenevangelium.
Mostlied
Kommt herein, ihr frohen Freunde,
Eilt heran, ihr Brüder all,
Rosenjunge, sonngebräunte,
Geisteskönig und Vasall!
Nur ein freudiges Gemüth,
Das in Zecherwonnen glüht,
Ist der Paß, den wir begehren,
Einen Becher heut zu leeren.
Eure Kehlen sind so trocken,
Eure Zungen, o wie stumm,
Eppich windet um die Locken,
Blumen um den Leib herum!
Auf den Rasen lagert euch
Neben duftiges Gesträuch,
Fangt zu trinken an, zu singen,
Und wer tanzen will, soll springen!
Ausgegohrnen Weisheitsbecher,
Wein, wir trinken keinen Wein!
Ehrentrunk biderber Zecher,
Saft der Gerste wird es sein?
Kunstgewässer? schlechte Post!
Nein wir trinken Traubenmost,
Most, der vor dem Wein erfunden,
Most der Trauben soll uns munden!
Ihr müßt werden wie die Kinder,
Darum trinket einmal Most,
Und den Wein, den alten Sünder,
Lasset schlafen nur getrost!
Gerne liegt er träg im Faß,
Freut sich, so zu werden baß,
Daß er gar gesetzt, beim Lüften,
Weniger Unheil möchte stiften.
Wer vermag den Most zu preisen,
Rühmen unter Sang und Klang,
Athmen nicht schon unsre Weisen
Munterkeit und Thatendrang?
Schaut mir an den tollen Most,
Wie er tobt im Glas und tost!
Ohne Tücke, ausgelassen,
Wie ein Trotzkopf auf der Gassen.
Wer soll leben, wer ist würdig
Eines donnervollen Tosts?
Wer ist Geistesebenbürtig,
Wer verwandt der Kraft des Mosts?
Helden gibt es nur genug:
David, der den Goliath schlug!
Jung Roland, jung Siegfried lebe!
Und – das Götterkind jung Hebe!
Lied
Wer nie geprüft, wer nie gefragt
Nach aller Dinge Grund,
Wer nie um Wahrheit sich geplagt,
Ob sie ihm werde kund?
Wer nicht den freien Blick bewahrt
Der Vorwelt und der Gegenwart,
Die er genießt, begreift –
Ist nicht zum Mann gereift.
Wer nie an einer That der Kraft
Den frischen Geist gelabt,
Wer niemals eine Leidenschaft
Sein Lebenlang gehabt,
Und nie ein überschwänglich Glück,
Und keinen großen Augenblick,
Der läutert und erhebt –
Umsonst hat er gelebt!
Wer nie ein liebes Weib umarmt,
Den Becher nie geküßt,
Er ist an Leib und Seel verarmt,
Von keinem Stern gegrüßt;
Dem hat sich auch kein Freund gesellt,
Der schleichet durch die schöne Welt
Ein Trostverlaßner hin –
Er hat es nicht Gewinn.
Ein ander Lied
Nun singt einmal und stimmt die Saiten
Zu einem Lied von besserm Klang!
Verrauschet sind die matten Zeiten,
Wo man nur Wein und Freude sang –
Wenn eine Welt zusammenfällt,
Klingt laut heran die neue Welt.
Wir sind geworden andre Zecher
In einem Wein von kühnerm Gischt,
Doch klirret an die alten Becher,
Daß sich der Klang bezaubernd mischt!
Ein alt Gefäß, ein neuer Kern!
Bis es zerschellt, hab ich es gern.
Wir werden schönre Becher finden
Von reinem Klang zum neuen Wein,
Wir werden bessre Formen gründen,
Die unser Kleinod schließen ein.
So singt, und stimmt die Saiten klar,
Einst wird die süße Hoffnung wahr!
Was heut im Trunk der Zecher leiste,
Und jedes herzgesungne Lied,
Es sei gebracht dem hohen Geiste,
Der nur für Lieb und Wahrheit glüht:
In diesen schwelgt der neue Ruhm,
Sie sind das beste Menschenthum!
Badisch Trinklied
Mein Heimathland, mein badisch Land,
Wer preiset dich und hat Verstand
Und lobt nicht deinen Wein?
Markgräfler schenket ein!
Wohlan, der ist wie gelbes Gold,
Was aus dem Rhein der Landsmann holt,
Doch schenkt ihr Rothen ein,
Solls Affenthaler sein!
Fürwahr das heiß ich Rebenblut!
Und Roth und Gelb das dünk euch gut,
Trinkt Landesfarb im Wein!
Wie lustig blickt sie drein!
Ein muthiger, ein froher Sinn,
Ein treuer Sinn vom Rhein bis in
Die Berge weit hinein
Soll immerdar gedeihn!
Mein Heimathland, mein badisch Land,
Dich preis ich laut, wer hat Verstand
Und Herz, der stimme ein!
Gut leben ist am Rhein!
Wandern im Dahner Thal
Wie lieb ich dich, o Dahner Thal,
Im alten Wasgenwald,
Wie bist du schön im Morgenstrahl,
Vom Vogelsang durchschallt!
Von deinen Höhen winkt ein Gruß,
Der zieht den Wandrer hin,
Weiß nicht, wie ihm geschieht, er muß
Durch diese Berge ziehn!
Da schaut vom Felsen hoch und schroff
Herab manch grauer Thurm,
Auf den umsonst die Wolke troff
Im kalten Nebelsturm.
Drin haußete ein kühn Geschlecht,
Heut ist es Moder nur,
Doch deine Jugendkraft ist ächt,
Unsterbliche Natur!
Windhauch wie süßer Odem weht
Zum düstern Rothelstein,
Der ist vor allen hocherhöht
Ins Himmelblau hinein.
Du rufst hinaus mit hellem Schall,
Hinaus ins Sonnenthal,
Da rufen euch die Berge all,
Die Berge sonder Zahl.
Erst tönt es hohl am Lindelbronn,
Das ist ein stolzes Schloß,
Dann klingt es feierlich, davon
Erwacht der Barbaroß.
Der ruht im Trifels ferne, fern,
Da ritt er hin bei Nacht,
Zum Haus, wo er den Tag so gern
Im Leben zugebracht.
Wohlauf, Genossen, wandern wir
Dahin mit Sang und Klang!
Frau Wirthin hat gut Wein und Bier,
Das wissen wir schon lang.
Zu Heidelberg im faulen Pelz
Ist nicht so traut Quartier,
Vorüber denn am Drachenfels,
Zum Trifels wandern wir!
Fürwahr, das ist ein Kaiserschloß!
Glüht purpurn himmelwärts!
Seht doch ins tiefste Erdgeschoß!
Dort saß der Löwenherz.
Schon dämmerts kühl, der Tag war lang,
Wir rasten hier zur Nacht!
Freund Blondel stimmt in unsern Sang
Getrost mit ein, gebt Acht!
Wie lieb ich dich, du holdes Thal,
Im alten Wasgenwald,
Wie bist du schön im Abendstrahl,
Vom Wandersang durchschallt!
Von allen Höhen winkt ein Gruß
Herab, hinaus zum Rhein,
O grüße wieder, trauter Fluß,
Blick auf im Vollmondschein!
Am Rhein
Laßt klingen tröstlichen Feierklang
Vom schäumenden Rebenglas!
Laßt brausen festlichen Rundgesang,
Durch ihn schon Mancher genas!
Auch dieser Stunde Spur
Wird einst verwischt und verschwunden sein,
Doch still davon,
Wir wissen schon –
Ach! einmal leben wir nur!
Was eifert ihr um der Wahrheit Licht,
Die Wahrheit findet sich schon,
Und will auch Uns noch erklingen nicht
Ihr lauterer Glockenton!
Klingt an mit lichtem Pokal!
Aneinander o prüfet der Kelche Klang!
Ein Gott soll sein
Im edeln Wein,
Erlöset den Gott einmal!
Und trinkend lauschet des Herzens Wort,
Dort kündigt der Gott sich an,
Die beste Wahrheit, sie kömmt von dort,
Die frohe für Jedermann.
Es ist die Blume des Weins
Der Athem des Gotts und der Gott er ist
Der Liebe Geist,
Den Alles preist
Am glücklichen Ufer des Rheins!
Traum und Bild
Maigesang
Ihn will ich schauen
Den tiefen blauen
Südlichen Himmel!
Das reine, ewige Azur,
Das blaue Meer der Wonne,
Darinnen prächtig blitzt
Die goldne Mittagssonne.
O Wonn, o Wonne!
Ich ruht im kühlen Schattengrün
Bei Freund und Liebchen und Gesang,
Und Worte, geisteskühn,
Kuß und Klang
Sprudelten durch die Blumen hin.
Grüßende Augen,
Grüßender Wein
Goldener kreiset im holden Verein!
Buche weht lieblichen Duft,
Linde würzt schmeichelnde Luft,
Waldvögelein ruft,
Die Wasser rauschen durch Berg und Kluft.
O Wonn, o Wonne!
Seele, du freue dich,
Lachendes Herz, erquicke dich!
Und du versöhnter,
Neuaufathmender Geist,
Herrlich entfalte dich!
Die Freud allein,
Die Lust und Lieb allein,
Strahlende Heiterkeit
Ist der bewegende Gott
In Menschenbrust –
Machet sie weit,
Machet sie stark,
Hier nur ist Leben,
Hier Gedeihn.
Zum tiefen blauen
Azurnen Himmel
Lasset uns schauen!
Also von Wolken rein,
Rein vom Nebel der Sorge,
Rein vom feuchten Kummer,
Von düstrer Entsagung
Sei die Seele, sie sei
Heiter in lachender Menschenbrust!
Jammer und Noth und Qual
Wirket das Widrige,
Die Kraft der Verzweiflung
Fürchterlich nur,
Grausam nur ist sie,
Zeuget das Schreckliche.
Der Wolken grollen,
Donnerrollen,
Der grasse Schein,
Zernichtender Wetterschlag
Schaffet wohl endlichen Tag –
Aber nur dieser,
Leuchtender, freundlicher Tag
Ist auch der dauernde.
Stark allein und mächtig
Machet das Glück!
Nur der fröhliche Geist
Wird das Unsterbliche thun,
Das Weltentzückende,
Edle und Ewige.
Segen dem Wein.
Segen der Liebe!
Wer sie vertriebe,
Löschte den Sonnenschein.
Komm Freund,
Wein, Liebchen, komm Gesang!
Kuß und Klang!
Froh rausche, Strom, das Thal entlang!
Wo sind sie, die Schmerzen?
Thut auf euch, ihr Herzen,
Thut auf euch, ihr Augen,
Zu spiegeln, zu saugen
Das süße Dasein nur!
Der Wein vermähle
Geist, Herz, Natur
Zu einer Seele..
O Wonn, o Wonne!
Auf die Berge!
Auf die Berge möcht ich wieder,
Auf die sonnenfrohen Höhen,
Wo die schönen Lüfte wehen,
Aus der Stube, aus der Stadt!
Ha, die Brust, voll neuer Lieder,
Steig ich nieder in die Thale,
Sitze wonnig müd zum Mahle,
Das so viel der Freuden hat.
Schau dem Freund ins kühne Auge,
Lache mit dem blauen Himmel,
Mit dem ungetrübten Himmel,
Mit der ganzen heitern Welt.
Fühle wieder, was ich tauge,
So zur Freude so zum Streite,
Noch zuvor des Unmuths Beute,
Weiß ich heute mich ein Held.
War die Mühe doch vergebens
All der zähen Plagegeister!
Zeig ich ihnen jetzt den Meister
Wohl zum Spott und zum Verdruß!
Freue mich so recht des Lebens,
Allem Guten, Freien, Schönen
Will ich glühen, will ich fröhnen,
Mich erfüllt ein Genius.
Rigi
Ist mir oft der Wunsch gekommen
Abzuschütteln diese Glieder,
Dieses Herz voll Sturm und Wunden –
Seid mir theuer, bittre Stunden,
Aber kehret niemals wieder!
Kannst du zwischen Zeilen lesen,
Steht es flammend dir geschrieben:
Nur der Wahnsinn flucht dem Leben,
Nur den Thoren macht es beben –
Wers begriffen, wird es lieben.
