Rybinski selbst lachte, versicherte dann und wann, daß er sich mit dem Rechnungsrat über das Schnupftuch schießen müsse, weil ihm ein solcher Eingriff in geheiligte Rechte noch gar nicht vorgekommen sei, und versprach schließlich, beim Rat und der Rätin seine Visite zu machen, spätestens zu Neujahr, aber ohne Braut. »Man kann doch nicht wissen, wie sich die Rätin stellt«, flüsterte er seinem neuen Freund Schultze zu. Und Schultze zwinkerte.
Den Toast auf das Brautpaar brachte der Vetter Architekt aus. Man werde nicht überrascht sein, wenn er seinerseits, als ein Mann des Baus, auch die Ehe, als deren Vorkammer die Verlobung anzusehen sei, wenn er auch die Ehe als einen Bau ansehe. »Das Fundament, meine Herrschaften, ist die Liebe; daß wir diese hier haben, ist erwiesen, und der Mörtel, der bis in alle Ewigkeit den Bau zusammenhält, das ist die Treue.«
Schultze nickte; Rybinski rief »Bravo« und drohte seiner neben Schultze stehenden Braut mit dem Finger, indem er mit dem Zeigefinger eine Stechbewegung machte, als müsse Schultze auf dem Platze bleiben. Der Vetter Architekt aber fuhr fort:
»Der Mörtel, sage ich. Aber auch der bestgefügteste Bau, bei den Erschütterungen, die das Leben mit sich führt, bedarf noch der Klammern und Stützen, und diese Klammern und Stützen, das sind die Freunde, das sind wir. Auch Schmuck hat ein gutes Haus, und in seine Nischen sehen wir gern allerhand liebe kleine Gestalten gestellt, putti sagen die Italiener, Putten sagen wir selbst. Ich weiß, ich greife vor, aber in dieser heitren Stunde wird auch ein heitrer Blick in die Zukunft gestattet sein. Es lebe das Brautpaar, es lebe die Zukunft, es leben die Putten.«
Rybinski umarmte den Redner und sprach etwas von dem geheimnisvollen Reiz der gefälligen oratorischen Begabung, die sei wie ein Quickborn: ein Schlag mit dem Pegasushuf, und die Quelle springe...Gesegnet die, die diesen Huf haben.
Erst gegen Mitternacht ging man auseinander, und die Tochter der alten Runtschen, eine schmucke Person, die an einen Bahnhofsgepäckträger verheiratet war [und] die schon beim Mantelabnehmen und dann beim Mohnpielenpräsentieren die Bedienung gemacht hatte, begleitete die Herrschaften runter. Selbst Schultze nutzte seine Sonderstellung nicht aus und gab ihr, als er auf dem ersten Treppenabsatz in seine Wohnung abschwenkte, ein Trinkgeld. Alles benahm sich in dieser Beziehung sehr anständig, und oben angekommen, teilte die alte und die junge Runtschen die Beute, was von der jungen Runtschen sehr anständig war. Die Alte war aber über die ganze Aushülfe verstimmt und konnte mit einer Hälfte nicht zufrieden sein, die eben die Hälfte und nicht das Ganze war. »Du hast es doch nicht so nötig, Ulrike«, sagte die Alte.
»Gott, Mutter, du kannst doch nich runterleuchten mit deinem einen Auge, erst fällst du und das Licht, und dann fallen die andren auch. Du vergißt immer das mit das eine Auge. Und manche graulen sich auch. Und was denkst du denn! Glaubst du denn, daß der alte Schultze sich so honorig gemacht hätte, wenn du runtergeleuchtet hättest? Ich sage dir, der sieht sich seine Leute ordentlich an.«
Mutter und Tochter saßen noch lang in ihrem Bette auf. Es gab viel zu sprechen. Für die Alte war Schultze die Hauptperson, er habe doch feiner gewirkt als die andern und man hätte doch merken können: der hat's. »Es gibt einem doch so 'n Gefühl, und das hat er.«
»Ach, Mutter, du verstehst ja so was nich. Schultze war der einzige, der in die Gesellschaft nicht paßte. Von uns will ich nich reden. Aber die andern. Ja, das waren ja lauter feine Herren, alle studiert und Kunst dazu; der Vetter auch, wer so was baut, das ist auch 'ne Kunst. Und nur von Vorkammer hätt er nich sprechen sollen und von Putten erst recht nicht. Aber daran siehst du's gerade; feine Leute, die sind so und die behandeln all so was spielrig und lassen immer, wie Doktor Stubbe sagte, den rechten Ernst vermissen. Aber es kommt doch immer so was raus, was nich jeder sagen kann. Und nu Schultze. Ja, du mein Gott, wenn er nicht das sonderbare Zeug zu Rybinskis Braut gesagt hätte, so hätt er so gut wie gar nichts gesagt. Und dann is es auch nicht fein, daß er gar nichts nahm, und is bloß Tuerei, sehr viel Gutes kriegt er unten auch nich.
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