Es war ein ausgedienter Unteroffizier der alten Garde, einer, der Austerlitz mitgemacht und dort das Kreuz der Legion bekommen hatte, Bonapartist vom Scheitel bis zur Sohle. Gelegentlich entschlüpften diesem armen Teufel unbedachte Äußerungen, die damals als aufrührerische Reden bewertet wurden. Seit das Bildnis des Kaisers von dem Kreuz der Ehrenlegion entfernt worden war, trug er nie mehr Uniform, um nicht das Kreuz anlegen zu müssen. Er hatte das kaiserliche Bildnis ehrfürchtig aus dem Kreuz entfernt, das Napoléon ihm selbst an die Brust geheftet hatte, aber die freie Stelle ließ er leer. »Lieber sterben«, sagte er, »als die drei Kröten auf meinem Herzen tragen.«

Oft machte er sich laut über Ludwig XVIII. lustig.

»Wenn der Alte mit seinem Podagra doch zum Teufel ginge! Wenn er sich doch mit seinen englischen Gamaschen und seiner Perücke zu den Preußen scheren möchte!« So verstand er es, in einem einzigen Fluch die beiden Dinge zu vereinen, die er auf der Welt am meisten verabscheute, England und Preußen. Er trieb es so toll, daß er aus seinem Amt gejagt wurde. Jetzt lag er brotlos mit Weib und Kindern auf der Straße. Der Bischof ließ ihn kommen, schalt ihn milde aus und machte ihn zum Türhüter der Hauptkirche. So war er in neun Jahren dank seinen frommen Handlungen und seinem gütigen Verfahren in ganz Digne Gegenstand zärtlicher Verehrung. Sogar sein Verhalten gegen Napoléon wurde von dem Volk, das seinen Kaiser anbetete, aber auch seinen Bischof liebte, verziehen und schweigend übergangen.

Monsignore Bienvenu ist einsam

Fast immer sind die Bischöfe von einem Schwarm junger Geistlicher umdrängt wie die Generäle von jungen Offizieren. In ihrer Gefolgschaft gedeihen diese Priester, die der heilige Franz von Sales, dieser feine Kopf, irgendwo Gelbschnäbelpriester nennt. Jede Karriere entwickelt Streber, die den Hochgekommenen den Hof machen. Jede Macht schafft sich ihre Gefolgschaft, jedes Glück seinen Hof. Wer immer es auf eine glänzende Zukunft abgesehen hat, sammelt sich um eine glänzende Gegenwart. Keine Metropole ohne ihren Stationskommandanten. Wenn ein Bischof über einen gewissen Einfluß verfügt, folgt ihm auf Schritt und Tritt eine Eskorte junger Cherubim aus den Seminaren, die um ihn einen undurchdringlichen Kreis bilden und aufpassen, daß sein Lächeln nicht einem Fremden zufällt. Dem Bischof gefallen, bedeutet eine Anwartschaft auf ein Unterdiakonat. Man will seinen Weg machen, und das Apostolat schließt das Canonicat nicht aus.

So wie es bei den Beamten den Dreispitz gibt, so unter den Männern der Kirche die Mitra. Da sind diese Bischöfe, die bei Hof gut angeschrieben sind, reich, in der Gesellschaft etwas gelten, ohne Zweifel zu beten verstehen, aber darum nicht minder geschickt sind, auch weltliche Bitten vorzutragen, und nicht anstehen, in den Vorzimmern der Großen zu sitzen; sie sind das Sinnbild der vereinigten Geistlichkeit und Diplomatie, eher Abbés als Priester, eher Prälaten als Bischöfe. Wohl dem, der in ihrem Schatten gedeiht. Überall haben sie Einfluß, und sie lassen auf Günstlinge und Schmeichler, auf alle diese gefälligen jungen Leute fette Pfarreien, Pfründen, Archidiakonate, Almosenierstellen und Ämter in den Kathedralen und bischöflichen Palais herabregnen. Indem sie selbst ihren Weg machen, schleppen sie ihre Satelliten hinter sich her; es ist wie bei der Sonne, die ihre Planeten durch das Weltall schleift. Von ihrem Glanz fällt etwas ab auf ihre Gefolgschaft. Je reicher die Diözese des Bischofs, um so fetter die Pfarre, die er seinem Günstling bieten kann. Und gar erst Rom! Ein Bischof, der es versteht, Erzbischof zu werden, ein Erzbischof, der es zum Kardinal bringt, nimmt dich als Konklavisten mit, du trittst in die Rota ein, bekommst das Pallium, wirst Kammerherr, Monsignore sogar, und wer erst Bischof ist, hat nur mehr einen Schritt zur Eminenz, und von der Eminenz zur Heiligkeit führt die Wahlurne. Das Barett darf immer von der Tiara träumen. Heutzutage ist der Priester der einzige Mensch, der es regelrecht zum König bringen kann – und zu welch einem König! Welch eine Pflanzschule der Hoffnungen ist doch ein Priesterseminar! Wie viele schüchtern errötende Chorknaben, wie viele junge Abbés tragen auf dem Kopf bereits den berühmten Korb mit den Eiern aus der Fabel? Wie oft wird gewöhnlicher Ehrgeiz für innere Berufung gehalten, und das noch in seliger Selbsttäuschung?

Monsignore Bienvenu, dieser bescheidene, arme, dabei höchst eigenartige Mensch, wurde nicht zu den großen Männern der Kirche gezählt. Man erkennt es schon daran, daß sich keine jungen Priester um ihn drängten. Wir haben schon gesagt, daß er in Paris nicht »gut ankam«.