Ausflug in den Schwarzwald
1.
Im Höllenthale drohen
Die Felsen hoch herein,
Die schauerlichen schüchtern
Den frühen Wandrer ein.
Dann öffnen sich die Berge
Der hohen Ebene zu,
Die Tannen und die Matten
Prangen in grüner Ruh.
Am dunkelblauen Himmel
Milchweiße Wolken ziehn,
Lieblich in wilder Gegend
Himmel und Blumen blühn.
Und ehe die Hügel schließen
Das Thal mit sanfter Höh,
Da spiegelt sich die Sonne
Im tiefen Titi-See.
Es baden die müden Freunde
In seiner frischen Fluth,
Und stärken Leib und Seele
Und wandern wieder gut.
2.
Zum allerhöchsten Gipfel
Richten sie spät den Lauf,
Es steigen die steinigen Wege
Zum großen Feldberg auf.
Tief unten an seinem Fuße
Ein finster Wasser steht,
Drein fallen die Felsenwände,
Und Geisterflüstern weht.
Von oben schaut herunter
Der königliche Berg;
Ihm hütet den Spiegel unten
Ein tannengrüner Zwerg.
Durch unerträglich Schimpfen
Scheucht er den Wandrer fort,
Der störend wollte weilen
Am heimlich heiligen Ort.
Ein fürwitzvoller Bursche
War einst, es ist verbürgt,
Dort, wo die Quelle röchelt,
Hat ihn der Zwerg erwürgt.
3.
Hinauf denn über die Klippen!
Ringsum der endlose Wald.
Hinauf, hinan die Haide!
Wir sind da droben bald.
Seht dort die seltsamen Wolken,
Sie bleiben dieselben stets,
Sie scheinen nicht zu folgen
Dem Wind und Wettergesetz.
Das sind die Alpen, Alpen,
O wunderherrliche Schau!
Aus Süden herüberglänzend
Golden und silbergrau.
Und immer höher und höher
Beim brechenden Abendlicht!
Die Hirten sind abgezogen,
Es klinget die Weide nicht,
Hochoben auf dem Kulme,
Welch unverhofftes Glück!
Erhaschen wir der Sonne
Allerletzten Scheideblick!
Auf purpurreichem Pfühle
Der Gott des Tages ruht,
Die Winde tragen ihn schwebend
Hinunter in ferne Fluth.
4.
Mit ihrem holden Ernste
Anziehet die sternvolle Nacht
Und weilet, bis mit dem Vogel
Der Morgenwind erwacht.
Da streifen rosige Lichter
Den Himmelsaum umher,
Es fluthet über die Berge
Der Düfte wogendes Meer.
Ha, schautet ihr das Blitzen
Fern über den fernsten Höhn?
Und jetzt, die Feuerkugel
Siegend im Himmel stehn!
Sie steiget stolz und freudig
Heran ins blaue Feld;
Sie strahlet und sie glänzet,
Vor Wonne zittert die Welt.
5.
Und um und um, die Lande,
Das Auge schweift hinaus,
Entzückenvolle Schönheit!
O süß gewaltger Graus!
Dort unten in den Thälern
Noch immer Schlaf und Nacht,
Hier oben Tag und Leben,
Daß Herz und Himmel lacht!
Hier oben Schnee und Blumen –
Schneeglöckchen läutet: Platz
Den schönen Töchtern des Sommers!
Der Schnee ruft: sachte Schatz!
Ich weiche gern, doch jede
Von deinen Schwestern muß
Die liebliche Stirne reichen
Dem Schnee zuvor zum Kuß!
Das ist die Ehre des Alters.
– Voran jetzt durch den Teich
Dem Bach entlang thalauswärts
Zum grünen »Himmelreich«!
Im Breisgau
Welt der Berge!
Wie du wogst vor freudigen Augen!
Mein Gedank ist neu erhellt
Darf er also freigestellt
In die blauen Gründe tauchen.
Berghäupter unwillkürlich erscheinen
Gleich lebendigen dunkeln Wesen,
Ich mags an den finstern Stirnen lesen,
Wie sie sich zaubergewaltig meinen
Berghäupter riesengroß
Schauerlich herübergrüßen
Aus der Ferne unendlichem Schoos.
Ich schaus wie die Zwergesrücken,
Die kleinen Hügel sich bücken,
Krümmen sich vor ihren Füßen.
Ueber den Wald hin spielet das Himmelslicht,
Und die Tannenberge stehen
In silbergrau blendendem Glanze,
Liebliche Lüfte wehen,
Kosen mit üppiger Pflanze,
Oder sie drehen
Sich hinunter im Wirbeltanze
In die aufgähnenden Schluchten.
Dort hausen die Brüder des Sturms
All die brausenden Stimmen
Die von Abend und Morgen und Mitternacht
Rasend durchs Luftmeer schwimmen.
Und mit sich reißen sie
Nebeldünste,
Die langsam den Tiefen entsteigen,
Thürmen sie auf zu Wolken,
Daß Donner erkracht
Und die starren Wälder sich beugen –
Das ist der Winde Macht.
Im düsteren Wirrwarr zucket der Schein,
Wenn es gähret und lange gegohren,
Der Blitzstrahl glühet die Lüfte rein –
Da wird die Frische geboren.
Unendliche Bergwelt,
In dir woget ein göttliches Schaffen,
Unsichtbar sichtbar
Rauschend Leben
Weben und Leben.
Wie frohaufschäumend
Kühn sich übers Geklüfte bäumend
Das sprudelnde Wasser zur Tiefe fällt!
Durch Busch und Gestein
Rieselt es in die Thäler herein,
Wohin sich dränget sein Lauf
Springen lebendige Blumen auf.
– Und rings ein lustiges Grün!
O reiche Natur, o liebende Mutter –
Da fliehn die erheiterten Wesen,
Auch deine Menschen hin!
Dahner Thal
Von dem Himmel rauschet rascher Regen,
Schwer und trüb durchstreicht der Wind die Räume,
Nebel raubt des Lichtes goldnen Segen,
Um der Tannenberge dunkle Säume
Lagert Dunst.
Fürder schritt ich, öfter wars ein Waten,
In dem losen Wege, über Trümmer;
Hingeschmettert sah ich hohe Saaten,
Felsen draufgerollet; steiler immer
Ward der Berg.
Welchem Zauber ist das Thal erlegen?
Welcher Bann hat seinen Reiz getroffen?
Wie ein Herz erbebt in Wonneschlägen
Bebte sonst in träumerischem Hoffen
Hier Natur.
Haine tönten, süße Schlummerfrühe
War gebreitet über Berg und Auen,
Eh die Sonne heiße Tagesmühe
Land und Leuten brachte unterm blauen
Himmelszelt.
Heute schweigt der einst so heitre Morgen,
Wolken beugen um die feuchten Hügel,
Und Gesichter voll Verdruß und Sorgen
Schneiden sie herunter in den Spiegel
Seichter Seen.
Trauerselig von dem Walle nicken
Ritterburgen, alter Herrlichkeiten
Düstre Zeugen, Wehmuthsgrüße schicken
Sie zu Thal, gedenkend beßrer Zeiten
Eisenglanz.
Herrlich wohl und schrecklich ist gewesen,
Als die Ungewitter sie umrollten!
Donner schlug die Mauer, wankend lösen
Von dem Fels die Schlösser sich, als wollten
Sie vergehn.
Sieh! ein neues Wetter hängt im Osten,
Fernab grollt es, grelle Blitze zucken,
Bang erzittern wieder die verschloßten
Saatgefilde, sieh, die Halme ducken
Sich mit Hast.
Mitleid weckt ihr säuselndes Gewimmer,
Und vorüber saust das stolze Wetter.
Welcher Sturmwind, hinter ihm der Schimmer,
Wirft die Nebel, gleich unnützem Volke,
Thalhinaus!
Welche Bläue! milden Tages Helle!
Himmelsfarbe, keusche, seligreine,
Sei gegrüßt mir, lichte Aetherwelle!
Sei gegrüßt mit deinem Sonnenscheine
Maientag!
Nieder, nieder auf den heilgen Boden!
Dort wohin das Gottesauge blickte!
Wecken müßt es einen Starren, Todten,
Wenn die kühle Erde ihn nicht drückte
Allzutief!
Drüben blüht ein Kirchhof! Sie verscharrten
Einen Todten in die kühle Erde.
Sänge dringen aus dem Friedensgarten
Voll herauf, sie tönen voll: es werde,
Ihm auch, Licht!
Von der Bergwand ringen sich die Lieder,
Klang für Klang auf unsichtbaren Saiten
Fortgeschwungen; was ins Grab die Brüder
Ihm gesungen, zittert in die Weiten
Hundertfach.
Denn sie singen, er ist werth der Thränen,
Wandrer, seiner Heimath Berge sagens!
Diese, fernhin schattend, klagens jenen,
Hoch und niedre, und die letzten tragens
Himmelan.
Hell und rein, dann tief und voll ertönet
Berg um Berg, bald wie Gesang des Mannes –
Dorther, wo ein Fels den Gipfel krönet –
Wieder bald wie Jungfraustimme, wann es
Lieblich klingt.
Selber sind die Berge Männer, Frauen!
Wie die schönen Königskinder klagen
Sie sich Liebe – können sich nur schauen,
Winde kommen hin und her zu tragen
Gruß und Kuß.
Auf und fort! du wirst ein weicher Schwärmer,
Wandrer, auf den sonnenwarmen Höhen,
Trinken Wein jetzt, und an Träumen ärmer
Wirst du nicht aus trauter Schenke gehen
Von Marien.
Yburg
Ruinen – Mauersturz, Geröll,
Getrümmer, Schutt und Raub;
Doch allwärts spinnt der blühende Dorn,
Und fröhlich sproßt das Laub.
Es klafft der Fels ins weite Thal
Hinab, hoch ist der Berg,
Die riesigen Tannen überkrönt
Das alte Menschenwerk.
Dort sitzt ein runzlig Köhlerweib
Am Strauch, dort ist ein Haus,
Die stolzen Steine der Herrenburg
Sie halfen der Nothdurft aus.
Das Mütterlein ist ganz vergnügt,
Der Himmel ist ihr auch blau,
Der Sommer hat bunt mit Blumen gefüllt
Den Garten der alten Frau.
Da wuchert es wild von Rosmarin,
Von Nelken und Hagebutt,
Großköpfige Sonnenblumen genug
Wiegen sich über dem Schutt.
Wies grünt und blüht, wies farbig spricht!
Welch üppige Blumengluth!
Ein guter Boden ist Graben und Wall
– Gedüngt mit Menschenblut.
Da ist nicht Ordnung, und ist kein Pfad,
Zum sanften Spazierengehn,
Das Unkraut blüht glückselig mit,
Man kann es wachsen sehn.
Du gutes Weib! verkümmern soll
In deiner Schöpfung kein Trieb.
Die Kinder des warmen Sommers sind
Dir alle schön und lieb!
O paradiesischer Wohlgeruch!
Kraftsüßer Honigduft,
Wie labst du mich, wie lieb ich dich
In der himmelreinen Luft!
Die Sonne scheint. Doch Alles still.
Kein Nachtigallenschlag.
Nur wispernd leise fliegt ein Traum
Hinüber den Blüthenhag.
Was ist das? Welcher rührende Reiz
Durchweht den einsamen Ort?
In einem Mährchen wandle ich –
Ist eine Fee die dort?
Madenburg
Trümmer eines alten Schlosses
Sucht der stille Wandrer auf,
Wandelt rasch den späten Lauf
Zu der Burg, die oben thront.
Er bescheinet die Gestalt
Zwiefach Licht,
Oben kalt
Bleich der Mond
Unten bricht
An dem fernsten Horizont
Sich der Abendsonne Strahl;
Tief im Dunkel ruht das Thal.
Drüben sprühn
Rosigen Schimmer
Alte Trümmer
Von der Sonne letztem Glühn.
Durchs Geklüft der Thürme pfeifend,
Weht der melancholsche Wind.
