Burleigh.

 

ELISABETH.

Mich hinzuführen! Solchen Spott mit mir

Zu treiben! Der Verräter! Im Triumph

Vor seiner Buhlerin mich aufzuführen!

O so ward noch kein Weib betrogen, Burleigh!

BURLEIGH.

Ich kann es noch nicht fassen, wie es ihm,

Durch welche Macht, durch welche Zauberkünste

Gelang, die Klugheit meiner Königin

So sehr zu überraschen.

ELISABETH.

O ich sterbe

Für Scham! Wie mußt er meiner Schwäche spotten!

Sie glaubt ich zu erniedrigen und war,

Ich selber, ihres Spottes Ziel!

BURLEIGH.

Du siehst nun ein, wie treu ich dir geraten!

ELISABETH.

O ich bin schwer dafür gestraft, daß ich

Von Eurem weisen Rate mich entfernt!

Und sollt ich ihm nicht glauben? In den Schwüren

Der treusten Liebe einen Fallstrick fürchten?

Wem darf ich traun, wenn er mich hinterging?

Er, den ich großgemacht vor allen Großen,

Der mir der Nächste stets am Herzen war,

Dem ich verstattete, an diesem Hof

Sich wie der Herr, der König zu betragen!

BURLEIGH.

Und zu derselben Zeit verriet er dich

An diese falsche Königin von Schottland!

ELISABETH.

O sie bezahle mirs mit ihrem Blut!

– Sagt! Ist das Urteil abgefaßt?

BURLEIGH.

Es liegt

Bereit, wie du befohlen.

ELISABETH.

Sterben soll sie!

Er soll sie fallen sehn, und nach ihr fallen.

Verstoßen hab ich ihn aus meinem Herzen,

Fort ist die Liebe, Rache füllt es ganz.

So hoch er stand, so tief und schmählich sei

Sein Sturz! Er sei ein Denkmal meiner Strenge,

Wie er ein Beispiel meiner Schwäche war.

Man führ ihn nach dem Tower, ich werde Peers

Ernennen, die ihn richten, hingegeben

Sei er der ganzen Strenge des Gesetzes.

BURLEIGH.

Er wird sich zu dir drängen, sich rechtfertgen –

ELISABETH.

Wie kann er sich rechtfertgen? Überführt

Ihn nicht der Brief? O sein Verbrechen ist

Klar wie der Tag!

BURLEIGH.

Doch du bist mild und gnädig,

Sein Anblick, seine mächtge Gegenwart –

ELISABETH.

Ich will ihn nicht sehn. Niemals, niemals wieder!

Habt Ihr Befehl gegeben, daß man ihn

Zurückweist, wenn er kommt?

BURLEIGH.

So ists befohlen!

PAGE tritt ein.

Mylord von Leicester!

KÖNIGIN.

Der Abscheuliche!

Ich will ihn nicht sehn. Sagt ihm, daß ich ihn

Nicht sehen will.

PAGE.

Das wag ich nicht, dem Lord

Zu sagen, und er würde mirs nicht glauben.

KÖNIGIN.

So hab ich ihn erhöht, daß meine Diener

Vor seinem Ansehn mehr als meinem zittern!

BURLEIGH zum Pagen.

Die Königin verbiet ihm, sich zu nahn!

 

Page geht zögernd ab.

 

KÖNIGIN nach einer Pause.

Wenns dennoch möglich wäre – Wenn er sich

Rechtfertgen könnte! – Sagt mir, könnt es nicht

Ein Fallstrick sein, den mir Maria legte,

Mich mit dem treusten Freunde zu entzwein!

O, sie ist eine abgefeimte Bübin,

Wenn sie den Brief nur schrieb, mir giftgen Argwohn

Ins Herz zu streun, ihn, den sie haßt, ins Unglück

Zu stürzen –

BURLEIGH.

Aber Königin, erwäge –

 

 

Sechster Auftritt

Vorige. Leicester.

 

LEICESTER reißt die Tür mit Gewalt auf, und tritt mit gebietrischem Wesen herein.

Den Unverschämten will ich sehn, der mir

Das Zimmer meiner Königin verbietet.

ELISABETH.

Ha, der Verwegene!

LEICESTER.

Mich abzuweisen!

Wenn sie für einen Burleigh sichtbar ist,

So ist sies auch für mich!

BURLEIGH.

Ihr seid sehr kühn, Mylord,

Hier wider die Erlaubnis einzustürmen.

LEICESTER.

Ihr seid sehr frech, Lord, hier das Wort zu nehmen.

