Welch ein Zufall! Kaum hatte ich in Kairo den Staub des Dschebel Abu Tartur von mir geschüttelt, so traf ich einen Türken, welcher mich kannte und gar nicht übel von mir zu denken schien! Ich war äußerst neugierig, zu erfahren, wer er war und wo er mich gesehen hatte.
» Ja walad, dschib schischaten - he, Junge, bringe zwei Wasserpfeifen!« rief er nach hinten.
Der Negerknabe kam zaudernd herbei und stellte die Pfeifen mit möglichst langen Armen auf den Tisch; er hatte Angst vor einer Wiederholung der Ohrfeige, welche er erhalten hatte. Als er sah, daß der Türke keine zornige Notiz von ihm nahm, faßte er Mut, uns Kohlen zu reichen. Die Köpfe waren mit Tembek gefüllt, einem schweren persischen Tabake, welcher nur aus dem Nargileh geraucht wird.
» A'tina kizazaten bira nimsawijii - gieb uns zwei Flaschen
österreichisches Bier!« lautete nun der weitere Befehl. Das war eine Höflichkeit gegen mich; ich als Deutscher sollte österreichisches und kein englisches Bier trinken. Desto unhöflicher verhielt er sich gegen den jungen, denn kaum hatte dieser die Flaschen und die beiden Gläser vor uns hingestellt, so bekam er eine so kräftig verbesserte Auflage der ersten Kaffl [Ohrfeige], daß er wie eine Forelle blitzschnell quer durch den Raum und hinten zur Thüre hinausflog.
»Bu-war partschasi - der hat seinen Teil!« sagte der Türke lachend, indem er die Flaschen öffnete, um sich und mir einzugießen. Der Mann trank jedenfalls nicht zum ersten Male mit einem Abendländer, denn er stieß ganz regelrecht mit mir an. Es war Pilsener Bier, ja wirklich Pilsener, und wenn ich mich nicht irre, aus der bürgerlichen Brauerei! Liebster Orient, es wird mir langsam angst um dich! Aber trinke nur weiter, trinke immer Bier; das ist besser als der scharfe Araki, der dir das Blut vergiftet und die Nerven tötet, obgleich Muhammed ihn nicht so wie den Wein verboten hat!
Als wir getrunken hatten und die Pfeifen sich in Gang befanden, musterte der Türke mich mit einem Blicke, welcher von freundlicher Hochachtung zeugte, und sagte dann:
»Sie kennen mich nicht; darum muß ich Ihnen meinen Namen sagen. Ich heiße Murad Nassyr und wohne in Nif bei Ismir'. Ich bin Bazirgijan [Kauf-und Handelsmann]und habe mehrere Schiffe gehen. Mein Mekteb [Comptoir]befindet sich in Ismir [Smyrna]; meine Niederlagen aber sind in Nif. 0, Effendi, ich habe da schöne, sehr schöne und wertvolle Sachen, an denen sich mancher Pascha erfreut!«
Bei diesen Worten legte er die Spitzen des Daumens und des Zeigefingers an den Mund, küßte sie, schloß die Augen und schnalzte mit der Zunge, als ob er an etwas außerordentlich Schönes denke. Dann fuhr er fort:
»Aber ich bin nicht nur Bazirgijan, sondern auch Krieger. Ich habe auf meinen Reisen oft die Waffen zu führen, und es giebt keinen Menschen, der sich rühmen könnte, mich jemals besiegt zu haben. Mein Name wird Ihnen das schon sagen.«
Er hatte das mit großem Stolze gesprochen und sah mich nun erwartungsvoll an, was ich dazu sagen würde.
»Ihr Name?« fragte ich. »Meinen Sie Murad oder Nassyr?«
»Nassyr natürlich.«
»Nun, dieses Wort hat ja gar nichts mit Tapferkeit zu thun, denn es bedeutet eine Verhornung der Zehenhaut, eine Krankheit der Zehen, welche oft so schmerzhaft ist, daß man Gesichter schneidet, die gar nicht heldenhaft sind.«
Das türkische Wort bedeutet nämlich das liebliche deutsche Hühnerauge.