Sieh! der Schein des Mondes spinnt
Ueber wankendes Gemäuer
Einen lichtgewobnen Schleier,
Sanft am Glühn vorüberstreifend.
Geisterathmen hauchet aus
Der Verschüttung düstrer Graus,
Schatten ziehn sich lang
Schauerbergend zu dem Felsenhang.
Und des Schlafes süßes Reich
Neigt auch schon
Auf den müden Erdensohn
Den bemohnten Zweig.
Aber in gemessnem Schritte
Wallet zu des Hofes Mitte
Majestätisch Paar zu Paar
Grauer Mönche stumme Schaar.
Dort zur Stelle
Ragt verfallen die Kapelle.
Dort erschallen in den Hallen,
Zu der Jungfrau Preis und Ehre,
Ihre Chöre,
Die des Windes leiser Flug
Säuselnd durch die Trümmer trug.
Immer lieblicher erklingen
Dann die Töne, tiefer dringen
Sie ins Herz dem Jüngling ein.
Feierliche Worte rauschen
An sein Ohr, die Mönche tauschen
Das Gewand im Mondenschein.
Und der Wandrer jäh erwacht,
Und der Wandrer hellauf lacht.
Fröhlich lagen sie beisammen,
Auf dem Moose des Gesteins,
Seine Freunde, bei den Flammen
Eines hellen Feuerleins.
Dort wo längst verstummt die Klänge,
Walten Lieder mancherlei,
Tönen kräftge Jubelchöre,
Zu des Vaterlandes Ehre
Manche frische Melodei.
Wanderung und Minne klang es
Und dem Becher ward sein Lied.
Herzerfreuend scholl die Weise,
In dem frohen Zecherkreise,
Herzerfreuend Lied auf Lied
Durch die alten Hallen zieht.
Morgen durch die grünen Thäler
Streifen wir mit neuer Lust!
Morgen in die heitern Schenken
Werden wir die Schritte lenken,
Da wird helle Kopf und Brust!
Reisefrüchtchen
Wie sonderbar komm ich jetzt mir vor!
Heb mich über alle Welt empor,
Und bin vor der Welt vielleicht ein Thor.
So gescheidt und so verkehrt ich bin,
Mit der Gesundheit leichtem Sinn,
Lauf ich über Gräber und Blumen hin.
Das ertrag ich nun weder gut noch lang:
Meine Stimmung löst sich zumeist in Gesang;
Und so viel ich weiß, nie wird mir bang.
Es treibt mich bald, was Gutes zu – thun,
Zum Ziel zu kommen treibt michs nun,
Meine Gedanken lassen mich nicht – ruhn.
»Pfingstfreuden«
Ueberall Grün.
Grün Gras, Kraut, grüne Bäume,
Grün Saatfeld, grüne Träume,
Herz voll Hoffnung
Wo schwärmst du hin?
Achte des Fröschleins, Schwärmer,
Mache die Schöpfung
Um ein Geschöpf nicht ärmer!
Der arme Grünrock, ohne Spaß,
Mußte durch dich beißen ins grüne Gras.
Was kleidet er sich in Hoffnungstracht?
Ha ha! wie habe ich grün gelacht!
Wahrnehmung
Was sollen die Papageyen
Im deutschen Dichterwald?
Sie wälschen und sie schreien
Ganz kannibalisch bald.
Wollt ihr den Verstand verlieren,
So gehet ihr gar nicht irr,
Geht nur in den Wald spazieren
Und hört das Stimmengewirr!
Sie holen die fremden Laute
Aus allen Winkeln der Welt,
Und wer sich wenig erbaute,
Wird mit Kommentaren gequält.
Ihr wolltet euch wohl erquicken
An einem lieblichen Sang?
Ja habt ihr auch Eselsbrücken,
Sind eure Ohren auch lang?
Da müsset ihr erst studiren
Wie ein Arabischer sühlt,
Ihr müßt euch erst maskiren,
Eh ihr im Wald euch kühlt!
Ihr müsset die Kunst erlernen,
Zu gehn aus euch heraus,
Ihr müßt euch erst entfernen,
Dann seid ihr recht zu Haus!
Dort thun es die heimischen Spatzen
Nachzwitschern mit saurer Müh,
Und weil sie Unsinn schwatzen,
So heißen sies Poesie.
Es putzt mit farbigen Federn
Sogar das Mäusethum
Sich auf die flinken Fledern
Und flunkert im Wald herum.
Jüngst las mein schlichtes Liebchen
In einer Anthologie –
Traun! in ihr Wangengrübchen
Verkroch sich die Poesie.
Lyriker
»Fliege meine Liederschaar!«
Rief schon mancher Dichter,
Und es war wohl auch ein Aar
Unter dem Gelichter –
Nachtigall und Lerche,
Spottvögel und klappernde Störche.
»Laßt sie fliegen himmelan,
Stellet keine Netze,
Machet keinen Lumpenmann,
Der sie mir verhetze!
Traun! es gehn in die Fallen
Gerne die Nachtigallen.«
»Freilich aber, lieber Schatz,
Mancher wills nur scheinen,
Ist nur ein gemeiner Spatz
Mit geläufgen Beinen.
Willst du ihn schlagen lassen,
Möchtest du lange passen.«
»Und so weiter mancher ein
Vogel aus Kanarien
Mit den liebsten Melodein
Und den feinsten Arien.«
Meist nur ihm selber verständlich,
Aber auch ihm unendlich.
»Stolze Schwäne segeln dort
Auf den stillen Wogen,
Falken aus dem Felsenhort
Kreisen kühne Bogen.
Schauet die bunten Schaaren!
In die Welt laß ich sie fahren!«
Für Namenstage
Ist es nicht Verwegenheit
Einen Namenstag zu feiern,
Ein Gedicht herunterleiern
Und mit Selbstgenügsamkeit
Seinen Antheil drin betheuern?
Freilich ist es viel gewagt.
Denn was soll an solchen Tagen
Anders mehr der Kluge sagen,
Als daß nun der Tag getagt,
Im Kalender nachzuschlagen?
Wahrlich, namenlose Pein
Auf den Namenstag zu singen,
Ihm Gedanken abzuringen!
Darum in den Tag hinein
Muß der gute Sänger singen.
Und er merket sich den Rath,
Und er mag hier ohne Zaudern,
Sonder Etiketteschaudern,
Was er auf dem Herzen hat
Mit Gelegenheit verplaudern.
So zum Beispiel: schöne Frau,
Freund, o bester, Sie verzeihen,
Theures Mädchen, Ihnen weihen
Möcht ich – Freund, ja mir vertrau,
Willst du mir zwei Hundert leihen?
Elegie
Jüngst schaute von Tages Lasten
Ich müd in den Abend hinein,
Die glühenden Strahlen verblaßten
In milden Mondenschein;
Und hoch am Himmelsbogen,
Aus Dämmrung tauchend empor,
Kam friedlich angezogen
Der Sterne goldner Chor.
Mit sittigem Schlummerhaupte
Schließt sich die Blume zu,
Der Baum der duftig belaubte
Die Blätter senkt zur Ruh;
Des Abends liebliche Stimmen
Umspielen der Haine Grün,
Die fernen Berge verschwimmen
In sanftes Dunkel hin.
Des Sommers Herrlichkeiten
Noch sprüheten in die Natur,
Des Lebens Sterne bestreuten
Mit Segen die stille Flur –
Und jetzt, da ich trete wieder
Ans traute Fenster her,
Und schaue zur Erde nieder,
Liegt sie verwaist und leer.
Des Herbstes Güter prangen
Nicht mehr am reichen Ast;
Festklammernd, kahle Stangen
Vorm Sturme die Reb umfaßt –
So will der Mensch sich halten
Am armen Menschenkind,
Wenn wilde Geschicke schalten
Und nicht zu wenden sind.
Der Tod ist kalt und eisig,
Er kommt in des Winters Kleid –
Der Lorbeer wird zum Reisig,
Der für die Unsterblichkeit.
Die Kränze für dein Streiten
Wie schmückten sie dich schön!
In ewge Vergessenheiten
Entblättert im Tod sie gehn.
Was willst du müde Seele
Und ringst nach Lieb und Licht?
O Menschenseele quäle
Dich um Verlornes nicht!
Du greifst darnach mit Händen,
Freust dich am Lebensroth –
Bald wird es dich verblenden
Und du bist blind und todt.
Erhebung
Ich weile so gern in der klaren Nacht
Wenn am Himmel die Stern aufgehn,
Mag ruhvoll in die dämmernde Pracht
Mit Augen versinkend sehn.
Ich schaue, bis ich mich ganz verlier
In der Träume Ozean,
Die Erde verschwindet unter mir,
Mit Göttern red ich dann.
Glühtrunkverse
O du glühender Trank,
Den im traulichen Rund
Den wir trinken bei köstlicher Rede,
Wie du lösest den Schwank
Und belebest den Mund
Zu Gesang und zu geistiger Fehde!
Wohl gedenkt uns die Zeit –
O wie lange das ist –
Da wir fröhlich beisammen so waren;
Und darüber ging Leid
Und so Manchen vermißt
Man im schönen Verein mit den Jahren.
Ja, die Besten dahin!
Unerbittlich Geschick!
Wars Zufall, war es ein Walten?
Doch der göttliche Sinn
Darf bleiben zurück,
Die Erscheinung nur läßt sich nicht halten.
Elegischer Humor
Lange sind wir nicht gesessen
Lange nicht beim kühlen Wein,
Habens ganz und gar vergessen,
Ausgelassen lustig sein.
Eilet drum zur alten Schenke!
Lasset Alles gehn und stehn,
Zum berauschenden Getränke
Raset ihr Vortrefflichen!
Reinigt eure Sünderseelen,
Heilet euer krank Gemüth,
Waschet eure trocknen Kehlen,
Für ein überschwänglich Lied!
In die Schenke, in die Schenke!
Freunde, seid ihr alle da?
Wenn ich alter Zeit gedenke,
Tönt mein Herz Halleluja!
Wandle mit bedächtgem Schritte,
Wer sich selber nie vergißt!
Ueberflüssig ist die Sitte,
Wenn das Herz betrunken ist.
Umgekehrt von euerm Spasse
Schalle dieses frohe Haus,
Wie der Strahl aus vollem Fasse
Sprudle euer Witz heraus!
Lachen, daß erdröhnt die Halle,
Daß mich schüttelt Rippenweh,
Muß ich laut, wenn ich so Alle,
Brüder euch beisammen seh.
Achtung Allem, was zu achten!
Aber lachen muß ich – als
Götter im Olympus lachten,
Lachten sie aus vollem Hals.
Hör ich solchen Lärm verführen
Lauter so vernünftge Leut,
Soll mich gleich der Donner rühren,
Sterb ich nicht aus purer Freud!
Holla, wackere Gesellen,
Schlagt Gesang an, Hollahoh!
Wenn die Töne hoch anschwellen,
Fühlt sich Jeder lebensfroh.
Sagt mir an, gelehrte Häupter,
Du, o Dummkopf, sag mir an,
Steh mir Rede, Wohlbeleibter,
Sprich du lendenarmer Mann,
Gebt, ihr edlen Trinker alle,
Gebt mir Antwort, wie und wann
Kommt der biedre Mensch zu Falle,
Und warum, das sagt mir an!
Wie aus einem Mund genommen,
Hör ich das Orakel, dann
Wird der Mensch zu Falle kommen,
Wenn er nicht mehr trinken kann!
Dann auch, wenn mit ihm – o wische
Freund die Augen, daß er sinkt –
Niemand mehr an einem Tische
Und aus einem Glase trinkt!
Einst in glücklicheren Tagen,
Derer Geist für immer schwand,
Kannte man nur wenig Plagen
In dem frohen Griechenland.
Damals war es wo die Besten,
Kehrend aus der Männerschlacht,
Sich zu heitern Becherfesten
Trafen in der Frühlingsnacht.
Dort geschmückt mit grünen Kränzen
Tranken Jüngling, Mann und Greis,
Und dem Weisesten kredenzen,
Dünkete der Schönsten Preis;
Schon der Athem hauchte freier
Dort, in der geschmeidgen Luft,
In den goldnen Klang der Leier
Stieg der Hyazinthenduft.
