Und eh der wieder auszieht, da muß es schon schlimm kommen. Und schlimm kommt es bei uns nicht. Wir sind artig und manierlich und immer gefällig und laufen alle Gänge und sehen bloß, was wir sehen wollen.«

»Glaubst du, daß er...«

»I, Gott bewahre. Der is wie Gold. Mit dem kann man drei Tage und drei Nächte fahren. Einen so Anständigen haben wir noch gar nicht gehabt. Und dann mußt du bedenken, er is vorm Examen, und wir haben kein Klavierspiel. Auf dem Hof das bißchen Leierkasten, das hört er nicht. Und ich will dir noch mehr sagen, Mutter; der bleibt nicht bloß, der bleibt auch lange. Denn sehr anstrengen wird er sich nicht. Er sieht so recht aus wie ›Kommst du heute nicht, so kommst du morgen‹. Und vielleicht morgen auch noch nicht.«

 

Hugo Großmann, der noch keine Schlüssel hatte, war drei Minuten vor zehn nach Hause gekommen und [hatte] für alles, was ihm noch angeboten wurde, gedankt; er sei sehr müde, vorige Nacht unterwegs, und sei auch noch soviel andres. Mutter Möhring, die sich noch einen Augenblick im Entree zu schaffen machte, hörte noch, daß er das Streichhölzchen strich, und sah den Lichtschimmer, der gleich danach unter der Tür weg bis in das Entree fiel. Dann hörte sie, daß er sich die Stiefel mit einem raschen Ruck auszog, wie einer, der schnell ins Bett will, und keine Minute mehr, so war es wieder dunkel.

Der nächste Tag war so schön wie der vorige. Möhrings waren Frühaufs, und heute waren sie schon um sechs auf, weil sie doch nicht wissen konnten, ob ihr Mieter nicht ein Frühauf sei.

»Ich glaube nicht, daß er ein Frühauf ist«, sagte Mathilde, »aber man kann doch nicht wissen. Und in der ersten Nacht schlafen viele so unruhig.«

Es war wohl schon acht, als Mathilde das aussprach und hinzusetzte: »Du sollst sehn, Mutter, der hat einen Bärenschlaf. Um den brauchst du dir die Nacht nicht um die Ohren zu schlagen, und von Weckeraufziehn is nu schon gar keine Rede mehr. Na, mir recht. Wenn erst Winter ist, schlaf ich auch gern aus und warte lieber mit meinem Kaffee. Bloß, daß man um acht die ausgesuchten Semmeln kriegt.«

Unter diesen Worten stand sie auf und sah nach der kleinen Pendeluhr. Es war schon ein paar Minuten über halb neun. »Mutter, ich werde doch wohl klopfen müssen. Ich hatte ihn so auf neun Stunden taxiert, aber nun ist es schon zehn und eine halbe. Was meinst du?«

»Versteht sich; es kann ihm ja auch was passiert sein.«

»Gewiß, kann. Aber es wird wohl nicht.«

 

Um ein Uhr trat der neue Mieter bei Möhrings ein und sagte, daß er nun zu Tisch wolle; sie brauchten sich in seinem Zimmer nicht zu übereilen, er werde vor sieben nicht wieder dasein. Und wenn wer käme, möchten sie sagen, »um acht«. Damit empfahl er sich sehr artig, und als er aus dem Hause trat, sahen ihm Mutter und Tochter vom Entreefenster aus nach.

Als sie das Fenster wieder geschlossen hatten, sagte die Mutter: »Es ist eigentlich ein sehr hübscher Mensch. Ich wundre mich nur, daß er noch so ein halber Student ist. Am Ende irrst du dich doch, Thilde. Er muß doch nah an dreißig sein.«

»Ja, du hast recht, Mutter, er sieht so aus.