Tragt sie mit Ergebung.
MARIA.
Mit Würde, hoff ich, die der Unschuld ziemt.
BURLEIGH.
Ich komme als Gesandter des Gerichts.
MARIA.
Lord Burleigh leiht dienstfertig dem Gerichte,
Dem er den Geist geliehn, nun auch den Mund.
PAULET.
Ihr sprecht, als wüßtet Ihr bereits das Urteil.
MARIA.
Da es Lord Burleigh bringt, so weiß ich es.
– Zur Sache, Sir.
BURLEIGH.
Ihr habt Euch dem Gericht
Der Zweiundvierzig unterworfen, Lady
MARIA.
Verzeiht, Mylord, daß ich Euch gleich zu Anfang
Ins Wort muß fallen – Unterworfen hätt ich mich
Dem Richterspruch der Zweiundvierzig, sagt Ihr?
Ich habe keineswegs mich unterworfen.
Nie konnt ich das – ich konnte meinem Rang,
Der Würde meines Volks und meines Sohnes
Und aller Fürsten nicht so viel vergeben.
Verordnet ist im englischen Gesetz,
Daß jeder Angeklagte durch Geschworne
Von seinesgleichen soll gerichtet werden.
Wer in der Committee ist meinesgleichen?
Nur Könige sind meine Peers.
BURLEIGH.
Ihr hörtet
Die Klagartikel an, ließt Euch darüber
Vernehmen vor Gerichte –
MARIA.
Ja, ich habe mich
Durch Hattons arge List verleiten lassen,
Bloß meiner Ehre wegen, und im Glauben
An meiner Gründe siegende Gewalt,
Ein Ohr zu leihen jenen Klagepunkten
Und ihren Ungrund darzutun – Das tat ich
Aus Achtung für die würdigen Personen
Der Lords, nicht für ihr Amt, das ich verwerfe.
BURLEIGH.
Ob Ihr sie anerkennt, ob nicht, Mylady,
Das ist nur eine leere Förmlichkeit,
Die des Gerichtes Lauf nicht hemmen kann.
Ihr atmet Englands Luft, genießt den Schutz,
Die Wohltat des Gesetzes, und so seid Ihr
Auch seiner Herrschaft untertan!
MARIA.
Ich atme
Die Luft in einem englischen Gefängnis.
Heißt das in England leben, der Gesetze
Wohltat genießen? Kenn ich sie doch kaum.
Nie hab ich eingewilligt, sie zu halten.
Ich bin nicht dieses Reiches Bürgerin,
Bin eine freie Königin des Auslands.
BURLEIGH.
Und denkt Ihr, daß der königliche Name
Zum Freibrief dienen könne, blutge Zwietracht
In fremdem Lande straflos auszusäen?
Wie stünd es um die Sicherheit der Staaten,
Wenn das gerechte Schwert der Themis nicht
Die schuldge Stirn des königlichen Gastes
Erreichen könnte, wie des Bettlers Haupt?
MARIA.
Ich will mich nicht der Rechenschaft entziehn,
Die Richter sind es nur, die ich verwerfe.
BURLEIGH.
Die Richter? Wie, Mylady? Sind es etwa
Vom Pöbel aufgegriffene Verworfne,
Schamlose Zungendrescher, denen Recht
Und Wahrheit feil ist, die sich zum Organ
Der Unterdrückung willig dingen lassen?
Sinds nicht die ersten Männer dieses Landes,
Selbständig gnug, um wahrhaft sein zu dürfen,
Um über Fürstenfurcht und niedrige
Bestechung weit erhaben sich zu sehn?
Sinds nicht dieselben, die ein edles Volk
Frei und gerecht regieren, deren Namen
Man nur zu nennen braucht, um jeden Zweifel,
Um jeden Argwohn schleunig stummzumachen?
An ihrer Spitze steht der Völkerhirte,
Der fromme Primas von Canterbury,
Der weise Talbot, der des Siegels wahret,
Und Howard, der des Reiches Flotten führt.
Sagt! Konnte die Beherrscherin von England
Mehr tun, als aus der ganzen Monarchie
Die Edelsten auslesen und zu Richtern
In diesem königlichen Streit bestellen?
