Mir wären in einer ähnlichen Lage freilich wohl zwei Kugeln lieber gewesen als ein solches Gnadengeschenk, und die Wahrheit der Geschichte angenommen, machte ich in diesem Moment weder der König noch Kleist und am allerwenigsten Schenk sein. Besser für alle, wenn es anders und besser ist! Die zwei Goldstücke waren ziemlich verzehrt, und mein Gulden konnte ihn auch wohl nicht weiter bringen, zumal da er unter seinem zerstoßenen Brustknochen schwer atmete. So viel in die Seele des Joseph Haacke aus Dubno!

In Chechanowice, ganz nahe am Bug, hoffte der preußische Werbeoffizier an dem Jahrmarkt, der den folgenden Tag sein sollte, eine reiche Ernte. Es ist ein guter Zwickel, zwischen dem Russischen und österreichischen, wo an einem solchen Tage von allen Seiten mancher seine Freiheit vertrinkt. Auffallend war der Unterschied der Zehrung. Ich weiß, daß wir für ein Nachtlager in einem leeren Zimmer mit zerbrochenen Fenstern ohne Bettstellen und die geringste Bequemlichkeit einen goldenen Dukaten bezahlten und für ein ziemlich gutes Frühstück, das aus Warmbier und Butterbrot bestand, in einer noch leidlich reinlichen Stube, nur sechs gute Groschen.

Bialystock, der Lieblingsort des letzten Königs von Polen, ist allerdings noch das freundlichste Plätzchen auf dem Zuge von Warschau nach Grodno. Hier und in Rawa und in Widawa wird ziemlich viel und ziemlich solid gebaut; und auch in einigen andern Orten sieht man wenigstens den Anfang zur Verbesserung. Von Buckstell aus geht der Weg immer bergan bis nach Sokolka, dessen Name schon Falkenberg bedeutet, und bis nach Kusniza immer auf der Höhe fort und sodann nach Grodno wieder etwas bergab. An dem ersten russischen Passe wurden wir wohl eine Stunde wegen Vidierung der Pässe aufgehalten, und die Kosaken baten sich sogleich ein Trinkgeld aus, ohne uns nachher fortzulassen. Der Offizier des Kommandos mochte wohl den Säbel besser führen können als die Feder; denn man hätte einen Stoß Kriminalakten schreiben können, ehe wir abgefertigt wurden. Ebenso langsam ging es oben im Zollhause; aber alles sehr anständig und freundlich.

Das russische Wetter macht flink. Als ich in einem sehr kalten Winter das erstemal in Pleskow war, ging ich aus einer Gesellschaft sehr rasch nach Hause. »Bosche moi, kak skorro on beschit!« »Mein Gott, wie schnell läuft er!« rief ein kleines Mädchen hinter mir her; und ich mußte das Bosche moi noch lange nachher bei jedem raschen Gange hören. Hier in Grodno im Zollhause, wo ich lange sitzen mußte, nahm ich mein Taschenbuch heraus und schrieb mir eine kleine Notiz vom Wege hinein. »Bosche moi, kak skorro on pischit!« »Mein Gott, wie schnell er schreibt!« sagte einer der diensttuenden Unteroffiziere, indem er zugleich nach der Langsamkeit des Ausfertigers schielte.

Man schickte uns zu Herrn Harbatowsky, angeblich in das beste Wirtshaus, wo auch die Zimmer wirklich noch leidlich genug waren. Zum Abendbrot öffnete man einen ziemlich großen Saal mit einer Tafel, auf welcher ein reicher, schwelgerischer Osterschmaus stand. Es war eben dieses Fest bei den Russen. Pracht und Verschwendung waren hier beisammen. Desto spärlicher war den andern Tag die Wirtstafel. Ein Beweis, daß es wirklich wohl das beste Haus in der Stadt sein mußte: ein russischer Major brachte seine vornehmen reisenden Gäste, bekannte Kurländer, dahin, um sie zu bewirten; und er und seine Gäste und ich waren die einzigen am Tische, wo wenig gegessen und viel in fremden Zungen geflucht wurde. Die Terrine war gesprungen, kein Teller war ganz und keine Flasche hatte ihren Hals. Zum Belege der guten Ordnung dient noch, unser Pudel erhielt seine Kost in der nämlichen Schüssel, aus der wir gegessen hatten. Auch Grodno hat sich nicht gebessert. Vom Schloß bis zu den Hütten herab sieht man Verfall. Ich besuchte noch einmal das Lokale, wo man den letzten Reichstag spielte, auf dem man so viel sonderbare Dinge tat, zu denen nachher noch mehr gelogen wurde.

Von Grodno nach Kowno fuhren wir mit Juden die als die besten Fuhrleute dort bekannt sind, weil ich vergessen hatte, mir eine Podoroschne oder einen Postpaß zu nehmen, und nicht gern noch einen Tag warten wollte. Du mußt wissen, daß man hier mit einem allgemeinen Passe, und wenn er noch so diplomatisch wäre, nicht mit Post reisen kann, dazu muß man von dem russischen Gouverneur des Hauptorts, aus dem man reist, noch eine sogenannte Podoroschne haben. Der Paß ist zwar das Majus und sollte das Minus oder die Podoroschne einschließen; das ist aber nicht der Fall; und die größte Unannehmlichkeit ist, daß man meistens mit dem Postpaß etwas aufgehalten wird. Wer heute spät in Grodno oder jeder andern Gouvernementsstadt ankommt, kann nicht eher weiter reisen, als bis ihn die Polizeiverwaltung abgefertigt hat; und so ist er also oft genötigt eine Nacht zu bleiben, wo er nicht will. Dieses kleine Übel der Gesellschaft muß man sich nun wohl des übrigen Guten wegen gefallen lassen. Es ist fast überall und war auch in Warschau.