Damals floh der Geist der Jugend
Mit den Jahren nicht davon,
Jugend aber nur hat Tugend,
Denn sie dürftet nicht nach Lohn.
Heut, in unsern schwiergen Tagen,
Heut vertrocknet frühe ganz
Unterm Wüstenwind der Plagen
Das bestürmte Herz des Manns.
Freunde, diese Zeiten waren.
Solchen Frohsinn aber mag,
Wie den klaren wunderbaren
Himmel, nur der Sommertag,
Solchen Frohsinn mag bewahren
Menschenbrust nur dann und da,
Wo man noch in Silberhaaren
Ewiger Natur ist nah.
Fort jetzt mit den Grübeleien!
Wir auch dünken uns nicht schlecht,
Wir auch wissen uns zu freuen,
Und der Lebende hat Recht.
Also sprach der große Schiller,
Fällt mir grad der Schiller ein;
Jetzt komm Einer her, was will er?
Jetzt kein Wort mehr! Hier ist Wein!
Sternenheer
Die schönen Sterne blitzen dort,
Wie funkelfarbig Edelgestein,
Denn der Mond, das leuchtende Aug ist fort,
Da jauchzen die holden Sternelein.
So manche herrliche heitere Nacht
Muß er die Wimper im Schlaf zuthun,
Da glimmen die Sterne nicht schüchtern sacht,
Wenn das leuchtende Aug muß ruhn.
Wenn im Haupte schläft der ernste Entschluß,
Wenn der Geist das leuchtende Ziel verliert,
Wenn der heiter strebende Genius
Zuweilen an sich irre wird. –
Da schimmern in zügelloser Lust,
Da drängen sich im blitzenden Chor
Aus der unbekümmerten Menschenbrust
Die schönen kleinen Wünsche vor.
Von der Freundschaft
Wer keinen Freund gefunden,
Und immer stand allein,
Der hat auch nie empfunden recht
Das Glück, ein Mensch zu sein.
Wer keinen Freund gefunden,
Der ist vielleicht ein – Christ;
Der ist vielleicht ein Schurke traun!
Wenn er kein Esel ist.
Vielleicht ein Unglücksvogel
Mag der Verkannte sein,
Doch der ist auch der Einzige,
Dem ich es kann verzeihn.
Bilder über Shakespeare
Du bist der Regenbogen – ausposaunt
Ist seine Schönheit allen Ohren,
Von Neuem aber unser Auge staunt
In seine Farbenpracht verloren.
Du bist der Blitz, der von der Wetterlast
Die bange Erde oft entbindet –
Und doch hat dein Gedanke, frisch erfaßt,
Mir immer neu ins Herz gezündet.
Du bist der sonnbeglänzte Wasserfall,
So oft beschaut, so vielbewundert –
Versunken in den reichen Glanz und Schall
Steht vor ihm jegliches Jahrhundert.
Du bist der ewige, goldne Sommertag;
Die trunkne Welt jauchzt ihm entgegen.
Verehrt sein Schimmer! und sein Donnerschlag!
In seiner Sonne reift der Segen.
Du bist das Meer, die wilde Herrlichkeit!
Die Schöpfungsstätte der Gestalten.
Die Schönheit lieh aus seinem Schaum ihr Kleid,
In ihm die ewgen Schrecken walten.
Naturschauer
Die Wellen rauschen, es nachtet,
Der Mond scheint mit Verdruß,
Geschlagene Soldaten
Marschiren über den Fluß.
Dort nicken die ungeheuern
Felsberge gespensterhaft,
Es raget über dem Wirrsal
Die düstre Prachtlandschaft.
Ein Schauer, machtvoll, herrlich,
Weht durch die stumme Natur,
Als wäre ein Gott gestorben,
Ist ringsum Trauer nur.
Auch in den wunden Gemüthern
Der Krieger lagert Nacht,
In tausend Herzen dunkelts,
Doch es dunkelt ohne Pracht.
Genommen ist die Fahne,
Gefallen der beste Held,
Das Vaterland ist verloren
– Gewonnen die weite Welt.
Liebesrecht
Kam dich nie der Zweifel an,
Ob auch wirklich sei die Liebe,
Ob sie nicht ein Wort ein Wahn,
Ob sie nicht ein Sturm zerstiebe?
Wenn sie verrauschen die Tage der Jugend,
Wenn bei dir anklopft die ernstere Tugend,
Nimmer sich reimen die Triebe?
Hat dich Ahnung nie durchzuckt,
Daß die Liebe nur Geberde,
Daß sie nur Kulturprodukt,
So Zeit verschlingen werde?
Einst, wenn die Psalter des Herzens verhallen,
Wenn die Systeme der Weisen zerfallen,
Wenn sich erneuert die Erde!
Wer verzagt? Wir zagen nicht.
Heute gilt sie noch die Liebe!
Hoch am Himmel flammt das Licht
Eines Sternes ohne Trübe.
Läugnen die Liebe, so wäre uns besser,
Schattenhaft wandeln am stygschen Gewässer,
Daß man uns lebend begrübe.
Liebe, hohe Leidenschaft,
Deren Flügel uns erheben
Aus des Ungenügens Haft,
Sollten wir dein Recht vergeben!
Haben die Todten einst dürftig genossen,
Bleibt das Geheimniß der Nachwelt verschlossen,
Kümmert es uns, die wir leben?
Frage nicht
Roth ist Roth und Lieb ist Liebe nur –
Stürmt ihr auch zu alles Denkens Giebeln,
Unsagbar, was wollt ihr weiter grübeln,
Freunde, sind die Thaten der Natur.
Singe von der Liebe Herrlichkeit!
Prächtiger Klang entzücke dir die Herzen,
Ihren Freuden, ihren selgen Schmerzen
Gieb der Töne liebliches Geleit!
Denn die Lieb ist einmal Poesie –
Beider Wesen nicht zu definiren!
Ungenügend all Philosophiren,
Nur mit Aug und Ohr begreifst du sie.
Gleich der Morgensonne groß und frei
Blühet auf der Liebe goldnes Karmen –
Küß dein Lieb, zitter in ihren Armen,
Aber frage nicht, was Liebe sei!
Gefaßt
Der ersten Liebe Feiertage
Unsterblich, maienvolle Zeit,
So lebt ihr noch in meiner Klage,
Seit ihr so schnell entschwunden seid?
Ein Schicksal hat mich fortgetrieben,
Ich ging, ich weinte bitterlich,
Verlernen sollt ich dich zu lieben,
Und ach! vergessen sollt ich dich.
Vergessen nicht, nein, nicht vergessen!
Da ich dich nur verlassen mußt;
Wohl konnt es mir die Wange nässen,
Doch nicht besiegen diese Brust.
Und durft ich keine Hütten bauen,
Drein Gottes Segen strahlend bricht,
So blieb mir manch ein kühn Vertrauen
Und manche stolze Zuversicht!
Traumglück
Will am Tag mir nicht gelingen,
Heiter schön und mild,
Vor das Auge herzuzwingen
Der Geliebten Bild.
Uebers Antlitz ausgegossen
All die Lieblichkeit
Bleibt dem innern Blick verschlossen,
Und ich bin zerstreut.
Hasch ich auch nach allen Schätzen
Der Erinnerung,
Ach, sie können nicht ersetzen
Des Lebendgen Schwung!
Keine Dichtung gibt ihn wieder
Jener Formen Drang,
Jener aufgeblühten Glieder
Ineinanderklang.
Jene süßen sanften Augen
Und den lieben Mund,
Alle Phantasien tauchen
Nirgends auf den Grund.
Kann die Perle nicht gewinnen
Aus der Reize Meer,
All Gedächtniß, alles Sinnen
Zaubert sie nicht her.
Aber, aber wenn der stille
Abend wiederkehrt,
Dämmert auf in prächtger Fülle,
Was mein Herz begehrt.
Wenn das Dunkel mich umfangen,
Schleichet süß und rein
In den Traum, den herzensbangen,
Die Geliebte ein.
Und sie kommt, um mich zu küssen,
Und ihr Kuß berauscht,
In des Wiedersehns Genüssen
Schwelg ich unbelauscht.
Und sie ist so schön zu schauen,
So lebendig warm,
So voll Liebe voll Vertrauen
Ruht sie mir im Arm!
Weihechor
Gestorben ist der Tod,
Weil wir die Furcht nicht haben,
Wir lassen uns begraben,
Und mit uns jede Noth.
Gestorben ist der Tod,
Weil wir das Leben lieben,
Doch darum zu verschieben
Nicht trachten was uns droht.
Das Leben ist uns lieb,
Weil wir den Tod verachten,
Und nimmer nach ihm schmachten
Mit Träumen trunken trüb.
Auf, Brüder, schenket ein,
Zu stolz ihr all zur Klage,
Doch endet irdsche Plage,
Solls auch willkommen sein!
Gehn wir zur ewgen Ruh,
Wie sollt es uns verdrießen,
Wie, gehn wir Paradiesen
Und ewigem Leben zu?
Fest
Siehe, wie der laue West
Schwingt die hellen Blüthenglocken,
Wie die warmen Strahlen locken
Frohe Falten aus der Hülle,
Daß die Lüfte Leben fülle:
»Frühling ist ein hohes Fest!«
Achte, wie der linde West
Buhlerisch die Wange fächelt,
Wie der See so leuchtend lächelt,
Himmelsgrüße zu erwiedern,
Und dein Herz erwacht in Liedern,
Und der Liebe gilt das Fest!
Wiederfinden
Ich kam zur guten alten Stadt,
Den Tag hab ich behalten,
Ins Haus, wo sie gewohnet hat,
Der meine Lieder galten.
Die ich geliebt, die mich geliebt,
Und der ichs nie gestanden,
Und die mirs nie, wie sichs begibt,
Weil wir nicht Worte fanden.
Bist du nun ferne, bist du nah,
Hat dich ein Andrer gefunden,
Ich weiß nicht, Theure, bist du da,
Bist du für mich verschwunden?
Und wenn ich dich nicht wiederseh,
Will ich doch von dir träumen,
Und hab ich dich nicht in der Näh,
Will ich am Ort doch säumen.
Und wie ich nun die Stiege mit
Gelassenheit erklimme,
Da hör ich ihren leichten Schritt
Und ihre helle Stimme.
Als wie der Mond aus Wolken bricht,
So scheu und still erschrocken,
Erglänzt ihr liebes Angesicht
Aus ihren dunklen Locken.
Es leuchtete so freudenklar
Aus ihren schönen Mienen,
Und schöner als sie jemals war,
Ist sie mir heut erschienen.
Kein Sterbenswort. Sie sah mich an;
Den Busen hört ich pochen –
Ein rascher Händedruck sodann,
Daraus ihr Herz gesprochen!
Umwandlung
Hab ich nicht heut mein Liebchen gesehn,
Mit den hellen schönen Blicken?
Ich kann die Augen nicht mehr verstehn,
Mich in ihr Wesen nicht schicken.
Mir zieht es heute durch die Brust
So kalt wie Hauch des Verdrusses,
Es ist nicht mehr die alte Lust
Des Anschauns und des Genusses.
Ich weiß nicht, welche fremde Macht
Sich zwischen ihr Herz und meines
Geschlichen plötzlich über Nacht,
Wie ein Hohnlied Heinrich Heines.
Es war an sie mein Denken all,
Mein ganzes Sinnen und Fühlen
So rein wie des Vogels süßer Schall
Im Walde dem morgenkühlen.
Es war als wie ein schönes Lied,
Das lauter Liebe geklungen,
Das ein begeistert heiß Gemüth
Bis nah zum Ende gesungen.
Da kommt michs an, als wollten nicht mehr
Die Saiten zusammenklingen,
Als könnt ich das schöne Lied nicht mehr
Zum guten Ende bringen.
Da wandelt michs an so fremd, als wärs
Vorbei mit unserm Lieben,
Als hätt ich mit Recht den letzten Vers
Gleichgiltig hingeschrieben.
Aus der Jugend
Ich ging vorbei am Gotteshaus,
Darin ich lang nicht war,
Die Orgel lärmte waldhinaus
So feierlich und klar.