Und wärs zu denken, daß Parteienhaß
Den Einzelnen bestäche – Können vierzig
Erlesne Männer sich in einem Spruche
Der Leidenschaft vereinigen?
MARIA nach einigem Stillschweigen.
Ich höre staunend die Gewalt des Mundes,
Der mir von je so unheilbringend war –
Wie werd ich mich, ein ungelehrtes Weib,
Mit so kunstfertgem Redner messen können! –
Wohl! wären diese Lords, wie Ihr sie schildert,
Verstummen müßt ich, hoffnungslos verloren
Wär meine Sache, sprächen sie mich schuldig.
Doch diese Namen, die Ihr preisend nennt,
Die mich durch ihr Gewicht zermalmen sollen,
Mylord, ganz andere Rollen seh ich sie
In den Geschichten dieses Landes spielen.
Ich sehe diesen hohen Adel Englands,
Des Reiches majestätischen Senat,
Gleich Sklaven des Serails den Sultanslaunen
Heinrichs des Achten, meines Großohms, schmeicheln –
Ich sehe dieses edle Oberhaus,
Gleich feil mit den erkäuflichen Gemeinen,
Gesetze prägen und verrufen, Ehen
Auflösen, binden, wie der Mächtige
Gebietet, Englands Fürstentöchter heute
Enterben, mit dem Bastardnamen schänden,
Und morgen sie zu Königinnen krönen.
Ich sehe diese würdgen Peers mit schnell
Vertauschter Überzeugung unter vier
Regierungen den Glauben viermal ändern –
BURLEIGH.
Ihr nennt Euch fremd in Englands Reichsgesetzen,
In Englands Unglück seid Ihr sehr bewandert.
MARIA.
Und das sind meine Richter! – Lord Schatzmeister!
Ich will gerecht sein gegen Euch! Seid Ihrs
Auch gegen mich – Man sagt, Ihr meint es gut
Mit diesem Staat, mit Eurer Königin,
Seid unbestechlich, wachsam, unermüdet –
Ich will es glauben. Nicht der eigne Nutzen
Regiert Euch, Euch regiert allein der Vorteil
Des Souveräns, des Landes. Eben darum
Mißtraut Euch, edler Lord, daß nicht der Nutzen
Des Staats Euch als Gerechtigkeit erscheine.
Nicht zweifl ich dran, es sitzen neben Euch
Noch edle Männer unter meinen Richtern.
Doch sie sind Protestanten, Eiferer
Für Englands Wohl, und sprechen über mich,
Die Königin von Schottland, die Papistin!
Es kann der Brite gegen den Schotten nicht
Gerecht sein, ist ein uralt Wort – Drum ist
Herkömmlich seit der Väter grauen Zeit,
Daß vor Gericht kein Brite gegen den Schotten,
Kein Schotte gegen jenen zeugen darf.
Die Not gab dieses seltsame Gesetz,
Ein tiefer Sinn wohnt in den alten Bräuchen,
Man muß sie ehren, Mylord – die Natur
Warf diese beiden feurgen Völkerschaften
Auf dieses Brett im Ozean, ungleich
Verteilte sies, und hieß sie darum kämpfen.
Der Tweede schmales Bette trennt allein
Die heftgen Geister, oft vermischte sich
Das Blut der Kämpfenden in ihren Wellen.
Die Hand am Schwerte, schauen sie sich drohend
Von beiden Ufern an, seit tausend Jahren.
Kein Feind bedränget Engelland, dem nicht
Der Schotte sich zum Helfer zugesellte,
Kein Bürgerkrieg entzündet Schottlands Städte,
Zu dem der Brite nicht den Zunder trug.
Und nicht erlöschen wird der Haß, bis endlich
Ein Parlament sie brüderlich vereint,
Ein Szepter waltet durch die ganze Insel.
BURLEIGH.
Und eine Stuart sollte dieses Glück
Dem Reich gewähren?
MARIA.
Warum soll ichs leugnen?
Ja ich gestehs, daß ich die Hoffnung nährte,
Zwei edle Nationen unterm Schatten
Des Ölbaums frei und fröhlich zu vereinen.