»Allah, Allah!« rief er aus. »In was für einem Irrtume befinden Sie sich! Das Wort bedeutet ja Sieger!«
»Das arabische Nassyr ist Sieger, nicht aber das türkische Nassyr. Sie müßten Ghalib, Fatih oder Genidschi heißen.«
»Effendi, wollen Sie mich beleidigen oder meine Wangen schamrot machen? Wie können Sie als Deutscher den Namen eines Mannes, dessen Ahnen unter den berühmtesten Sultanen ruhmvoll gekämpft haben, besser beurteilen können, als er selbst.«
»Nun gut, so irre ich mich,« lenkte ich höflich ein. »Verzeihen Sie meine Unwissenheit!«
»Ich verzeihe,« antwortete er befriedigt. »Und nun will ich Ihnen auch sagen, wo ich Sie gesehen habe. Es war in Dschezaïr [Algier], wo mein Schiff vor Anker lag. Kennen Sie dort einen französischen Kaufmann Namens Latréaumont?«
»Allerdings.«
»Sie saßen in einem Kaffeehause der Straße Bab-Azoun. Auch ich kam hin und bemerkte, daß Sie von den Anwesenden unausgesetzt betrachtet wurden. Man sprach leise von Ihnen, und als Sie fort waren, erkundigte ich mich. Ich erfuhr, daß Sie der Deutsche seien, der den Sohn Latréaumonts, welcher überfallen und tief in die Sahara geschleppt worden war, mitten aus der Schar der Henker herausgeholt hatte. Ich habe mir Ihr Gesicht genau gemerkt und Sie, als ich Sie vorhin erblickte, sofort erkannt.«
»Ich kann nicht leugnen, daß ich allerdings dieser Deutsche bin; doch hat man das, was ich that, durch das Churdebin [Mikroskop,Vergrößerungsglas,]betrachtet.«
»Nein, denn ich weiß, daß Sie die ganze große Gum [Raubkarawane]vernichtet haben; es ist Ihnen nicht ein einziger der Imoscharh oder Tuareg entkommen.«
»Ich war ja nicht allein!«
»Ein Engländer und zwei Diener waren mit Ihnen; das ist alles. Ich mußte später in Geschäften zu Latréaumont, und er hat mir die Geschichte ausführlich erzählt. Effendi, wo kommen Sie jetzt her?«
Vom Bir Haldeh im Gebiete der Uelad Ali.«
»Und wo wollen Sie hin?«
»Nach Hause.«
»Nach Deutschland? Werden Sie dort erwartet, oder haben Sie dort notwendige Geschäfte? Ein Effendi wie Sie kann aber doch keine Geschäfte haben!«
Er erwartete meine Antwort mit dem Ausdrucke großer, offen gezeigter Spannung im Gesicht.
»Nun, Geschäfte habe ich freilich nicht, und gerade mit Ungeduld erwartet mich auch niemand.«
»So bleiben Sie hier; bleiben Sie, und reisen Sie mit mir!«
»Wohin?«
»Nach dem Sudan, nach Chartum.«
Welches Anerbieten! Eine Reise da hinauf wäre die Erfüllung meines sehnlichsten Wunsches gewesen, aber leider konnte ich keinen andern Bescheid geben als:
»Ich kann nicht; es ist mir unmöglich, zu bleiben; ich muß heim.«
»Warum aber, da weder ein Geschäft noch ein Mensch Sie ruft?«
»Dieser hier treibt mich fort,« antwortete ich, indem ich auf die Tasche schlug und den Lederbeutel zog, um ihm denselben vor der Nase zu schütteln. »Soll ich Ihnen die Krankheit, an welcher diese Börse leidet, türkisch oder arabisch nennen? Es ist die Sill, die Zajyflanmal [Schwindsucht], ein Übel, welches nur in der Heimat geheilt werden kann. Das heißt mit anderen Worten, daß mein Geld nur noch zu einem kurzen Kamelritt nach Suez und dann zur schleunigen Heimkehr reicht.«
Ich erwartete natürlich ganz bestimmt, daß er nun die Angelegenheit auf sich beruhen lassen werde, hatte mich aber geirrt, denn er meinte:
»O, Ihnen kann es nicht am Gelde fehlen. Wenn Sie zur Bank von Ägypten in der Muski, zu Oppenheim und Compagnie in der Esbekijeh oder zu Tod, Rathbone und Compagnie am Rosette-Garten gehen, so bekommen Sie sofort, was Sie verlangen.
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