Gar düster sah die Kirche drein
Mit ihrem morschen Thurm,
Doch rastlos dränget aus und ein
Der frommen Menge Sturm.
Horch! jetzt verstummt der Feierklang
Und ruhig wirds umher,
Die Menge betet still und lang,
Mir wird es auch nicht schwer.
Es ist ein Abend freundlich lind,
Die Winde schlummern all,
Wenn erst die Winde stille sind,
Vernehm ich innern Schall.
In meiner Seele Tiefen singt
Mein guter Genius,
Aus meines Herzens Kammern springt,
Befreit sich ein Entschluß.
Als sie sang
Was ist der armen Nachtigall
Denn angekommen?
Der Flötenstimme süßer Schall
Klingt so beklommen.
Verstummen möchte ganz und gar
Die Holde, ach sie fühlt es klar –
Dahin dahin ihr Hoffen!
Sie weiß sich übertroffen.
Was fürchtet sich die Lerche vor
Des Waldes Spöttern?
Zum Himmel nimmer jauchzt empor
Ihr lieblich Schmettern.
Sie flieht der Sonne goldnen Gruß,
Denn ihre Kunst macht ihr Verdruß –
O seelenbittre Stunden!
Sie fühlt sich überwunden.
Was hat um seine Lust am See
Den Schwan betrogen?
Er rudert nimmer auf der Höh
Der vollen Wogen;
Er trauert hin am Ufer müd –
Sein unvergänglich Schwanenlied,
Sein sterbesüßes Singen
Wird es ihm einst gelingen?
Ach Elsa, Elsa dein Gesang
Schuf solche Klagen,
In deiner Stimme Zauberklang
Läßt sie verzagen!
Entzückend – wie du selbst nur bist,
Der Liebreiz deiner Lieder ist
Nimm hin die Huldigungen!
Du hast auch mich bezwungen.
Liebe
Geliebt zu sein, du schöne Kunde,
Schön wie die Hand, die das Geständniß schrieb!
Nur schöner ist, wenn vom beseelten Munde
Entschwebet erst die süße, frohste Kunde –
Mit stummen Zeichen nehm ich nicht vorlieb.
Die Freundschaft ist in wirren Tagen
Ein heilig Gut und will der Priester viel;
Laut ist ihr Ruf, ihr stolzes Banner tragen
Die Besten hoch in unsern wirren Tagen –
Arbeit vereint und Kämpfer schafft das Ziel.
Doch kaum ist uns der Freund verbunden,
Ist auch der Trennung sichre Stunde da,
Die Liebe nur kennt nicht so bittre Stunden,
Es bleibt das Weib, das ewig uns verbunden,
Die Liebe dauert aus, die Lieb ist nah.
Geliebt zu sein vom schönen Weibe,
Ist mehr als Glück, ist volle Seligkeit.
Auf daß sie rein, und stets erfüllet bleibe,
Gab hin Natur die Gegenwart dem Weibe
Und ließ uns Zukunft und Vergangenheit.
Hin
Es braust der Zug, es donnern hin die Wagen
Durch öden Wald,
Des Dampfes volle weiße Wolken jagen –
Ich komme bald!
Wie seid ihr grünen sommerlichen Räume
Nun todt, entstellt!
In kalte Nebel tauchen Berg und Bäume,
Grau liegt die Welt.
Du harrest mein, du zählest die Sekunde,
Da ich erschein –
Entgegen zittre ich dem heißen Munde,
O süße Pein!
Kein lieblich Lüftchen soll erquicken dürfen
Mich wonniglich –
Nur deinen süßen Athem will ich schlürfen;
Er blüht für mich.
Mich grüßen keine Blumen und die Sonne
Sie grüßt mich nicht,
Es soll mir sein des Grußes erste Wonne
Dein Augenlicht.
An deinem Herzen werd ich heut erwarmen
Nach Götterschluß –
Ein Liebesfeuer strömt aus deinen Armen,
Aus deinem Kuß.
Rollt hin, rollt hin! es bringt mich nicht zur Stelle
Die träge Fahrt.
Ihr Wagen braust! ihr seid mir nicht zu schnelle;
Die Liebste harrt.
Her
Das Dampfroß lärmt den Säulengang herein –
Leb wohl Geliebte!
Es zischt und schnaubt – hier muß geschieden sein,
Leb wohl Geliebte!
Ein Pfiff! die Hallen schreiens widrig nach
Nimm fort ins Weite!
Vergiß nicht Herz, was die Geliebte sprach
Bei dem Geleite.
Wohin ich schau, die klare Mondennacht,
Gemacht für Träume.
Das Schneegefild in stiller Silberpracht!
Krystallne Bäume!
Ich höre nur in toller Rasselwuth
Des Zuges Sausen –
Und wäre mir nicht gar so wohl zu Muth,
Mir könnte grausen.
Doch ihre Wangen sah ich munter blühn,
Roth wie die Liebe.
Und ihre Augen blitzten klar und kühn,
Die Herzensdiebe.
Ihr letzter Kuß auf meiner Lippe flammt,
Der Seelenzünder,
Ich eile fort, zu neuer Glut verdammt,
Ein freudger Sünder.
Ein Sünder an der Freiheit – doch wahrhaft!
Sie ist ein Namen.
Des Lebens Inhalt ist die Leidenschaft,
Das Herz sagt Amen.
Die Liebste sprach: »Dich lieb ich grenzenlos!«
Auch ich, Geliebte!
Und ohne Grenzen sein, heißt frei sein blos –
Dank dir! Geliebte!
Entscheidung
Als ich in dein Herz voll heißer Liebesfreud
Warf einmal ein Wörtlein kühler Nüchternheit,
Da zerging die Rose deiner Wangen,
Laut zu weinen hast du angefangen.
Sprangest auf und wieder sankest du zurück,
Wie Verzeihung flehend drang in mich dein Blick,
Hast dich wild an meine Brust geschwungen,
Mich geküßt, umklammert und umschlungen.
Aber ich – erbebte. Solche Schmerzenskraft
Wandelte die Liebe mir in Leidenschaft –
Auf die schönen Augen schaut ich nieder,
Auf die Fülle wonnereicher Glieder.
Nur ein Wort von mir, und heitrer Himmel bricht
Aus dem theuren Antlitz, o so lieb und licht.
Ewigen Gruß dir, wundervolle Stunde,
Ich frohlocke dir mit Herz und Munde!
Andre Welt
Hatte einen Freund vor Jahren,
Eine feste edle Seele,
Aber in der alten Welt
Konnt er nimmer Ruhe finden.
Uebers Meer ist er gefahren,
Zu den thatenreichen Menschen,
Drüben in Amerika,
Drüben in dem Reich der Zukunft
Und er folgt dem kühnen Banner,
Das des Nordens Heldensöhne
Tragen unter ewgem Sieg
In die Mexikanerberge.
Durch die reichen Tropenstädte
Wandelt er mit stolzen Schritten
In dem Kleid der Republick,
Und es jauchzt ihm zu die Sonne.
Durch die heißen Kaktuswälder,
Durch die Schluchten thierbevölkert,
Durch die Stromgewässer wild
Wird der Tapfre staunend schreiten.
Und sein Herz wird kühner schlagen
Auf den sieggewohnten Märschen,
Ueber sich der Berge Stern,
Den beschneiten Orizawa.
Um und um die ewgen Berge,
Wie aus glühem Erz gegossen,
In der tausendfarbgen Pracht
Wird die Heimath er vergessen.
Wenn er schaut zu beiden Seiten
Gleich geschmolznen Diamanten
Den gewaltgen Ocean,
Wird der Heimath er gedenken.
Wenn er schaut die Sonne tauchen
Groß und blutig in die Esse
Des unendlich weiten Meers
Und sein Auge Thränen füllen.
Wenn die Nacht die dämmervolle
Niedersinkt ins Thal der Blumen,
Und der ungeheure Mond
Seine blauen Lichter sendet.
Wo die Blüthenbäume tanzen
Und die Quellen aufwärts strömen,
Drein die Millionenschaar
Süßer Sänger musiziret.
Wo ihn grüßen andre Sterne,
Zaubergroße, blitzeschleudernd,
Und der Himmel golden schwarz
Seine Sinnen überwältigt.
Wenn er dann hinab die Thäler
Zu den schönen Menschen steiget,
Zu der Mädchen ewgem Tanz
In die Hütten von Puebla.
Wenn die weichen Blumenarme
Und die süßen hellen Stimmen
Mit dem niegeträumten Reiz
Ihn umtaumeln und umscherzen.
Wenn ihm die Gazellenaugen
Klug und seltsam, scheu und lüstern,
Dringen bis ans tiefste Herz,
Schauen auf den Grund der Seele.
Wahrlich wenn er eines Tages
Ueberrascht wird unversehens
Von dem herrlichen Roman,
Den er hier – vielleicht geschrieben.
Oder wenn zur Zeit der Regen
Schrecklicher als Schlachtendonner
Alle Thäler widerhalln,
Baum und Berg in Fluthen stürzen.
Wenn die Hochgewitter rollen
Ueber öden Felsgebirgen,
Aufgescheucht der Adler kreischt,
Und der Leu des Urwalds brüllet.
Wenn die Feuerkegel speien,
Wenn die Meteore sausen,
Wenn der Erde Kern erbebt,
So daß dumpf das Weltmeer aufrauscht –
Da wird seine starke Seele
Schauernd jubeln zu den Schrecken;
Bei der Schönheit Wechselspiel
Auf der Wonne Gipfel rasen.
Ha! ich wills ihm nicht verdenken,
Wenn er lange wird vergessen,
Seine Bücher, seinen Freund,
Und die deutsche Muttererde.
Und ist er im Kampf gefallen,
In der stolzen Schlacht des Ruhmes,
Hab ich keine Klag um ihn,
Besser werd ich wohl nicht sterben.
In den holden Wunderdüften
Webet seine freie Seele,
Und um seine Leiche klingt
Ewig Lied der Urwaldsänger.
Palmen werden ihn umrauschen,
Kühne Thierwelt um ihn lärmen,
Und die Sterne heiß und groß
Auf sein Grab herniederblitzen.
Der alte Schmerz, das ewge Leid
O Traurigkeit, du sterblich nie,
Recht bittre du, nichts werthe,
Nicht süße sanfte Melancholie,
Bist unser Lebensgefährte.
Ach Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
Ein Freudentag, ein Rausch des Glücks
Im Freundeskreise vorüber!
Lust eines dauernden – Augenblicks:
Dann um so stiller und trüber.
Ach Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
Geruht an göttlicher Liebe Brust,
Maistunde jauchzender Wonne,
Genossen der Treue Reiz und Lust –
Zum Abend neiget die Sonne.
Ach Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
Geerntet, was einst mit Muth gesät,
Der Arbeit lohnende Früchte –
Empfindung rein! doch, o so spät,
Und nur, damit sie flüchte.
Ach Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
Genesung, holdes rührendes Glück,
Nach schweren kranken Tagen,
Du führest den Nüchternen – zurück
Zu eiteln Sorgen und Plagen.
Ach Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
Religion, du Hochgefühl von dem
Was wahr, gut, ewig und schön ist,
Wohl labest du oft, fern von System,
Die Seele, der Leidges geschehn ist –
Ach Alles – vergeht;
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
Hoffnung, beseligend Vorgefühl
Des Ruhms und Ruhm am Ende;
Was fehlt dir sodann, hast Neider ja viel –
Verläumder kommen behende.
Ach Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
O Lethe-Quell, o Vergessenheit,
Des Himmels Kind und der Erde,
Den alten Schmerz, das ewige Leid
Entführe mit sanfter Geberde!
Ach Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
Du, Schlaf, o heilige Medizin;
Trost, Freund, behüt uns immer!
Wenn trauter Schlaf im Leid erschien,
Liegt weich auf allem Getrümmer.
Ach – Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
Ward euch vergönnet nie frisches Blut,
Vor Schuld euch frei zu bewahren:
Verehret den Schlaf, das göttliche Gut!
Laßt Wunsch und Hoffnung fahren!
Ach – Alles vergeht!
Was aber besteht?
Allzeit?
Der alte Schmerz, das ewge Leid.
