Er muß aus einer guten Ledergegend sein, das sieht man an allem, und hat auch eine Juchtenbriefmappe, schön gepreßt, ich rieche Juchten so gern. Und die Bücher alle sehr gut eingebunden, fast zu gut, und sehen auch alle so sonntäglich aus, als ob sie nicht viel gebraucht wären, nur sein Schiller steckt voller Lesezeichen und Eselsohren. Du glaubst gar nicht, was er da alles hineingelegt hat, Briefmarkenränder und Zwirnsfaden und abgerissene Kalenderblätter. Und dann hat er englische Bücher dastehn, das heißt übersetzte, die muß er noch mehr gelesen haben, da sind so viele Ausrufungszeichen und Kaffeeflecke, und an mancher Stelle steht ›famos‹ oder ›großartig‹ oder irgend so was. Aber nu werde ich dir den Tee aufbrühen. Du hast doch noch kochend Wasser?«
»Versteht sich, kochend Wasser is immer...«
Und damit ging Thilde und kam nach einer Minute mit einem Tablett zurück. Es war dasselbe Tablett und dieselbe Teekanne, daraus der Mieter seinen Morgentee genossen hatte.
»Das ist ein rechtes Glück, daß er Tee trinkt«, sagte Thilde und goß der Mutter und dann sich selbst eine Tasse von dem Neuaufguß ein. »Kaffee, das schmeckt dann immer nach Trichter. Aber von Tee schmeckt das zweite eigentlich am besten.« Und während sie das sagte, zerbrach sie zwei Zuckerstückchen in viele kleine Teile und schob das Schälchen der Mutter hin.
»Nimm doch auch, Thilde.«
»Nein, Mutter. Ich mag nicht Zucker. Aber du bist für süß.
Und nimm nur immer ein bißchen in den Mund. Ich freue mich, wenn es dir schmeckt und wenn du wieder dick und fett wirst.«
»Ja«, lachte die Alte. »Du meinst es gut. Aber dick und fett. Gott, Thilde, wo soll das herkommen?«
Viertes Kapitel
Um sieben war Hugo Großmann zurück. Er traf Thilde im Entree. »War wer da, Fräulein?«
»Ja, ein Herr. Er kam um die fünfte Stunde. Und ich sagte ihm, daß Sie um acht wieder dasein wollten. Da wollt er wiederkommen.«
»Gut. Und hat er nicht seinen Namen gesagt?«
»Ja doch. Von Rybinski, glaub ich.«
»Ah, Rybinski. Nun, das ist gut.«
Und acht war kaum vorüber, so klingelte es auch, und Rybinski war wieder da und wurde hineingeführt.
»Guten Tag, Großmann.«
»Tag, Rybinski. Bedaure, daß du mich verfehltest. Aber nimm Platz. Nachmittags bin ich immer unterwegs.«
»Weiß«, sagte Rybinski und schob einen Stuhl an das Sofa. »Käpernick! Wird denn diese Dauerläuferei nicht mal ein Ende nehmen? Paßt doch eigentlich nicht zu dir. Du hast entschieden mehr vom Siebenschläfer als vom Landbriefträger. Also warum pendelst du zwischen Grunewald und Wilmersdorf immer hin und her? Oder hast du jetzt eine andre Pendelbewegung?«
»Muß sich erst herausstellen, Freund. Ich bin ja erst gute vierundzwanzig Stunden hier, gestern früh angekommen, hier drüben Friedrichsstraße.
1 comment