Paulet und Drury, gleichfalls in schwarzen Kleidern, treten ein, ihnen folgen viele Bediente, welche goldne und silberne Gefäße, Spiegel, Gemälde und andere Kostbarkeiten tragen, und den Hintergrund des Zimmers damit anfüllen. Paulet überliefert der Amme ein Schmuckkästchen nebst einem Papier, und bedeutet ihr durch Zeichen, daß es ein Verzeichnis der gebrachten Dinge enthalte. Beim Anblick dieser Reichtümer erneuert sich der Schmerz der Amme, sie versinkt in ein tiefes Trauern, indem jene sich still wieder entfernen. Melvil tritt ein.
KENNEDY schreit auf, sobald sie ihn gewahr wird.
Melvil! Ihr seid es! Euch erblick ich wieder!
MELVIL.
Ja, treue Kennedy, wir sehn uns wieder!
KENNEDY.
Nach langer, langer, schmerzenvoller Trennung!
MELVIL.
Ein unglückselig schmerzvoll Wiedersehn!
KENNEDY.
O Gott! Ihr kommt –
MELVIL.
Den letzten, ewigen
Abschied von meiner Königin zu nehmen.
KENNEDY.
Jetzt endlich, jetzt am Morgen ihres Todes,
Wird ihr die langentbehrte Gegenwart
Der Ihrigen vergönnt – O teurer Sir,
Ich will nicht fragen, wie es Euch erging,
Euch nicht die Leiden nennen, die wir litten,
Seitdem man Euch von unsrer Seite riß,
Ach, dazu wird wohl einst die Stunde kommen!
O Melvil! Melvil! Mußten wirs erleben,
Den Anbruch dieses Tags zu sehn!
MELVIL.
Laßt uns
Einander nicht erweichen! Weinen will ich,
Solang noch Leben in mir ist, nie soll
Ein Lächeln diese Wangen mehr erheitern,
Nie will ich dieses nächtliche Gewand
Mehr von mir legen! Ewig will ich trauern,
Doch heute will ich standhaft sein – Versprecht
Auch Ihr mir, Euren Schmerz zu mäßigen –
Und wenn die andern alle der Verzweiflung
Sich trostlos überlassen, lasset uns
Mit männlich edler Fassung ihr vorangehn
Und ihr ein Stab sein auf dem Todesweg!
KENNEDY.
Melvil! Ihr seid im Irrtum, wenn Ihr glaubt,
Die Königin bedürfe unsers Beistands,
Um standhaft in den Tod zu gehn! Sie selber ists,
Die uns das Beispiel edler Fassung gibt.
Seid ohne Furcht! Maria Stuart wird
Als eine Königin und Heldin sterben.
MELVIL.
Nahm sie die Todespost mit Fassung auf?
Man sagt, daß sie nicht vorbereitet war.
KENNEDY.
Das war sie nicht. Ganz andre Schrecken warens,
Die meine Lady ängstigten. Nicht vor dem Tod,
Vor dem Befreier zitterte Maria.
– Freiheit war uns verheißen. Diese Nacht
Versprach uns Mortimer von hier wegzuführen,
Und zwischen Furcht und Hoffnung, zweifelhaft,
Ob sie dem kecken Jüngling ihre Ehre
Und fürstliche Person vertrauen dürfe,
Erwartete die Königin den Morgen.
– Da wird ein Auflauf in dem Schloß, ein Pochen
Schreckt unser Ohr, und vieler Hämmer Schlag,
Wir glauben, die Befreier zu vernehmen,
Die Hoffnung winkt, der süße Trieb des Lebens
Wacht unwillkürlich, allgewaltig auf –
Da öffnet sich die Tür – Sir Paulet ists,
Der uns verkündigt – daß – die Zimmerer
Zu unsern Füßen das Gerüst aufschlagen!
Sie wendet sich ab, von heftigem Schmerz ergriffen.
MELVIL.
Gerechter Gott! O sagt mir! Wie ertrug
Maria diesen fürchterlichen Wechsel?
KENNEDY nach einer Pause, worin sie sich wieder etwas gefaßt hat.
