Bewaffnet Volk erfüllt
Den ganzen Garten.
MORTIMER auffahrend und zum Degen greifend.
Ich beschütze dich.
MARIA.
O Hanna! Rette mich aus seinen Händen!
Wo find ich Ärmste einen Zufluchtsort?
Zu welchem Heiligen soll ich mich wenden,
Hier ist Gewalt und drinnen ist der Mord.
Sie flieht dem Hause zu, Kennedy folgt.
Siebenter Auftritt
Mortimer. Paulet und Drury, welche außer sich hereinstürzen.
Gefolge eilt über die Szene.
PAULET.
Verschließt die Pforten. Zieht die Brücken auf!
MORTIMER.
Oheim, was ists?
PAULET.
Wo ist die Mörderin?
Hinab mit ihr ins finsterste Gefängnis!
MORTIMER.
Was gibt's? Was ist geschehn?
PAULET.
Die Königin!
Verfluchte Hände! Teuflisches Erkühnen!
MORTIMER.
Die Königin! Welche Königin?
PAULET.
Von England!
Sie ist ermordet auf der Londner Straßen!
Eilt ins Haus.
Achter Auftritt
Mortimer. Gleich darauf Okelly.
MORTIMER.
Bin ich im Wahnwitz? Kam nicht eben jemand
Vorbei und rief: Die Königin sei ermordet?
Nein, nein, mir träumte nur. Ein Fieberwahn
Bringt mir als wahr und wirklich vor den Sinn,
Was die Gedanken gräßlich mir erfüllt.
Wer kommt? Es ist Okelly. So schreckenvoll!
OKELLY hereinstürzend.
Flieht, Mortimer! Flieht. Alles ist verloren.
MORTIMER.
Was ist verloren?
OKELLY.
Fragt nicht lange. Denkt
Auf schnelle Flucht.
MORTIMER.
Was gibts denn?
OKELLY.
Sauvage führte
Den Streich, der Rasende.
MORTIMER.
So ist es wahr?
OKELLY.
Wahr, wahr! O rettet Euch!
MORTIMER.
Sie ist ermordet,
Und auf den Thron von England steigt Maria!
OKELLY.
Ermordet! Wer sagt das?
MORTIMER.
Ihr selbst!
OKELLY.
Sie lebt!
Und ich und Ihr, wir alle sind des Todes.
MORTIMER.
Sie lebt!
OKELLY.
Der Stoß ging fehl, der Mantel fing ihn auf,
Und Shrewsbury entwaffnete den Mörder.
MORTIMER.
Sie lebt!
OKELLY.
Lebt, um uns alle zu verderben!
Kommt, man umzingelt schon den Park.
MORTIMER.
Wer hat
Das Rasende getan?
OKELLY.
Der Barnabit
Aus Toulon wars, den Ihr in der Kapelle
Tiefsinnig sitzen saht, als uns der Mönch
Das Anathem ausdeutete, worin
Der Papst die Königin mit dem Fluch belegt.
Das Nächste, Kürzeste wollt er ergreifen,
Mit einem kecken Streich die Kirche Gottes
Befrein, die Martyrkrone sich erwerben,
Dem Priester nur vertraut' er seine Tat,
Und auf dem Londner Weg ward sie vollbracht.
MORTIMER nach einem langen Stillschweigen.
O dich verfolgt ein grimmig wütend Schicksal,
Unglückliche! Jetzt – ja jetzt mußt du sterben,
Dein Engel selbst bereitet deinen Fall.
OKELLY.
Sagt! Wohin wendet Ihr die Flucht? Ich gehe,
Mich in des Nordens Wäldern zu verbergen.
MORTIMER.
Flieht hin und Gott geleite Eure Flucht!
Ich bleibe. Noch versuch ichs, sie zu retten,
Wo nicht, auf ihrem Sarge mir zu betten.
Gehen ab zu verschiedenen Seiten.
Vierter Aufzug
Vorzimmer.
Erster Auftritt
Graf Aubespine. Kent und Leicester.
AUBESPINE.
Wie stehts um Ihro Majestät? Mylords,
Ihr seht mich noch ganz außer mir für Schrecken.
Wie ging das zu? Wie konnte das in Mitte
Des allertreusten Volks geschehen?
LEICESTER.
