Gott sei Dank, daß ich wieder da bin, und auch wieder nicht. Owinsk ist ein Nest, natürlich, und wenn man aufgestanden ist, kann man auch schon wieder zu Bette gehn, und dazu die ewige Klagerei von Mutter und Schwester und keine Spur Verständnis für ein Buch oder ein Bild, und wenn ein Tanzbär auf den Markt kommt, dann ist es, als ob die Wolter gastierte... Na, das alles is nicht grade mein Geschmack. Aber ein Gutes hat solch Nest doch, man hat Muße, man kann seinen paar Gedanken nachhängen, wenn man welche hat, und die Büffelei hat ein Ende. Ach, Rybinski, das geht nun wieder los. Wie steht es denn mit dir? Wenn ich dich so ansehe mit deiner Polenmütze, nimm mir nicht übel, es sieht so 'n bißchen theaterhaft aus, und deinen Stiefeln über der Hose – du siehst mir auch nicht aus, als kommst du recte vom Repetitorium.«
»Welche feine Fühlung du hast, Großmann. Recte vom Repetitorium: nein. Aber was von recte ist auch dabei; recte vom Galgen...«
»Wie Roller?«
Rybinski nickte.
»Ach, mache keinen Unsinn, Rybinski. Was meinst du?«
»Was ich meine, davon später. Erzähle mir erst ein Wort von dir und von den Owinskern. Hast du zufällig meinen Onkel gesehn? Er kommt ja dann und wann in die Stadt, bei Pferdemarkt oder wenn er Geld braucht. Auf meinen letzten Brief hat er nicht geantwortet; es wird wohl grade Ebbe bei ihm gewesen sein. Und dein Vater? Woran starb er denn eigentlich? Er kann ja noch keine Sechzig gewesen sein. Und wie steht es mit dem Vermögen? Es hieß immer, er hätte was.«
»Ja, so heißt es immer, und wenn Gott den Schaden besieht, ist nichts da. Da war eine Kiste, so eine Art Arnheim, in seinem Bureau, die wir immer mit Respekt betrachteten, weil wir uns alle sagten, da liegt es drin. Und nun denke dir, was wir nachher gefunden haben.«
»Nun, die Hälfte.«
»Ja, proste Mahlzeit; eine Zereviskappe, ein Kommersbuch und ein Paar hohe Jagdstiefeln, gelbes Leder, genau wie wenn er sie von Wallenstein hätte.«
»War er denn ein Nimrod...? Übrigens könntest du mir erst eine Zigarre geben. Ich sah da eine kleine Kiste; sie enttäuscht mich hoffentlich nicht so wie dich die große Erbkiste. Ja, war er denn solch Jäger vor dem Herrn?«
»I Gott bewahre. Dazu war er viel zu bequem und fror immer. Er wird wohl, als er eben Burgemeister geworden war, mal eine Jagd mitgemacht haben, aber als ich so 'n halbwachsner Junge war, so kurz vorher, eh wir nach Inowroclaw aufs Gymnasium kamen, fuhr er immer bloß raus, wenn das Getafle beim Oberförster oder beim Amtsrat losging. Und einmal war es beim Torf-Inspektor, das weiß ich noch genau.«
»Und dabei war dein Vater doch eigentlich ein famoser Knopp.«
»Ja, das war er.«
»Eigentlich forscher als du.«
»Na, wie man's nehmen will. So im meisten sind wir uns gleich. Fürs Repetieren war er auch nie. Darin mögen wir uns wohl gleich sein, und als er den Referendarius hinter sich hatte, schnappte er ab und sagte: ›Zweimal fall ich durch und denn Assessor mit Ach und Krach und 800 Taler. Nein, da lieber Burgemeister in Owinsk.‹ Und verlobt war er ja auch schon lange.«
»Ja sieh, Hugo, das ist eben, was ich das Forsche nenne. Es war doch ein Entschluß, und seine Familie war doch gewiß dagegen und wollte einen Minister aus ihm backen. Unterm Minister tun's die guten Kleinstädter nicht, die bei der bekannten Glücksjagd, zu der wir uns alle geladen glauben, bloß den Kirchturm mit dem goldnen Hahn sehn und nicht wissen, wie weit es ist und wieviel Gräben unterwegs, um reinzufallen. Ich bin für die, die abspringen.«
»Du meinst so im allgemeinen, so theoretisch.«
»Nein, ganz praktisch. Du mußt mir eine Photographie von deinem Vater schenken; den seh ich mir dann an, so vorbildlich.«
»Aber Hans, du willst doch nicht auch Burgemeister werden. Und bist ja auch noch vorm Referendar; mein Vater hatte doch die halbe Quälerei hinter sich.
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