Man löst sich nicht allmählich von dem Leben!
Mit einem Mal, schnell augenblicklich muß
Der Tausch geschehen zwischen Zeitlichem
Und Ewigem, und Gott gewährte meiner Lady
In diesem Augenblick, der Erde Hoffnung
Zurückzustoßen mit entschloßner Seele,
Und glaubenvoll den Himmel zu ergreifen.
Kein Merkmal bleicher Furcht, kein Wort der Klage
Entehrte meine Königin – Dann erst,
Als sie Lord Leicesters schändlichen Verrat
Vernahm, das unglückselige Geschick
Des werten Jünglings, der sich ihr geopfert,
Des alten Ritters tiefen Jammer sah,
Dem seine letzte Hoffnung starb durch sie,
Da flossen ihre Tränen, nicht das eigne Schicksal,
Der fremde Jammer preßte sie ihr ab.
MELVIL.
Wo ist sie jetzt? Könnt Ihr mich zu ihr bringen?
KENNEDY.
Den Rest der Nacht durchwachte sie mit Beten,
Nahm von den teuern Freunden schriftlich Abschied,
Und schrieb ihr Testament mit eigner Hand.
Jetzt pflegt sie einen Augenblick der Ruh,
Der letzte Schlaf erquickt sie.
MELVIL.
Wer ist bei ihr?
KENNEDY.
Ihr Leibarzt Burgoyn, und ihre Frauen.
Zweiter Auftritt
Margareta Kurl zu den Vorigen.
KENNEDY.
Was bringt Ihr, Mistreß? Ist die Lady wach?
KURL ihre Tränen trocknend.
Schon angekleidet – Sie verlangt nach Euch.
KENNEDY.
Ich komme.
Zu Melvil, der sie begleiten will.
Folgt mir nicht, bis ich die Lady
Auf Euren Anblick vorbereitet.
Geht hinein.
KURL.
Melvil!
Der alte Haushofmeister!
MELVIL.
Ja, der bin ich!
KURL.
O dieses Haus braucht keines Meisters mehr!
– Melvil! Ihr kommt von London, wißt Ihr mir
Von meinem Manne nichts zu sagen?
MELVIL.
Er wird auf freien Fuß gesetzt, sagt man,
Sobald –
KURL.
Sobald die Königin nicht mehr ist!
O der nichtswürdig schändliche Verräter!
Er ist der Mörder dieser teuren Lady,
Sein Zeugnis, sagt man, habe sie verurteilt.
MELVIL.
So ists.
KURL.
O seine Seele sei verflucht
Bis in die Hölle! Er hat falsch gezeugt –
MELVIL.
Mylady Kurl! Bedenket Eure Reden.
KURL.
Beschwören will ichs vor Gerichtes Schranken,
Ich will es ihm ins Antlitz wiederholen,
Die ganze Welt will ich damit erfüllen.
Sie stirbt unschuldig –
MELVIL.
O das gebe Gott!
Dritter Auftritt
Burgoyn zu den Vorigen. Hernach Hanna Kennedy.
BURGOYN erblickt Melvil.
O Melvil!
MELVIL ihn umarmend.
Burgoyn!
BURGOYN zu Margareta Kurl.
Besorget einen Becher
Mit Wein für unsre Lady. Machet hurtig.
Kurl geht ab.
MELVIL.
Wie? Ist der Königin nicht wohl?
BURGOYN.
Sie fühlt sich stark, sie täuscht ihr Heldenmut.
Und keiner Speise glaubt sie zu bedürfen,
Doch ihrer wartet noch ein schwerer Kampf,
Und ihre Feinde sollen sich nicht rühmen,
Daß Furcht des Todes ihre Wangen bleichte,
Wenn die Natur aus Schwachheit unterliegt.
MELVIL zur Amme, die hereintritt.
Will sie mich sehn?
KENNEDY.
Gleich wird sie selbst hier sein.
– Ihr scheint Euch mit Verwundrung umzusehn,
Und Eure Blicke fragen mich: was soll
Das Prachtgerät in diesem Ort des Todes?