Nicht ihres Völkerhasses Opfer glaubt ich
Zu werden; ihre lange Eifersucht,
Der alten Zwietracht unglückselge Glut
Hofft ich auf ewge Tage zu ersticken,
Und wie mein Ahnherr Richmond die zwei Rosen
Zusammenband nach blutgem Streit, die Kronen
Schottland und England friedlich zu vermählen.
BURLEIGH.
Auf schlimmem Weg verfolgtet Ihr dies Ziel,
Da Ihr das Reich entzünden, durch die Flammen
Des Bürgerkriegs zum Throne steigen wolltet.
MARIA.
Das wollt ich nicht – beim großen Gott des Himmels!
Wann hätt ich das gewollt? Wo sind die Proben?
BURLEIGH.
Nicht Streitens wegen kam ich her. Die Sache
Ist keinem Wortgefecht mehr unterworfen.
Es ist erkannt durch vierzig Stimmen gegen zwei,
Daß Ihr die Akte vom vergangnen Jahr
Gebrochen, dem Gesetz verfallen seid.
Es ist verordnet im vergangnen Jahr:
»Wenn sich Tumult im Königreich erhübe,
Im Namen und zum Nutzen irgendeiner
Person, die Rechte vorgibt an die Krone,
Daß man gerichtlich gegen sie verfahre,
Bis in den Tod die schuldige verfolge« –
Und da bewiesen ist –
MARIA.
Mylord von Burleigh!
Ich zweifle nicht, daß ein Gesetz, ausdrücklich
Auf mich gemacht, verfaßt, mich zu verderben,
Sich gegen mich wird brauchen lassen – Wehe
Dem armen Opfer, wenn derselbe Mund,
Der das Gesetz gab, auch das Urteil spricht!
Könnt Ihr es leugnen, Lord, daß jene Akte
Zu meinem Untergang ersonnen ist?
BURLEIGH.
Zu Eurer Warnung sollte sie gereichen,
Zum Fallstrick habt Ihr selber sie gemacht.
Den Abgrund saht Ihr, der vor Euch sich auftat,
Und treugewarnet stürztet Ihr hinein.
Ihr wart mit Babington, dem Hochverräter,
Und seinen Mordgesellen einverstanden,
Ihr hattet Wissenschaft von allem, lenktet
Aus Eurem Kerker planvoll die Verschwörung.
MARIA.
Wann hätt ich das getan? Man zeige mir
Die Dokumente auf.
BURLEIGH.
Die hat man Euch
Schon neulich vor Gerichte vorgewiesen.
MARIA.
Die Kopien, von fremder Hand geschrieben!
Man bringe die Beweise mir herbei,
Daß ich sie selbst diktiert, daß ich sie so
Diktiert, gerade so, wie man gelesen.
BURLEIGH.
Daß es dieselben sind, die er empfangen,
Hat Babington vor seinem Tod bekannt.
MARIA.
Und warum stellte man ihn mir nicht lebend
Vor Augen? Warum eilte man so sehr,
Ihn aus der Welt zu fördern, eh man ihn
Mir, Stirne gegen Stirne, vorgeführt?
BURLEIGH.
Auch Eure Schreiber, Kurl und Nau, erhärten
Mit einem Eid, daß es die Briefe seien,
Die sie aus Eurem Munde niederschrieben.
MARIA.
Und auf das Zeugnis meiner Hausbedienten
Verdammt man mich? Auf Treu und Glauben derer,
Die mich verraten, ihre Königin,
Die in demselben Augenblick die Treu
Mir brachen, da sie gegen mich gezeugt?
BURLEIGH.
Ihr selbst erklärtet sonst den Schotten Kurl
Für einen Mann von Tugend und Gewissen.
MARIA.
So kannt ich ihn – doch eines Mannes Tugend
Erprobt allein die Stunde der Gefahr.
Die Folter konnt ihn ängstigen, daß er
Aussagte und gestand, was er nicht wußte!
Durch falsches Zeugnis glaubt' er sich zu retten,
Und mir, der Königin, nicht viel zu schaden.
BURLEIGH.
Mit einem freien Eid hat ers beschworen.
MARIA.
Vor meinem Angesichte nicht! – Wie, Sir?
Das sind zwei Zeugen, die noch beide leben!
Man stelle sie mir gegenüber, lasse sie
Ihr Zeugnis mir ins Antlitz wiederholen!