»Im Jammer«
1.
Mein armes Herz, mein guter Muth,
So frisch wie der junge Morgen,
Verrathen sind sie und verkauft
An die Welt der kleinen Sorgen.
Der kleinen Sorgen, die so zäh
Sich mit der Seele zanken,
Gleich einem großen Heuschreckenheer
Abweiden alle Gedanken.
Mir ist, als ob der Sonnenschein
In hohlen Schädel mir schiene,
Wie, droben auf dem Berge dort,
In die ausgebrannte Ruine.
Dann aber kommt es mir wieder vor,
Als ob ich Schauer litte,
Als regnet es mir in die Seel hinein,
Wie dort in die alte Hütte.
Meine Freud ist hin, mein Muth dahin,
Und alle Lust verdorben,
Denn ach, mein freier, leichter Sinn
Er ist verdorben, gestorben.
2.
Die Freunde fort, die Freunde fern,
Auch sie hab ich verloren;
Ach ändern möcht ichs gar so gern,
Ach unter welchem argen Stern
Bin ich, sind wir geboren.
Wer trinkt mit mir, wer lacht mit mir,
Wer spricht zu meinem Kummer,
Wer wecket mir, wer wieget mir
Gedanken dort, Gedanken hier
Dort aus, hier in den Schlummer?
Für mich allein ist kein Pläsir,
Nicht Ambos ist, nicht Hammer;
Wer grübelt, krittelt, schwärmt mit mir,
Wer spottet, flucht und schimpft mit mir,
Auf diesen Herzensjammer!
Saitenlob
Selig, wem in Lautenklängen
Seiner Seele Schmerz entflieht!
Wem gepflanzet tief im Herzen
Die Natur ein wuchernd Lied.
Selig wem des Sanges Geister
Zu verstehen, ist gewährt –
Trauer schmilzt in weichen Tönen
Wonne wird im Lied verklärt.
Selig wer mit Lautenklängen
Seinen innern Sturm beschwört,
Daß im Handeln er geruhig
Und im Wandel unbethört;
Daß er frisch ein Lied des Muthes
Singt dem Tod ins Angesicht,
Selig wer auch Andern singend,
Ewgen Trostes Kränze flicht!
Laissez faire
Motto: Habe nun ach etc.
O so gebt mir ein Lied, ein geflügeltes Lied der Begeisterung, Lieder der Liebe –
Ihr bewegenden Mächte der menschlichen Brust, ihr Gedanken und herrlichen Triebe!
Aus der glühenden Seel ach! entquelle der Strom, aus der vollen Seele die Dichtung,
Und sie rausche dahin ungezügelten Muths, nur erfüllend des Schönen Verpflichtung.
Denn es jagt ein Gefühl wohl ein heißes Gefühl des Verlangens durch all meine Glieder,
Zu erquicken den Sinn und zu baden das Hertz in dem göttlichen Ozean wieder.
Zwar ich weiß wohl, es steht mit abwinkender Hand da die Zeit und belächelt die Gluten,
Und sie schwenket mit Macht ihre Fahne mir zu, nur in dieser zu siegen, zu bluten;
Für die Wissenschaft nur und politische That wird ein Lorbeer noch fürder gedeihen:
Ja, dem Forscher den Kranz! und dem ehernen Mann aus des Tages wilden Parteien!
Doch ich beuge mich nicht, noch erschreckt mich der Spruch, seht, ich biete die Hand nur zum Bunde –
Wer, o sagt mir, vermag da zu sichern den Streit, und zu schließen geschlagene Wunde,
Zu behüten im Sturm all die Blüthen des Geists? und wohlan sei die Gegenwart Richter!
Sind der Herzen doch viel, die zu schlagen gewohnt – nun es fordert sein Recht auch der Dichter.
Frühling
Frühling, bist du wiedergekommen?
Lieblicher Lenz, du lachendes Kind!
Kommst du auf dem Fluß geschwommen?
Oder kommst du mit dem Wind?
Unter den weichen singenden Wellen,
Aus den Wassern melodisch klar,
Ueber die Hügel, die waldig schwellen,
Luget dein kluges Augenpaar.
Schaue ich nur in dein sonniges Auge,
Küsse ich nur deinen wonnigen Mund,
Trink ich von deinem blühenden Hauche,
Wird auch mein winterlich Herze gesund!
Herbstbild
Die Feuer leuchten durch die laue Nacht,
Zum Himmel sprüht und steigt die Funkenpracht.
Der Jubeldonner kracht von Berg zu Berg,
Gesang und Tanz, Musik und Feuerwerk!
Dort unten aber bei den schwarzen Hütten,
Die Kelter dröhnt in stummer Winzer Mitten.
Und von der schweren, heißen Arbeit müd,
Ein Mädchen steht, sie seufzet auf und glüht.
Ein guter Wein! Ihn bauten meine Eltern –
O Weh, da strömt er aus fremden Keltern!
Ein edler Wein! ha laßt Raketen steigen!
Vor keiner wird sich seine Blume neigen.
Bei allen Festen wird er reichlich fließen,
In alte Glieder neubelebend schießen.
Bei Hochzeitmahlen wird er feurig kreisen,
Und aller Orten werden sie ihn preisen!
Ich aber bin ein armes, krankes Kind,
Ich werde weinen, wenn sie fröhlich sind.
Ich aber werde niemals Hochzeit haben,
Und unser Wein, euch wird er niemals laben.
So klagt das Kind und in der Mondnacht draußen
Die Feuer steigen und die Feste brausen.
O stille Herz! Wird es auch rosig tagen?
Wann wird kein Mägdelein mehr also klagen?
Saison
Früh dunkelt die Welt. Was läßt sich erklügeln?
Was tödtet den Abend, was ist pikant?
Von den Wolkenhöhn, von den Nebelhügeln
Wirbelt der Schnee ins offene Land.
Ha, glänzende Bahn! Durch Straßen und Plätze
Rauschet die göttliche Schlittenfahrt.
Ein Jauchzen und Schellen, wildfliegende Hetze,
Klingen und Knallen barbarisch gepaart!
Keck wirft sich hinein in die gaffende Menge
Der Fackeln rother lodernder Schein,
Musik erbraust in das dunkle Gedränge
Und Rossewiehern hintendrein.
Halloh! Du fürstliche Augenweide,
Du trunkene, du elegante Welt,
Vorübersaus in Pelz und in Seide,
Und spotte der Kälte, die – frisch erhält!
Halt! Teppiche her! den Arm den Damen!
Sie steigen ab am Säulenportal,
Wo festliche Sprüche, festliche Namen
Herniederflammern in farbigem Strahl.
Da wallet herein in die duftigen Räume
Die bunte, freudelachende Schaar;
Schon wiegt sich in stolze, in selige Träume
Ein manches liebeflüsternd Paar.
Schon lockt und ladet die Polonaise
Zum rasenden Reigen, zum tollsten Tanz;
Den Hallen entströmt ein klingend Getöse,
Hinaus in die Nacht ein Meer von Glanz.
Es winken die Kelche mit feuriger Labe,
Die Geschirre klappern in Lustbarkeit –
Und, o Erbarmen, für »christliche« Gabe
Ein bettelnd Büchslein steht beiseit.
Lebensbaum
Zu Heidelberg im Schlosse
Ragt auf ein Lebensbaum,
Dreihundert Jahre und drüber
Träumt er den Ewigkeitstraum.
Jetzt will er sich niederneigen
Der alte, mürbe Greis,
Der Winter ist ihm so grausig,
Der Sommer ist ihm zu heiß.
Es grünt und blüht auf der Erden,
Auch Unkraut will gedeihn,
Es wachsen Bäume zu Zeiten
Sogar in den Himmel hinein.
Ach, alles Blühen und Wachsen
Mag heißen, wie es will,
Und mag es sich »ewig« schelten,
Die Zeit kommt, es steht still.
Wie viele Lebensbäume
Hat schon die Welt gesehn!
Kein Titel und kein Name
Schützt vor dem Untergehn.
Und andre Bäum erstehen,
Und neuer Same geht auf –
Ein ewiger Strom des Wachsens,
Ein wechselnder Blüthenlauf!
Allzeitwunsch
In dieser wunderbaren Zeit
Wo man zerstört und baut,
Da hab ich viel gezweifelt
Und habe viel vertraut.
Von Mitteln hört ich und vom Zweck,
Von Recht und Unrecht stets,
Von Recht und Rechtsgefühlen,
Moral und Rechts-Gesetz.
Man schied Geschichte und Vernunft,
Sprach von Altar und Thron,
Von Wahrheit und von Freiheit,
Man sprach von Religion.
Ich sah, was gut und böse sei,
Und wünschte Jenem Heil,
Doch ward uns ohne Dieses
Auch Jenes nicht zu Theil.
Ich sah die Ohnmacht, sah die Kraft,
Trägheit und Eifer viel,
Und Ziele sonder Wege
Und Wege sonder Ziel.
Gott helf uns Allen, sagte man
Zur guten alten Zeit,
Es sagen: hilf dir selber,
Wohl heutzutag die Leut.
Ach, wenn ich einmal wünschen darf,
So wünsch ich Eines nur:
Sie niemals zu verläugnen
Die eigenste Natur!
Bescheidenheit
Dringe Nachts am Sternenhimmel
Scharf ins flimmernde Gewimmel
Mit erfreuten Augen ein,
Manches Sternlein wirst du finden,
Und im Augenblick verschwinden
Wird sein anspruchloser Schein.
Immer neue wird erreichen,
Selbst in Mondeshof die bleichen,
Deiner Blicke Adlerschwung,
Aber alle, kaum gesehen,
Werden wieder rasch verwehen,
Spurlos in die Dämmerung.
Also wie am Sternenhimmel
Forsch im menschlichen Getümmel,
Aber suche scharf und gern,
Und verwundert wirst zu zählen
Tausend, tausend scheue Seelen,
Aber jede ist ein Stern.
Epigonenthum
Was schleppet ihr in müßgen Frohnen
Ein Pfündchen zu dem Haufen Gold?
Ihr seid und bleibet Epigonen,
Ihr mögt euch stellen, wie ihr wollt!
So hör ich unsre Weisen sagen,
Und fühle fast, sie haben Recht,
Doch nicht sogleich will ich verzagen,
Denn auch ein Pfündchen Gold ist ächt.
Doch sei es Gold! Heraufgegraben
Tief aus den Schachten des Gemüths
Doch goldne Tugend soll er haben
Der Klang und Schimmer eures Lieds!
O suchet mehr, als nur zu glänzen,
Und denket an ein altes Wort,
Wollt ihr bereichern und ergänzen
Der Dichtung Nibelungenhort!
Ihr sollt nicht künsteln, nie erheucheln
Zum Selbstgenuß ein Herzensfest,
Ihr sollt nicht falschen Göttern schmeicheln,
Wenn euch die innre Macht verläßt.
Gebt Leidenschaft! euch selbst! so findet
Ihr ohne Künste Form und Ton,
Glaubt an die Welt, die ihr verkündet!
Der Lügner nur ist Epigon.
Nacht und Morgen
Ruhvoll schwebt der Dämon der Nacht
Auf schwarzen Fluthen des Aethermeers.
Im Feld kein Laut.
Die Sternlein haben sich aufgemacht,
Sind alle gekommen, alle, alle,
Zu schmücken die herrliche Himmelshalle
– – Es windet, der Morgen graut.
Es windet, der Wildhahn ruft.
Ein Frühhauch über die Wälder fliegt;
Die Dämmerung bebt
Auf lichten Wellen der Alpenluft.
Schon saugen den Schein die klingenden Fluren,
Her schreitet der Tag in rosigen Spuren
– – Die Sonne das Goldhaupt hebt.
Der Nachtgeist fliehet erschrocken leis,
Streifend den blumigen Wiesengrund,
Vorm Götterblick
Zusammenschauernd in kaltem Schweiß.
Und die Lerch entschwingt sich dem frostigen Thaue,
Begrüßet das Licht und jubelt ins Blaue,
Und wiegt sich im sonnigen Glück.
Melancholie
Freuet euch, ihr lieben Menschen,
Frühling ist es aller Orten!