– O Sir! Wir litten Mangel, da wir lebten,
Erst mit dem Tode kommt der Überfluß zurück.
Vierter Auftritt
Vorige. Zwei andre Kammerfrauen der Maria, gleichfalls in Trauerkleidern.
Sie brechen bei Melvils Anblick in laute Tränen aus.
MELVIL.
Was für ein Anblick! Welch ein Wiedersehn!
Gertrude! Rosamund!
ZWEITE KAMMERFRAU.
Sie hat uns von sich
Geschickt! Sie will zum letztenmal allein
Mit Gott sich unterhalten!
Es kommen noch zwei weibliche Bediente, wie die vorigen in Trauer, die mit stummen Gebärden ihren Jammer ausdrücken.
Fünfter Auftritt
Margareta Kurl zu den Vorigen. Sie trägt einen goldnen Becher mit Wein, und setzt ihn auf den Tisch, indem sie sich bleich und zitternd an einen Stuhl hält.
MELVIL.
Was ist Euch, Mistreß? Was entsetzt Euch so?
KURL.
O Gott!
BURGOYN.
Was habt Ihr?
KURL.
Was mußt ich erblicken!
MELVIL.
Kommt zu Euch! Sagt uns, was es ist.
KURL.
Als ich
Mit diesem Becher Wein die große Treppe
Heraufstieg, die zur untern Halle führt,
Da tat die Tür sich auf – ich sah hinein –
Ich sah – o Gott!
MELVIL.
Was saht Ihr? Fasset Euch!
KURL.
Schwarz überzogen waren alle Wände,
Ein groß Gerüst, mit schwarzem Tuch beschlagen,
Erhob sich von dem Boden, mittendrauf
Ein schwarzer Block, ein Kissen, und daneben
Ein blankgeschliffnes Beil – Voll Menschen war
Der Saal, die um das Mordgerüst sich drängten,
Und heiße Blutgier in dem Blick, das Opfer
Erwarteten.
DIE KAMMERFRAUEN.
O Gott sei unsrer Lady gnädig!
MELVIL.
Faßt Euch! Sie kommt!
Sechster Auftritt
Die Vorigen. Maria. Sie ist weiß und festlich gekleidet, am Halse trägt sie an einer Kette von kleinen Kugeln ein Agnus Dei, ein Rosenkranz hängt am Gürtel herab, sie hat ein Kruzifix in der Hand, und ein Diadem in den Haaren, ihr großer schwarzer Schleier ist zurückgeschlagen. Bei ihrem Eintritt weichen die Anwesenden zu beiden Seiten zurück, und drücken den heftigsten Schmerz aus. Melvil ist mit einer unwillkürlichen Bewegung auf die Knie gesunken.
MARIA mit ruhiger Hoheit im ganzen Kreise herumsehend.
Was klagt ihr? Warum weint ihr? Freuen solltet
Ihr euch mit mir, daß meiner Leiden Ziel
Nun endlich naht, daß meine Bande fallen,
Mein Kerker aufgeht, und die frohe Seele sich
Auf Engelsflügeln schwingt zur ewgen Freiheit.
Da, als ich in die Macht der stolzen Feindin
Gegeben war, Unwürdiges erduldend,
Was einer freien großen Königin
Nicht ziemt, da war es Zeit, um mich zu weinen!
– Wohltätig, heilend, nahet mir der Tod,
Der ernste Freund! Mit seinen schwarzen Flügeln
Bedeckt er meine Schmach – den Menschen adelt,
Den tiefstgesunkenen, das letzte Schicksal.
Die Krone fühl ich wieder auf dem Haupt,
Den würdgen Stolz in meiner edeln Seele!
Indem sie einige Schritte weiter vortritt.
Wie? Melvil hier? – Nicht also, edler Sir!
Steht auf! Ihr seid zu Eurer Königin
Triumph, zu ihrem Tode nicht gekommen.
Mir wird ein Glück zuteil, wie ich es nimmer
Gehoffet, daß mein Nachruhm doch nicht ganz
In meiner Feinde Händen ist, daß doch
Ein Freund mir, ein Bekenner meines Glaubens
Als Zeuge dasteht in der Todesstunde.
