Aber du hast seine großen Manschettenknöpfe immer angesehn, [und] weil er die zwei Steine vorn im Chemisette hatte und weil er Wirt ist, so denkst du, es war was Feines. Ich hab ihn auch nur raufgeholt, weil du doch nu mit ihm durchkommen mußt, wenn ich mal weggehe.«

»Na, wann denkst du denn?«

»Ich denke mir, so zu Johanni.«

»Hast du denn schon was?«

»Nein, noch nich, Mutter. Aber ich werd es nu in die Hand nehmen. Morgen und übermorgen sind Feiertage, da kommt keine Zeitung, aber den dritten Feiertag abends, da steht es drin. Und Verlobung haben wir nu gehabt, und nu is es an mir, nu werd ich es in die Hand nehmen.«

 

Die alte Runtschen hatte sich schließlich beruhigt und gab zu, daß Ulrike sehr anständig gehandelt habe. Sie hätte ja gar nichts zu teilen brauchen oder wenigstens mogeln können, aber daran war gar nicht zu denken, dazu war es viel zuviel. »Überhaupt, es is eigentlich ein gutes Kind, und bloß daß sie nur immer dran denkt, daß sie die dicken blonden Zöppe hat, Runtsch war schwarz, und ich erst recht; sie sagten immer die ›Schwarze‹; es muß aber doch so Bestimmung gewesen sein.« In dieser Richtung gingen die Gedanken der Alten, das Versöhnliche herrschte vor, aber auch wenn sie verbittert gewesen wäre, so hätte diese Verbitterung nicht anhalten können, weil sie vom frühen Morgen des andern Tages an ein Gegenstand besondrer Aufmerksamkeit im ganzen Schultzeschen Hause und in der Nachbarschaft war. Jeder wollte was wissen, und wohin sie kam, wollte man hören, wie die Verlobung gewesen wäre. Zu begreifen war es nicht, darin waren alle einig. Solch feiner Herr und ein Studierter und nu diese Thilde mit ihrem geelen Teint; und früher hatte sie auch noch Pickel; alle Morgen mußte sie bei die Herrens rein machen und ausgießen und nu doch Braut, und eh Gott den Schaden besieht, steht sie da mit Atlas und Myrte. So hieß es bei den Portiersleuten und namentlich in dem Keller gegenüber, wo sie Sellerie, Petroleum und Semmelfrühstück holte.

Zuletzt kam sie zur Leutnant Petermann, und hier erst, weil diese wegen eines Unfalls am Abend vorher noch im Bette lag, blühte ihr Weizen.

»Gott, Frau Leutnant, Sie liegen noch; was is denn los?«

»Ach Runtschen, jetzt geht es ja wieder. Aber bis viere habe ich kein Auge zugetan. Solche furchtbaren Schmerzen...«

»Hier?«

»Nein, hier nich. Diesmal nich. Das hätte bloß noch gefehlt, daß ich auch aufgemußt hätte bei dem kalten Fußboden und dem Zug draußen. Nein, hier... Zahnschmerzen. Der halbe Backzahn is weg.«

»Na, aber wie denn?«

»Ja, wie das so geht. Da hatt ich mir nu das Bäumchen angesteckt und sein Bild druntergestellt und wollte seine Briefe noch mal lesen, das heißt, bloß die ersten, wo er noch wie rapplig war. Er war so. Und als ich da nu so sitze und lese und den Teller ranrücke und zu knabbern anfange, erst ein kleines Marzipanherz und dann eine Pfeffernuß und dann ein Stück Steinpflaster, da beiß ich in das Steinpflaster rein, grad an eine Mandelstelle, und da sitzt nu grade ein Stück Mandelschale, was man ja nich sehn kann, weil alles dieselbe Farbe hat, und weil ich scharf zubiß, war der halbe Zahn weg.«

»Un mit runtergeschluckt?«

»Nein, so weit kam es gar nicht. Es tat gleich so weh, und ich kriegte gleich solchen Schreck, daß ich darauf verzichtete. Und war immer, als säße noch was drin, und ich holte mir eine Stopfnadel. Aber da wurd es immer toller, und ich fing beinah an zu schrein. Ein Glück, daß ich warm Wasser im Ofen hatte. Da hab ich dann gespült und gespült, und nu hat es sich beruhigt. Und nu sagen Sie, Runtschen, wie war es eigentlich? Setzen Sie sich auf den Rohrstuhl, aber nicht zu nah, da neben den Ofen, ein bißchen Wärme wird er wohl noch haben.«

»Ja, Frau Leutnant, wie soll es gewesen sein? Sehr fein war es. Rechnungsrat Schultze war auch da...«

»Mit ihr?«

»Nein.«

»Na, das konnt ich mir denken. Er nimmt es nicht so genau, die Rätin aber hält auf sich, wie alle Frauen. Und wer war denn noch da?«

»Ja, die Namens weiß ich nich, Frau Leutnant.