Erlaubnis! Was! Es ist an diesem Hofe

Niemand, durch dessen Mund Graf Leicester sich

Erlauben und verbieten lassen kann!

 

Indem er sich der Elisabeth demütig nähert.

 

Aus meiner Königin eignem Mund will ich –

ELISABETH ohne ihn anzusehen.

Aus meinem Angesicht, Nichtswürdiger!

LEICESTER.

Nicht meine gütige Elisabeth,

Den Lord vernehm ich, meinen Feind, in diesen

Unholden Worten – Ich berufe mich auf meine

Elisabeth – Du liehest ihm dein Ohr,

Das gleiche fodr ich.

ELISABETH.

Redet, Schändlicher!

Vergrößert Euren Frevel! Leugnet ihn!

LEICESTER.

Laßt diesen Überlästigen sich erst

Entfernen – Tretet ab, Mylord – Was ich

Mit meiner Königin zu verhandeln habe,

Braucht keinen Zeugen. Geht.

ELISABETH zu Burleigh.

Bleibt. Ich befehl es!

LEICESTER.

Was soll der Dritte zwischen dir und mir!

Mit meiner angebeteten Monarchin

Hab ichs zu tun – Die Rechte meines Platzes

Behaupt ich – Es sind heilge Rechte!

Und ich bestehe drauf, daß sich der Lord

Entferne!

ELISABETH.

Euch geziemt die stolze Sprache!

LEICESTER.

Wohl ziemt sie mir, denn ich bin der Beglückte,

Dem deine Gunst den hohen Vorzug gab,

Das hebt mich über ihn und über alle!

Dein Herz verlieh mir diesen stolzen Rang,

Und was die Liebe gab, werd ich, bei Gott!

Mit meinem Leben zu behaupten wissen.

Er geh – und zweier Augenblicke nur

Bedarfs, mich mit dir zu verständigen.

ELISABETH.

Ihr hofft umsonst, mich listig zu beschwatzen.

LEICESTER.

Beschwatzen konnte dich der Plauderer,

Ich aber will zu deinem Herzen reden!

Und was ich im Vertraun auf deine Gunst

Gewagt, will ich auch nur vor deinem Herzen

Rechtfertigen – Kein anderes Gericht

Erkenn ich über mir als deine Neigung!

ELISABETH.

Schamloser! Eben diese ists, die Euch zuerst

Verdammt – Zeigt ihm den Brief, Mylord!

BURLEIGH.

Hier ist er!

LEICESTER durchläuft den Brief, ohne die Fassung zu verändern.

Das ist der Stuart Hand!

ELISABETH.

Lest und verstummt!

LEICESTER nachdem er gelesen, ruhig.

Der Schein ist gegen mich, doch darf ich hoffen,

Daß ich nicht nach dem Schein gerichtet werde!

ELISABETH.

Könnt Ihr es leugnen, daß Ihr mit der Stuart

In heimlichem Verständnis wart, ihr Bildnis

Empfingt, ihr zur Befreiung Hoffnung machtet?

LEICESTER.

Leicht wäre mirs, wenn ich mich schuldig fühlte,

Das Zeugnis einer Feindin zu verwerfen!

Doch frei ist mein Gewissen, ich bekenne,

Daß sie die Wahrheit schreibt!

ELISABETH.

Nun denn,

Unglücklicher!

BURLEIGH.

Sein eigner Mund verdammt ihn.

ELISABETH.

Aus meinen Augen. In den Tower – Verräter!

LEICESTER.

Der bin ich nicht. Ich hab gefehlt, daß ich

Aus diesem Schritt dir ein Geheimnis machte,

Doch redlich war die Absicht, es geschah,

Die Feindin zu erforschen, zu verderben.

ELISABETH.

Elende Ausflucht –

BURLEIGH.

Wie, Mylord? Ihr glaubt –

LEICESTER.

Ich habe ein gewagtes Spiel gespielt,

Ich weiß, und nur Graf Leicester durfte sich

An diesem Hofe solcher Tat erkühnen.

Wie ich die Stuart hasse, weiß die Welt.

Der Rang, den ich bekleide, das Vertrauen,

Wodurch die Königin mich ehrt, muß jeden Zweifel

In meine treue Meinung niederschlagen.

Wohl darf der Mann, den deine Gunst vor allen

Auszeichnet, einen eignen kühnen Weg

Einschlagen, seine Pflicht zu tun.

BURLEIGH.

Warum,

Wenns eine gute Sache war, verschwiegt Ihr?

LEICESTER.