– Sagt, edler Ritter! Wie erging es Euch,
In diesem feindlichen, unholden Lande,
Seitdem man Euch von meiner Seite riß?
Die Sorg um Euch hat oft mein Herz bekümmert.
MELVIL.
Mich drückte sonst kein Mangel, als der Schmerz
Um dich, und meine Ohnmacht, dir zu dienen!
MARIA.
Wie stehts um Didier, meinen alten Kämmrer?
Doch der Getreue schläft wohl lange schon
Den ewgen Schlaf, denn er war hoch an Jahren.
MELVIL.
Gott hat ihm diese Gnade nicht erzeigt,
Er lebt, um deine Jugend zu begraben.
MARIA.
Daß mir vor meinem Tode noch das Glück
Geworden wäre, ein geliebtes Haupt
Der teuern Blutsverwandten zu umfassen!
Doch ich soll sterben unter Fremdlingen,
Nur eure Tränen soll ich fließen sehn!
– Melvil, die letzten Wünsche für die Meinen
Leg ich in Eure treue Brust – Ich segne
Den allerchristlichsten König, meinen Schwager,
Und Frankreichs ganzes königliches Haus –
Ich segne meinen Öhm, den Kardinal,
Und Heinrich Guise, meinen edlen Vetter.
Ich segne auch den Papst, den heiligen
Statthalter Christi, der mich wieder segnet,
Und den katholschen König, der sich edelmütig
Zu meinem Retter, meinem Rächer anbot –
Sie alle stehn in meinem Testament,
Sie werden die Geschenke meiner Liebe,
Wie arm sie sind, darum gering nicht achten.
Sich zu ihren Dienern wendend.
Euch hab ich meinem königlichen Bruder
Von Frankreich anempfohlen, er wird sorgen
Für euch, ein neues Vaterland euch geben.
Und ist euch meine letzte Bitte wert,
Bleibt nicht in England, daß der Brite nicht
Sein stolzes Herz an eurem Unglück weide,
Nicht die im Staube seh, die mir gedient.
Bei diesem Bildnis des Gekreuzigten
Gelobet mir, dies unglückselge Land
Alsbald, wenn ich dahinbin, zu verlassen!
MELVIL berührt das Kruzifix.
Ich schwöre dirs, im Namen dieser aller.
MARIA.
Was ich, die Arme, die Beraubte, noch besaß,
Worüber mir vergönnt ist frei zu schalten,
Das hab ich unter euch verteilt, man wird,
Ich hoff es, meinen letzten Willen ehren.
Auch was ich auf dem Todeswege trage,
Gehöret euch – Vergönnet mir noch einmal
Der Erde Glanz auf meinem Weg zum Himmel!
Zu den Fräulein.
Dir, meine Alix, Gertrud, Rosamund,
Bestimm ich meine Perlen, meine Kleider,
Denn eure Jugend freut sich noch des Putzes.
Du, Margareta, hast das nächste Recht
An meine Großmut, denn ich lasse dich
Zurück als die Unglücklichste von allen.
Daß ich des Gatten Schuld an dir nicht räche,
Wird mein Vermächtnis offenbaren – Dich,
O meine treue Hanna, reizet nicht
Der Wert des Goldes, nicht der Steine Pracht,
Dir ist das höchste Kleinod mein Gedächtnis.
Nimm dieses Tuch! Ich habs mit eigner Hand
Für dich gestickt in meines Kummers Stunden,
Und meine heißen Tränen eingewoben.
Mit diesem Tuch wirst du die Augen mir verbinden,
Wenn es soweit ist – diesen letzten Dienst
Wünsch ich von meiner Hanna zu empfangen.
KENNEDY.
O Melvil! Ich ertrag es nicht!
MARIA.
Kommt alle!
Kommt und empfangt mein letztes Lebwohl.
Sie reicht ihre Hände hin, eins nach dem andern fällt ihr zu Fußen und küßt die dargebotne Hand unter heftigem Weinen.