Warum mir eine Gunst, ein Recht verweigern,
Das man dem Mörder nicht versagt? Ich weiß
Aus Talbots Munde, meines vorgen Hüters,
Daß unter dieser nämlichen Regierung
Ein Reichsschluß durchgegangen, der befiehlt,
Den Kläger dem Beklagten vorzustellen.
Wie? Oder hab ich falsch gehört? – Sir Paulet!
Ich hab Euch stets als Biedermann erfunden,
Beweist es jetzo. Sagt mir auf Gewissen,
Ists nicht so? Gibts kein solch Gesetz in England?
PAULET.
So ists, Mylady. Das ist bei uns Rechtens.
Was wahr ist, muß ich sagen.
MARIA.
Nun, Mylord!
Wenn man mich denn so streng nach englischem Recht
Behandelt, wo dies Recht mich unterdrückt,
Warum dasselbe Landesrecht umgehen,
Wenn es mir Wohltat werden kann? – Antwortet!
Warum ward Babington mir nicht vor Augen
Gestellt, wie das Gesetz befiehlt? Warum
Nicht meine Schreiber, die noch beide leben?
BURLEIGH.
Ereifert Euch nicht, Lady. Euer Einverständnis
Mit Babington ists nicht allein
MARIA.
Es ists
Allein, was mich dem Schwerte des Gesetzes
Bloßstellt, wovon ich mich zu reingen habe.
Mylord! Bleibt bei der Sache. Beugt nicht aus.
BURLEIGH.
Es ist bewiesen, daß Ihr mit Mendoza,
Dem spanischen Botschafter, unterhandelt –
MARIA lebhaft.
Bleibt bei der Sache, Lord!
BURLEIGH.
Daß Ihr Anschläge
Geschmiedet, die Religion des Landes
Zu stürzen, alle Könige Europens
Zum Krieg mit England aufgeregt –
MARIA.
Und wenn ichs
Getan? Ich hab es nicht getan – Jedoch
Gesetzt, ich tats! – Mylord, man hält mich hier
Gefangen wider alle Völkerrechte.
Nicht mit dem Schwerte kam ich in dies Land,
Ich kam herein, als eine Bittende,
Das heilge Gastrecht fodernd, in den Arm
Der blutsverwandten Königin mich werfend –
Und so ergriff mich die Gewalt, bereitete
Mir Ketten, wo ich Schutz gehofft – Sagt an!
Ist mein Gewissen gegen diesen Staat
Gebunden? Hab ich Pflichten gegen England?
Ein heilig Zwangsrecht üb ich aus, da ich
Aus diesen Banden strebe, Macht mit Macht
Abwende, alle Staaten dieses Weltteils
Zu meinem Schutz aufrühre und bewege.
Was irgend nur in einem guten Krieg
Recht ist und ritterlich, das darf ich üben.
Den Mord allein, die heimlich blutge Tat,
Verbietet mir mein Stolz und mein Gewissen,
Mord würde mich beflecken und entehren.
Entehren sag ich – keinesweges mich
Verdammen, einem Rechtsspruch unterwerfen.
Denn nicht vom Rechte, von Gewalt allein
Ist zwischen mir und Engelland die Rede.
BURLEIGH bedeutend.
Nicht auf der Stärke schrecklich Recht beruft Euch,
Mylady! Es ist der Gefangenen nicht günstig.
MARIA.
Ich bin die Schwache, sie die Mächtige – Wohl!
Sie brauche die Gewalt, sie töte mich,
Sie bringe ihrer Sicherheit das Opfer.
Doch sie gestehe dann, daß sie die Macht
Allein, nicht die Gerechtigkeit geübt.
Nicht vom Gesetze borge sie das Schwert,
Sich der verhaßten Feindin zu entladen,
Und kleide nicht in heiliges Gewand
Der rohen Stärke blutiges Erkühnen.
Solch Gaukelspiel betrüge nicht die Welt!
Ermorden lassen kann sie mich, nicht richten!
Sie geb es auf, mit des Verbrechens Früchten
Den heilgen Schein der Tugend zu vereinen,
Und was sie ist, das wage sie zu scheinen!
Sie geht ab.
Achter Auftritt
Burleigh. Paulet.
BURLEIGH.