Es geschah
Durch keinen aus dem Volke. Der es tat,
War Eures Königs Untertan, ein Franke.
AUBESPINE.
Ein Rasender gewißlich.
KENT.
Ein Papist,
Graf Aubespine!
Zweiter Auftritt
Vorige. Burleigh im Gespräch mit Davison.
BURLEIGH.
Sogleich muß der Befehl
Zur Hinrichtung verfaßt und mit dem Siegel
Versehen werden – Wenn er ausgefertigt,
Wird er der Königin zur Unterschrift
Gebracht. Geht! Keine Zeit ist zu verlieren.
DAVISON.
Es soll geschehn.
Geht ab.
AUBESPINE Burleigh entgegen.
Mylord, mein treues Herz
Teilt die gerechte Freude dieser Insel.
Lob sei dem Himmel, der den Mörderstreich
Gewehrt von diesem königlichen Haupt!
BURLEIGH.
Er sei gelobt, der unsrer Feinde Bosheit
Zuschanden machte!
AUBESPINE.
Mög ihn Gott verdammen,
Den Täter dieser fluchenswerten Tat!
BURLEIGH.
Den Täter und den schändlichen Erfinder.
AUBESPINE zu Kent.
Gefällt es Eurer Herrlichkeit, Lordmarschall,
Bei Ihro Majestät mich einzuführen,
Daß ich den Glückwunsch meines Herrn und Königs
Zu ihren Füßen schuldigst niederlege –
BURLEIGH.
Bemüht Euch nicht, Graf Aubespine.
AUBESPINE offizios.
Ich weiß,
Lord Burleigh, was mir obliegt.
BURLEIGH.
Euch liegt ob,
Die Insel auf das schleunigste zu räumen.
AUBESPINE tritt erstaunt zurück.
Was! Wie ist das!
BURLEIGH.
Der heilige Charakter
Beschützt Euch heute noch und morgen nicht mehr.
AUBESPINE.
Und was ist mein Verbrechen?
BURLEIGH.
Wenn ich es
Genannt, so ist es nicht mehr zu vergeben.
AUBESPINE.
Ich hoffe, Lord, das Recht der Abgesandten –
BURLEIGH.
Schützt – Reichsverräter nicht.
LEICESTER UND KENT.
Ha! Was ist das!
AUBESPINE.
Mylord,
Bedenkt Ihr wohl –
BURLEIGH.
Ein Paß, von Eurer Hand
Geschrieben, fand sich in des Mörders Tasche.
KENT.
Ists möglich?
AUBESPINE.
Viele Pässe teil ich aus,
Ich kann der Menschen Innres nicht erforschen.
BURLEIGH.
In Eurem Hause beichtete der Mörder.
AUBESPINE.
Mein Haus ist offen.
BURLEIGH.
Jedem Feinde Englands.
AUBESPINE.
Ich fodre Untersuchung.
BURLEIGH.
Fürchtet sie!
AUBESPINE.
In meinem Haupt ist mein Monarch verletzt,
Zerreißen wird er das geschloßne Bündnis.
BURLEIGH.
Zerrissen schon hat es die Königin,
England wird sich mit Frankreich nicht vermählen.
Mylord von Kent! Ihr übernehmet es,
Den Grafen sicher an das Meer zu bringen.
Das aufgebrachte Volk hat sein Hotel
Gestürmt, wo sich ein ganzes Arsenal
Von Waffen fand, es droht ihn zu zerreißen,
Wie er sich zeigt; verberget ihn, bis sich
Die Wut gelegt – Ihr haftet für sein Leben!
AUBESPINE.
Ich gehe, ich verlasse dieses Land,
Wo man der Völker Recht mit Füßen tritt,
Und mit Verträgen spielt – doch mein Monarch
Wird blutge Rechenschaft –
BURLEIGH.
Er hole sie!
Kent und Aubespine gehen ab.
Dritter Auftritt
Leicester und Burleigh.
LEICESTER.
So löst Ihr selbst das Bündnis wieder auf,
Das Ihr geschäftig unberufen knüpftet.
Ihr habt um England wenig Dank verdient,
Mylord, die Mühe konntet Ihr Euch sparen.
BURLEIGH.
Mein Zweck war gut. Gott leitete es anders.