Leb wohl, Margreta – Alix, lebe wohl –
Dank, Burgoyn, für Eure treuen Dienste –
Dein Mund brennt heiß, Gertrude – Ich bin viel
Gehasset worden, doch auch viel geliebt!
Ein edler Mann beglücke meine Gertrud,
Denn Liebe fodert dieses glühnde Herz –
Berta! Du hast das beßre Teil erwählt,
Die keusche Braut des Himmels willst du werden!
O eile, dein Gelübde zu vollziehn!
Betrüglich sind die Güter dieser Erden,
Das lern an deiner Königin! – Nichts weiter!
Lebt wohl! Lebt wohl! Lebt ewig wohl!
Sie wendet sich schnell von ihnen, alle, bis auf Melvil, entfernen sich.
Siebenter Auftritt
Maria. Melvil.
MARIA.
Ich habe alles Zeitliche berichtigt,
Und hoffe keines Menschen Schuldnerin
Aus dieser Welt zu scheiden – Eins nur ists,
Melvil, was der beklemmten Seele noch
Verwehrt, sich frei und freudig zu erheben.
MELVIL.
Entdecke mirs. Erleichtre deine Brust,
Dem treuen Freund vertraue deine Sorgen.
MARIA.
Ich stehe an dem Rand der Ewigkeit,
Bald soll ich treten vor den höchsten Richter,
Und noch hab ich den Heilgen nicht versöhnt.
Versagt ist mir der Priester meiner Kirche.
Des Sakramentes heilge Himmelspeise
Verschmäh ich aus den Händen falscher Priester.
Im Glauben meiner Kirche will ich sterben,
Denn der allein ists, welcher seligmacht.
MELVIL.
Beruhige dein Herz. Dem Himmel gilt
Der feurig fromme Wunsch statt des Vollbringens.
Tyrannenmacht kann nur die Hände fesseln,
Des Herzens Andacht hebt sich frei zu Gott,
Das Wort ist tot, der Glaube macht lebendig.
MARIA.
Ach Melvil! Nicht allein genug ist sich
Das Herz, ein irdisch Pfand bedarf der Glaube,
Das hohe Himmlische sich zuzueignen.
Drum ward der Gott zum Menschen, und verschloß
Die unsichtbaren himmlischen Geschenke
Geheimnisvoll in einem sichtbarn Leib.
– Die Kirche ists, die heilige, die hohe,
Die zu dem Himmel uns die Leiter baut,
Die allgemeine, die katholsche heißt sie,
Denn nur der Glaube aller stärkt den Glauben,
Wo Tausende anbeten und verehren,
Da wird die Glut zur Flamme, und beflügelt
Schwingt sich der Geist in alle Himmel auf.
– Ach die Beglückten, die das froh geteilte
Gebet versammelt in dem Haus des Herrn!
Geschmückt ist der Altar, die Kerzen leuchten,
Die Glocke tönt, der Weihrauch ist gestreut,
Der Bischof steht im reinen Meßgewand,
Er faßt den Kelch, er segnet ihn, er kündet
Das hohe Wunder der Verwandlung an,
Und niederstürzt dem gegenwärtgen Gotte
Das gläubigüberzeugte Volk – Ach! Ich
Allein bin ausgeschlossen, nicht zu mir
In meinen Kerker dringt der Himmelsegen.
MELVIL.
Er dringt zu dir! Er ist dir nah! Vertraue
Dem Allvermögenden – der dürre Stab
Kann Zweige treiben in des Glaubens Hand!
Und der die Quelle aus dem Felsen schlug,
Kann dir im Kerker den Altar bereiten,
Kann diesen Kelch, die irdische Erquickung,
Dir schnell in eine himmlische verwandeln.
Er ergreift den Kelch, der auf dem Tische steht.
MARIA.
Melvil! Versteh ich Euch? Ja! Ich versteh Euch!
Hier ist kein Priester, keine Kirche, kein
Hochwürdiges – Doch der Erlöser spricht:
Wo zwei versammelt sind in meinem Namen,
Da bin ich gegenwärtig unter ihnen.
Was weiht den Priester ein zum Mund des Herrn?
Das reine Herz, der unbefleckte Wandel.