Sie trotzt uns – wird uns trotzen, Ritter Paulet,
Bis an die Stufen des Schafotts – Dies stolze Herz
Ist nicht zu brechen – Überraschte sie
Der Urtelspruch? Saht Ihr sie eine Träne
Vergießen? Ihre Farbe nur verändern?
Nicht unser Mitleid ruft sie an. Wohl kennt sie
Den Zweifelmut der Königin von England,
Und unsre Furcht ists, was sie mutig macht.
PAULET.
Lord Großschatzmeister! Dieser eitle Trotz wird schnell
Verschwinden, wenn man ihm den Vorwand raubt.
Es sind Unziemlichkeiten vorgegangen
In diesem Rechtstreit, wenn ichs sagen darf.
Man hätte diesen Babington und Tichburn
Ihr in Person vorführen, ihre Schreiber
Ihr gegenüberstellen sollen.
BURLEIGH schnell.
Nein!
Nein, Ritter Paulet! Das war nicht zu wagen.
Zu groß ist ihre Macht auf die Gemüter
Und ihrer Tränen weibliche Gewalt.
Ihr Schreiber Kurl, ständ er ihr gegenüber,
Käm es dazu, das Wort nun auszusprechen,
An dem ihr Leben hängt – er würde zaghaft
Zurückziehn, sein Geständnis widerrufen –
PAULET.
So werden Englands Feinde alle Welt
Erfüllen mit gehässigen Gerüchten,
Und des Prozesses festliches Gepräng
Wird als ein kühner Frevel nur erscheinen.
BURLEIGH.
Dies ist der Kummer unsrer Königin –
Daß diese Stifterin des Unheils doch
Gestorben wäre, ehe sie den Fuß
Auf Englands Boden setzte!
PAULET.
Dazu sag ich Amen.
BURLEIGH.
Daß Krankheit sie im Kerker aufgerieben!
PAULET.
Viel Unglück hätt es diesem Land erspart.
BURLEIGH.
Doch hätt auch gleich ein Zufall der Natur
Sie hingerafft – Wir hießen doch die Mörder.
PAULET.
Wohl wahr. Man kann den Menschen nicht verwehren,
Zu denken, was sie wollen.
BURLEIGH.
Zu beweisen wärs
Doch nicht, und würde weniger Geräusch erregen –
PAULET.
Mag es Geräusch erregen! Nicht der laute,
Nur der gerechte Tadel kann verletzen.
BURLEIGH.
O! auch die heilige Gerechtigkeit
Entflieht dem Tadel nicht. Die Meinung hält es
Mit dem Unglücklichen, es wird der Neid
Stets den obsiegend Glücklichen verfolgen.
Das Richterschwert, womit der Mann sich ziert,
Verhaßt ists in der Frauen Hand. Die Welt
Glaubt nicht an die Gerechtigkeit des Weibes,
Sobald ein Weib das Opfer wird. Umsonst,
Daß wir, die Richter, nach Gewissen sprachen!
Sie hat der Gnade königliches Recht.
Sie muß es brauchen, unerträglich ists,
Wenn sie den strengen Lauf läßt dem Gesetze!
PAULET.
Und also –
BURLEIGH rasch einfallend.
Also soll sie leben? Nein!
Sie darf nicht leben! Nimmermehr! Dies, eben
Dies ists, was unsre Königin beängstigt –
Warum der Schlaf ihr Lager flieht – Ich lese
In ihren Augen ihrer Seele Kampf,
Ihr Mund wagt ihre Wünsche nicht zu sprechen,
Doch vielbedeutend fragt ihr stummer Blick:
Ist unter allen meinen Dienern keiner,
Der die verhaßte Wahl mir spart, in ewger Furcht
Auf meinem Thron zu zittern, oder grausam
Die Königin, die eigne Blutsverwandte
Dem Beil zu unterwerfen?
PAULET.
Das ist nun die Notwendigkeit, steht nicht zu ändern.
BURLEIGH.
Wohl stünds zu ändern, meint die Königin,
Wenn sie nur aufmerksamre Diener hätte.
PAULET.
Aufmerksame!
BURLEIGH.
Die einen stummen Auftrag
Zu deuten wissen.
PAULET.
