Was mich das interessiert? Es ist mein Mitgefühl. Ich bin ja mit meinem besseren Ich schon verklärt. Aber ich habe noch das Verständnis für diese Welt.

LULU

Ich nicht.

SCHIGOLCH

Dir ist zu wohl.

LULU (schaudernd)

Blödsinnig …

SCHIGOLCH

Wohler als bei dem alten Tanzbär?

LULU (wehmütig)

Ich tanze nicht mehr …

SCHIGOLCH

Für den war es auch Zeit.

LULU

Jetzt bin ich … (Stockt.)

SCHIGOLCH

Sprich, wie es dir ums Herz ist, mein Kind! Ich hatte Vertrauen in dich, als noch nichts an dir zu sehen war als deine zwei großen Augen. Was bist du jetzt?

LULU

Ein Tier! …

SCHIGOLCH

Dass dich der! – Und was für ein Tier! – Ein feines Tier! – Ein elegantes Tier! – Ein Prachtstier! – – – Dann will ich mich man beisetzen lassen. – Mit den Vorurteilen sind wir fertig. Auch mit dem gegen die Leichenwäscherin.

LULU

Du hast nicht zu fürchten, dass du noch mal gewaschen wirst!

SCHIGOLCH

Macht auch nichts. Man wird doch wieder schmutzig.

LULU (ihn besprengend)

Es würde dich noch mal ins Leben zurückrufen.

SCHIGOLCH

Wir sind Moder.

LULU

Bitte recht schön! Ich reibe mich täglich mit Kammfett ein und dann kommt Puder darauf.

SCHIGOLCH

Auch wohl der Mühe wert, der Zierbengel wegen.

LULU

Das macht die Haut wie Satin.

SCHIGOLCH

Als wäre es deswegen nicht auch nur Dreck.

LULU

Danke schön. Ich will zum Anbeißen sein.

SCHIGOLCH

Sind wir auch. Geben da unten nächstens ein großes Diner. Halten offene Tafel.

LULU

Deine Gäste werden sich dabei kaum überessen.

SCHIGOLCH

Geduld, Mädchen! Dich setzen deine Verehrer auch nicht in Weingeist. Das heißt schöne Melusine, solang es seine Schwungkraft behält. Nachher? Man nimmt’s im zoologischen Garten nicht. (Sich erhebend.) Die holden Bestien bekämen Magenkrämpfe.

LULU (sich erhebend)

Hast du auch genug?

SCHIGOLCH

Es bleibt noch genug übrig, um mir eine Terebinthe aufs Grab zu pflanzen. – Ich finde selber hinaus. (Ab.)

LULU

(begleitet ihn und kommt mit Dr. Schön zurück).

Dritter Auftritt

LULU. SCHÖN.

SCHÖN

Was tut denn Ihr Vater hier?

LULU

Was haben Sie?

SCHÖN

Wenn ich Ihr Mann wäre, käme mir dieser Mensch nicht über die Schwelle.

LULU

Sie können getrost »du« sagen; er ist nicht hier.

SCHÖN

Ich danke für die Ehre.

LULU

Ich verstehe nicht.

SCHÖN

Das weiß ich. (Ihr einen Sessel bietend.) Darüber möchte ich nämlich gerne mit Ihnen sprechen.

LULU (sich unsicher setzend)

Warum haben Sie mir denn das nicht gestern gesagt?

SCHÖN

Bitte, jetzt nichts von gestern. Ich habe es Ihnen vor zwei Jahren schon gesagt.

LULU (nervös)

Ach so. Hm.

SCHÖN

Ich bitte dich, deine Besuche bei mir einzustellen.

LULU

Darf ich Ihnen ein Elixier …

SCHÖN

Danke. Kein Elixier. Haben Sie mich verstanden?

LULU

(schüttelt den Kopf).

SCHÖN

Gut. Sie haben die Wahl. – Sie zwingen mich zu den äußersten Mitteln – entweder sich Ihrer Stellung angemessen zu benehmen …

LULU

Oder?

SCHÖN

Oder – Sie zwingen mich – ich müsste mich an diejenige Persönlichkeit wenden, die für Ihre Aufführung verantwortlich ist.

LULU

Wie stellen Sie sich das vor?

SCHÖN

Ich ersuche Ihren Mann, Ihre Wege selber zu überwachen.

LULU

(erhebt sich, geht links die Stufen hinan).

SCHÖN

Wo wollen Sie denn hin?

LULU (ruft unter der Portiere)

Walter!

SCHÖN (aufspringend)

Bist du verrückt?!

LULU (sich zurückwendend)

Aha!

SCHÖN

Ich mache die übermenschlichsten Anstrengungen, um dich in der Gesellschaft zu erhöhen. Auf deinen Namen kannst du zehnmal stolzer sein, als auf meine Vertraulichkeit …

LULU (kommt die Stufen herunter, legt Schön den Arm um den Hals)

Was fürchten Sie denn jetzt noch, wo Sie am Ziel Ihrer Wünsche sind?

SCHÖN

Keine Komödie! Am Ziel meiner Wünsche? Ich habe mich verlobt, endlich! Ich habe jetzt den Wunsch, meine Braut unter ein reines Dach zu führen.

LULU (sich setzend)

Sie ist zum Entzücken aufgeblüht in den zwei Jahren.

SCHÖN

Sie sieht einem nicht mehr so ernsthaft durch den Kopf.

LULU

Sie ist jetzt erst ganz Weib. Wir können einander treffen, wo es Ihnen angemessen scheint.

SCHÖN

Wir werden einander nirgends treffen, es sei denn in Gesellschaft Ihres Mannes!

LULU

Sie glauben selber nicht an das, was Sie sagen.

SCHÖN

Dann muss doch er daran glauben. Ruf ihn nur! Durch seine Verheiratung mit dir, durch das, was ich für ihn getan, ist er mein Freund geworden.

LULU (sich erhebend)

Meiner auch.

SCHÖN

Dann werde ich mir das Schwert über dem Kopf herunterschneiden.

LULU

Sie haben mich ja an die Kette gelegt. Ihnen verdanke ich doch mein Glück. Sie bekommen Freunde die Menge, wenn Sie erst wieder eine hübsche junge Frau haben.

SCHÖN

Du beurteilst die Frauen nach dir! – Er ist ein Kindergemüt. Er wäre deinen Seitensprüngen sonst längst auf die Spur gekommen.

LULU

Ich wünsche nicht mehr! Er würde seine Kinderschuhe dann endlich ausziehen. Er pocht darauf, dass er den Heiratskontrakt in der Tasche hat. Die Mühe ist überstanden. Jetzt kann man sich geben und sich gehen lassen, wie zu Hause. Er ist kein Kindergemüt! Er ist banal.