Wohl dem, der sich nichts Schlimmeres bewußt ist!
LEICESTER.
Man kennt Cecils geheimnisreiche Miene,
Wenn er die Jagd auf Staatsverbrechen macht.
– Jetzt, Lord, ist eine gute Zeit für Euch.
Ein ungeheurer Frevel ist geschehn,
Und noch umhüllt Geheimnis seine Täter.
Jetzt wird ein Inquisitionsgericht
Eröffnet. Wort und Blicke werden abgewogen,
Gedanken selber vor Gericht gestellt.
Da seid Ihr der allwichtge Mann, der Atlas
Des Staats, ganz England liegt auf Euren Schultern.
BURLEIGH.
In Euch, Mylord, erkenn ich meinen Meister,
Denn solchen Sieg, als Eure Rednerkunst
Erfocht, hat meine nie davongetragen.
LEICESTER.
Was meint Ihr damit, Lord?
BURLEIGH.
Ihr wart es doch, der hinter meinem Rücken
Die Königin nach Fotheringhayschloß
Zu locken wußte?
LEICESTER.
Hinter Eurem Rücken!
Wann scheuten meine Taten Eure Stirn?
BURLEIGH.
Die Königin hättet Ihr nach Fotheringhay
Geführt? Nicht doch! Ihr habt die Königin
Nicht hingeführt! – Die Königin war es,
Die so gefällig war, Euch hinzuführen.
LEICESTER.
Was wollt Ihr damit sagen, Lord?
BURLEIGH.
Die edle
Person, die Ihr die Königin dort spielen ließt!
Der herrliche Triumph, den Ihr der arglos
Vertrauenden bereitet – Gütge Fürstin!
So schamlos frech verspottete man dich,
So schonungslos wardst du dahingegeben!
– Das also ist die Großmut und die Milde,
Die Euch im Staatsrat plötzlich angewandelt!
Darum ist diese Stuart ein so schwacher,
Verachtungswerter Feind, daß es der Müh
Nicht lohnt, mit ihrem Blut sich zu beflecken!
Ein feiner Plan! Fein zugespitzt! Nur schade,
Zu fein geschärfet, daß die Spitze brach!
LEICESTER.
Nichtswürdiger! Gleich folgt mir! An dem Throne
Der Königin sollt Ihr mir Rede stehn.
BURLEIGH.
Dort trefft Ihr mich – Und sehet zu, Mylord,
Daß Euch dort die Beredsamkeit nicht fehle!
Geht ab.
Vierter Auftritt
Leicester allein, darauf Mortimer.
LEICESTER.
Ich bin entdeckt, ich bin durchschaut – Wie kam
Der Unglückselige auf meine Spuren!
Weh mir, wenn er Beweise hat! Erfährt
Die Königin, daß zwischen mir und der Maria
Verständnisse gewesen – Gott! Wie schuldig
Steh ich vor ihr! Wie hinterlistig treulos
Erscheint mein Rat, mein unglückseliges
Bemühn, nach Fotheringhay sie zu führen!
Grausam verspottet sieht sie sich von mir,
An die verhaßte Feindin sich verraten!
O nimmer, nimmer kann sie das verzeihn!
Vorherbedacht wird alles nun erscheinen,
Auch diese bittre Wendung des Gesprächs,
Der Gegnerin Triumph und Hohngelächter,
Ja selbst die Mörderhand, die blutig schrecklich,
Ein unerwartet ungeheures Schicksal,
Dazwischenkam, werd ich bewaffnet haben!
Nicht Rettung seh ich, nirgends! Ha! Wer kommt!
MORTIMER kommt in der heftigsten Unruhe und blickt scheu umher.
Graf Leicester! Seid Ihrs? Sind wir ohne Zeugen?
LEICESTER.
Unglücklicher, hinweg! Was sucht Ihr hier?
MORTIMER.
Man ist auf unsrer Spur, auf Eurer auch,
Nehmt Euch in acht.
LEICESTER.
Hinweg, hinweg!
MORTIMER.
Man weiß,
Daß bei dem Grafen Aubespine geheime
Versammlung war –
LEICESTER.
Was kümmerts mich!
MORTIMER.
Daß sich der Mörder
Dabeibefunden –
LEICESTER.
Das ist Eure Sache!