Einen stummen Auftrag!
BURLEIGH.
Die, wenn man ihnen eine giftge Schlange
Zu hüten gab, den anvertrauten Feind
Nicht wie ein heilig teures Kleinod hüten.
PAULET bedeutungsvoll.
Ein hohes Kleinod ist der gute Name,
Der unbescholtne Ruf der Königin,
Den kann man nicht zu wohl bewachen, Sir!
BURLEIGH.
Als man die Lady von dem Shrewsbury
Wegnahm und Ritter Paulets Hut vertraute,
Da war die Meinung –
PAULET.
Ich will hoffen, Sir,
Die Meinung war, daß man den schwersten Auftrag
Den reinsten Händen übergeben wollte.
Bei Gott! Ich hätte dieses Schergenamt
Nicht übernommen, dächt ich nicht, daß es
Den besten Mann in England foderte.
Laßt mich nicht denken, daß ichs etwas anderm
Als meinem reinen Rufe schuldig bin.
BURLEIGH.
Man breitet aus, sie schwinde, läßt sie kränker
Und kränker werden, endlich still verscheiden,
So stirbt sie in der Menschen Angedenken –
Und Euer Ruf bleibt rein.
PAULET.
Nicht mein Gewissen.
BURLEIGH.
Wenn Ihr die eigne Hand nicht leihen wollt,
So werdet ihr der fremden doch nicht wehren –
PAULET unterbricht ihn.
Kein Mörder soll sich ihrer Schwelle nahn,
Solang die Götter meines Dachs sie schützen.
Ihr Leben ist mir heilig, heilger nicht
Ist mir das Haupt der Königin von England.
Ihr seid die Richter! Richtet! Brecht den Stab!
Und wenn es Zeit ist, laßt den Zimmerer
Mit Axt und Säge kommen, das Gerüst
Aufschlagen – für den Sheriff und den Henker
Soll meines Schlosses Pforte offen sein.
Jetzt ist sie zur Bewahrung mir vertraut,
Und seid gewiß, ich werde sie bewahren,
Daß sie nichts Böses tun soll, noch erfahren!
Gehen ab.
Zweiter Aufzug
Der Palast zu Westminster.
Erster Auftritt
Der Graf von Kent und Sir William Davison begegnen einander.
DAVISON.
Seid Ihrs, Mylord von Kent? Schon vom Turnierplatz
Zurück, und ist die Festlichkeit zu Ende?
KENT.
Wie? Wohntet Ihr dem Ritterspiel nicht bei?
DAVISON.
Mich hielt mein Amt.
KENT.
Ihr habt das schönste Schauspiel
Verloren, Sir, das der Geschmack ersonnen,
Und edler Anstand ausgeführt – denn wißt!
Es wurde vorgestellt die keusche Festung
Der Schönheit, wie sie vom Verlangen
Berennt wird – Der Lord Marschall, Oberrichter,
Der Seneschall nebst zehen andern Rittern
Der Königin verteidigten die Festung,
Und Frankreichs Kavaliere griffen an.
Voraus erschien ein Herold, der das Schloß
Auffoderte in einem Madrigale,
Und von dem Wall antwortete der Kanzler.
Drauf spielte das Geschütz, und Blumensträuße,
Wohlriechend köstliche Essenzen wurden
Aus niedlichen Feldstücken abgefeuert.
Umsonst! die Stürme wurden abgeschlagen,
Und das Verlangen mußte sich zurückziehn.
DAVISON.
Ein Zeichen böser Vorbedeutung, Graf,
Für die französische Brautwerbung.
KENT.
Nun, nun, das war ein Scherz – Im Ernste denk ich,
Wird sich die Festung endlich doch ergeben.
DAVISON.
Glaubt Ihr? Ich glaub es nimmermehr.
KENT.
Die schwierigsten Artikel sind bereits
Berichtigt und von Frankreich zugestanden.
Monsieur begnügt sich, in verschlossener
Kapelle seinen Gottesdienst zu halten,
Und öffentlich die Reichsreligion
Zu ehren und zu schützen – Hättet Ihr den Jubel
Des Volks gesehn, als diese Zeitung sich verbreitet!