Mylord! Ihr pflegt zu schwatzen, eh Ihr handelt,

Und seid die Glocke Eurer Taten. Das

Ist Eure Weise, Lord. Die meine ist,

Erst handeln und dann reden!

BURLEIGH.

Ihr redet jetzo, weil Ihr müßt.

LEICESTER ihn stolz und höhnisch mit den Augen messend.

Und Ihr

Berühmt Euch, eine wundergroße Tat

Ins Werk gerichtet, Eure Königin

Gerettet, die Verräterei entlarvt

Zu haben – Alles wißt Ihr, Eurem Scharfblick

Kann nichts entgehen, meint Ihr – Armer Prahler!

Trotz Eurer Spürkunst war Maria Stuart

Noch heute frei, wenn ich es nicht verhindert.

BURLEIGH.

Ihr hättet –

LEICESTER.

Ich, Mylord. Die Königin

Vertraute sich dem Mortimer, sie schloß

Ihr Innerstes ihm auf, sie ging so weit,

Ihm einen blutgen Auftrag gegen die Maria

Zu geben, da der Oheim sich mit Abscheu

Von einem gleichen Antrag abgewendet –

Sagt! Ist es nicht so?

 

Königin und Burleigh sehen einander betroffen an.

 

BURLEIGH.

Wie gelangt Ihr

Dazu?

LEICESTER.

Ists nicht so? – Nun, Mylord! Wo hattet

Ihr Eure tausend Augen, nicht zu sehn,

Daß dieser Mortimer Euch hinterging?

Daß er ein wütender Papist, ein Werkzeug

Der Guisen, ein Geschöpf der Stuart war,

Ein keckentschloßner Schwärmer, der gekommen,

Die Stuart zu befrein, die Königin

Zu morden –

ELISABETH mit dem äußersten Erstaunen.

Dieser Mortimer!

LEICESTER.

Er wars, durch den

Maria Unterhandlung mit mir pflog,

Den ich auf diesem Wege kennenlernte.

Noch heute sollte sie aus ihrem Kerker

Gerissen werden, diesen Augenblick

Entdeckte mirs sein eigner Mund, ich ließ ihn

Gefangen nehmen, und in der Verzweiflung,

Sein Werk vereitelt, sich entlarvt zu sehn,

Gab er sich selbst den Tod!

ELISABETH.

O ich bin unerhört

Betrogen – dieser Mortimer!

BURLEIGH.

Und jetzt

Geschah das? Jetzt, nachdem ich Euch verlassen!

LEICESTER.

Ich muß um meinetwillen sehr beklagen,

Daß es dies Ende mit ihm nahm. Sein Zeugnis,

Wenn er noch lebte, würde mich vollkommen

Gereinigt, aller Schuld entledigt haben.

Drum übergab ich ihn des Richters Hand.

Die strengste Rechtsform sollte meine Unschuld

Vor aller Welt bewähren und besiegeln.

BURLEIGH.

Er tötete sich, sagt Ihr. Er sich selber? Oder

Ihr ihn?

LEICESTER.

Unwürdiger Verdacht! Man höre

Die Wache ab, der ich ihn übergab!

 

Er geht an die Tür und ruft hinaus. Der Offizier der Leibwache tritt herein.

 

Erstattet Ihrer Majestät Bericht,

Wie dieser Mortimer umkam!

OFFIZIER.

Ich hielt die Wache

Im Vorsaal, als Mylord die Türe schnell

Eröffnete und mir befahl, den Ritter

Als einen Staatsverräter zu verhaften.

Wir sahen ihn hierauf in Wut geraten,

Den Dolch ziehn, unter heftiger Verwünschung

Der Königin, und eh wirs hindern konnten,

Ihn in die Brust sich stoßen, daß er tot

Zu Boden stürzte –

LEICESTER.

Es ist gut. Ihr könnt

Abtreten, Sir! Die Königin weiß genug!

 

Offizier geht ab.

 

ELISABETH.

O welcher Abgrund von Abscheulichkeiten –

LEICESTER.

Wer wars nun, der dich rettete? War es

Mylord von Burleigh? Wußt er die Gefahr,

Die dich umgab? War ers, der sie von dir

Gewandt? – Dein treuer Leicester war dein Engel!

BURLEIGH.

Graf! Dieser Mortimer starb Euch sehr gelegen.

ELISABETH.

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich glaub Euch,

Und glaub Euch nicht. Ich denke, Ihr seid schuldig,

Und seid es nicht! O die Verhaßte, die

Mir all dies Weh bereitet!

LEICESTER.

Sie muß sterben.