– So seid Ihr mir, auch ungeweiht, ein Priester,
Ein Bote Gottes, der mir Frieden bringt.
– Euch will ich meine letzte Beichte tun,
Und Euer Mund soll mir das Heil verkünden.
MELVIL.
Wenn dich das Herz so mächtig dazu treibt,
So wisse, Königin, daß dir zum Troste
Gott auch ein Wunder wohl verrichten kann.
Hier sei kein Priester, sagst du, keine Kirche,
Kein Leib des Herrn? – Du irrest dich. Hier ist
Ein Priester, und ein Gott ist hier zugegen.
Er entblößt bei diesen Worten das Haupt, zugleich zeigt er ihr eine Hostie in einer goldenen Schale.
– Ich bin ein Priester, deine letzte Beichte
Zu hören, dir auf deinem Todesweg
Den Frieden zu verkündigen, hab ich
Die sieben Weihn auf meinem Haupt empfangen,
Und diese Hostie überbring ich dir
Vom heilgen Vater, die er selbst geweihet.
MARIA.
O so muß an der Schwelle selbst des Todes
Mir noch ein himmlisch Glück bereitet sein!
Wie ein Unsterblicher auf goldnen Wolken
Herniederfährt, wie den Apostel einst
Der Engel führte aus des Kerkers Banden,
Ihn hält kein Riegel, keines Hüters Schwert,
Er schreitet mächtig durch verschloßne Pforten,
Und im Gefängnis steht er glänzend da,
So überrascht mich hier der Himmelsbote,
Da jeder irdsche Retter mich getäuscht!
– Und Ihr, mein Diener einst, seid jetzt der Diener
Des höchsten Gottes, und sein heilger Mund!
Wie Eure Kniee sonst vor mir sich beugten,
So lieg ich jetzt im Staub vor Euch.
Sie sinkt vor ihm nieder.
MELVIL indem er das Zeichen des Kreuzes über sie macht.
Im Namen
Des Vaters und des Sohnes und des Geistes!
Maria, Königin! Hast du dein Herz
Erforschet, schwörst du, und gelobest du
Wahrheit zu beichten vor dem Gott der Wahrheit?
MARIA.
Mein Herz liegt offen da vor dir und ihm.
MELVIL.
Sprich, welcher Sünde zeiht dich dein Gewissen,
Seitdem du Gott zum letztenmal versöhnt?
MARIA.
Von neidschem Hasse war mein Herz erfüllt,
Und Rachgedanken tobten in dem Busen.
Vergebung hofft ich Sünderin von Gott,
Und konnte nicht der Gegnerin vergeben.
MELVIL.
Bereuest du die Schuld, und ists dein ernster
Entschluß, versöhnt aus dieser Welt zu scheiden?
MARIA.
So wahr ich hoffe, daß mir Gott vergebe.
MELVIL.
Welch andrer Sünde klagt das Herz dich an?
MARIA.
Ach, nicht durch Haß allein, durch sündge Liebe
Noch mehr hab ich das höchste Gut beleidigt.
Das eitle Herz ward zu dem Mann gezogen,
Der treulos mich verlassen und betrogen!
MELVIL.
Bereuest du die Schuld, und hat dein Herz
Vom eiteln Abgott sich zu Gott gewendet?
MARIA.
Es war der schwerste Kampf, den ich bestand,
Zerrissen ist das letzte irdsche Band.
MELVIL.
Welch andrer Schuld verklagt dich dein Gewissen?
MARIA.
Ach, eine frühe Blutschuld, längst gebeichtet,
Sie kehrt zurück mit neuer Schreckenskraft,
Im Augenblick der letzten Rechenschaft,
Und wälzt sich schwarz mir vor des Himmels Pforten.
Den König, meinen Gatten, ließ ich morden,
Und dem Verführer schenkt ich Herz und Hand!
Streng büßt ichs ab mit allen Kirchenstrafen,
Doch in der Seele will der Wurm nicht schlafen.
MELVIL.
Verklagt das Herz dich keiner andern Sünde,
Die du noch nicht gebeichtet und gebüßt?
MARIA.
Jetzt weißt du alles, was mein Herz belastet.