Denn dieses war des Landes ewge Furcht,
Sie möchte sterben ohne Leibeserben,
Und England wieder Papstes Fesseln tragen,
Wenn ihr die Stuart auf dem Throne folgte.
DAVISON.
Der Furcht kann es entledigt sein – Sie geht
Ins Brautgemach, die Stuart geht zum Tode.
KENT.
Die Königin kommt!
Zweiter Auftritt
Die Vorigen. Elisabeth, von Leicester geführt. Graf Aubespine, Bellievre, Graf Shrewsbury, Lord Burleigh mit noch andern französischen und englischen Herren treten auf.
ELISABETH zu Aubespine.
Graf! Ich beklage diese edeln Herrn,
Die ihr galanter Eifer über Meer
Hieher geführt, daß sie die Herrlichkeit
Des Hofs von Saint Germain bei mir vermissen.
Ich kann so prächtge Götterfeste nicht
Erfinden als die königliche Mutter
Von Frankreich – Ein gesittet fröhlich Volk,
Das sich, sooft ich öffentlich mich zeige,
Mit Segnungen um meine Sänfte drängt,
Dies ist das Schauspiel, das ich fremden Augen
Mit eingem Stolze zeigen kann. Der Glanz
Der Edelfräulein, die im Schönheitsgarten
Der Katharina blühn, verbärge nur
Mich selber und mein schimmerlos Verdienst.
AUBESPINE.
Nur eine Dame zeigt Westminsterhof
Dem überraschten Fremden – aber alles,
Was an dem reizenden Geschlecht entzückt,
Stellt sich versammelt dar in dieser einen.
BELLIEVRE.
Erhabne Majestät von Engelland,
Vergönne, daß wir unsern Urlaub nehmen,
Und Monsieur, unsern königlichen Herrn,
Mit der ersehnten Freudenpost beglücken.
Ihn hat des Herzens heiße Ungeduld
Nicht in Paris gelassen, er erwartet
Zu Amiens die Boten seines Glücks,
Und bis nach Calais reichen seine Posten,
Das Jawort, das dein königlicher Mund
Aussprechen wird, mit Flügelschnelligkeit
Zu seinem trunknen Ohre hinzutragen.
ELISABETH.
Graf Bellievre, dringt nicht weiter in mich.
Nicht Zeit ists jetzt, ich wiederhol es Euch,
Die freudge Hochzeitfackel anzuzünden.
Schwarz hängt der Himmel über diesem Land,
Und besser ziemte mir der Trauerflor
Als das Gepränge bräutlicher Gewänder.
Denn nahe droht ein jammervoller Schlag
Mein Herz zu treffen und mein eignes Haus.
BELLIEVRE.
Nur dein Versprechen gib uns, Königin,
In frohern Tagen folge die Erfüllung.
ELISABETH.
Die Könige sind nur Sklaven ihres Standes,
Dem eignen Herzen dürfen sie nicht folgen.
Mein Wunsch wars immer, unvermählt zu sterben,
Und meinen Ruhm hätt ich darein gesetzt,
Daß man dereinst auf meinem Grabstein läse:
»Hier ruht die jungfräuliche Königin.«
Doch meine Untertanen wollens nicht,
Sie denken jetzt schon fleißig an die Zeit,
Wo ich dahinsein werde – Nicht genug,
Daß jetzt der Segen dieses Land beglückt,
Auch ihrem künftgen Wohl soll ich mich opfern,
Auch meine jungfräuliche Freiheit soll ich,
Mein höchstes Gut, hingeben für mein Volk,
Und der Gebieter wird mir aufgedrungen.
Er zeigt mir dadurch an, daß ich ihm nur
Ein Weib bin, und ich meinte doch, regiert
Zu haben, wie ein Mann und wie ein König.
Wohl weiß ich, daß man Gott nicht dient, wenn man
Die Ordnung der Natur verläßt, und Lob
Verdienen sie, die vor mir hier gewaltet,
Daß sie die Klöster aufgetan, und tausend
Schlachtopfer einer falschverstandnen Andacht
Den Pflichten der Natur zurückgegeben.
Doch eine Königin, die ihre Tage
Nicht ungenützt in müßiger Beschauung
Verbringt, die unverdrossen, unermüdet,
Die schwerste aller Pflichten übt, die sollte
Von dem Naturzweck ausgenommen sein,
Der eine Hälfte des Geschlechts der Menschen
Der andern unterwürfig macht –
AUBESPINE.