Verwegener! Was unterfangt Ihr Euch,
In Euren blutgen Frevel mich zu flechten?
Verteidigt Eure bösen Händel selbst!
MORTIMER.
So hört mich doch nur an.
LEICESTER in heftigem Zorn.
Geht in die Hölle!
Was hängt Ihr Euch, gleich einem bösen Geist,
An meine Fersen! Fort! Ich kenn Euch nicht,
Ich habe nichts gemein mit Meuchelmördern.
MORTIMER.
Ihr wollt nicht hören. Euch zu warnen komm ich,
Auch Eure Schritte sind verraten –
LEICESTER.
Ha!
MORTIMER.
Der Großschatzmeister war zu Fotheringhay,
Sogleich nachdem die Unglückstat geschehn war,
Der Königin Zimmer wurden streng durchsucht,
Da fand sich –
LEICESTER.
Was?
MORTIMER.
Ein angefangner Brief
Der Königin an Euch –
LEICESTER.
Die Unglückselge!
MORTIMER.
Worin sie Euch auffodert, Wort zu halten,
Euch das Versprechen ihrer Hand erneuert,
Des Bildnisses gedenkt –
LEICESTER.
Tod und Verdammnis!
MORTIMER.
Lord Burleigh hat den Brief.
LEICESTER.
Ich bin verloren!
Er geht während der folgenden Rede Mortimers verzweiflungsvoll auf und nieder.
MORTIMER.
Ergreift den Augenblick! Kommt ihm zuvor!
Errettet Euch, errettet sie – Schwört Euch
Heraus, ersinnt Entschuldigungen, wendet
Das Ärgste ab! Ich selbst kann nichts mehr tun.
Zerstreut sind die Gefährten, auseinander
Gesprengt ist unser ganzer Bund. Ich eile
Nach Schottland, neue Freunde dort zu sammeln.
An Euch ists jetzt, versucht, was Euer Ansehn,
Was eine kecke Stirn vermag!
LEICESTER steht still, plötzlich besonnen.
Das will ich.
Er geht nach der Türe, öffnet sie, und ruft.
He da! Trabanten!
Zu dem Offizier, der mit Bewaffneten hereintritt.
Diesen Staatsverräter
Nehmt in Verwahrung und bewacht ihn wohl!
Die schändlichste Verschwörung ist entdeckt,
Ich bringe selbst der Königin die Botschaft.
Er geht ab.
MORTIMER steht anfangs starr für Erstaunen, faßt sich aber bald und sieht Leicestern mit einem Blick der tiefsten Verachtung nach.
Ha, Schändlicher – Doch ich verdiene das!
Wer hieß mich auch dem Elenden vertrauen?
Weg über meinen Nacken schreitet er,
Mein Fall muß ihm die Rettungsbrücke bauen.
– So rette dich! Verschlossen bleibt mein Mund,
Ich will dich nicht in mein Verderben flechten.
Auch nicht im Tode mag ich deinen Bund,
Das Leben ist das einzge Gut des Schlechten.
Zu dem Offizier der Wache, der hervortritt, um ihn gefangenzunehmen.
Was willst du, feiler Sklav der Tyrannei?
Ich spotte deiner, ich bin frei!
Einen Dolch ziehend.
OFFIZIER.
Er ist bewehrt – Entreißt ihm seinen Dolch!
Sie dringen auf ihn ein, er erwehrt sich ihrer.
MORTIMER.
Und frei im letzten Augenblicke soll
Mein Herz sich öffnen, meine Zunge lösen
Fluch und Verderben euch, die ihren Gott
Und ihre wahre Königin verraten!
Die von der irdischen Maria sich
Treulos, wie von der himmlischen gewendet,
Sich dieser Bastardkönigin verkauft –
OFFIZIER.
Hört ihr die Lästrung! Auf! Ergreifet ihn.
MORTIMER.
Geliebte! Nicht erretten konnt ich dich,
So will ich dir ein männlich Beispiel geben.
Maria, heilge, bitt für mich!
Und nimm mich zu dir in dein himmlisch Leben!
Er durchsticht sich mit dem Dolch und fällt der Wache in die Arme.
Zimmer der Königin.
Fünfter Auftritt
Elisabeth, einen Brief in der Hand.
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