(Nach rechts ab.)
SCHÖN (allein, vor dem Pierrot)
Eine Teufelsschönheit. (Vor dem Brustbild.) Hier ist mehr Fond. (Nach vorn kommend.) Er ist noch etwas jung für sein Alter.
SCHWARZ (kommt mit einem weißen Atlaskostüm zurück)
Was das für Stoff sein mag?
SCHÖN (den Stoff befühlend)
Atlas.
SCHWARZ
Und alles in einem Stück.
SCHÖN
Wie kommt man denn da hinein?
SCHWARZ
Das kann ich Ihnen nicht sagen.
SCHÖN (das Kostüm bei den Beinen nehmend)
Diese riesigen Hosenpfeifen!
SCHWARZ
Die linke rafft sie hinauf.
SCHÖN (auf das Bild sehend)
Bis übers Knie!
SCHWARZ
Sie macht das zum Entzücken.
SCHÖN
Und transparente Strümpfe?
SCHWARZ
Die wollen nämlich gemalt sein.
SCHÖN
Oh, das können Sie.
SCHWARZ
Dabei von einer Koketterie!
SCHÖN
Wie kommen Sie auf den entsetzlichen Verdacht?
SCHWARZ
Es gibt Dinge, von denen sich unsere Schulweisheit nichts träumen lässt. (Trägt das Kostüm in sein Schlafzimmer.)
SCHÖN (allein)
Wenn man schläft …
SCHWARZ (kommt zurück, sieht nach der Uhr)
Wenn Sie übrigens ihre Bekanntschaft machen wollen …
SCHÖN
Nein.
SCHWARZ
Sie müssen im Augenblicke hier sein.
SCHÖN
Wie oft wird denn die Dame noch sitzen müssen?
SCHWARZ
Ich werde die Tantalusqual wohl noch ein Vierteljahr zu erdulden haben.
SCHÖN
Ich meine die andere.
SCHWARZ
Entschuldigen Sie. Dreimal höchstens. (Ihn zur Tür geleitend.) Wenn mir die Dame dann nur ihre Taille dalassen will.
SCHÖN
Mit Vergnügen. Lassen Sie sich bald wieder bei mir sehen. (Stößt in der Tür auf Dr. Goll und Lulu.) In Gottes Namen!
Zweiter Auftritt
DR. GOLL. LULU. DIE VORIGEN.
SCHWARZ
Darf ich vorstellen …
GOLL (zu Schön)
Was treiben denn Sie hier?
SCHÖN (Lulu die Hand küssend)
Frau Medizinalrat.
LULU
Sie wollen doch nicht schon gehen?
GOLL
Welcher Wind führt denn Sie hierher?
SCHÖN
Ich habe mir das Bild meiner Braut angesehen.
LULU (nach vorn kommend)
Ihre Braut ist hier?
GOLL
Sie lassen hier also auch arbeiten?
LULU (vor dem Brustbild)
Sieh da! Bezaubernd! Entzückend!
GOLL (sich umsehend)
Sie halten sie wohl hier irgendwo versteckt?
LULU
Das ist also das süße Wunderkind, das Sie zu einem Menschen gemacht …
SCHÖN
Sie sitzt meistens am Nachmittag.
GOLL
Und davon erzählen Sie einem nichts?
LULU (sich umwendend)
Ist sie denn wirklich so ernst?
SCHÖN
Wohl noch die Nachwirkung der Pensionszeit, gnädige Frau.
GOLL (vor dem Brustbild)
Man sieht, dass Sie eine tiefgehende Wandlung durchgemacht haben.
LULU
Nun dürfen Sie sie aber auch nicht mehr länger warten lassen.
SCHÖN
In vierzehn Tagen denke ich unsere Verlobung bekanntzumachen.
GOLL (zu Lulu)
Lass uns keine Zeit verlieren. Hopp!
LULU (zu Schön)
Denken Sie, wir fuhren im Trab über die neue Kaibrücke. Ich habe selber kutschiert.
SCHÖN
(will sich verabschieden).