MELVIL.
Denk an die Nähe des Allwissenden!
Der Strafen denke, die die heilge Kirche
Der mangelhaften Beichte droht! Das ist
Die Sünde, zu dem ewgen Tod, denn das
Ist wider seinen heilgen Geist gefrevelt!
MARIA.
So schenke mir die ewge Gnade Sieg
Im letzten Kampf, als ich dir wissend nichts verschwieg.
MELVIL.
Wie? deinem Gott verhehlst du das Verbrechen,
Um dessentwillen dich die Menschen strafen?
Du sagst mir nichts von deinem blutgen Anteil
An Babingtons und Parrys Hochverrat?
Den zeitlichen Tod stirbst du für diese Tat,
Willst du auch noch den ewgen dafür sterben?
MARIA.
Ich bin bereit zur Ewigkeit zu gehn,
Noch eh sich der Minutenzeiger wendet,
Werd ich vor meines Richters Throne stehn,
Doch wiederhol ichs, meine Beichte ist vollendet.
MELVIL.
Erwäg es wohl. Das Herz ist ein Betrüger.
Du hast vielleicht mit listgem Doppelsinn
Das Wort vermieden, das dich schuldig macht,
Obgleich der Wille das Verbrechen teilte.
Doch wisse, keine Gaukelkunst berückt
Das Flammenauge, das ins Innre blickt!
MARIA.
Ich habe alle Fürsten aufgeboten,
Mich aus unwürdgen Banden zu befrein,
Doch nie hab ich durch Vorsatz oder Tat
Das Leben meiner Feindin angetastet!
MELVIL.
So hätten deine Schreiber falsch gezeugt?
MARIA.
Wie ich gesagt, so ists. Was jene zeugten,
Das richte Gott!
MELVIL.
So steigst du, überzeugt
Von deiner Unschuld, auf das Blutgerüste?
MARIA.
Gott würdigt mich, durch diesen unverdienten Tod
Die frühe schwere Blutschuld abzubüßen.
MELVIL macht den Segen über sie.
So gehe hin, und sterbend büße sie!
Sink ein ergebnes Opfer am Altare,
Blut kann versöhnen, was das Blut verbrach,
Du fehltest nur aus weiblichem Gebrechen,
Dem selgen Geiste folgen nicht die Schwächen
Der Sterblichkeit in die Verklärung nach.
Ich aber künde dir, kraft der Gewalt,
Die mir verliehen ist, zu lösen und zu binden,
Erlassung an von allen deinen Sünden!
Wie du geglaubet, so geschehe dir!
Er reicht ihr die Hostie.
Nimm hin den Leib, er ist für dich geopfert!
Er ergreift den Kelch, der auf dem Tische steht, konsekriert ihn mit stillem Gebet, dann reicht er ihr denselben. Sie zögert, ihn anzunehmen, und weist ihn mit der Hand zurück.
Nimm hin das Blut, es ist für dich vergossen!
Nimm hin! Der Papst erzeigt dir diese Gunst!
Im Tode noch sollst du das höchste Recht
Der Könige, das priesterliche, üben!
Sie empfängt den Kelch.
Und wie du jetzt dich in dem irdschen Leib
Geheimnisvoll mit deinem Gott verbunden,
So wirst du dort in seinem Freudenreich,
Wo keine Schuld mehr sein wird, und kein Weinen,
Ein schön verklärter Engel, dich
Auf ewig mit dem Göttlichen vereinen.
Er setzt den Kelch nieder. Auf ein Geräusch, das gehört wird, bedeckt er sich das Haupt, und geht an die Türe, Maria bleibt in stiller Andacht auf den Knien liegen.
MELVIL zurückkommend.
Dir bleibt ein harter Kampf noch zu bestehn.
Fühlst du dich stark genug, um jede Regung
Der Bitterkeit, des Hasses zu besiegen?
MARIA.
Ich fürchte keinen Rückfall. Meinen Haß
Und meine Liebe hab ich Gott geopfert.
MELVIL.
Nun so bereite dich, die Lords von Leicester
Und Burleigh zu empfangen.
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