Ich denke so Heiligabend. Unterm Christbaum, das hab ich mir immer gewünscht. Das hat dann so seinen Schick und auch so 'n bißchen wie kirchliche Handlung. Und is schon so 'n Vorschmack. Das heißt, ich meine von der Trauung. Denn bei dir muß man sich immer vorsichtig ausdrücken. Du denkst gleich...«

 

Am nächsten Morgen hielt Hugo richtig um Thildens Hand an, und die Alte sagte gar nichts, sondern nickte nur immer und streichelte Hugos Hand. Das war auch das allerbeste.

Dann zog sich Hugo wieder in sein Zimmer zurück, und er sah nun Thilde fast weniger als sonst. Wenn es irgend ging, wurde die Runtschen vorgeschoben. Allerdings war dies mit besondren Schwierigkeiten verknüpft, weil grade sogenanntes Matschwetter war, was die Runtschen in ihrer Erscheinung auf ein niedrigstes Maß oder Stufe herabdrückte. Für eine reine Schürze war zwar immer gesorgt, und den Kiepenhut, mit dem sie wie verwachsen war, mußte sie abnehmen, aber man kann nicht sagen, daß dies viel half, fast im Gegenteil, weil die Mannsstiefel, die die Runtschen bei solchem Wetter trug, in einem beleidigenden Gegensatze zu der weißen Schürze standen.

All das entging Thilden nicht, aber sie hatte nicht Zeit, sich mit diesen verhältnismäßig geringfügigen Dingen zu beschäftigen, da die heranrückende Verlobung unterm Christbaum, es waren nur noch vier Tage, sie ganz in Anspruch nahm. Eine kleine Gesellschaft sollte gegeben werden, aber wie sie komponieren? Einen Augenblick war an Schultzens und auch an Frau Leutnant Petermann gedacht worden, deren Mann schon 1849 im badischen Aufstand gefallen war, aber Thilde ließ beide Pläne wieder fallen. Schultzens waren zu reich und konnten denken, man wolle was von ihnen oder wolle sich mit ihnen wichtig tun. Und so stand es doch noch lange nicht. Sie, die Rätin, hatte keine Ahnung vom Exportgeschäft; sie ging zu Mannheimer, das war alles. Und die Petermann war wohl arm genug, aber sie hatte so was Schnippisches und sprach so gebildet, weil sie früher Schneiderin gewesen war, was nun keiner merken sollte. Kurzum, Thilde sah ein, daß aus dem Kreise eigner Bekanntschaft niemand so recht zu wählen sei, und einigte sich in einem Gespräche mit Hugo dahin, daß nur ein Vetter Hugos, ein sonderbares altes Genie, das zwischen Maurerpolier und Architekt stand und seit zwanzig Jahren der Freund einer Witwe war (ein Umstand, der über sein Leben entschieden hatte), geladen werden solle. Dieser auf geistige Getränke gestellte Vetter, von dem Hugo zu sagen pflegte, daß seine Verwandtschaft zu Karoline Pichler näher sei als zu den Großmanns, paßte gut, weil er kein Spielverderber war, außerdem natürlich mußte Rybinski geladen werden. Um zehn wollte dann Thilde, dies war ein von ihr gestelltes, frühre Beschlüsse halb aufhebendes Amendement, zu Schultzens runtergehn und sich als Braut vorstellen und daran die bescheidne Frage knüpfen, ob Rat und Rätin vielleicht eine Viertelstunde ihnen schenken und sich von ihrem Glück überzeugen wollten. An der Ausführung dieses letztren Planes war der Alten beinah mehr gelegen als an der Verlobung selbst. Ein Wirt blieb doch immer die Hauptsache. Das mit dem Bräutigam konnte doch am Ende nichts sein, aber das mit Schultzens, das war immer was. Das Billet an Rybinski schrieb natürlich Hugo. Rybinski kam und sagte zu, vorausgesetzt, daß er seine Braut mitbringen dürfe.

»Deine Braut?« staunte Großmann. »Bist du denn verlobt?«

»O ja. Schon seit meinem Debüt, und wir sind sehr d'accord. Aber natürlich kann so was auch wieder zurückgehn, und wenn du mal so was hören solltest...«

»Gut. Ich verstehe schon. Ich darf sie doch als deine Braut vorstellen?«

»Ich muß sogar sehr darum bitten.«

 

Neuntes Kapitel

 

Der Vierundzwanzigste kam und ging, die Verlobung war proklamiert worden, und die sechs Menschen, aus denen die ganze Gesellschaft bestand, waren ausnahmlos sehr vergnügt gewesen. Eine halbe Stunde lang sogar Schultze, der auf Thildens Aufforderung in einer gewissen Paschalaune, sein Volk beglückend, in der kleinen Möhringschen Wohnung erschienen war, zurückhaltend in bezug auf alles, was an Speis und Trank aufgetragen war, aber desto intimer mit Rybinskis Braut.