GOLL
Nein, nein. Wir beide sprechen nachher weiter. Geh, Nelli. Hopp!
LULU
Jetzt kommt’s an mich!
GOLL
Unser Apelles leckt sich schon die Pinsel ab.
LULU
Ich hatte mir das viel amüsanter vorgestellt.
SCHÖN
Sie haben dabei immerhin die Genugtuung, uns den seltensten Genuss zu bereiten.
LULU (nach rechts gehend)
Na, warten Sie nur.
SCHWARZ (vor der Schlafzimmertür)
Wenn Frau Obermedizinalrat so freundlich sein wollen. (Schließt die Tür hinter ihr und bleibt davor stehen.)
GOLL
Ich habe sie in unserm Ehekontrakt nämlich Nelli getauft.
SCHÖN
So? – Ja.
GOLL
Was halten Sie davon?
SCHÖN
Warum nennen Sie sie nicht lieber Mignon?
GOLL
Das wäre auch was. Daran habe ich nicht gedacht.
SCHÖN
Glauben Sie, dass der Name so viel dabei ausmacht?
GOLL
Hm – Sie wissen, ich habe keine Kinder.
SCHÖN (sein Zigarettenetui aus der Tasche nehmend)
Sie sind doch aber auch erst ein paar Monate verheiratet.
GOLL
Danke. Ich wünsche mir keine.
SCHÖN
Rauchen Sie ein Zigarette?
GOLL (sich bedienend)
Ich habe an dem einen vollkommen genug. (Zu Schwarz.) Sagen Sie mal, was macht denn eigentlich Ihre kleine Tänzerin?
SCHÖN (sich nach Schwarz umwendend)
Sie und eine Tänzerin?
SCHWARZ
Die Dame saß mir damals nur aus Gefälligkeit. Ich kenne die Dame von einem Ausflug des Cäcilienvereins her.
GOLL (zu Schön)
Hm – ich glaube, wir kriegen anderes Wetter.
SCHÖN
Das geht wohl nicht so rasch mit der Toilette?
GOLL
Das geht wie der Blitz! Die Frau muss Virtuosin in ihrem Fach sein. Das muss jeder von uns in seinem Fach, wenn das Leben nicht zur Bettelei werden soll. (Ruft.) Hopp, Nelli!
SCHWARZ (an der Tür)
Frau Obermedizinalrat!
LULU (von innen)
Gleich, gleich.
GOLL (zu Schön)
Ich begreife solche Stockfische nicht.
SCHÖN
Ich beneide sie. Diese Stockfische kennen nichts Heiligeres als ihr Hungertuch. Sie fühlen sich reicher als unsereiner mit 30 000 Mark Renten. Sie können übrigens nicht über einen Menschen urteilen, der von Kindesbeinen an von der Palette in den Mund gelebt hat. Nehmen Sie es auf sich, ihn zu finanzieren. Es ist ein Rechenexempel. Mir fehlt der moralische Mut. Man verbrennt sich auch leicht die Finger …
LULU (als Pierrot aus dem Schlafzimmer tretend)
Da bin ich.
SCHÖN (wendet sich um, nach einer Pause)
Superb!
LULU (tritt näher)
Nun?
SCHÖN
Sie beschämen die kühnste Phantasie.
LULU
Wie gefall’ ich Ihnen?
SCHÖN
Ein Bild, vor dem die Kunst verzweifeln muss.
GOLL
Finden Sie nicht auch?
SCHÖN (zu Lulu)
Sie wissen doch wohl nicht recht, was Sie tun.
LULU
Ich bin mir meiner vollkommen bewusst!
SCHÖN
Dann dürften Sie etwas besonnener sein.
LULU
Ich tue ja doch nur meine Schuldigkeit.
SCHÖN
Sie sind gepudert?
LULU
Was fällt Ihnen ein!
GOLL
Sie hat eine weiße Haut, wie ich sie noch nirgends gesehen habe. Ich habe unserem Raffael auch gesagt, er möge sich mit dem Fleisch nur ja so wenig wie möglich abgeben.
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