Meister Oelze

Schlaf, Johannes

Meister Oelze

 

Die große eBook-Bibliothek der Weltliteratur

 

Johannes Schlaf

Meister Oelze

Drama in drei Aufzügen

 

Personen.

Franz Oelze, Tischlermeister.

 

Mariechen, ihre Tochter.

 

Rese, seine Frau.

 

Frau Weidenhammer.

 

Emil, ihr Sohn.

 

Patschke, der Geselle.

 

Die alte Frau Oelze.

 

Frau Kramer.

 

Pauline, Oelzes Stiefschwester.

 

Zeit: Gegenwart. – Die beiden ersten Aufzüge spielen an demselben Abend; der dritte Aufzug spielt einige Tage später.

Ort: Ein mitteldeutscher Marktflecken.

Das ganze Drama in thüringisch-sächsischer Dialektfärbung.

 

 

Erster Aufzug

Ein mittelgroßes, düstres, dunkeltapeziertes Wohnzimmer mit niedriger, getünchter, rauchgebräunter Decke, die von zwei dicken Balken durchquert ist, an denen Kräuter zum Trocknen, ein Vogelbauer, Mützen usw. hängen.

In der Mitte des Hintergrundes steht ein großes Familiensofa. Darüber ein runder Spiegel; um diesen herum gruppiert Photographien und Silhouetten. Rechts vom Sofa die Kammertür; links vom Sofa eine Tür, die auf den Hausflur führt. Über ihr hängt ein großer Erntekranz aus Roggenstroh mit Blumen, Fähnchen, Schleifen und Bändern aus buntem Papier. Links von der Tür, in der Ecke, der Kasten einer alten Standuhr. – An der linken Seitenwand, zwei niedrige, tiefnischige Fenster mit Zwirngardinen und Blumenstöcken; draußen vor den Fenstern Weinlaub. Am Zwischenpfeiler, auf einem Fenstertritt, ein Tischchen mit allerlei Nähgerät. Vor jedem Fenster ein Rohrstuhl. – An der rechten Seitenwand, in der Mitte, ein großer, grünglasierter Kachelofen mit einer ringsherumlaufenden Ofenbank. Auf dem Ofen Horden, auf denen Obst dörrt. Links vom Ofen, gegen den Hintergrund, ein großer dunkelpolierter Kleiderschrank mit Vasen aus buntem Glas drauf,

Büchern und einem ausgestopften Vogel. Rechts vom Ofen, gegen den Vordergrund, ein großer, altmodisch gepolsterter Sorgenstuhl mit einer gestickten Schlummerrolle. Darüber in vergoldetem Rahmen die Photographie eines alten Mannes. – In der Mitte des Raumes steht ein großer Eßtisch mit Rohrstühlen ringsherum. Der Fußboden ist mit Läufern bedeckt.

Das Zimmer liegt in einem dämmrigen Herbstnachmittagslicht. Von Zeit zu Zeit während des Gesprächs zwischen Pauline und Mariechen noch ein flüchtiger Sonnenblick. – In Pausen Windgebrause. – Pfeifen im Schornstein. – Gegen Ende des Aufzugs steigert sich der Wind.

Vor dem Nähtischchen, nach der Tür zu, sitzt Pauline. Sie schläft, zurückgelehnt, die Hände lässig über eine Weißnäherei auf ihrem Schoß weg. Sie ist eine kräftige Frau in der Mitte der Vierziger mit hübschen derben, energischen Gesichtszügen. Glatt nach beiden Seiten gescheiteltes Haar. Ein einfaches, kattunenes Hauskleid. – Zu ihren Füßen sitzt Mariechen auf dem Fenstertritt mit einem Strickstrumpf beschäftigt.

Nach Aufgang des Vorhangs eine Pause. Dann draußen vom Flur her ein lauter, greller Aufschrei von einer Weiberstimme.

 

MARIECHEN schrickt zusammen. Mutterchen!

 

Pauline schläft weiter. Eine Weile bleibt es still; dann ein zweiter Schrei, der in ein langgezogenes Heulen verläuft. Die Schreie und das darauffolgende Heulen während des folgenden Gesprächs in Pausen.

 

MARIECHEN läßt den Strickstrumpf fallen; klammert sich an Pauline; angstvoll aufweinend.