(Geht nach rechts und schließt die Briefe in den Schreibtisch.)

LULU

Das haben wir doch längst getan.

SCHWARZ

Seiner Braut wegen.

LULU

Du kannst es ihm ja noch einmal schreiben.

SCHWARZ

Und jetzt zur Arbeit. (Nimmt Pinsel und Palette auf, küsst Lulu, geht links die Stufen hinan, wendet sich in der Portiere um.) Eva!

LULU (lässt ihr Buch sinken, lächelnd)

Befehlen?

SCHWARZ (sich ihr nähernd)

Mir ist täglich, als sähe ich dich zum allerersten Mal.

LULU

Du bist schrecklich.

SCHWARZ (sinkt vor der Chaiselongue in die Knie, liebkost ihre Hand)

Du trägst die Schuld.

LULU (ihm die Locken streichelnd)

Du vergeudest mich.

SCHWARZ

Du bist ja mein. Du bist auch nie bestrickender, als wenn du nur um Gottes willen einmal ein paar Stunden recht hässlich sein solltest! Ich habe nichts mehr, seit ich dich habe. – Ich bin mir vollständig abhanden gekommen …

LULU

Nicht so aufgeregt.

(Es läutet auf dem Korridor.)

SCHWARZ (zusammenfahrend)

Verwünscht.

LULU

Niemand zu Hause!

SCHWARZ

Vielleicht ist es der Kunsthändler …

LULU

Und wenn es der Kaiser von China ist.

SCHWARZ

Einen Moment. (Ab.)

LULU (visionär)

 – Du? – du? – (Schließt die Augen.)

SCHWARZ (zurückkommend)

Ein Bettler, der den Feldzug mitgemacht haben will. Ich habe kein Kleingeld bei mir. (Pinsel und Palette aufnehmend.) Es ist auch die höchste Zeit, dass ich endlich an die Arbeit gehe. (Nach links ab.)

LULU

(ordnet vor dem Spiegel ihre Toilette, streicht sich das Haar zurück und geht hinaus).

Zweiter Auftritt

LULU. SCHIGOLCH.

SCHIGOLCH (von Lulu hereingeführt)

Ich hatte ihn mir etwas chevaleresker gedacht; ein wenig mehr Nimbus. Er ist etwas verlegen. Er brach ein wenig in die Knie, als er mich vor sich sah.

LULU (rückt ihm einen Sessel zurecht)

Wie kannst du ihn auch anbetteln?

SCHIGOLCH

Deswegen habe ich meine siebenundsiebzig Lenze nämlich hergeschleppt. Du sagtest mir, er halte sich morgens an seine Malerei.

LULU

Er hatte noch nicht ausgeschlafen. Wie viel brauchst du?

SCHIGOLCH

Zweihundert, wenn du so viel flüssig hast; meinetwegen dreihundert. Es sind mir einige Klienten verduftet.

LULU (geht an den Schreibtisch und kramt in den Schubladen)

Bin ich müde!

SCHIGOLCH (sich umsehend)

Das hat mich nämlich auch bewogen. Ich hätte lange gerne gesehen, wie es jetzt so bei dir zu Hause aussieht.

LULU

Nun?

SCHIGOLCH

Es überläuft einen. (Emporblickend.) Wie bei mir vor fünfzig Jahren. Statt der Bummelagen hatte man damals noch alte verrostete Säbel. Den Teufel noch mal, du hast es weit gebracht. (Scharrend.) Die Teppiche …

LULU (gibt ihm zwei Billetts)

Ich gehe am liebsten barfuß darauf.

SCHIGOLCH (Lulus Porträt betrachtend)

Das bist du?

LULU (zwinkernd)

Fein?

SCHIGOLCH

Wenn das alles Gutes ist.

LULU

Einen Süßen?

SCHIGOLCH

Was denn?

LULU (erhebt sich)

Elixir de Spaa.

SCHIGOLCH

Hilft nichts! – Trinkt er?

LULU (nimmt aus einem Schränkchen neben dem Kamin Karaffe und Gläser)

Noch nicht. (Nach vorn kommend.) Das Labsal wirkt so verschieden!

SCHIGOLCH

Er schlägt aus?

LULU (zwei Gläser füllend)

Er schläft ein.

SCHIGOLCH

Wenn er betrunken ist, kannst du ihm in die Eingeweide sehen.

LULU

Lieber nicht. (Setzt sich Schigolch gegenüber.) Erzähl’ mir.

SCHIGOLCH

Die Straßen werden immer länger, und die Beine immer kürzer.

LULU

Und deine Harmonika?

SCHIGOLCH

Hat falsche Luft, wie ich mit meinem Asthma. Ich denke nur immer, das Ausbessern ist nicht mehr der Mühe wert. (Stößt mit ihr an.)

LULU (leert ihr Glas)

Ich glaubte schon, du wärest am Ende …

SCHIGOLCH

. … am Ende schon auf und davon? – Das glaubte ich auch schon. Aber wenn so erst die Sonne hinunter ist, dann lässt es einen doch noch nicht ruhen. Ich hoffe auf den Winter. Da wird (hustend) mein – mein – mein Asthma wohl eine Fahrgelegenheit ausfindig zu machen wissen.

LULU (die Gläser füllend)

Du meinst, man könnte dich drüben vergessen haben?

SCHIGOLCH

Wär’ schon möglich, weil es ja nicht der Reihe nach geht. (Ihr das Knie streichelnd.) Nun erzähl’ du mal – lange nicht gesehen – meine kleine Lulu.

LULU (zurückrückend, lächelnd)

Das Leben ist doch unfasslich!

SCHIGOLCH

Was weißt du! Du bist noch so jung.

LULU

Dass du mich Lulu nennst.

SCHIGOLCH

Lulu, nicht? Habe ich dich jemals anders genannt?

LULU

Ich heiße seit Menschengedenken nicht mehr Lulu.

SCHIGOLCH

Eine andere Benennungsweise?

LULU

Lulu klingt mir ganz vorsintflutlich.

SCHIGOLCH

Kinder! Kinder!

LULU

Ich heiße jetzt …

SCHIGOLCH

Als bliebe das Prinzip nicht immer das Gleiche!

LULU

Du meinst?

SCHIGOLCH

Wie heißt es jetzt?

LULU

Eva.

SCHIGOLCH

Gehupft wie gesprungen!

LULU

Ich höre darauf.

SCHIGOLCH (sieht sich um)

So habe ich es für dich geträumt. Du bist darauf angelegt. Was soll denn das?

LULU (sich mit einem Parfümflakon besprengend)

Heliotrop.

SCHIGOLCH

Riecht das besser als du?

LULU (ihn besprengend)

Das braucht dich wohl nicht mehr zu kümmern.

SCHIGOLCH

Wer hätte den königlichen Luxus vorausgeahnt!

LULU

Wenn ich zurückdenke – Hu!

SCHIGOLCH (ihr das Knie streichelnd)

Wie geht’s dir denn? Treibst du immer noch Französisch?

LULU

Ich liege und schlafe.

SCHIGOLCH

Das ist vornehm. Das sieht immer nach so was aus. Und weiter?

LULU

Und strecke mich – bis es knackt.

SCHIGOLCH

Und wenn es geknackt hat?

LULU

Was interessiert dich das!

SCHIGOLCH

Was mich das interessiert? Was mich das interessiert? Ich wollte lieber bis zur jüngsten Posaune leben und auf alle himmlischen Freuden Verzicht leisten, als meine Lulu hienieden in Entbehrung zurücklassen.