Jedwede Tugend, Königin, hast du
Auf deinem Thron verherrlicht, nichts ist übrig,
Als dem Geschlechte, dessen Ruhm du bist,
Auch noch in seinen eigensten Verdiensten
Als Muster vorzuleuchten. Freilich lebt
Kein Mann auf Erden, der es würdig ist,
Daß du die Freiheit ihm zum Opfer brächtest.
Doch wenn Geburt, wenn Hoheit, Heldentugend
Und Männerschönheit einen Sterblichen
Der Ehre würdig machen, so –
ELISABETH.
Kein Zweifel,
Herr Abgesandter, daß ein Ehebündnis
Mit einem königlichen Sohne Frankreichs
Mich ehrt! Ja, ich gesteh es unverhohlen,
Wenn es sein muß – wenn ichs nicht ändern kann,
Dem Dringen meines Volkes nachzugeben –
Und es wird stärker sein als ich, befürcht ich –
So kenn ich in Europa keinen Fürsten,
Dem ich mein höchstes Kleinod, meine Freiheit,
Mit minderm Widerwillen opfern würde.
Laßt dies Geständnis Euch Genüge tun.
BELLIEVRE.
Es ist die schönste Hoffnung, doch es ist
Nur eine Hoffnung, und mein Herr wünscht mehr –
ELISABETH.
Was wünscht er?
Sie zieht einen Ring vom Finger und betrachtet ihn nachdenkend.
Hat die Königin doch nichts
Voraus vor dem gemeinen Bürgerweibe!
Das gleiche Zeichen weist auf gleiche Pflicht,
Auf gleiche Dienstbarkeit – Der Ring macht Ehen,
Und Ringe sinds, die eine Kette machen.
– Bringt seiner Hoheit dies Geschenk. Es ist
Noch keine Kette, bindet mich noch nicht,
Doch kann ein Reif draus werden, der mich bindet.
BELLIEVRE kniet nieder, den Ring empfangend.
In seinem Namen, große Königin,
Empfang ich kniend dies Geschenk, und drücke
Den Kuß der Huldigung auf meiner Fürstin Hand!
ELISABETH zum Grafen Leicester, den sie während der letzten Rede unverwandt betrachtet hat.
Erlaubt Mylord!
Sie nimmt ihm das blaue Band ab, und hängt es dem Bellievre um.
Bekleidet seine Hoheit
Mit diesem Schmuck, wie ich Euch hier damit
Bekleide und in meines Ordens Pflichten nehme.
Honny soit qui mal y pense! – Es schwinde
Der Argwohn zwischen beiden Nationen,
Und ein vertraulich Band umschlinge fortan
Die Kronen Frankreich und Britannien!
AUBESPINE.
Erhabne Königin, dies ist ein Tag
Der Freude! Möcht ers allen sein und möchte
Kein Leidender auf dieser Insel trauern!
Die Gnade glänzt auf deinem Angesicht,
O! daß ein Schimmer ihres heitern Lichts
Auf eine unglücksvolle Fürstin fiele,
Die Frankreich und Britannien gleich nahe
Angeht –
ELISABETH.
Nicht weiter, Graf! Vermengen wir
Nicht zwei ganz unvereinbare Geschäfte.
Wenn Frankreich ernstlich meinen Bund verlangt,
Muß es auch meine Sorgen mit mir teilen,
Und meiner Feinde Freund nicht sein –
AUBESPINE.
Unwürdig
In deinen eignen Augen würd es handeln,
Wenn es die Unglückselige, die Glaubens-
Verwandte, und die Witwe seines Königs
In diesem Bund vergäße – Schon die Ehre,
Die Menschlichkeit verlangt –
ELISABETH.
In diesem Sinn
Weiß ich sein Fürwort nach Gebühr zu schätzen.
Frankreich erfüllt die Freundespflicht, mir wird
Verstattet sein, als Königin zu handeln.
Sie neigt sich gegen die französischen Herren, welche sich mit den übrigen Lords ehrfurchtsvoll entfernen.
Dritter Auftritt
Elisabeth. Leicester. Burleigh.
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