Aus des Himmels blauen Pforten
Wandelt Liebe, Lust und Glück.
Fröhlichkeit ist aller Wegen,
Wie die Quellen munter springen,
Wie die Wandervöglein singen!
Ach! die Sonne kehrt zurück.
Ach – der Frühling kehret wieder,
Nur, um wieder hinzusterben.
Dieser Frühling muß verderben,
Dieser kehrt ja nicht zurück.
Auch der Schmetterling am Hügel,
Sinnbild eures Auferstehens,
Wird verhauchen unversehens,
Und kein Lenz bringt ihn zurück.
Schlichte Meinung
Du bist nicht schön von Angesicht,
Die unbedachte Menge spricht,
Doch deiner Anmuth ewger Reiz
Ist nur der Urquell ihres Neids.
Du bist nicht schön von Angesicht,
Behauptet jeder Kennerwicht.
Ich selbst gestehs. Was mich erfreut,
Ist deine Liebenswürdigkeit!
Du bist nicht schön von Angesicht,
Persianisch deine Wimper nicht,
Nicht griechisch, Theure, dein Profil,
Kein Römerzug dein Mienenspiel!
Du bist nicht schön von Angesicht?
So tröste dich ein Lobgedicht
Auf deine Liebe allbekannt
Freigebige und schlanke Hand!
Du bist nicht schön von Angesicht –
Doch weiß ein kritisches Gezücht,
Es flieht vor ihm und seinem Gruß
Dein feiner und bescheidner Fuß.
Du bist nicht schön von Angesicht.
Rührt euch die Wangenrose nicht?
Des Mundes süße Kirsche pflückt!
Ihr armen Schlucker wärt entzückt.
Du bist nicht schön von Angesicht –
Leucht auf, o keusches Augenlicht!
Ein Geist in deinem Glanze wohnt
Als wie der Friede in dem Mond.
Du bist nicht schön von Angesicht,
Dein Lockenhaar ist leicht Gewicht;
Dein volles Herz doch wiegt mir mehr,
Es arm zu machen, das ist schwer.
Du bist nicht schön von Angesicht,
Am Schwung der Brauen dirs gebricht;
Doch deiner Seele hoher Schwung
Entwaffnet die Verkleinerung.
Du bist nicht schön von Angesicht,
Ach Gott! von Marmor bist du nicht!
Holdselig aber bist du, Kind,
Wie Engel in dem Himmel sind!
Du bist nicht schön von Angesicht.
Doch Liebe geht nicht ins Gericht,
Doch Liebe ist der schönste – Zug,
Und Liebe ist sich selbst genug.
Verbittert
Der Himmel blau und warmes Wetter!
Im Frühling werden Menschen Götter,
Und tausend Wunden werden heil,
Es bricht das Eis der Erdenleiden
Von der Olympier ewgen Freuden
Wird Sterblichen ein Lenz zu Theil.
O herrlich, Sonnenschein zu trinken,
O selig, wo die Kelche winken
Mit süßem Thau und mildem Duft!
Die Schlaffen und die Trägen eilen,
Wo sie zum lieblichsten Verweilen
Das Glockenspiel der Wälder ruft.
O herrlich, Strahlenthau zu schlürfen!
Der derben Kost entsagen dürfen,
Wenn wir vom Frühstück auferstehn;
Beim Lerchenwirbel zu marschiren,
Und unter Blumen zu spazieren
– Und zur Verdauung sich ergehn.
Genug ihr Dichter! eine Frage
Schleicht grinsend an dem Maientage
In eure Jubellieder ein:
Und kleidet, sagt mir, auch den Nackten
Der Frühling, golden und smaragden,
Und will der Hunger Sonnenschein?
»Resignation«
Unsterblicher Name,
Ein öder Schall.
Wenn du moderst im Hügel
Armer Leib,
Was soll dir der Ruhm,
Was soll dir der öde Nachhall?
Du kannst dich nicht freuen,
Nicht laben am Nachhall,
Er ist dir ein Nichts,
Ein Nichts dem Nichts.
Und ist ein Geist,
Der Ewigkeit Eigenthum,
Wie soll er genießen
Irdisches Angedenken?
Ob dein ob eines Andern
Name fortlebt bei Menschengeschlechtern,
Was ist es für Unterschied?
Leerer Hall ists, vielleicht noch
Daß er verwandten Geist weckt,
Vielleicht das Gedächtniß auffrischt
An guten Thaten.
Doch welcher Werth, sprich,
Ruht in des Namens Buchstab?
Laß dir genügen, Herz,
Daß deine Wünsche, Gedanken
Fortleben in Raum und Zeit.
Ob du sie verkündet, ob dieser,
Ob Jener, ist gleichgültig
– Es waren die deinen auch.
Verlangest du mehr?
Gibt es denn andern Genuß?
Fasse die Wirklichkeit!
Der Mitwelt Weihrauch athme!
Und ihn gewinne,
Indem du Liebe gewinnst
Edler Menschen!
Besseres hat die Welt nicht.
Am Scheideweg
Es gilt ein Mann zu sein, ein Fürst des Lebens!
Steck dir ein Ziel, verwirf den Traum!
Die tausend Wünsche loderten vergebens,
Und herrschen kannst du nur im Raum.
Der Jüngling flieht – Jugend grüne weiter!
In Thaten wohnet Poesie.
Sei der Humor dein schützender Begleiter!
Verlasse dieser Gott dich nie!
Verzage nicht in Ungemach und Sorgen,
Kampf ist die Loosung bis zum Tod.
Hast du nicht Freunde treu für Heut und Morgen,
Die Vieles wenden, was dir droht?
Es holt der Geist vom Geiste sich Genesung,
An treuer Brust ruht aus die Brust,
Nur die Verlassenheit ist auch Verwesung
Jedweder Kraft, jedweder Lust.
Die Liebe aber, die du kennst, die Liebe,
Gibt sie nicht allen Wesen Schwung?
Wenn sie ein Dämon aus dem Busen triebe,
Dir fehlte die Beseligung.
Dichtung
Wenn die Sonne nach Schnee und Stürmen
Plötzlich im blauen Himmel steht,
Wandelt dich an ein Gefühl der Rührung,
Wie wenn ein Gruß von geliebten Menschen
Aus der Ferne herüberweht.
Wenn nach schwülen, tödtenden Tagen
Niederschauert ein Regen mild,
Wandelt dich an ein Gefühl der Stärkung,
Wie wenn aus dumpfen Zweifeln gerissen
Dich Gewißheit erquickt, erfüllt.
Also mit unzähligen Griffen
Faßt Natur ins Menschengemüth,
Also raget die dichtende Seele
Mächtig in die unendliche Schöpfung
– Und geboren wird das Lied.
Vom Tode
So nenne mir den allerschönsten Tod.
Ich nenne dir den Tod in heißer Schlacht –
Um theure Güter ist der Streit erwacht,
Für Ehre, Freiheit, für dein gutes Recht,
Ich denke solcher Tod dünkt Niemand schlecht.
Den Heldentod nenn ich den schönsten Tod.
So nenne mir den allerschönsten Tod.
Ich nenn den Tod, in den ich freudig geh
Für Ueberzeugung, Wahrheit, die Idee –
Im Kerker, auf der Walstatt, dem Schaffot,
Der Sieg ist mein, ich sterb für meinen Gott.
Den Zeugentod nenn ich den schönsten Tod.
So nenne mir den allerschönsten Tod.
Ich nenne dir den Tod in Manneskraft,
Als Opfer edler That dahingerafft;
Du stirbst ein Retter, stirbst ein Tugendheld,
Den Lohn im Herzen, unterm Dank der Welt.
Den Opfertod nenn ich den schönsten Tod.
So nenne mir den allerschönsten Tod.
Ich nenne dir den Tod durch süßes Gift –
Durch Blitz, der aus dem heitern Himmel trifft;
Sei es im Elend, das er schnell beschließt,
Seis in der Lust, die sorgenlos genießt.
Der Unerwartete ist schönster Tod.
So nenne mir den allerschönsten Tod.
Ich nenn den Tod – wenn lebensmüd und schwach
Der Leib entschläft im heimischen Gemach.
Rings traute Nacht – die Rechnung schließ ich ab
Mit dieser Welt, Erlösung ist das Grab.
Ein selig Ende ist der schönste Tod.
So nenne mir den allerschönsten Tod.
»Lausch auf! du siehst junge Blumen blühn,
Die stille Wiese und den Quell im Grün.
Ein Morgenhauch, ein milder Sonnenstrahl,
Der Frühling ist gekommen in das Thal –
Dort stirbt ein Greis den gleichwillkommnen Tod.«
Du nennest mir den allerschönsten Tod –
»Ich nenne dir den Tod, den ich erfleh;
Mein war mein Leben, mein war die Idee!
Ich hab gekämpft, geduldet, ich genoß,
Ich ende – ohne Prunk, nur still und groß.
Nicht Arzt, nicht Priester kündet mir den Tod.«
»Ich preise dir den allerschönsten Tod:
Die Lieben all sie trugen mich hinaus,
Vier Wände sind dem Sterbenden nur Graus.
Es war das Sein so reich so lebensroth –
Nun ist mir Leben lieb und auch der Tod.
Ich schau umher und freundlich naht der Tod.«
»Und da ich sterbe allerschönsten Tod,
Noch einen Becher drückt mir in die Hand,
Die Thräne fällt, dann ist er voll zum Rand.
O schöne Sonne, Erd und Erdenglück –!
Lebt woh! legt in die Blumen mich zurück!
Freut euch! Nothwendigkeit ist aller Tod.«
Geschichten und Gestalten
Ein Poet
Kennt ihr den unglückselgen,
Den übermüthgen Mann,
Den wunderbaren, welchen
Niemand begreifen kann!
Ihr wißt, daß keinen Richter
Er über sich erkennt,
Und nennt ihn einen Dichter,
Wie er sich selber nennt.
Ihr lauschet seinen Tönen
Der Eine aber fühlt
Von allen Erdensöhnen
Wie Lorbeer brennt und kühlt!
Zugleich in Lust und Schmerzen
Ist er entzückt, betrübt,
Und oft vom selben Herzen
Gehaßt und heißgeliebt.
Sein Schicksal ist, zu schauen
Zukünftiges und doch
Am alten Räthsel kauen,
Doch ziehn im ewgen Joch.
Mit Träumen, mit Gedanken,
Mit Prüfung bester Kraft
Zu schwelgen oder kranken
In jeder Leidenschaft.
Was Alles einst empfunden,
Von Andern ward gelebt,
Ihm schlägt es frische Wunden,
Die er durchs Leben schleppt!
Und so ihm der Pelide
Vors Auge treten will,
Da weicht von ihm der Friede,
Er selber ist Achill.
Die Meergöttinnen klagen,
Er sitzt am Strand und weint,
Patroklos ist erschlagen,
Patroklos war sein Freund.
Er grollt, er weint, es schäumet
Hochauf das Meer, er starrt
Hinein, vergißt, versäumet
Den Wink der Gegenwart.
Erschrecket nicht, zu lesen
An seiner Stirn, daß er
Der Kain einst gewesen,
Und einst der Ahasver.
Der Menschheit tausendfältgen
Geheimsten Kummer muß
In seinem Selbst bewältgen
Der stolze Genius.
In seinem Busen sammelt
Sich auf das Weh der Welt,
Doch keine Demuth stammelt
Der narbenvolle Held.
Mit Trost sich selbst zu täuschen,
Zu göttlich, folgt er nur
Dem hellen Ruf der keuschen,
Der innersten Natur.
Die ihr so unanstellig
Ihn findet zum Geschäft
Des Tages, selbstgefällig
An Klugheit übertrefft.
Die ihr ihn sein bewitzelt,
Und meidet seinen Pfad –
O eure Seelen kitzelt
Sein Wort und seine That.
Umsonst, daß ihr ihn heißet
Heil suchen anderwärts;
Was wollt ihr thun, ihr reißet
Aus seiner Brust das Herz!
Fürwahr ihm lohnt Verkennung,
So tief er fühlt und ringt,
Daß jeder Tag ihm Trennung
Auch von dem Liebsten bringt.