Jetzt stimm ich selbst für ihren Tod. Ich riet

Dir an, das Urteil unvollstreckt zu lassen,

Bis sich aufs neu ein Arm für sie erhübe.

Dies ist geschehn – und ich bestehe drauf,

Daß man das Urteil ungesäumt vollstrecke.

BURLEIGH.

Ihr rietet dazu! Ihr!

LEICESTER.

So sehr es mich

Empört, zu einem Äußersten zu greifen,

Ich sehe nun und glaube, daß die Wohlfahrt

Der Königin dies blutge Opfer heischt,

Drum trag ich darauf an, daß der Befehl

Zur Hinrichtung gleich ausgefertigt werde!

BURLEIGH zur Königin.

Da es Mylord so treu und ernstlich meint,

So trag ich darauf an, daß die Vollstreckung

Des Richterspruchs ihm übertragen werde.

LEICESTER.

Mir!

BURLEIGH.

Euch. Nicht besser könnt Ihr den Verdacht,

Der jetzt noch auf Euch lastet, widerlegen,

Als wenn Ihr sie, die Ihr geliebt zu haben

Beschuldigt werdet, selbst enthaupten lasset.

ELISABETH Leicestern mit den Augen fixierend.

Mylord rät gut. So seis, und dabei bleib es.

LEICESTER.

Mich sollte billig meines Ranges Höh

Von einem Auftrag dieses traurgen Inhalts

Befrein, der sich in jedem Sinne besser

Für einen Burleigh ziemen mag als mich.

Wer seiner Königin so nahesteht,

Der sollte nichts Unglückliches vollbringen.

Jedoch um meinen Eifer zu bewähren,

Um meiner Königin genugzutun,

Begeb ich mich des Vorrechts meiner Würde

Und übernehme die verhaßte Pflicht.

ELISABETH.

Lord Burleigh teile Sie mit Euch!

 

Zu diesem.

 

Tragt Sorge,

Daß der Befehl gleich ausgefertigt werde.

 

Burleigh geht. Man hört draußen ein Getümmel.

 

 

Siebenter Auftritt

Graf von Kent zu den Vorigen.

 

ELISABETH.

Was gibts, Mylord von Kent? Was für ein Auflauf

Erregt die Stadt – Was ist es?

KENT.

Königin,

Es ist das Volk, das den Palast umlagert,

Es fodert heftigdringend dich zu sehn.

ELISABETH.

Was will mein Volk?

KENT.

Der Schrecken geht durch London,

Dein Leben sei bedroht, es gehen Mörder

Umher, vom Papste wider dich gesendet.

Verschworen seien die Katholischen,

Die Stuart aus dem Kerker mit Gewalt

Zu reißen und zur Königin auszurufen.

Der Pöbel glaubts und wütet. Nur das Haupt

Der Stuart, das noch heute fällt, kann ihn

Beruhigen.

ELISABETH.

Wie? Soll mir Zwang geschehn?

KENT.

Sie sind entschlossen, eher nicht zu weichen,

Bis du das Urteil unterzeichnet hast.

 

 

Achter Auftritt

Burleigh und Davison mit einer Schrift. Die Vorigen.

 

ELISABETH.

Was bringt Ihr, Davison?

DAVISON nähert sich, ernsthaft.

Du hast befohlen,

O Königin –

ELISABETH.

Was ists?

 

Indem sie die Schrift ergreifen will, schauert sie zusammen und fährt zurück.

 

O Gott!

BURLEIGH.

Gehorche

Der Stimme des Volks, sie ist die Stimme Gottes.

ELISABETH unentschlossen mit sich selbst kämpfend.

O meine Lords! Wer sagt mir, ob ich wirklich

Die Stimme meines ganzen Volks, die Stimme

Der Welt vernehme! Ach wie sehr befürcht ich,

Wenn ich dem Wunsch der Menge nun gehorcht,

Daß eine ganz verschiedne Stimme sich

Wird hören lassen – ja daß eben die,

Die jetzt gewaltsam zu der Tat mich treiben,

Mich, wenns vollbracht ist, strenge tadeln werden!

 

 

Neunter Auftritt

Graf Shrewsbury zu den Vorigen.

 

SHREWSBURY kommt in großer Bewegung.

Man will dich übereilen, Königin!

O halte fest, sei standhaft –

 

Indem er Davison mit der Schrift gewahr wird.

 

Oder ist es

Geschehen? Ist es wirklich? Ich erblicke

Ein unglückselig Blatt in dieser Hand,

Das komme meiner Königin jetzt nicht

Vor Augen.