Auf seinen wilden Wegen
Kommt nimmermehr das Glück
Dem Schmachtenden entgegen
Mit Grüßen in dem Blick.
Ihm ist kein Seelensrieden,
Ihm ist nicht Ruh, nicht Ziel,
Kein Heimathland beschieden,
Kaum irgend – ein Asyl.
Von Wenigen verstanden,
Von Keinem ganz erfaßt,
Nimmt er den Stab zu Handen
Und will auch keine Rast.
So treibt es ihn, zu schweifen,
Unstäten Geistes Kind,
Und seine Früchte reifen
In Wetter und in Wind.
Sie reifen, wie die Sonne
Von Land zu Land von Pol
Zu Pol ihm Leid und Wonne
Ihm reifte Weh und Wohl.
Dann strömet seine Leier
So klare Töne aus,
Und nimmer kühner freier
Voll süßem Seelengraus!
Wohl tief, ach tief von innen
Entquillt der reiche Klang,
Sein Herzblut muß verrinnen
Mit jenem schönsten Sang.
Der Hirt
Kommt die Nacht mit ihren kühlen Schatten
Ueber alles Land;
Schwer bedunkelt schlafen schon die Matten
An der Felsenwand.
Und herüber zieht der Wind,
Leiser Schauer faßt die Glieder –
O mein liebes Kind,
Wann sehen wir uns wieder?
Fand dich nicht zu Hause bei den Eltern,
Fand dich nicht bei mir,
Frühe sucht ich dich auf allen Feldern
Und am Abend hier.
Keinen Gruß, kein Lebewohl?
Tiefe Nacht und tiefes Schweigen –
O mein Kind schlaf wohl,
Bis die Lerchen steigen.
Auf den Fluren bin ich noch alleine
Und mein Herz mit mir.
Sieh! der Mond mit liebetrautem Scheine
Kommt die Wolken für.
O du treues, goldnes Licht!
Leuchte mir zu nächtgen Schritten,
Weißt was mir gebricht,
Was ich schon gelitten.
Berge starren, dunkle Wälder rauschen,
Heilig ist es hier.
Wind und Wellen will ich scheu belauschen,
Flüstern sie von dir?
Von den Wiesen steigt der Duft,
Sanfte Geister weben drinnen,
Bis der Morgen ruft
Und sie scheucht von hinnen.
Manche Nacht schon bin ich umgewandelt,
Mutterseelenallein,
Was die Sternlein unter sich verhandelt,
Ist Geheimniß mein.
Und ihr Schweigen auch ist Gold,
Viele wissens nicht zu deuten,
Aber wem sie hold,
Dem gelingts bei Zeiten.
Du, nur du, mein Engel, sollst erfahren
Was ich hier gehört,
Und ich wills im stillen Busen wahren,
Bis ich dichs gelehrt.
Glücklich werden wir einmal!
Dieses mögen Alle hören –
Wenn wir uns einmal
Einzig angehören.
Heldenfeier
Singet ihnen und bewundert
Die am Thermopylenpaß
Ruhmvoll fielen, die dreihundert,
Sparter und Leonidas!
Männer, die in deutschen Landen
Gleichen Tod und Nachruhm fanden,
Meine Leier nicht vergaß.
Hunnen waren saubre Brüder,
Stürmten über Stock und Stein
Alle Völkersitze nieder,
Kamen auch zu uns, zum Rhein.
Saßen dortlands die Burgunden,
Lösten gern mit Todeswunden
Ihre ewige Freiheit ein.
Wie ein Fels den Fluß in Arme
Theilt und seinen Vollstrom hemmt,
Haben sie dem Hunnenschwarme
Keck entgegen sich gestemmt.
Fels, von ächtem Schrot und Korne,
Wurdest von dem Wellenzorne
Unzertrümmert überschwemmt!
Preis euch Tapfern, euch Zehntausend,
Eurem Stolze wetterkühn,
Der die Woge, welche brausend
Euch verschlang, verschmäht zu fliehn!
Opfertod im Schlachtgetöse,
Untergang der Heldengröße,
Nie soll dieser Ruhm verblühn!
Bleibe drum auch unvergessen
Hochsinn einer spätern Zeit!
Seid mit gleichem Maß gemessen,
Wimpfens Helden, Leun im Streit!
Aus Kordovas Feuerschlünden
Euren Tod und Ruhm verkünden
Hört die spanische Tapferkeit.
Trommeln wirbeln, Pulverwagen
Knallen auf, Verwirrung, Flucht,
Georg Friedrich war geschlagen,
Hat die letzte Kraft versucht.
Pforzheims Bürger stehn vierhundert
Fest im Blut, vom Feind bewundert,
Halten aus die Reiterwucht.
Seid im Liede stets gefeiert
Ihr vom »weißen Regiment«!
Solch Gedächtniß ist erneuert,
Wo sich Treu am Muth erkennt.
Euren Fürsten vor den Ketten,
Eurer Sache Ehr zu retten,
Nahmet ihr ein rühmlich End.
Singet ihnen und bewundert
Die am Thermopylenpaß
Ruhmvoll fielen, die dreihundert,
Sparter und Leonidas –
Männer, die in deutschen Landen
Gleichen Tod und Nachruhm fanden,
Meine Leier nicht vergaß!
Student von Prag
Am Hügel geht der Mondschein
Wie Hauch der Sehnsucht um,
Die frischen schallenden Wellen
Werden am Ufer stumm.
Dort auf der steinernen Brücke
Steht eine dunkle Gestalt;
Die kühnen Augen blitzen,
Die goldene Locke wallt.
Er läßt die Blicke schweifen
Im weiten Nachtgebiet,
Und seiner Brust entsteiget
Ein schauerliches Lied.
Ihr stummen schwarzen Berge,
Was starret ihr mich an?
Ihr kühlen grauen Wellen,
Was hab ich euch gethan?
Was wollt ihr grauen Wellen
Mit eurem schaurigen Sang?
Mit eurem grausigen süßen,
Mit eurem gierigen Klang?
Ich kann vor euch nicht schlafen,
Ich kann vor euch nicht ruhn;
Was habt ihr mit meiner Liebe,
Mit meinem Leben zu thun?
Mein wissenschaftlicher Eifer
War ehmals gar so groß –
O weh, die heißen Gedanken
Werde ich nimmer los!
Es sungen meine Brüder
Dort drüben im trauten Haus,
Ich höre das Wasser rauschen
Und stürze stumm hinaus.
Das Mädchen, das ich liebe,
Ist so zum Sterben schön!
Ich glaube fast, ihr Wellen,
Ihr kühlen, wollt mich verstehn.
Die Jagd
»Wohlauf, ihr Herrn, ha wohlauf zur Jagd!
Reißt weg die Becher vom Mund!
Der Himmel wird grau, es windet, es tagt,
Der Hahn kräht Morgenstund!«
So ruft der Junker von Hesselhag,
Das leere Glas in der Hand,
Ins übernächtige Zechgelag,
Und wirft das Glas an die Wand.
Schlaftrunken fahren die Gäste auf,
Sie schütteln das Lockengeflecht,
Und rütteln im Hin- und Widerlauf
Die Koller sich rasch zurecht.
Die Kohle im Schlot, der Wein im Krug
Ist todt, es schauert die Herrn,
Sie waschen den Kopf, sie haben genug,
Sie hören den Jagdruf gern.
Und Rossegewieher dringt herauf
Zum Saal und Fackelschein,
Im Schloßhof lärmt der Hundehauf,
Hell klingen die Hörner darein.
Das hat den Junker aufgemannt,
Er schreitet hinaus zum Saal,
Sieh da, im fliegenden Nachtgewand,
Sein blutjung Ehgemahl!
Sie blicket ihn an: o lieber Herr,
Geht heut nicht auf die Jagd!
Verzeiht, daß ich den Weg Euch sperr,
Ich träumte so bös zur Nacht;
Die Rosse, die jetzt ihr wiehern hört,
Sie fuhren uns beid hinaus,
Zur Gruft nach Sankt Katharinenwörth,
Heut, Herr, bleibt heut zu Haus!
Und zürnet nicht, so träumt ich, Herr!
»Was?« donnert der rauhe Mann,
»Schon wieder das eckle Weibsgeplärr?
Ein Schwachkopf hör es an!
Geh weg!« Ach Herr! »Verstehst du deutsch?
Geh weg!« Gott nein, ich bleib
An deinem Halse – »die Hundepeitsch
Für dich, zudringlich Weib!«
Geschlagen ist die holde Frau,
Da steht sie wie versteint,
Ihr großes Auge himmelblau
In Thränenglanz erscheint.
Sie wankt dahin, sie weint sich aus,
Läßt Alles gehen und stehn,
Den ganzen Tag hat Niemand im Haus
Die arme Herrin gesehn.
Indessen sucht in Wald und Feld
Der Junker Waidmannslust –
»Ei, Bettelmann, willst du kein Geld?
Was wirfst dich in die Brust?«
Ei, Edelmann, die schöne Au
Verwüstet länger nicht!
Seht zu, daß Eurer frommen Frau
Daheim kein Leids geschicht!
»Halloh, was soll das, alter Schuft?«
Roßfenchel hier für Euch!
Geht, säubert von bösen Geistern die Luft
In Eurem Haus sogleich!
Sonst weh! »Sonst weh,« gedankenlos
Nimmt hin der Junker das Kraut,
Verschwunden ist über Fels und Moos,
Der ihm es anvertraut.
»Ha, dummes Zeug!« es wischt den Traum
Der Jäger vom Aug sich so,
»Ha Rappe, wohlauf, setz über den Baum!
Ans Waidwerk auf und halloh!«
Und fernher lärmt der Hundehauf,
Hell klingen die Hörner darein,
Der treffliche Junker ist wohlauf,
Er saust über Stock und Stein.
Schon sinkt herab zum Hochlandsee
Der glühende Sonnenkern,
Schon blinkt aus seiner einsamen Höh
Der heitre Abendstern;
Da zieht der lachende Edelmann
Befriedigt auf sein Schloß –
»Wo ist die Hausfrau, sagt mir an,
Die solcher Fang verdroß?«
»Wo ist die meine? Verdrießlich Weib!
Zur Unzeit seh ich sie nur.
Wo steckt sie jetzt? Weiß Gott ich treib
Ihr aus die kranke Natur!
Den besten Anfang hab ich gemacht,
Wie schnell ist sie verstummt
Heut früh mit ihrem Geträum zur Nacht,
Das all ihr Wesen verdummt!«
»Ha, eingeschlossen? Verriegelt die Thür?
Bring, Weib, mich nicht in Wuth!
Mach auf! noch immer stumm? Dafür
Ist dieser Fußtritt gut.«
Die Thüre kracht aus Angel und Schloß
Zu Boden, Knall und Fall,
Herbeistürzt eiliger Dienertroß,
Verblüfft vom Widerhall.
O sieh, o sieh, da liegt sie todt,
Des Junkers schön Gemahl!
Auf ihrem Prunkbett, blutigroth,
Durchbohrt vom gierigen Stahl!
»Wer that mir das?« schreit auf – ihm grauts –
Der schwerbetroffne Mann;
Da scholl eine Stimme scharfen Lauts:
Das thatest Du, Tyrann!
Die Stimm verklang, der Junker blickt
Ins alte Bettlergesicht.
»Kerl, hat die Hölle dich hergeschickt?
Greift den verwegnen Wicht!
Vergebens jedoch sehn seiner Spur
Die bleichen Diener nach,
Verschwunden schon, über Trepp und Flur,
Ist der so seltsam sprach.«
»Laßt mich allein!« gebietet jetzt
Der Herr – die Knechte fliehn –
Der Herr in sich versunken setzt
Aufs blutige Bett sich hin.
»Ermordet liegt mein schönes Weib!
Und Ich hab' Das gethan!
Ich schlug – erschlug ihren edeln Leib!
Fluch, Fluch, weintrunkner Wahn!«
»Beschimpfung trägt kein treues Weib.
Ein Bettler unterweist
Den hohen Herrn – weiß Gott, ich treib
Aus mir den bösen Geist!
Ich schäme mich.
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